Seele und Abtreibung

Von Gläubiger Seite wird oft das Argument gegen Abtreibung hervorgebracht, dass eine befruchtete Eizelle bereits eine Seele enthalte.
Aber wie genau ist das ein Argument gegen Abtreibung? Die Seele ist doch unsterblich, oder? Was geschieht mit der Seele nach der Abtreibung?

(Ich bin Atheist und diese Fragen mögen albern klingen, sie sind aber durchaus ernst gemeint.)

Ratzinger versus Limbus puerum
Hi.

Von Gläubiger Seite wird oft das Argument gegen Abtreibung hervorgebracht, dass eine befruchtete Eizelle bereits eine Seele enthalte.
Aber wie genau ist das ein Argument gegen Abtreibung?

Aus christlicher Sicht ist eine Abtreibung ein illegitimer Eingriff in „Gottes Plan“ mit der Seele des Neugeborenen.

Was geschieht mit der Seele nach der Abtreibung?

Ich subsumiere den Sonderfall des Todes eines ungeborenen Kindes unter die Kategorie „Kindstod“. Dazu folgendes:

Bis 2007 galt in der katholischen Kirche die Auffassung, dass die Seelen ungetauft verstorbener Kinder im „limbus puerum“ (auch limbus infantium) landen, d.h. an einem Ort am Rand der Hölle ohne Qualen, aber auch ohne ´Selige Schau Gottes´ (visio beatifica), der für sündlose Kinder, die aber die „Erbsünde“ in sich tragen, bestimmt ist. Da Theologen immer einen Sinn für Hintertürchen haben, ersannen sie aber auch den Ausnahmefall, dass Gott einen speziellen Plan mit einer Kinderseele haben könne, der es dem Heil des Paradieses zuführt.

2007 setzte Ratzinger aka Benedikt XVI. eine Kommission ein, welche dieses Dogma prüfte und, in Übereinstimmung mit Ratzingers Intention, in dem Sinne abschwächte, als es nicht mehr als offizielle Lehrmeinung gilt, sondern nur als mögliche Hypothese. Eine biblische Grundlage hat das Dogma ohnehin nicht.

Chan

unwesentlich und letztlich ungeklärt
Hallo,

mit der Seele von abgetriebenen Embryos passiert das Gleiche wie mit allen Seelen.
Die Vorstellung davon, was eine Seele überhaupt ist und was mit dieser vor während und nach dem biologischen Tod ist, ist mindestens umstritten, wenn nicht sogar fast völlig spekulativ.

Im Zusammenhang mit Abtreibungen geht es bei aller Unklarheit der Details jedoch darum, dass mit der Feststellung, dass ein Embyo jederzeit schon eine Seele hat, es sich um einen Menschen und nicht um einen bloßen Zellhaufen ohne Individualität und personale Eigenschaften handelt.

Indem mit der Seele das wesentliche Merkmal des Menschen gegeben ist und damit dieser Mensch ein durch Gott geliebtes und gewolltes Geschöpf ist, steht dessen Leben unter Gottes besonderem Schutz - als Anspruch an die Mitmenschen.

Gruß
Werner

Hallole,

zu diesen und ähnlichen Fragen möchte ich dieses Buch empfehlen:

http://www.amazon.de/Eunuchen-f%C3%BCr-das-Himmelrei…

_… Seit Ende des 19. Jahrh. … setzte sich die Meinung von der Beseelung des Embryos schon im Augenblick der Empfängnis durch und damit eine von dieser Sicht bestärkte Ablehnung der Abtreibung im frühesten Stadium, erst recht in einem späteren Stadium.

Bis Ende des 19. Jahrh. war in der Theologie die Lehre von der sog. Sukzessivbeseelung vorherrschend gewesen, dergemäß der männliche Embryo seine Seele ca. am 40. Tag, der weibliche ca. am achtzigsten Tag erhält… Deshalb unterschied bis Ende des 19. Jahrh. das Kirchenrecht zwischen dem Fetus animatus und dem festus inanimatus, also dem beseelten und dem unbeseelten Fetus. Nur die Abtreibung eines beseelten Fetus wurde mit der Strafe der Exkommunikation belegt. …_

Egal ob gläubig oder ungläubig: Das Buch ist einfach lesenswert.

Schöne Grüße

vV

mit der Seele von abgetriebenen Embryos passiert das Gleiche
wie mit allen Seelen.
Die Vorstellung davon, was eine Seele überhaupt ist und was
mit dieser vor während und nach dem biologischen Tod ist, ist
mindestens umstritten, wenn nicht sogar fast völlig
spekulativ.

