Schwiegeroma akzeptiert nur uns als 'Entertainer'

/ Sozialpartner.

Hallo,

versuche, mich kurz zu fassen:

Die Oma meines Freundes ist 86, sie hat an Verwandtschaft nur noch Kontakt zu ihren Enkeln und deren Kindern. In nächster Nähe wohnen wir (Enkel + ich + unsere drei kleinen Kinder), wir sind fußläufig für sie zu erreichen. Die anderen besuchen sie gelegentlich.

Sie wohnt in einem modernen und sehr gut ausgestatteten großen Altenheim, das sehr viele kulturelle Angebote, schwimmen, Ausflüge, Kino, alles mögliche anbietet.

Nichts davon nimmt sie wahr - aber sie steht nahezu täglich (sicherlich 5 Tage pro Woche) nachmittags bei uns auf der Matte, völlig spontan, setzt sich dann auf unser Sofa und erwartet Unterhaltung von uns.

Wir nehmen uns die Zeit, die Kinder spielen herum, sie beobachtet sie (sie hat KEINE Betreuungsaufgaben! nicht eine Minute!) dabei, sie möchte, dass mein Freund ihr was auf dem Klavier vorspielt - aber großartig unterhalten kann man sich mit ihr nicht, weil sie immer auf zwei, drei nicht gerade anspruchsvollen und inhaltsreichen Themen bleibt.

Wenn sie nach ein paar Stunden wieder geht, ist sie oftmals traurig, zeigt das uns aber nicht (wir bemerken es, wenn wir ihr noch etwas Vergessenes hinterhertragen oder so, sie will dann um 17 Uhr ins Bett gehen, weint o.ä.). Sie will mit den Leuten im Altenheim nichts zu tun haben, obwohl dabei wirklich nette Leute, die wie sie seit 60 Jahren im Ort wohnen, sind. Sie lehnt alle Angebote seitens des Heims ab, ist da wirklich schwer zu motivieren. Sie ist nicht mehr besonders gut zu Fuß, aber es gibt zig Dinge, die sie da trotzdem tun könnte. Macht sie nicht.

Es geht mir nicht darum, dass sie uns „nervt“ (obwohl sie das natürlich tut, dadurch, dass sie fast täglich zwischen 13 und 21 Uhr hier klingelt und stundenlang hier sitzt und wir in der Zeit aus Höflichkeit nichts anderes machen können). Es geht mir auch darum, dass es für sie selbst offensichtlich deprimierend ist, in Langeweile zu leben, nichts zu tun zu haben, sich selber zu isolieren.

Habt Ihr Anregungen, was wir für sie tun können, wie wir sie aus dieser sozialen Isolation herausholen können? Es geht nicht darum, sie zwangsweise in eine Art Karnevalsverein zu schubsen; sie ist selbst unglücklich, aber schwer zu motivieren.

LG

Schnägge

Servus,

was hat sie denn gesagt, als Du sie gefragt hast, was sie in und mit dem Heim so unglücklich macht?

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo,

für mich zeigt Ihr schon überdurchschnittlich viel Verständnis. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das auf längere Zeit nicht Eure Familie/Beziehung belastet. Zum anderen: Das geht schon eine Weile so und Ihr habt es auch nicht nur zugelasssen, sondern durch Eure Gutmütigkeit bzw. keine Grenze setzen den Anstrich des Normalen gegeben.

Sorry, bei aller Liebe, aber ich finde es eben nicht normal, wenn sie täglich erscheint! Und obwohl sie jeden Tag bei Euch ist, ist sie nicht glücklich. Das zeigt doch, dass die Gründe zu grossen Teilen woanders liegen. Hat sie konkrete Problem mit dem Heim oder Heimbewohnern? Ist es das GEfühl, keine Aufgabe mehr zu haben? Oder ist es der Abschied von ihrem alten Leben? Das Spüren der letzten Lebensphase? - All das wären Dinge, bei der Ihr ihr helfen könnt, aber da müsstet Ihr gemeinsam einen Weg finden, der für alle akzeptabel ist. Und da hilft alles nichts: Da muss man m.E. auch drüber sprechen und es nicht tabuisieren. Und Ihr müßt Grenzen setzen.

