religiöse Argumente vs. Geltungsanspruch
Ich meinte generell alle Gläubigen die wegen ihrem Glauben gegen Abtreibung sind.
Das geht aber aus deiner Frageformulierung nicht hervor. Du hast ja ein ganz spezielles Argument zitiert, und das findet sich keineswegs so bei „allen Gläubigen“ jedweder Religion und auch innerhalb der christlichen Religion nur bei bestimmten Bekenntnissen, nicht bei allen.
Ich hab deiner Frage entnommen, daß du verstehen wolltest, wie diejenigen, die so argumentieren, ihr Argument selbst verstehen …
Aber wie genau ist das ein Argument gegen Abtreibung? Die Seele ist doch unsterblich, oder?
… worin du (nicht ganz zu unrecht) einen gewissen Widerspruch, zumindest eine Ungereimtheit zu erkennen kundtust.
Deshalb mein Abriss einer diesbezüglichzen Begriffsgeschichte. Das zitierte Argument kommt aus einer bestimmten Tradition nicht nur immanent christlicher Konvenienz, sondern auch aus Zeiten weltlicher Rechtsprechung. Der hier in Anspruch genommene Seelenbegriff hat seinen Ursprung nämlich gar nicht im Christentum und er wurde auch in weltlichen Kontexten verwendet: Zu bestimmten Zeiten stand auf Abtreibung ggf. die Todesstrafe: Und deshalb wurde darüber verhandelt, von welchem Zeitpunkt an der Abort eines Foetus als Mord zu beurteilen ist: Von weltlicher Rechtsprechung.
Das änderte sich erst, als sich im 19. Jhdt allmählich der Seelenbegriff auflöste. Nur in der westlichen (= lateinischen) christl. Kirche blieb er bis heute erhalten.
Aber das hab ich alles umfangreich bereits erklärt.
Da es dir aber nun offenbar gar nicht darum ging, dieses bestimmte Argument zu verstehen, sondern generell um religiös begründete Anti-Abtreibungsargumente, war meine Nachzeichnung der Begriffsgeschichte (im Sinne dieses Brettes) wohl für dich nicht nützlich.
Ich teile es eh nicht, insbesondere den darin verwendeten ganz speziellen Sellenbegriff nicht. Und du offenbar auch nicht.
Ob in der staatlichen Abtreibungsgesetzgebung generell religiös gebundene Argumente berücksichtigt werden müßten oder nicht, ist eine ganz andere Fragestellung (die aber glaube ich auch gar nicht in dieses Brett gehört).
Denn was mich interessiert, ist konkret die logische Argumentation die aus religiöser Sicht zu einer Ablehnung von Abtreibung führt.
In diesem speziellen Fall ist das Argument durchaus in sich (sic!) schlüssig:
Es hat Prämissen (ob andere, du oder ich, die teilen ist hier völlig unwesentlich)
- Es gibt eine je individuelle Seele (egal, wie die definiert ist), durch die ein Foetus als Mensch definiert ist
- Eine solche Seele (woher die kommt ist hier ebenfalls irrelevant) verbindet sich bereits unmittelbar nach der Fertilisation mit der Eizelle
Und die Conclusio:
Die Abtötung einer fertilisierten Eizelle ist Homicid (Mord an einem Menschen)
In der Debatte bringen religiöse Abtreibungsgegner immer die selben Floskeln: „Nur Gott darf über Leben und Tod entscheiden.“, „Abtreibung ist Mord an ungeborenem Leben.“
Das sind aber ganz andere Argumente. Ich habe mich nur um diese spezielle von dir zitierte gekümmert.
Aus deinem Text wird aber ersichtlich, dass die diversen Definitionen reine Spekulationen sind. Klare und verbindliche Definitionen werden eher willkürlich von einzelnen Institutionen festgelegt.
Natürlich „Spekulation“. Was kann es denn bei einem Ding, das per def. immateriell ist und folglich ein Objekt (hier als Gedankending) einer empirischen Überprüfung nicht zur Verfügung steht, anders sein?
Darüber hinaus ist er daher seitdem ausschließlich ein religionsimmanenter Begriff, der auch nur religionssprachlich kommunikabel ist.
Das bedeutet allerdings auch, daß eine Argumentation aus psychologischer bzw naturwissenschaftlicher Perspektive gegen diesen religionssprachlichen Terminus sich den Vorwurf der Kategorienverwechslung gefallen lassen müßte.
Die Kategorienverwechslung findet doch eher bei denen statt, die religiöse Argumente in Diskussionen zur Gesetzgebung einbringen.
Nicht „doch eher“, sondern „ebenfalls“. Genau das macht diesbezügliche Diskussionen, wie sie bei der Verabschiedung der heute geltenden Rechtsprechung geführt wurden, so schwierig - und im Grunde unentwirrbar.
Daß ein religionssprachliches Argument immanent konsistent ist (wie es bei deinem Beispiel der Fall ist), sagt noch nichts aus über dessen Geltungsanspruch. Aber in diesem Fall gerät die Abweisung eines religiös begründeten Geltungsanspruchs, wie es bei der wünschenswerten radikalen Trennung von Staat und Religion impliziert ist, ggf. in Konflikt mit dem Grundgesetz. Deshalb war die Diskussion ja gerade so zäh …
Speziell die christliche Argumentation hat - im Unterschied zu manchen anderen Religionen - nämlich die Eigenart, daß sie einen Geltungsanspruch über die Religionsimmanenz hinaus erweitert. Das ist der Kern des Konfliktes.
Ein staatliches Gesetzt, das den Schwangerschaftabbruch bis zu
einem gewissen Zeitpunkt erlaubt, muss ja keine individuellen
Auswirkungen auf Gläubige haben, die Abtreibung (für sich) aus
religiösen Gründen ablehnen.
So ist es. Und so wird es doch auch gehandhabt. Oder?
Aber war der Limbus nicht Teil der offiziellen katholischen Lehre?
Sagte ich doch explizit. Nein, war nicht. Er kam aus der Volksmythologie und wurde nur offiziell „geduldet“, auch hier und da in theologischen Disputen behandelt. Zuerst ausführlich von Abaelard. Die immenente theologische Behandlung der Frage „Seele gestorbener ungetaufter Kinder“ wurde mit ganz anderen Begriffen behandelt.
Gruß