Ich als Atheist und Naturalist gehe ja nicht davon aus, dass es sowas wie eine vom Körper unabhängige Seele gibt. Aber die einzelnen, diversen religiösen Institutionen müssten doch eine relativ klar definierte Lehrmeinung dazu haben, oder?

Im Zusammenhang mit Abtreibungen geht es bei aller Unklarheit
der Details jedoch darum, dass mit der Feststellung, dass ein
Embyo jederzeit schon eine Seele hat, es sich um einen
Menschen und nicht um einen bloßen Zellhaufen ohne
Individualität und personale Eigenschaften handelt.

Indem mit der Seele das wesentliche Merkmal des Menschen
gegeben ist und damit dieser Mensch ein durch Gott geliebtes
und gewolltes Geschöpf ist, steht dessen Leben unter Gottes
besonderem Schutz - als Anspruch an die Mitmenschen.

Meine Frage ist aber, ob man der Seele eines „Zellklumpens“ durch dessen Abtreibung einen Schaden zufügt. Mit oder ohne Limbus ist das ja nicht unbedingt gegeben.

Also müsste aus christlicher Sicht die Abtreibung nicht als „Verbrechen an ungeborenem Leben“ abgelehnt werden, sondern als Eingriff in den Plan Gottes, oder?

Was aber der Plan Gottes genau sein soll, lässt sich wohl auch nicht auf einen gemeinsamen christlichen Nenner bringen, oder?

Hi.

mit der Seele von abgetriebenen Embryos passiert das Gleiche
wie mit allen Seelen.

Folgerichtig:smile:

Die Vorstellung davon, was eine Seele überhaupt ist …

Ist etwas was unseren langen, immer wider bestätigten Erfahrungen diametral widerspricht.

Und auf dieser Erfahrung basierendes, gut begründbares Dogma der Wissenschaft ist dass; keine Info. ohne intakten, geeigneten Träger, keine Infoübertrag ohne Energiezufuhr existieren.
Und nebenher, keine Info. ist uncodiert:smile:

Gruß
Werner

Balázs

Hallo

Bis Ende des 19. Jahrh. war in der Theologie die Lehre von der sog. Sukzessivbeseelung :vorherrschend gewesen, dergemäß der männliche Embryo seine Seele ca. am 40. Tag, der :weibliche ca. am achtzigsten Tag erhält… Deshalb unterschied bis Ende des 19. Jahrh. das :Kirchenrecht zwischen dem Fetus animatus und dem festus inanimatus, also dem beseelten :und dem unbeseelten Fetus

Die berechtigte Frage wäre auch: wer schon in der Lage ist eine „lebende Seele“ hebr. nephesch zu erschaffen - muß der sich dann nach Jahrtausenden erklären lassen ab wann/wie beginnendes Menschenleben zu betrachten ist und ob es vorzeitig zerstört werden darf ohne Einwilligung?..

Es kann somit das Buch empfohlen werden das solche Vorgehensweisen genau erörtert.
Egal ob gläubig oder ungläubig: Das Buch ist einfach lesenswert.

2000 Jahre n. Chr. kläre sich jeder auf wie er es kann -
für das sehr weitverbreitete Buch die Bibel, das gläubige Menschen schrieben gilt ja selbes,

einfach lesenswert…

und daraus Nutzen ziehen können alle- das zeigt u.a. genau auf wie entstehendes Leben betrachtet wird…
1.Mo.2,7 da bildete Gott, der HERR, den Menschen, aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele…Fn…o. das Leben…
Ps.139,16… Deine Augen sahen mich schon als ungeformten Keim Fn.w. sahen mein Ungeformtes (eine Bezeichnung für den frühen Embryonalzustand des Menschen).
der eines zweifellos dazu braucht:
5.Mo.12,23….Denn das Blut ist die Seele Fn.o. das Leben … Revidierte Elberfelder Bibel (Rev. 26) © 1985/1991/2008 SCM R –
…denn das Blut ist das Leben Fn. od. die Seele…Schlachter Bibel 2000
ein Mensch trägt es in sich, falls Embry unerwünscht wird abgebrochen - wie- entscheidet ein Mensch…
Pred.12,7…und der Geist zurückkehrt zu Gott, der ihn gegeben hat… speedytwo

Übersetzung für Atheisten
Hallo,

Ich als Atheist und Naturalist gehe ja nicht davon aus, dass
es sowas wie eine vom Körper unabhängige Seele gibt.

Ein hilfreiches atheistisches Analogon zu Seele (im Kontext Mensch) wäre „Menschsein“, also der Unterschied in dem Kontinuum, den ein Zellhaufen von einem Menschen unterscheidet. Ebenso am anderen Ende, der Unterschied, den ein Mensch von einem Leichnam unterscheidet.

