Sentinelesen


Ich finde das eine ganz interessante Geschichte, die bei mir viele sehr pauschale Fragen aufwirft:

Ethische Frage #1: Soll man die Ermordung des Missionars/Abenteurers sühnen oder soll man die Mörder damit durchkommen lassen?

Ethische Frage #2: Soll man deren Isoliertheit (wie es derzeit auch geschieht) unterstützen (durch Errichtung einer Verbotszone um die Insel) oder soll man sie vorsichtig kontaktieren/integrieren?

Diskursive Frage: Warum erhalten die Sentinelesen hierzulande so viele Sympathien in den Berichten über diesen Vorgang und den social-media-Kommentarspalten? Die schießen auf alles, was sie für Eindringlinge halten. Furchtbar sympathisch …

Sachfrage #1: Warum ent-isolieren sie sich offenbar nicht von sich aus? Es ist nicht anzunehmen, dass sie keinerlei Wissen über menschliches Leben außerhalb ihrer Insel haben, weil es ja wiederholt Kontaktaufnahmen gab und weil bestimmte Boote usw. stranden, wenn auch keine kommunikative Verständigung. Der Mensch ist seiner biologischen Verfasstheit nach ein neugieriges-expansives Wesen, das sollte für die auch gelten.

Sachfrage #2: Wenn man die näher erforschen würde (so hypothetisch muss die Frage nicht sein, denn andere „isolierte Völker“ sind ja erforscht worden) … können wir von denen irgendwas lernen und wenn ja, was?

Gruß
F.

Z. B. dass man nicht einfach, vor lauter missionarischem Eifer, die Grenzem anderer Menschen überschreitet denn das ist da ja passiert.
Er war nicht das este Mal auf der Insel und war sich der Gefahr in die er sich begab durchaus bewußt wie sich später heraus stellte.
Selten soviel Ignoranz und Dummheit auf einem Haufen bei einem Menschen erlebt.

Wie man vollkommen autark ohne Strom, Facebook, Handy und PC, Wasser WC und Badewanne jahrhunderte überleben kann.

Sieht man doch, dass es auch andere menschliche Spezies gibt die auf uns nicht gerade „scharf“ zu sein scheinen.

Und wie bitte sollte das vor sich gehen? Wie soll ohne jegliche sprachliche Verständigung der Mörder überhaupt gefunden werden, meinste der Stamm liefert den der indischen Justiz auf dem Tablett aus?
ramses90

Weil sich in Wirklichkeit fast jeder ein Leben ohne die Segnungen des Fortschritts wünscht.

Warum sollte man sie kontaktieren? Damit es auch dort endlich McDonalds gibt?

Hallo,
so sind wir Zivilisierten - wer nicht so ist wie wir, der muss missioniert und noch viel besser, der muss integriert werden. Wer so, wie dieser „Missionar“, leichtfertig handelt, der ist nicht für seinen Glauben gestorben sondern wegen seiner Dummheit.
Lasst diese Menschen in Ruhe ihr Leben leben - deren Gesetze sind nicht die unsrigen.
Gruss
Czauderna

Naja, wenns nicht ein „Volk“ wäre, sondern z.B. eine abgeschiedene „Sekte“ (die Größenverhältnisse passen vollkommen), dann würde die Justiz mit Sicherheit eine Lösung finden. Zumal das nicht der erste aggressive Akt war.

Soweit ich informiert bin, kommen derzeit Ermittler ohne Konfrontation nicht auf die Insel, um an Leiche und Tatort Spuren zu sichern. Bei wohl keiner anderen Menschengruppe würde der Staat sich deshalb zurückziehen und die Tötung vermutlich dulden. Die Frage, ob das hier angebracht ist, ist doch durchaus eine berechtigte Frage.

Ich würde von dir, der du so deutlich Partei zu nehmen scheinst, gern wissen, woher deine Sympathie für diese Menschen stammen? Auf diesen Aspekt bist du nicht eingegangen.

Gruß
F.