Also: Überlegt Euch, wozu Ihr bereit wäret auch über längere Zeit.
Das können Ihre Besuche bei Euch sein, das können Eure Besuche bei ihr sein, das können gemeinsame Ausflüge sein. Wenn Ihr wisst, zu was Ihr maximal dauerhaft bereit seid, führt ein liebevolles Gespräch mit
ihr, in dem ihr es mitteilt bzw. die Vereinbarung mit ihr trefft.
Wenn es dann auch mal ein Besuch mehr von Euch ist, wird sie sich freuen. Keine Frage, erst einmal wird es ihr sehr weh tun. Aber ich fürchte, wenn Eure Familie weiterhin funktionieren soll, geht es nicht anders.

Gruss, hemba

Alternative: Senioren-WG
Hallo Schnägge,

meine verstorbene Oma mied bestimmte Speiseräume im Heim – weil es Bewohner gab, die stänkerten und über andere Bewohner herzogen. Eine Weile lebte sie mit einer Zimmernachbarin zusammen, die sich breitmachte, alles mit düsteren Bildern dekorierte und meine Oma herumkommandierte. Einmal, da war meine Oma schon sehr krank und bekam nicht mehr viel mit, schenkte ich meiner Oma Blumen. Da sagte die Nachbarin: „Na, der braucht man keine Blumen schenken, die kriegt die doch eh nicht mit und gießt die nicht.“ Alte Menschen *können* sehr gemein sein.

Ich würde die Oma mal darauf ansprechen – oder auch einfach mal das Gespräch mit Pflegenden und/oder der Heimleitung suchen, ob es Konflikte (mit Pflegenden oder Bewohnern) gibt, denen die Oma aus dem Weg gehen will. Vielleicht erwartet Oma gar keine Unterhaltung, sondern flüchtet? Irgendwie vermute ich so etwas, weil die Oma beim Gehen traurig ist. :frowning:

Wurde die Oma denn bei der Suche des Heims einbezogen? Vielleicht schaut ihr euch mal nach einer _ Senioren-WG _ um. Die sind in der Regel von Pflegediensten betreut, und jeder übernimmt dort Aufgaben nach seinen Fähigkeiten, d.h. NIEMAND sitzt untätig und gelangweilt herum. Ich habe berufsmäßig solche WGs besucht und finde die wirklich klasse. Ist zuweilen, im Vergleich, was das Heim meiner Oma gekostet hat, auch günstiger.

Viele Grüße
sgw

Hallo,

was hat sie denn gesagt, als Du sie gefragt hast, was sie in und mit dem Heim so unglücklich macht?

Ich glaube, die Frage braucht man nicht wirklich stellen.

Es i s t nicht sehr schön, in einem Altenheim zu leben, wenn man noch ein bisschen körperlich und/oder geistig fit ist und die siechenden um sich hat. Da will man nur raus und da mag das Angebot vermeintlich noch so altengerecht sein.

Es ist ganz schwer, vor allem für die, die im Kopf fit sind.

Grüße

Hallo Schnägge,

ich kann Dich sehr gut verstehen. Meine Oma (fast 92 Jahre) wohnt seit dem Tod ihres Lebensgefährten (2009) bei meiner Mutter (ich wohne nebenan).

Die ersten Monate waren „schrecklich“. Sie ließ sich zu nichts motivieren und sagte immer nur: „Ich kann das nicht mehr!“, „Ich will das nicht mehr!“, obgleich sie hier im Ort genügend Bekannte hatte.