Also wann wird ein Zellhaufen ein Mensch, und wann verlässt das „Menschsein“ den Menschen.

Meine Frage ist aber, ob man der Seele eines „Zellklumpens“
durch dessen Abtreibung einen Schaden zufügt. Mit oder ohne
Limbus ist das ja nicht unbedingt gegeben.

Diese Argumente griffen doch dann bei jeder Tötung eines Menschens.

Gruß

achim

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Ein hilfreiches atheistisches Analogon zu Seele (im Kontext
Mensch) wäre „Menschsein“, also der Unterschied in dem
Kontinuum, den ein Zellhaufen von einem Menschen
unterscheidet. Ebenso am anderen Ende, der Unterschied, den
ein Mensch von einem Leichnam unterscheidet.

Ich möchte an dieser Stelle klarstellen, dass ich als Atheist nicht automatisch ein Abtreibungsbefürworter sein muss. Aber meine persönliche Meinung hinsichtlich der Abtreibung kann ich nicht geltend machen als ein Agrument mit dem Frauen oder Paaren etwas gesetzlich verboten werden sein soll. Die Gläubigen dagegen, deren einziges Argument es ist, dass der Allmächtige es nicht will, fordern ein Verbot von Abtreibung.

Aus atheistischer Sicht liegt der Unterschied zwichen einem Menschen und einem Zellklumpen in der Empfindungsfähigkeit. Eine frisch befruchtete Eizelle kann nicht mehr Leid empfinden als eine bereits abgestorbene Kopfhautschuppe. Es ist einfach nur eine Anordnung von Zellen ohne Nervensystem.

Der Unterschied zwichen einer Hautschuppe und einer kürzlich befruchteten Eizelle, ist das Potential. Aus der befruchteten Eizellen kann - wenn alles glatt läuft - ein Mensch entstehen.

Der berühmte Atheist und Evolutionsbiologe Richard Dawkins hält das Argument vom Potential für dumm. Er meint, wer das so sieht, müsste ständig versuchen ein Kind zu zeugen, wolle er nicht das Potential einer Menschwerdung verpassen.
Nur frage ich mich, was Dawkins zu seiner Frau sagte, damals, als sie ihm von ihrer ersten Schwangerschaft erzählte. „Ach, hör auf. Es ist nur ein empfindungsloser Zellklumpen ohne Bewusstsein. Sag mir bescheid wenn das Kind geboren ist, oder besser, wenn es sein Studium abgeschlossen hat.“
Nein, ich denke eher, dass Dawkins hoch erfreut war über die Nachricht bald Vater zu werden. Er hat mit freudiger Erwartung dem zukünftigen Erreignis der Geburt seines Kindes entgegen gesehen. Und er wäre sicherlich sehr betrübt gewesen, wäre die Schwangerschaft so verlaufen, dass der Embryo in einer früher Phase seiner Entwicklung abgestorben wäre… was nicht selten vorkommt.

Also wann wird ein Zellhaufen ein Mensch, und wann verlässt
das „Menschsein“ den Menschen.

Meine Frage ist aber, ob man der Seele eines „Zellklumpens“
durch dessen Abtreibung einen Schaden zufügt. Mit oder ohne
Limbus ist das ja nicht unbedingt gegeben.

Diese Argumente griffen doch dann bei jeder Tötung eines
Menschens.

Da hast du nicht ganz unrecht. Die Islamisten vom IS teilen diese Ansicht wahrscheinlich sogar. Denn wieso sonst könnten sie es als gerecht und gottgewollt ansehen, wenn sie anderen Menschen die Köpfe abschneiden? Doch nur weil da eine ewig lebende Seele ist die ihrer gerechten Strafe zukommen soll. Und der grausame Akt der qualvollen Ermordung könnte dann sogar hilfreich für die „sündige“ Seele sein. Denn bekanntlich hat jedes irdische Leid den Sinn, dass es Schuld mindert.
Wer meint denn sicher zu wissen, dass das nicht in Gottes Plan passen könnte?

Wer meint denn sicher zu wissen,

Der weiss was der Begriff und das wo und warum deckt .

dass das nicht in Gottes Plan
passen könnte?

BlaBla:smile:

Gottes Plan bringt uns da nicht weiter, da sind wir einer Meinung
Hallo,

Erstmal ging es mir nur darum, so ein Konstrukt wie „Menschwerdung“ oder „Seele“ ein wenig zu umreißen. Wo dieser Punkt der Beseelung liegt, bei der Befruchtung oder beim 2ten Geburtstag ist dann wieder gesellschaftlicher Diskurs (und in weiten Bereichen wandelbar).

Aus atheistischer Sicht liegt der Unterschied zwichen einem
Menschen und einem Zellklumpen in der Empfindungsfähigkeit.