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Da die Kommentarfunktion am Handy bescheiden ist, hier mein Senf:

Zu den Ethischen Fragen
1: da sie vollkommen autark leben und somit keine Ahnung von den bei uns üblichen Regeln haben: davonkommen lassen. Abgesehen davon, dass sie niemand versteht, sie niemanden verstehen und der Missionar wusste, worauf er sich einließ.

2: es gibt bereits eine Schutzzone: die Insel plus 5 km darum. Ich frage mich in diesem Fall ernsthaft, wie verblendet man sein muss um ein wirklich abgeschieden lebendes Volk unter Missachtung der Gesetze unbedingt missionieren zu wollen.

Sachfrage
1: es gab in der Vergangenheit Kontaktaufnahmen, aber von Seite der Sentinelesen wohl mit überschaubarer Begeisterung. Mit den Menschen kommen auch Krankheiten, auf die sie, so die Bedenken, wohl nicht vorbereitet sind.

2: wie man ohne moderne Technik überlebt. Wie man es über Jahre schafft, anderen aufdringlichen Menschen aus dem Weg geht.

So in etwa denke ich mir es auch.
(abgesehen davon, dass ich diesen Wunsch eher für „oberflächlich“ halte, denn ob wirklich viele tatsächlich darauf verzichten wollen würden …)

Um das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen beispielsweise?
Oder hast du Vorstellungen, wie die mit ihren Kindern umgehen? Wir holen täglich misshandelte Kinder aus ihren Familien (das kritisiere ich nicht), aber deren Kinder gehen den Staat nichts an?
Will sagen: Den Hinweis auf den McDonalds-Imperialismus finde ich nicht falsch, aber zu eindimensional.

Gruß
F.

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Vertritts du politisch allgemeinen einen radikalen ‚kulturalistischen Partikularismus‘ oder nur in Bezug auf die Sentinelesen? Wenn letzteres, warum nur in Bezug auf die?

Gruß
F.

Danke, interessante Aussagen von dir!

Ich kann deine Antworten gut nachvollziehen, find es aber ein bisschen fraglich, warum so sehr auf diesen „Missionar“ eingeschlagen wird.
Er hat ein Gesetz gebrochen und sein Eifer ist auch ziemlich gaga, aber er ist ohne Zweifel das Opfer und nicht der Täter, sonst könnte ich nächste Woche genauso meinen Zeugen Jehovas erschlagen.

Zugegeben ist meine Aussage hier nicht komplex genug, man kann mit dem Stichwort „Anstecken von Krankheiten“ natürlich den Aspekt Selbstverteidigung heranziehen.
Das ist dann aber, da sie von Krankheitsansteckung mit ziemlicher Sicherheit keine Ahnung haben werden, auch nicht wirklich eine Entschuldigung, sondern unser Bewertungsmaßstab (genauso wie „Missionar“ unser Wissen ist und nicht deren Wissen, und genauso wie du sie davonkommen lassen willst, weil das Tötungsverbot unser Verbot ist).

Vermutlich haben sie ihn schlicht und einfach deshalb getötet, weil er ein Fremder war.
Damit haben sie etwas getan, das wir normalerweise extrem verwerflich finden, denen aber offenbar zugestehen (nicht zum ersten mal; m.W. wurden auch schon Fischer getötet, die versehentlich zu nahe an deren Insel kamen).

Ganz komplexe und interessante Angelegenheit, wenn man sich rein denkt, finde ich :wink:

Gruß
F.

Hallo,
sorry, ich bin nur ein einfacher Hauptschüler - ich hab den Begriff gegoogelt und immer noch nicht so richtig kapiert, was damit, auf meinen Beitrag bezogen gemeint bzw. gefragt wird.
Ich antworte einfach mal - ich meine es so, wie ich es geschrieben habe und diese Meinung gilt hier und jetzt ausschliesslich für dieses Volk.
Gruss
Czauderna

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Hier wird der Begriff ausreichend klar, wie ich ihn gemeint habe:

Ich wollte damit auch nicht irgendwie beeindrucken, sondern nur in zwei Worten das sagen, wofür man vier Sätze bräuchte, um es paraphrasieren.