Da die Gesprächsthemen auch recht beschränkt sind, haben wir irgendwann das gemeinsame „Spielen“ entdeckt. Jetzt ist es für sie fast schon selbstverständlich, dass wir vor oder nach dem Abendbrot noch eine Runde Karten oder Halma spielen, wenn ein gutes Lied im Radio läuft, fordere ich sie zu einem Tänzchen auf. Meine Mutter (leidenschaftliche Leseratte und Rätselfreak) lässt immer mal wieder ein Buch liegen und schwärmt von dem Inhalt, so dass meine Oma auch mal zugreift. Sie bekommt abends meinen Kater auf den Schoß gesetzt, der leidenschaftlich gern mit ihr schmust! :smile:

Seitdem ist sie um einiges entspannter!

ABER: Fällt das Unterhaltungsprogramm mal aus (weil ich arbeiten muss oder Verabredungen habe oder meine Mutter übers Wochenende bei einer Freundin ist), wird sie fast bockig, aber nicht traurig! :smile:

Aber diese Auszeiten müssen für die Angehörigen sein! Dann ist sie eben mal bockig/traurig! Das muss man als Angehöriger auch aushalten können, um sich selbst zu schützen!

Ihr kümmert Euch schon genug!

Mein Vorschlag wäre, ihr bei den Besuchen auch kleine Verantwortungen zu übertragen: „Oma, könntest Du mal kurz auf die Kinder aufpassen, ich muss ein wichtiges Telefonat führen!“, oder sie an etwas erinnern, was sie wirklich gut konnte: „Oma, Du hast doch früher immer so leckere Hefeknödel gemacht, kannst Du mir zeigen/sagen, worin Dein Geheimnis bestand?“. Lach, ich habe hier eine alte „Tierstrickjacke“, die schon recht löcherig ist. Meine Oma kritiserte es, und ich meinte: „Ich kann das nicht, macht bei meinen Tieren ohnehin keinen Sinn!“ „Dann gib sie mir, ich mache das!“

Vielleicht findet Ihr ja wirklich auch ein Gesellschaftsspiel, was sie früher gern gespielt hat, spielt es mit ihr und vielleicht findet Ihr im Heim Gleichgesinnte?

Ich weiß ja nicht, wie alt Deine Kinder sind, aber sie könnten die Uroma beim Klavierspiel Deines Mannes ja auch mal zum Tanz auffordern? Vielleicht kommt die Oma auf den Geschmack und das Altenheim bietet Tanztee an?

Wenn sie so viele Leute im Altenheim kennt, dann sagt doch mal: „Frau xy habe ich ja schon lange nicht mehr gesehen! Bring sie doch das nächste Mal auf einen Kaffee mit!“

So könnt Ihr sie hoffentlich etwas in ihr neues Leben führen, das nicht ausschließlich aus Euch besteht.

Für Euch wird es auf Dauer definitiv so nicht tragbar sein!

Viele Wochenendgrüße

Kathleen

Was ich tun würde
Hallo Schnegge
Ich würde sagen das sie nciht jeden Tag zu dir nach hause kommen soll weil ihr auch noch andere sachen zu tun habt und das du auch mahl zeit für dich brauchst. Und das sie nicht traurig sein braucht und das ihr sie 1-2 mahl in der Woche besuchen kommt und das sie ja mahl fersuchen soll mit den Leuten kla zu kommen

Servus,

Ich glaube, die Frage braucht man nicht wirklich stellen.

in einer Familie, in der man nicht mit- sondern übereinander redet (wie das halt leider in so gut wie allen Familien ist), muss man diese Frage im Gegenteil ganz dringend stellen.

„Dabei hat sie doch alles“ ist und wirkt in dieser Richtung rum genauso brutal wie der hilflose Kommentar „Dabei hatte er doch alles“ zum Suizid eines Fünfzehnjährigen: „Alles konnte Fritzchen haben, was er seine Eltern bat: Apfel-, Birnen-, Zwetschgenkuchen - aber niemals guten Rat.“

Rein technisch-sachlich ist übrigens eine gute Unterkunft in einem Altenheim auch dann realisierbar, wenn man sie im Augustinum nicht bezahlen kann. Aber technisch-sachliche Aspekte kann man überhaupt erst erörtern, wenn man gelernt hat, miteinander zu reden. Das ist zwischen Eltern und Kindern ein anstrengendes und gar nicht so sehr erfolgversprechendes Vorhaben, aber es lohnt sich allemal.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Hallo,
ich fasse mich ebenfalls kurz.