Ich denke, das ist eine mögliche Auffassung und mit dem Problem der Regression behaftet. Bei der Annahme kann man sehr genau einen Zeitpunkt festlegen, doch die Annahme selbst ist unbegründet, quasi „dogmatisch“.

Es macht daher bei Fragen zur Abtreibung natürlich wenig Sinn, scholastisch Gottes Plan herausarbeiten zu wollen. Genauso wie es wenig Sinn macht, Atheistisch einen Zeitpunkt festzulegen.

So ist aus der Gesamtbetrachtung (für jede Gruppe) eine (vorläufige) Position festzulegen und irgendwie in das jeweilige Gebäude einzufügen.

Und genauso wie manche Grenzen z.B. im Strafrecht bewusst eng gesetzt sind, um kleine Übertritte gefahrlos dulden zu können, oder wie Tarifpartner mit bewusst überzogenen Forderungen in Verhandlungen gehen, so fühlt sich vermutlich die katholische Kirche verpflichtet, die Extremposition (keine Abtreibung etc.) zu besetzen. Aber ganz sicher nicht, weil sie Gottes Plan entdeckt hat, sondern weil sie unter Berücksichtigung aller ihr zur Verfügung stehenden Informationen und Erfahrungen zu der Überzeugung kommt, dass dies „richtig“ ist, also entweder ein sinnvolles Ideal oder in der Gesamtwirkung am Besten.

Solange aber z.B Aussagen in anderen Bereichen wie „kein Mensch bezieht freiwillig HartzIV“ einerseits und „wer arbeiten will der findet auch Arbeit“ andererseits nicht sinnvoll wegdiskutiert werden können, macht es wenig Sinn, bei Fragen wie Abtreibung rein rational einen Konsens erzielen zu können, geschweige denn eine „Lösung“.

Gruß
achim

Hallo Speedytwo,

kennst du auch Bibelstellen, die mit dem Thema zu tun haben?

Gruß

vV

Hallo

kennst du auch Bibelstellen, die mit dem Thema zu tun haben?

Gebote- Du sollst… eine passende Stelle dazu?
Ich sagte ja-

2000 Jahre n. Chr. kläre sich jeder auf wie er es kann -

in der Bibel ist von Abtreibung nicht direkt die Rede, aber es kann auch kein Zweifel darüber sein, wie Gott über das Leben eines ungeborenen Kindes denkt, schon
klar- jeder Elternteil- Mutter wie Vater kann- vielleicht nicht überall- aber wenn, darüber entscheiden ob eine bereits "lebende nächste Seele“ ins Leben kommen darf…
Ps.127,3 Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn ,Fn. od. ein Geschenk / ein Erbteil vom Herrn. die Leibesfrucht ist eine Belohnung….
Das Geschenk kann man ablehnen auch wenn es- für Christen- heißt Mark.12,31 Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst! Größer als diese ist kein anderes Gebot… Schlachter Bibel 2000
Dazu müsste „Nachwuchs“ auch erst einmal das Licht der Welt erblicken können… speedytwo

zur Geschichte der Seelenbegriffe
Hallo,

Von Gläubiger Seite wird oft das Argument gegen Abtreibung hervorgebracht, dass eine befruchtete Eizelle bereits eine Seele enthalte.

ausgehend von der Formulierung deines zitierten Argumentes ist anzunehmen, daß du mit „Gläubigen“ speziell Christen, und unter denen wiederum römisch-katholische meinst. Abgesehen von der unendlich komplizierten und komplexen Geschichte abendländischer (und keineswegs bloß christlicher) Seelen-Begriffe wäre dazu zunächst nur das zu sagen, was unten schon zitiert wurde: Daß ein Embryo unmittelbar mit der Fertilisation mit einer „Seele“ versehen wird, ist erst Anfang des 20. Jhdts in die kath. sogenannte Lehrmeinung aufgenommen worden. Insofern ist das Argument tatsächlich ein röm.-katholisches.

Aber wie genau ist das ein Argument gegen Abtreibung?

Genau genommen ist das noch gar kein Argument gegen willentlich eingeleiteten Abort. Von denen, die das als Argument anführen ist damit zunächt nur ausgesagt, daß es sich bei der befruchteten Eizelle bereits um einen Menschen - im Sinne des christl. Schöpfungsbegriffs, bzw der christl. Anthropologie - handele. Daraus wird dann erst gefolgert, daß die Abtötung des Embryos unter dieser Prämisse ein Mord ist.