Und warum wenn ich fragen darf? Also warum eine „Sondermeinung“ für diese Gruppe?

Gruß
F.

Ja, es ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die sich aber imho durch das Zivilisationsgefälle erklärt.

Wäre es anstelle des Missionars auf den Andamanen ein Zeuge Jehovas in heimischen Landen gewesen, sähe die Berichterstattung anders aus und die Folgen wären klar.

Das geht hier aber nicht, und genau das macht die Wertung so schwer.

Edit: die Sentinelesen haben in der Vergangenheit deutlich klar gemacht, dass sie keinerlei Wert auf Besuche legen, man hat es durch die Errichtung der Schutzzone und dem Verbot von Expeditionen akzeptiert

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Hallo,

Also ich definitiv NICHT.

Grüße
Siboniwe

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Hallo,

diese Inseln gehören zwar de jure zu Indien, de facto allerdings nicht.

Vermutlich wissen die Menschen, die dort wohnen nicht einmal, dass es einen Staat namens Indien gibt, der ihre Heimat zu seinem Staatsgebiet erklärt hat. Sie erhalten ja von dort auch keinerlei Unterstützung in irgendeiner Form.

Ich sehe daher nicht, warum sich die Menschen, die dort leben den indischen Gesetzen (die sie nicht einmal lesen könnten, wenn sie denn eine Kopie hätten) unterwerfen sollten. Nach den Gesetzen dieses Stammes war die Tat vermutlich absolut legitim.

Gruß,
Steve

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Die Erfahrung auf Festivals um den Jahrtausendwechsel hat mir gezeigt, dass ich für steinzeitliches Leben nur bedingt geeignet bin.

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Yepp, das entspricht auch meinem spontanen Gefühl.
Wenn man diesen Gedanken mit „höherer/niedriger Zivilisiertheit“ aber konsequent weiterdenkt, dann muss man die auf einer Entwicklungsstufe sehen, auf der Grundschulkinder stehen … und die würde man gerade nicht „autark für sich lassen“ …

So ist es.

Interessant finde ich, wer keinen Wert auf Besuche legt? Wir wissen vermutlich nichts über die Machtverhältnisse in dieser Gruppe. Vielleicht gibts eine kleine Gruppe von Machthabern, die dadurch ihre Herrschaft absichern, während die Unterdrückten froh wären, wenn es Außenkontakte geben könnte.
Ist natürlich wilde Spekulation von mir, aber wer weiß :wink:

Gruß
F.

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Ich würde dir jetzt nicht raten, hinzufahren und nachzufragen. Wir werden wohl mit dem Unwissen leben müssen.

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Dem kann ich mich an sich schon anschließen, aber:
Die ganze Menschheitsgeschichte hindurch ist es so gelaufen, dass autarke/autonome Gebiete in größere Gebiete (zwangs)inkorporiert wurden. Sicher nicht nur zu deren Nachteil übrigens.
Da frage ich mich, warum das gerade bei diesen letzten 100 Hanseln nicht mehr so sein soll. Vielleicht laden wir denen unsere Schuld dafür und unsere Trauer darüber auf.
So eine Art umgekehrte Sündenbockstrategie?

Gruß
F.

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Ignorieren. Wenn jemand unbedingt den Darwin-Award gewinnen will, dann findet er einen Weg. Den Tätern fehlt es am übergeordneten Rechtsverständnis, das wir als angeblich ach so universell erachten.

Die kann man erst einmal isoliert lassen, solange es keinen Bedarf „unsererseits“ gibt, womit ich die offenkundig weitaus überwiegende Mehrheit der Menschheit meine. Das kann man auch auf die Mehrheit der Staatsbürger Indiens beschränkt sehen, falls man mag.

Weil es eine ausreichend große Menge von [*#+a§x!] gibt, die sich am „Urzustand“ der Sentinelesen ergötzen und sich einbilden, dass wir keinerlei Recht hätte, sie darin zu „stören“.