Ich habe lernen müssen, dass manche(!) alte Menschen nur noch ganz wenige Bezugspersonen um sich herum brauchen können.
Sie wollen Beständigkeit und Sicherheit: Essen, trinken, schlafen und vertraute Gesichter. Nichts sonst.
Nicht pralles Leben, Abwechslung, und Spiel und Spaß jeden Tag.

Wenn ich Dir raten dürfte: Akzeptiert die Oma, wie sie ist. Ewig wird es eh nicht mehr dauern. Wenn sie jeden Tag kommt, so erwartet sie ganz sicher nicht, dass Ihr sie irgendwie unterhaltet oder dauernd bespaßt. Sie will sicher bloß einfach so „bei Euch sein“.
Das schließt nicht aus, dass Ihr ihr kleinere Aufgaben übertragt. Z.B. Brote belegen, Kartoffeln schälen oder den Tisch decken. Eher zu ihrer Beschäftigung, als zu Eurer Entlastung.

Habt Geduld.
Und seid versichert, die besten Unterhaltungsangebote und die nettesten Bekannten in einem Heim ersetzen nicht das bisschen Zugehörigkeitsgefühl zu einer Familie.

Liebe Grüße
Maralena

Servus,

wenn Dir jemand in der Zeit zwischen Deinem zehnten und dem fünfundzwanzigsten Lebensjahr, die wahrscheinlich noch nicht sehr lange zurück liegt, gesagt hat, dass Du über wasauchimmer „nicht traurig sein brauchst“: Hat das geholfen? Warst Du dann nicht mehr traurig?

Unabhängig davon: Sind Dir mal Leute in den Achtzigern begegnet, die mit ihrem täglichen Leben scheinbar prima zurechtkommen, aber sich von einem Tag auf den anderen an nichts mehr genau erinnern können, d.h. überhaupt nicht wissen, dass sie am Tag zuvor auch schon da waren oder angerufen haben, und die mit so einem Abstraktum wie „ein oder zwei Mal die Woche“ gar nichts anfangen können, auch wenn sie nach außen hin ihre Schwierigkeiten mit der Orientierung in Raum und Zeit perfekt dissimulieren?

Was genau würdest Du also in der beschriebenen Situation tun?

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

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Liebe Schnägge, auch bin eine Oma, im Vergleich noch relativ jung.

Eine Oma ist nicht auf einmal da, sondern war ein junges Mädchen, eine junge Mutter und hatte ein vielfältiges Frauenleben mit einer Menge Verantwortung und Fleiß (auch mit beruflicher Tätigkeit)zu stemmen.
Jetzt bist Du (stell es Dir vor) alt und hast keine wirtschaftliche Bedeutung mehr. Du wirst zum Kuriosum. Es fängt ganz heimlich an: Toll! Deine Mutter, trotz ihres Alters! Das hörst Du dann, weil man denkt, Du freust Dich darüber.
Da heißt es langsam, Abschied nehmen von der Gesellschaft. Das tut weh und ist eine Ausblendung und Missachtung Deines bisherigen Lebenleistung.
Deine Schwiegeroma möchte nicht unterhalten werden, sondern einfach nur als geachtetes Familienmitglied dabei sein. Und wie einige hier schrieben, bezieh sie doch ein in die tägliche Arbeit (auch Betreuungsaufgaben), damit sie wieder irgendeine Bedeutung bekommt, die sie ihr ganzes Leben (zu Gunsten der ganzen Familie) bisher hatte und den Respekt daraus erfuhr.
Sie kann doch auch eine wirkliche Hilfe sein, wie sie in der Vergangenheit doch auch alle versorgt und gechützt hat.
Gibt es eine Möglichkeit, sie mit Pflichten einzubeziehen?
Sieh mal, auf dem Land sind alle Alten mit Aufgaben betraut und deshalb ein nützlicher und hoch respektabler Teil der Familie.
Trau ihr enfach was zu und lass Dir von ihr helfen. (Ist vielleicht sehr romantisch gedacht, weil ich die Schwiegeroma nicht kenne, ich hab nur so mal aus meiner Sicht geschrieben.)
Nebenbei…ich hätte keine Probleme ohne Pflichten, aber das ist ein anderes Thema…schmunzel.