Die Argumentation sieht ganz davon ab, daß alle die zugehörigen Begriffe und Vorstellungen (insbesondere natürlich der Begriff „Seele“) erst ganz allmählich im Laufe der Jahrhunderte aus einem komplexen Netz von Vorstellungen sehr unterschiedlicher Herkunft und Tradition herauskristallisiert worden sind: Im Neuen Testament, und auch im Alten nicht, hat es den hier gemeinten Seelenbegriff überhaupt nicht gegeben (dazu gleich ein wenig mehr).

Und ebenso sieht das Argument ganz davon ab, daß sich der hier gemeinte Seelenbegriff bereits in der Medizin und Psychologie des 19. Jhdts (exemplarisch seien erwähnt: Eschenmayer 1816, Feuchtersleben 1845, Eduard v. Hartmann 1869, Wundt 1862ff) völlig auflöst hat und nur seine metaphorische, poetische Valenz geblieben ist. Darüber hinaus ist er daher seitdem ausschließlich ein religionsimmanenter Begriff, der auch nur religionssprachlich kommunikabel ist.

Das bedeutet allerdings auch, daß eine Argumentation aus psychologischer bzw naturwissenschaftlicher Perspektive gegen diesen religionssprachlichen Terminus sich den Vorwurf der Kategorienverwechslung gefallen lassen müßte.
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Die Seele ist doch unsterblich, oder?

Eine eindeutige Formulierung (und Bestimmung), die zumindest für die westliche (lateinische) Kirche obligatorisch wurde, gab es erst auf dem 5. Laterankonzil (1512-1517): „Jeder Mensch besitzt eine individuelle unsterbliche Seele.“ Die Formulierung wendet sich vor allem gegen den zu dieser Zeit weitverbreiteten sog. Monopsychismus (Hauptvertreter: Averroes), es gebe nur eine einzige Seele (ähnlich der Platonischen „Weltseele“), und nur diese sei unsterblich. Die damit verbundene Individualseele (auf unterschiedliche Weise verstanden) sterbe dagegen mit dem Körper („Thnetopsychismus“).
Die Formulierung lautet: „… weisen wir alle zurück, die behaupten, die vernünftige Menschenseele [anima rationalis et intellectualis] sei sterblich oder sie sei nur eine einzige in allen Menschen …“ [Enchiridion symbolorum, DS1440].

Was geschieht mit der Seele nach der Abtreibung?

Es war eine Folge der radikalen (und wohl auch fatalen) Augustinischen sog. Gnadenlehre und Erbsündelehre (= die aus der Erbsünde befreiende Taufe ist obligatorisch für das „Heil“), daß Kinder, die ungetauft sterben, am „Heilsgeschehen“ nicht teilhaben können. Ein Höllenbegriff war zwar zu dieser Zeit ebenfalls noch nicht unstrittig entwickelt (die dafür grundlegende „Petrus-Apokalypse“ war ja nicht kanonisiert), aber immerhin wurde die „Anschauung Gottes“ den ungetauften Auferstehenden verweigert.

Um diese brutale Konsequenz für sterbende Kinder (und wohl vor allem für deren Eltern) abzumildern, wurde ein aus der Volksmythologie stammender Begriff zu Hilfe genommen. Ein Rand (der Hölle) für die Kinder: Der (unten bereits erwähnte) „limbus puerorum“ [sic! Unten hat es jemand falsch geschrieben]. Dies vor allem im Zusammenhang mit der Frage, wo sich überhaupt die Toten (bzw. ihre Seelen) zwischen dem leiblichen Tod und der (immer leiblich gedachten!) Auferstehung aufhalten (falls es, was ebenfalls strittig war und auch nach wie vor ist in der christl. Eschatologie, dazwischen eine Zeitspanne gibt). Populär gemacht hat diesen Limbus (es gibt auch einen separaten für die, die vor dem Auftritt Christi gelebt haben) allerdings erst Dante in seiner „Divina Comedia“.

Der Limbus war aber niemals Bestandteil einer obligatorischen christl. Lehre. Das Abstandnehmen von dieser rührigen mittelalterlichen Zwischenlösung durch B XVI war eschatologisch im Grunde obsolet.

Die Entwicklung der Seelenbegriffe und insbesondere die Frage, wann und in welcher Form sie mit dem Körper zusammenkommt, und weiter, was mit dieser Verbindung im Tode geschieht, war nicht allein ein Thema christl. theologischer Spekulation. Die Zweiheit von psyché und sóma kam vielmehr aus dem griechischen Zweig der abendländischen Geistesgeschichte in die christliche Eschatologie: Homer, die Orphik und andere Mysterienkulte, Platon (vor allem) und Stoa waren die Taktgeber (Aristoteles ging derweil in eine ganz andere Richtung des Begriffs psyché).Und über die Spätantike (Plutarch,Sakkas, Plotin, Porphyrios, Proklos …) bis ins Mittelalter kursierten zahllose Theorien. Die christlichen Kirchenlehrer (Origenes, Augustinus, Basilius, Gregor von Nyssa) griffen viele dieser Theorien auf und entwickelten sie weiter.