Sie haben keinen Bedarf oder betrachten „uns“ als böse, gestört, Geisterwesen oder sonstwas in der Richtung.

Wie man es nicht machen sollte.

Gruß
vdmaster

Hallo,

ich verstehe dein Unbehagen und habe mir ähnliche Fragen gestellt. Wenn man sich übrigens amerikanische social media sites ansieht, ist die öffentliche Meinung nicht so krass auf Seiten der Sentinelesen. Allerdings ist es weniger eine Ablehnung von deren isolierten Lebensweise, eher ihrer Aktionen, aber hauptsächlich aus einer Sympathie für die Missionierung heraus. Und auf dieser Seite sehen sich wenige denkende Menschen gern, in Deutschland sieht man selbst bei den meisten praktizierenden Katholiken und Protestanten die Aktionen dieses selbsternannten Missionars kritischer. Zum Teil liegt das sicher daran, weil die Missionierungsgeschichte der großen Kirchen heute bei uns kritischer gesehen wird als vor 200 Jahren und bei an sich missionarisch denkenden Sekten.

Was die Schutzzone und Kein-Kontaktregel betrifft, so liegt für mich der Vergleich an Naturreservate nahe. Die Gorillas in Zentralafrika wären sicher für eine solche Schutzzone dankbar (wenn sie es verstehen würden). Was natürlich weitere ethische Fragen aufwirft.

Wir schützen das, was für schützenswert halten. Aber auch das, von dem wir denken, dass es sich nicht allein schützen kann. Die Handlungsweise der indischen Regierung und die Akzeptanz des Verbots bei vielen Menschen ist eine Art von Bevormundung bzw. ein Befürworten dieser Bevormundung, eine Bevormundung. Dieser Schutz hat einen Beigeschmack von Rassismus. Vom Englischen kenne ich den Begriff des „benevolent racism“ - ich weiß nicht, ob es dafür eine akzeptierte Übersetzung gibt, ungefähr „wohlmeinender Rassismus“ (= die Tendenz, Angehörige anderer Volksgruppen wohlwollend zu betrachten, aber sie für minderwertig zu erachten, vergleichbar mit Kindern).

Natürlich wissen wir heute, dass ein Kontakt mit unserer Zivilisation - egal wie behutsam - die Sentinelesen in relativ kurzer Zeit ausrotten würde - durch Krankheiten, aber mittelfristig auch kulturell (man vergleiche das mit relativ isoliert lebenden Volksgruppen in anderen Erdteilen). Die Sentinelesen können das nur instinktiv beurteilen, wir haben das Wissen der Geschichte hinter uns. Das ist allen Inselvölkern passiert (oder passiert gerade und wir wissen nicht, wie wir das verhindern können - außer durch Kontaktsperren, wobei wir - wie du richtig bemerkst - ganz andere Kriterien anlegen, als staatsintern) und den Völkern, die sich schon geographisch nicht so abschotten konnten, sowieso.

Es bleibt ein Dilemma, weil wir einerseits unsere Lebensweise in vielen Aspekten für richtiger halten (z.B. halte ich die Menschenrechte für nicht verzichtbar, allerdings gibt es ja durchaus Diskussionen, ob das Durchesetzen des westlichen Verständnisses von Menschenrechten nicht bereits ein Kulturimperialismus ist), wir aber hier eine Volksgruppe schützen, die offensichtlich diese Lebensweise ablehnt - ohne sie zu kennen. Würden sie sie aber kennen, könnten sie ihren Einfluss nicht mehr absolut verhindern.

Ich hoffe, das war nicht zu durcheinander. Auch ich finde, der junge Missionar hätte nicht dorthin gehen sollen. Er tut mir leid, weil er meiner Meinung nach verblendet war. Die Handlung der Sentinelesen halte ich für barbarisch und inakzeptabel, aber die Bestrafung dieser Handlung wäre unverhältnismäßig, weil sie das ganze Volk in Gefahr bestrafen würde. Sippenhaft lehnt unser Verständnis der Menschenrechte ebenfalls ab.

Grüße
Siboniwe