LG Sylvia (uff, das war ja mal ein langer Beitrag)

Hallo,

versuche Dich einmal in ihre Lage zu versetzen. Denn das kann ganz erhellend auch dahin gehend sein, akzeptieren zu müssen, dass man selbst irgendwann auch in einer vergleichbaren Situation sein wird.

Stell Dir vor, Du musstest nach einem langen, aktiven Leben die Selbständigkeit einer eigenen Wohnung mit deren lebendigem, bunt gemischten Umfeld aufgeben. Keine täglichen Verpflichtungen mehr, aber eben auch keine Bestätigung mehr durch die erledigten Aufgaben, keine Dankbarkeit mehr von Kollegen für gut erledigte Arbeit und von der Familie für ein tolles Sonntagsessen. Keine Möglichkeit mehr vom einen ins anderen Zimmer zu gehen, keine Beschäftigung mehr mit all den Dingen, die man abgeben musste beim Einzug in so eine Einrichtung.

Dafür um einen herum massenhaft alte und gebrechliche Leute. Krankheit, Siechtum und der Tod werden zum ständigen Begleiter. Denn so schön die Einrichtungen auch sein mögen, und so viel Einsatz das Personal da auch bringen mag: Die Leute gehen immer später in die Einrichtungen, und die tollen Aktivitäten, die angeregten Gespräche am Kamin mit lebenserfahrenen, interessanten Menschen, die man sich als junger Mensch in solchen Einrichtungen vorstellen mag, sind eher die Ausnahme, weil es dafür einfach an der passenden Klientel mangelt.

Stattdessen führen Dir von früh bis spät zunehmend dement werdende Mitbewohner vor Augen, wo die Reise auch für Dich hingehen könnte. Erst wissen sie nur die Uhrzeit nicht mehr, dann erkennen sie Dich nicht mehr, und schließlich hörst Du aus den Nachbarzimmer den ganzen Tag nur noch Rufe nach „Mama“. Die gerade gewonnene Vertraute stirbt plötzlich und unerwartet, „glücklich“ einen gnädigen, schnellen Tod durch einen Herzinfarkt. Die Tischnachbarin quält sich noch monatelang mit Darmkrebs, und wird mehr und mehr durchsichtig, bevor sie recht jämmerlich verstirbt.

Dann fängst Du an zu rechnen: Wie sieht das aktuelle durchschnittliche Sterbealter in deinem Umfeld aus, und wie weit bist Du noch davon weg, oder wie weit bist Du da ggf. sogar schon drüber hinaus? Schafft Dich die nächste Grippewelle, oder was hatte die Geschichte heute morgen auf dem Klo zu bedeuten? Der Tod ist gewiss, nur sein Zeitpunkt eben nicht, aber Du weißt, dass Du irgendwann den Punkt erreicht hast, an dem Du nicht mehr in Jahrzehnten, sondern nur noch in Jahren rechnen kannst. Beim Aufstieg in die Top-10 der ältesten Bewohner hörst Du schon leise das Zischen des fallenden Beils. Und dabei willst Du nicht trübsinnig bis depressiv werden?

Und dann ist da eine junge Familie in greifbarer Nähe, die es gestattet, das alles mal für ein paar Stunden auszublenden. Aber klar, die muss ihr eigenen Leben leben, kann nicht nur Entertainment sein, oder sich um die alte Oma kümmern. Nur bedeutet dass natürlich am Ende eines jeden solchen Tages eben auch, dass einer dieser kostbaren letzten Tage eben kein Highlight beinhaltet hat, was mehr als nur die Ablenkung im Moment gebracht hätte. Keine darüber hinausgehende Befriedigung, die noch etwas nachwirken würde, … Vielleicht aber sogar das Gefühl, anderen zur Last gefallen oder unerwünscht gewesen zu sein. Auch das macht dann traurig.