Solche Begriffe wie (die unten teilweise schon zitierten) foetus informis (was man heute gern als formlosen Materieklumpen bezeichnet, was kein Biologie tun würde), foetus formatus (bei dem sich schon Glieder abzeichnen), foetus inanimatus (der aber noch unbelebt ist), foetus animatus (der schließlich lebt) z.B. waren Interpretationen aus der Medizin, nicht primär aus der christl. Theologie. Man versuchte zu verstehen, wie sich nicht nur animalisches Leben überhaupt im Uterus entwickelt, sondern wie und wann sich zu dem Foetus die anima rationalis (Vernunft) und (teilweise davon unterschieden) die anima intellectualis (Verstand) gesellt, um den werdenden Menschen als solchen zu definieren. Das waren aber alles gar keine christlichen Begriffe, sondern war allgemeines Gedankengut. Und zwar im Bereich der Medizin sowohl als auch der (weltlichen!) Rechtsprechung!

Es ging dabei nämlich vor allem um eine rein juristische Frage: Unter welchen Bedingungen ist eine Abtreibung als Mord zu interpretieren. Sie zieht sich durch Spätantike und Mittelalter und ist also nicht erst ein Problem unserer Zeit. Sie basiert auf dem Fundament, daß der lebende, vernunftbegabte Mensch eine Verbindung einer Seele mit einem Körper ist, und diese Idee - und damit der Kern aller damit zusammenhängenden Fragen - kommt aus der griechischen Philosophietradition und nicht aus der jüdischen (und dann christlichen). Die aus der jüdischen Tradition kommenden Seelenbegriffe (ruach, neshamah, näphäsh) sind derweil nicht weniger kompliziert und haben in der christlichen Begriffsgeschichte eine ebenso fundamentale Rolle gespielt, weil es zur Denktradition gehörte, alle Theologoumena auch aus Torah und Tanach zu begründen.

Einige wenige (spätantike) Fragen in diesem Zusammenhang:

  • Ist die Seele unsterblich?
  • Existiert die Seele schon, bevor sie in den Körper kommt?
  • Wann kommt die Seele in den Körper?
  • Wo kommt die Seele her? Von einem unsterblichen Gott? Von den Eltern?
    Und dazu gab es unzählige Theorien, alle gleichzeitig. Und weltliche Juristerei und christlicher Klerus und christliche Philosophie forderten sich wechselseitig(!) heraus zu immer präziseren Begriffsbestimmungen.

Um nur eins von vielen ein Beispielen einer dadurch entstehenden Aporie innerhalb der christl. Seelenlehren (Plural!) zu erwähnen: Augustinus hatte sich in bestimmten Theologierichtungen mit seiner Erbsündelehre durchgesetzt. Nun wurde aber dogmatisch bestimmt (auf dem 5. Laterankonzil), daß die Seele individuell von Gott aus Nichts erschaffen wird (gegen die Präexistenztheorie der Seele). Nun entstand die Frage: Da die Erbsünde sich nicht über die Eltern, d.h. über die körperliche Existenz vererbt, die Seele (und ein Tertium neben Seele und Körper gab es per vorhergängigem Dekret nicht) aber spontan jeweils aus Nichts geschaffen werde: Wie „vererbt“ sich denn dann die Erbsünde?
Oder ein Beispiel der weltlichen Rechtsprechung: Wenn die Vereinigung der anima rationalis mit dem foetus schon bei der Empfängnis geschieht (diese Auffassung gab es unabhängig von christlicher Theologie), ist dann nicht auch jede Empfängnisverhütung (es gab diverse Methoden, z.B. durch Gifte) als Mord zu werten? (diese Auffassung gab es ebenfalls). Also alles bereits uralte Fragestellungen - und alle nicht eindeutig lösbar.

Soweit nur ein paar Andeutungen aus der Begriffsgeschichte.

Gruß
Metapher

ausgehend von der Formulierung deines zitierten Argumentes ist
anzunehmen, daß du mit „Gläubigen“ speziell Christen, und
unter denen wiederum römisch-katholische meinst.

Ich meinte generell alle Gläubigen die wegen ihrem Glauben gegen Abtreibung sind. Ein Protestant könnte ja aus individueller Überzeugung heraus zu dieser Haltung kommen, sowie bei Evangelikalen eine ablehnende Lehre anzunehmen ist. Wie es bei Moslems ist, weiß ich nicht.

