Flachland-Philosophie
Übrigens: Der junge amerikanische „lebende“ Philosoph Bennett W. Helm, Professor am Franklin & Marshall College, in Lancaster, gibt offen zu, dass zwei Vordenker ihn am meisten beeinflusst haben: der englische Philosoph John Stuart Mill mit seinem Utilitarismus und der deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche mit seiner Lehre „Wille zur Macht“ (siehe z. B. das Buch „Der Willen zur Macht: Versuch einer Umwertung aller Werte“),
Name drops are falling on my head…
Was die Flachheit deiner „Vision“ der menschlichen Motive betrifft (Lust vs. Unlust), kannst du dir mit Tychiades („Bananen und Sex“) die Hand reichen. Flacher geht´s nicht - die totale Zweidimensionalität, flach wie ein Schatten.
Du zitierst Helm wie folgt:
Bekanntlich hat Nietzsche seinen einzigen Lehrer, Schopenhauer, sowohl als Genie verehrt, als ihn auch in seinem tiefen Pessimismus scharf verurteilt.
Nietzsche hatte bekanntlich nicht alle Zacken in der Krone. Das kann man ihm nicht zum Vorwurf machen, denn er war krank und zudem Opfer einer christlichen Erziehung - aber Fakt ist es. Hätte er Schopenhauer und die fernöstlichen Lehren besser verstanden, dann wäre ihm sein geistiger Zusammenbruch und der Nachwelt die wirre „Wille-zur-Macht“-Theorie erspart geblieben.
(Helm, gemäß deinem Zitat:smile:
Und ich füge hinzu, was auch mein Freund aus Bonn immer weider als glühender Fan von Schopenhauer missversteht: Auch wenn das Leben total ohne Sinn sein sollte, nützt es zu einem gelungenen Leben wenig, sich wie Vogel Strauß zu verhalten, sondern im Sinne von Nietzsches Utopie einer Neugestaltung der (postmodernen) Kultur:
Wie unlogisch ist das denn?
"Auch wenn das Leben total ohne Sinn sein sollte, nützt es zu einem gelungenen Leben… "
Wenn das Leben „total sinnlos“ wäre, wie kann es dann ein „gelungenes Leben“ geben? Nach welchen Kriterien soll es denn ´gelingen´?
(Helm, gemäß deinem Zitat:smile:
Wenn der Mensch schon früher Götter erfinden konnten, warum dann nicht endlich einmal einen neunen Menschen?!
Ich gehe mal davon aus, dass es um einen „neuen“ Menschen geht. Nun, die Naivität dieser Frage ist erfrischend. Es besteht nämlich ein gewaltiger Unterschied zwischen einem Phantasma und einem „neuen Menschen“. Darüber hinaus ist schon die Idee, einen Menschen zu ´erfinden´, ethisch bedenklich. Das zeigten Platons Staats-Überlegungen ebenso wie Nietzsches Übermenschen-Projekt, das kläglich im persönlichen Wahnsinn bzw. in den Absurditäten des Nationalsozialismus endete. Zu nennen sind auch die gescheiterten Versuche der totalitären Linksregimes, einen sozialistischen Menschen zu züchten.
Dass Helm ein Fan von Mill und Nietzsche sein soll (gemäß deinen Angaben), ist mir aus inhaltlichen Gründen unverständlich. In Bennetts Lehre geht es um die zentrale Rolle der ´Liebe´:
http://ukcatalogue.oup.com/product/9780199567898.do
By focusing on the role that relationships of love and friendship have both in the initial formation of our selves and in the on-going development and maturation of adult persons , Helm significantly alters our understanding of persons and the kind of psychology we persons have as moral and social beings.
http://www.fandm.edu/bennett-helm
My second book, Love, Friendship, and the Self , argues that we must reject a strongly individualistic conception of persons if we are to make sense of significant interpersonal relationships and the importance they can have in our lives. It presents a new account of love as intimate identification and of friendship as a kind of plural agency, in each case grounding and analyzing these notions in terms of interpersonal emotions.
Das hat - was ´Liebe´ betrifft - mit Nietzsche und seiner kranken Machtphilosophie überhaupt nichts zu tun (schon die Vorstellung wäre komisch) und mit Mill nur sehr bedingt. Mill rechne ich sein feministisches Engagement sehr hoch an, aber ´Liebe´ ist keine theoretische Kategorie, mit der er philosophisch arbeitet.
Abschließend noch ein Blick auf Schopenhauer, den weder Nietzsche noch Helm verstanden haben, und du am allerwenigsten (was auch unmöglich ist, wenn man nur bis zur eigenen Nasenspitze denkt):
http://www.egs.edu/faculty/wolfgang-schirmacher/arti…
Schopenhauer ist kein Pessimist im Sinne eines Dogmas, denn er glaubt durchaus nicht, diese unsere Welt sei die schlechteste aller Welten. Der schwarze Schopenhauer beschreibt, was er sieht, und weigert sich beharrlich, die Augen vor dem alltäglichen Morden zu verschließen. Aber seine Phänomenologie des Leidens entdeckt auch die Bruchstelle, an der sich „der Wille wendet“ und eine „ganz andere Welt“ sichtbar wird. Am Ende des Hauptwerkes „Die Welt als Wille und Vorstellung“, im ersten Band des Dreißigjährigen ebenso wie im zweiten Band des Fünfundfünzigjährigen, fällt die Maske des Pessimisten. Mit heiterer Gelassenheit verabschiedet Schopenhauer „die Welt für uns“ und schweigt beredt über unsere wahre Heimat, die "Welt an sich".
Auf deine Kommentare aus der hochanspruchsvollen Lust-Perspektive ist die Fachwelt gespannt wie ein Regenschirm.
Chan