Vielleicht würde ein offenes Gespräch über Omas Ängste, Sorgen und Nöte und ihre Wünsche an solchen Nachmittagen helfen. Findet realistische Szenarien bzgl. Häufigkeit und Inhalten. Fragt, ob es Oma lieber wäre, Aufgaben zu übernehmen und Verantwortung zu tragen, für die es dann auch Bestätigung gibt, anstatt gerade hiervon entlastet zu werden. Oder fordert sie direkt (entsprechend ihren Möglichkeite) ein. Waffeln, Pfannkuchen oder Kuchen backen, kleine Handarbeiten, Hilfe bei der Essensvorbereitung oder Wäschepflege, Kontrolle von Hausaufgaben, … sind für alte Menschen oft weit weniger Last als Lust, weil sie dadurch das Gefühl haben, gebraucht zu sein. Und manche Klage, über viele Arbeit und schmerzende Glieder ist eigentlich das schönste Lob dafür, dass man ihnen einen erfüllten Tag bereitet hat, wenn man in der Lage ist, zwischen den Zeilen zu lesen.

Gruß vom Wiz

Rein technisch-sachlich ist übrigens eine gute Unterkunft in
einem Altenheim auch dann realisierbar, wenn man sie im
Augustinum nicht bezahlen kann.

Hallo BP,

obwohl ich dir im Übrigen zustimme, kann ich hier nicht ganz folgen und wäre für eine Erörterung dankbar.

LG
sine

Hallo,

also zur Vorgeschichte: mir ist klar, dass ich irgendwann auch alt werde. Und es ist nicht so, dass sie „plötzlich“ nur noch unter alten Leuten ist, und Demente sind noch nicht mal in der Einrichtung unterwegs.

Sie hat die letzten 10 Jahre mit ihren erwachsen werdenden Enkeln verbracht, ihr Lebensinhalt bestand aus Einkaufen für sich selbst und daraus, ihrem einen 25jährigen spätpubertärem Enkel nachzustellen (sie hat sogar seine Schuhe versteckt, um ihn davon abzuhalten, in die Disko zu gehen). Der wird jetzt auch allmählich selbständig und studiert auswärts.

Gesellig war sie noch nie. Es hat sie also niemand aus einem wohligen Umfeld „rausgeekelt“. Sie war immer recht eigenbrötlerisch und mied den Kontakt zu anderen, sie war z. B. nie in einem Verein, Treffen mit Gleichaltrigen, hat irgendwas Geselliges unternommen oder hat auch keine Freundschaften hier im Ort - trotz 50jährigen Wohnens hier.

Sie klagt über ihre Einsamkeit, aber das kam nicht plötzlich. Und wenn man ihr sagt, dass dort doch AUCH viel geboten wird (mehr jedenfalls als sich um 17 Uhr nölige müde Kleinkinder anzuhören), dann sagt sie, da sei keiner mit dem sie was zu tun haben wolle. 250 überwiegend geistig sehr rege, gebildete Leute - aber NIEMAND, um sich zu unterhalten? Sie ist diejenige, die sich isoliert.

Hallo,

ja, das eine oder andere könnte sie machen. Die Kinder sind zwei und vier, neigen zu der Zeit, in der sie kommt, auch zu Nörgeligkeit, weil sie dann allmählich müde wird.

Betreuungsaufgaben würde ich ihr aus zwei Gründen nicht übertragen: Erstens wäre sie damit überfordert, weil sie ihnen einfach nicht gewachsen ist (z. B. wenn sie auf dem Sofa rumtoben, hüpfen, sich mal kabbeln etc.). Zweitens sind Schläge oder Wegsperren ihre Patentlösung. Da kommen wir nicht weiter.