Deine kurze Geschichte des Begriffs ist zwar sehr interessant und aufschlußreich, ist aber bei der Klärung meiner Fragen nicht wirklich hilfreich.
Denn was mich interessiert, ist konkret die logische Argumentation die aus religiöser Sicht zu einer Ablehnung von Abtreibung führt.
In der Debatte bringen religiöse Abtreibungsgegner immer die selben Floskeln: „Nur Gott darf über Leben und Tod entscheiden.“, „Abtreibung ist Mord an ungeborenem Leben.“ usw.
Aus deinem Text wird aber ersichtlich, dass die diversen Definitionen reine Spekulationen sind. Klare und verbindliche Definitionen werden eher willkürlich von einzelnen Institutionen festgelegt.

Darüber hinaus ist er daher seitdem
ausschließlich ein religionsimmanenter Begriff, der auch nur
religionssprachlich kommunikabel ist.

Das bedeutet allerdings auch, daß eine Argumentation aus
psychologischer bzw naturwissenschaftlicher Perspektive gegen
diesen religionssprachlichen Terminus sich den Vorwurf der
Kategorienverwechslung gefallen lassen müßte.

Die Kategorienverwechslung findet doch eher bei denen statt, die religiöse Argumente in Diskussionen zur Gesetzgebung einbringen. Denn spätestens wenn gefordert wird, ein entsprechendes staatliches Gesetz zu verabschieden, das verbindlich ist für alle (gläubig oder nicht), muss sich eine dahingehende religiöse Argumentation logisch rechtfertigen lassen.
Deshalb bin ich der Meinung, dass religiöse Argumente zur Gesetzgebung in einem säkularen, demokratischen Staat überhaupt nichts verloren haben. Eine Gesetzgebung kann nur wissenschaftlich rational und logisch vonstattengehen und nicht Anhand von Spekulationen über einen Aberglauben an einen allwissenden Schöpfergott.
Ein staatliches Gesetzt, das den Schwangerschaftabbruch bis zu einem gewissen Zeitpunkt erlaubt, muss ja keine individuellen Auswirkungen auf Gläubige haben, die Abtreibung (für sich) aus religiösen Gründen ablehnen. Genauso wie Homophobe nicht schwul werden müssen, nur wenn eine Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften stattfindet.

Der Limbus war aber niemals Bestandteil einer obligatorischen
christl. Lehre. Das Abstandnehmen von dieser rührigen
mittelalterlichen Zwischenlösung durch B XVI war
eschatologisch im Grunde obsolet.

Aber war der Limbus nicht Teil der offiziellen katholischen Lehre?

Hallo,

Denn was mich interessiert, ist konkret die logische
Argumentation die aus religiöser Sicht zu einer Ablehnung von
Abtreibung führt.

niemand muss in einer Demokratie seine Position begründen, vor allem, wenn sie sich nicht rational (letzt-)begründen lässt.

Die Kategorienverwechslung findet doch eher bei denen statt,
die religiöse Argumente in Diskussionen zur Gesetzgebung
einbringen. Denn spätestens wenn gefordert wird, ein
entsprechendes staatliches Gesetz zu verabschieden, das
verbindlich ist für alle (gläubig oder nicht), muss sich eine
dahingehende religiöse Argumentation logisch rechtfertigen lassen.

Nein. Demokratische Mehrheiten (oder auch Minderheiten) müssen nicht begründet werden. Der Einfluss der Kirchen auf Gesetzgebung und Gesellschaft ist doch nur deshalb groß, weil noch immer ein Großteil der Bevölkerung (=Wähler) hinter ihnen steht. Als Atheist sollte man die Kirche zumindest als große Lobbygruppe neben Banken, Industrie, Gewerkschaften, … etc… sehen.

Deshalb bin ich der Meinung, dass religiöse Argumente zur
Gesetzgebung in einem säkularen, demokratischen Staat
überhaupt nichts verloren haben.

Dann auch keine Ideologische, weltanschauliche, branchengefärbte … also nur noch

wissenschaftlich rational und logisch vonstattengehen

genau das geht aber leider nicht. Beispiele habe ich angeführt. Deshalb gibt es Wahlen.

Gruß
achim

Hi.

Darüber hinaus ist er daher seitdem ausschließlich ein religionsimmanenter :Begriff, der auch nur religionssprachlich kommunikabel ist.

Das bedeutet allerdings auch, daß eine Argumentation aus
psychologischer bzw naturwissenschaftlicher Perspektive gegen
diesen religionssprachlichen Terminus sich den Vorwurf der
Kategorienverwechslung gefallen lassen müßte.

