Ich denke, wir stimmen darin überein, dass man Liebe und Gerechtigkeit nicht auseinanderdividieren kann. Gerechtigkeit ohne Liebe ist keine Gerechtigkeit und Liebe freut sich nicht an der Ungerechtigkeit. Aber es ist mehr um die Liebe als bloße Gerechtigkeit. Denn die Sünder ins Gericht zu bringen und zu verdammen ist gerecht. Und doch hat die Liebe die Ungerechten geliebt, dass sie diese nicht verdammen wollte, sondern hat einen gerechten Weg gesucht, sie vor dem Gericht zu retten. Sicher ist die Errettung durch Jesus gerecht, aber doch nur in dem Sinn, dass sie der geforderten Gerechtigkeit entspricht, dass das Böse gesühnt wird. Aber doch sicher nicht in dem Sinn, dass Jesus das tun mußte, um gerecht zu sein.
Die Gesinnung gerecht zu handeln verändert mich (nützt mir zum
Heil)
nicht die bezugslose „Aktion“.
Mehr als Paulus ist dies:
Ich denke nicht daran ob es mir nützt sondern bringe mich ein
für andere.
Wie meinst Du diese Sätze? Sie klingen falsch. Wo bekommst Du die Gesinnung her und wieso verändert Dich diese Gesinnung? So eine Gesinnung entspränge doch selbst bereits der Veränderung des Seins oder wäre zumindest diese Veränderung selber. Inwiefern nützt sie zum Heil? Mir fällt dazu ein: „Geistlich gesinnt sein ist Leben.“ Meinst Du das so? Und was ist eine „bezuglose Aktion“? Und aus welchem Grund denke ich nicht daran, was mir nützt, sondern bringe mich ein für andere? Was ist der Beweggrund dafür? Bzw. wenn die Antwort ist, ‚Weil ich eben gesinnt bin, gerecht zu handeln.‘, ist die Frage, ‚Warum will ich denn überhaupt gerecht sein‘?
Jesus:
"Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt
(sich einbringt) für andere.(der NT-Text schreibt hier zwar
„für seine Freunde“ - wäre aber zu kurz gefaßt)
Aber Feindesliebe soll es ja auch geben.
Wie geht das ? Doch wohl über (höhere) Gerechtigkeit.
Gruß VIKTOR
Bei der Feindesliebe spricht Jesus ja nicht mehr von Gerechtigkeit, sondern von „Vollkommenheit“. Ist Vollkommenheit eine höhere Gerechtigkeit? Ich würde es eher als Vollkommenheit der Liebe bezeichnen, da Gerechtigkeit meinem Verständnis nach eine niedrigere Kategorie im Sinn von Auge um Auge ist. Es ist nicht „gerecht“, etwas ohne Gegenleistung zu tun. Es ist aber liebevoll, weil die Liebe nicht das Ihre sucht. Es ist an diesem Punkt allerdings weiterführend, wenn man sich überlegt, inwiefern es für den ohne Gegenleistung erlösten Sünder „gerecht“ ist, genauso liebevoll zu handeln. Dennoch ist dann aber Gottes Vorleistung der Liebe, für den Sünder zu sterben, aber keine „Gerechtigkeit“ in dem Sinne mehr, sondern einfach nur Liebe, da bloße „Gerechtigkeit“ eben auch den Sünder hassen und verdammen könnte. Und die Bezeichnung „höhere Gerechtigkeit“ ist meiner Ansicht nach an diesem Punkt nahezu irreführend. Was soll das Prinzip solcher höheren Gerechtigkeit sein? Wäre es denn dann in dem Sinn ungerecht, den Sünder zu verdammen und nicht zu retten? Das kann doch wohl nicht sein.
Ich würde jetzt auch nicht so einfach den NT-Text „verbessern“. Sicher stirbt Jesus für uns, als wir noch Feinde waren, aber er macht aus uns durch diese Liebe Freunde. Dagegen wenn wir uns dadurch nicht zu Freunden machen lassen, sondern Feinde bleiben, dann hat sein Tod uns nichts genützt. Insofern macht es durchaus Sinn zu sagen, dass Jesus für seine Freunde stirbt, auch wenn er für seine Freunde stirbt zu einem Zeitpunkt, als diese noch Feinde waren. Dann gewinnt seine Liebe unsere Herzen und aus dem Grund stirbt er für uns, um uns zu gewinnen. Das Wort „Freund“ ist da auch ein Wort aus dem Spektrum der Liebe. Wie bezeichnet denn die Liebe denjenigen, für den sie zu sterben bereit ist? „Freund“ ist eine Bezeichnung des liebevollen Affektes und kann nicht durch ein kaltes Wort ersetzt werden, wie „jemand anders“, ohne die Liebe darin unkenntlich zu machen.