Aber ich kann durchaus mal versuchen, sie irgendwo einzubinden - meine Kinder dürfen ja auch mal den Kochtopf umrühren, auch wenn sie es nicht „gewissenhaft und perfekt“ machen. :wink:

Danke!

Dazu fällt mir auch noch was ein:

  1. Ausflüge

Sie kommt ja unangemeldet, d. h. auch manchmal, wenn ich z. B. grad auf dem Sprung bin, mit den Kindern zum Laternenfest im Kindergarten zu gehen oder sowas. Dann beschließt sie, dass sie mitkommt. Ok, will mal nicht so sein, komm halt mit. Aber längere Strecken kann sie nicht laufen, und sie ist dann ziemlich schnell am Herumnölen und sagt dann „Wir wollen jetzt wieder nach Hause fahren.“

  1. Besuche

Sie hat die merkwürdige Angewohnheit, dass wenn sie mitkriegt, dass wir Besuch haben oder zu bekommen, sie dann im Garten herumschleicht, so dass man sie quasi sehen MUSS, und dann, darauf angesprochen, sagt, sie wolle ja nicht stören etc., sie gehe jetzt sofort wieder usw. - also quasi „Sagt, dass ich hier bleiben kann“.

Weihnachten hat sie IMMER selbstverständlich mit uns gefeiert, die ganze Familie trifft sich schon immer Heiligabend bei uns im Haus, das ist Gewohnheitsrecht. 2012 schlich sie wieder im Garten herum, und als mein Freund sie ansprach, sagte sie, sie sei ja nicht eingeladen gewesen und wolle nur kurz Geschenke abgeben und gleich wieder gehen usw. :-/ Wir haben dann alle - natürlich - gesagt, dass wir mit ihr gerechnet haben, wie jedes Jahr, und dass sie doch nun endlich mal reinkommen soll, ist doch ganz normal (Geschenke hatte sie nicht dabei, hat niemand erwartet, die Kinder bekommen ja eh mehr als genug; aber was soll dieses Kokettieren?)

Servus,

die Augstinum-Wohnstifte habe ich als Exempel dafür angeführt, dass man einigen für Wohnen im Alter typischen Problemen mit einem klugen Konzept begegnen kann, so dass Wohnen im Alter nicht automatisch beklemmend und elend wirkt. Nun ist es so, dass Wohnen in einem Augustinum-Wohnstift nicht für gar so viele Leute bezahlbar ist - aber vieles aus dem Augustinum-Konzept ist zu geringen Kosten umsetzbar, und das geschieht auch; freilich zu wenig.

Aber grundsätzlich braucht es technisch keine bedeutenden Mittel, um Raum für den eigenen Willen, die eigene Entscheidung und die eigene Würde zu schaffen. Die Möglichkeit, nach Belieben alleine zu sein, wäre z.B. für mich ein wichtiges Kriterium dafür, ob ich ein Altenheim akzeptiere. Der im vorgestellten Fall Betroffenen scheint das ähnlich zu gehen - aber das ist spekulativ.

Es wird halt nichts daran vorbei gehen, dass die Leut miteinander reden.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Liebe/r Schnägge, das beste Heim kann die eigene Familie nicht ersetzen. Sicher ist es eine Belastung.
Man arbeitet, kümmert sich zusätzlich um Haushalt und Kinder und dann muß man sich noch Freizeit für Oma im Heim abknappsen. Das kann schon in Stress ausarten. Wenn sich Oma nicht eingewöhnen will… Tatsache ist, Oma war mal eine eigenständige Person, hatte mal ein eigenes Zuhause, in dem sie tun und lassen konnte, was sie wollte. Jetzt ist sie eine von Vielen, ständig wird sie bevormundet, redet ihr jemand zu, was sie tun soll.
Sie sieht nur alte Leute und das Personal. Die Familie ist ihre letzte Anbindung an das Leben, dass sie vorher hatte…
Nehmt Euch die Zeit, macht eine regelmäßige Besuchszeit aus, damit sie sich darauf freuen kann.
Ihr seid die Lichtblicke!!!

etwas OT
Guten Tag,

ich bin über die vielen verständnisvollen Beiträge (Verständnis für die Oma) verwundert und ein bisschen skeptisch, ob die alle so ehrlich sind oder eben nur Trockenübungen ohne Erfahrungen mit vergleichbaren Situationen. ICH könnte das nicht jeden Tag aushalten, egal, ob der Besuch von der (einsamen) Oma aus dem Altenheim oder der freundlichen Nachbarin von unten oder von meiner Schwester kommt

Mit anderen Worten: nein, ich habe kein Lösung.