So so, und gar nicht umgekehrt, endlich verstanden, logo:smile:)))

Gruß
Metapher

Balázs

… Aber die
einzelnen, diversen religiösen Institutionen müssten doch eine
relativ klar definierte Lehrmeinung dazu haben, oder?

Müssten Sie? Das vieles am Glauben rätselhaft, mythisch und symbolisch ist führt dazu, dass wesentliche Inhalte praktisch jeden Glaubens nicht klar definierbar sind, jedenfalls nicht für jede Anfrage von außen.
Einzelne haben eine solche Lehrmeinungen zur seele, die aber, wie du am genannten Beispiel der römisch katholischen Kirche siehst im Laufe der Zeit damit durchaus auch Probleme bekommen.
Das was ich zur Seele gesagt habe ist übrigens auch eine Definition und trotzdem liefert diese für deine frage keine klare Antwort.

Meine Frage ist aber, ob man der Seele eines „Zellklumpens“
durch dessen Abtreibung einen Schaden zufügt. Mit oder ohne
Limbus ist das ja nicht unbedingt gegeben.

Aus alter katholischer Sicht könnte man dies unter Umständen bejahen, da durch die Abtreibung dem Kind ja die Taufe vorenthalten wurde. Allerdings wurde es durch die Nichtgeburt auch davor bewahrt Sünden zu begehen. Also weiss man es nicht genau.
Aus meiner Sicht - und ich behaupte mal, dass dies die übliche Anschauung ist, kann die Seele als Kennzeichen des Menschen von anderen Menschen grundsätzlich nicht beschädigt werden.

Also müsste aus christlicher Sicht die Abtreibung nicht als
„Verbrechen an ungeborenem Leben“ abgelehnt werden,

Nein. Die Sünde (Verbrechen möchte ich hier nicht sagen, da dies ein juristischer Begriff ist) besteht ja nicht in einer Beschädigung der Seele - die ich ja verneine -, sondern in der Tötung eines Menschen.

…sondern als Eingriff in den Plan Gottes,

Das kommt noch dazu.

Was aber der Plan Gottes genau sein soll, lässt sich wohl auch
nicht auf einen gemeinsamen christlichen Nenner bringen, oder?

Dazu sind sich alle darin einig, dass er dem Menschen weitgehend unbekannt und wahrscheinlich auch grundsätzlich unbegreiflich ist.

Gruß
Werner

Hallo,

Aus atheistischer Sicht liegt der Unterschied zwichen einem
Menschen und einem Zellklumpen in der Empfindungsfähigkeit.

Das ist EIN möglicher Ansatz. DER atheistische ist das nicht. Es wurden z. B. auch Erkenntnisfähigkeit, Glücks- und Zukunftsfähigkeit und auch die Bedeutung bzw. Interessen der bereits lebenden als mögliche Kritereien für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit ungeborenen Lebens herangezogen.

… Denn bekanntlich
hat jedes irdische Leid den Sinn, dass es Schuld mindert.

Das ist mir so nicht bekannt.

Gruß
Werner

Von Gläubiger Seite wird oft das Argument gegen Abtreibung
hervorgebracht, dass eine befruchtete Eizelle bereits eine
Seele enthalte.

Sagen wir Psyche, das ist aber nur ein etikettierter Begriff. Folgende Tatsache ist mit der genetischen Wissenschaft zu belegen, dass nämlich Zellen „leben“ und keine Maschinen sind. Das heißt, es gibt einen Willen zur Selbsterhaltung jeder einzelnen „intelligenten Zelle“.

Aber wie genau ist das ein Argument gegen Abtreibung? Die
Seele ist doch unsterblich, oder? Was geschieht mit der Seele
nach der Abtreibung?

Hat nichts damit zu tun, macht keinen Unterschied, ob sterblich oder unsterblich, ist völlig irrelevant.

(Ich bin Atheist und diese Fragen mögen albern klingen, sie
sind aber durchaus ernst gemeint.)

Aus humanistischer (atheistischer) Weltanschauung ist jede Tötung eine Verletzung gegen den Willen zum Leben, selbst bei primitivstem Leben. Eine Entscheidung zur Abtreibung kann humanistisch begründet werden, wenn vernünftige Motive eine Tötung von Leben rechtfertigen.

Wir töten ja auch Tiere, gegen ihren Willen, um selber überleben zu können. Diese rationale Entscheidung muss auch keinesfalls mit einem religiösen Glauben vereinbar sein. Deshalb ist es aus humanistischer Sichtweise auch das Recht jeder Frau, selbst über einen Abort zu entscheiden. Dass die konservativen Religionen glaubenshungrige Massen indoktrinieren, um Politik zu machen, ist das Schicksal nicht nur dieser Zeit. Die Frage ist nur, wie wird Zukunft???
Penso