Aber einen Gedanken, der zwar nicht vom Thema wegführt, aber auf mich gerichtet ist: ich möchte nicht meinen Lieben (auch nicht meinen entfernt-Lieben oder nur Bekannten) je so auf die Nerven fallen. Möchte nicht, dass man soviel Verständnis für mich hat, wie hier geheuchelt dargebracht wird, denn auch das empfinde ich als eine Bevormundung und fast eine Entmündigung, à la „lass mal das arme Mütterchen, das kann nicht anders, und dem geht’s ja soooo schlecht“. Ich möchte auch nicht, dass irgendwann auf meiner Beerdigung hauptsächlich Seufzer der Erleichterung zu hören sind.

Ja, ich bin gern selbstständig, aber ich sehe nun in einem (gut geführten) Heim nicht die totale Katastrophe. Ich habe in meinem Leben gelernt, dass - wenn man anderen Menschen eine Chance gibt - sie einen meist positiv überraschen. Nur als Beispiel: bei uns im Dorfchor kam ich mir sehr exotisch und weltoffen vor gegenüber den alteingesessenen Dörflern. Nun, diese Arroganz durfte ich schnell schlucken, als wir mal zusammensaßen und einige Lebensgeschichten angedeutet wurden. Die Generationen die jetzt so 60+ sind, sind eben selten die Spießbürger in allen Bereichen, die wir Jüngeren erwarten.

Von daher: man kann Oma auch sagen, dass sie nervt. Das bedeutet nämlich auch, sie weiterhin ernstzunehmen. Jedenfalls hoffe ich, dass man mich bis zum Ende „für voll“ nimmt und dass ich in der Lage sein werde, meine Fähigkeiten einzuschätzen und meine Freiheit und Unabhängigkeit nicht daran festmachen werde, ob ich alles alleinmachen kann.

MfG
GWS

also, mein Grundwortschatz:

Heuchelei möchte ich mir hier eigentlich nicht vorwerfen lassen. Natürlich nervt Oma…ich fände es nur besser, wenn sie eh schon fast jeden Tag kommt, ihr Aufgaben zu übertragen, anstatt ihr aus Höflichkeit mehrere Stunden gequält gegenüber zu sitzen.

Aus meinem Leben: wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, war meine Mutter da und hatte alles durchgesaugt, gewischt, gewienert. O-Ton: „hier muss mal Grund rein“. Auch habe ich sie oftmals bügelnd angetroffen (wundervoll).

Schön, auch sie hat genervt, einfach weil sie mal wieder da war, ohne mich zu fragen oder sich anzukündigen, aber meine Bude war sauber, so gesehen hatte ich nur Vorteile von ihrem Einsatz.

Nun ist die hier angesprochene Oma schon älter, aber irgendwas kann sie bestimmt noch und wenn man sich dann darüber freut, ist es für sie gut. Am besten, man macht sich vorher Gedanken, womit man sie betrauen kann. Es sind Enkel da, die vielleicht mal ne Geschichte hören wollen, Kartoffeln müssen geschält werden, der Zwerghamster braucht Futter…es wurde schon lange nicht mehr staubgewischt…kannst du mir bitte mal helfen? Post aus dem Briefkasten mitbringen…irgendwas eben…

Den Zutritt kann man ihr jedenfalls nicht verbieten, kommen wird sie so und so, also muss man das Beste draus machen…und ihr sagen, dass sie nervt, könnte ich nicht übers Herz bringen…neee

Schöne Grüße, Sylvia