Gerade vor dem Hintergrund, dass heute längst nicht mehr nur Eltern aus dem Mittelstand ihre Kinder ins Gymnasium schicken, bei denen man zumindest früher mit einer guten Wahrscheinlichkeit davon ausgehen durfte, dass solche Dinge in der Familie gelernt wurden, halte ich einen solchen „Alltagsunterricht“ sogar für dringend notwendig. Zumal auch im Mittelstand inzwischen viele früher selbstverständliche Dinge heute auf recht breiter Front keine Rolle mehr spielen. Man denke nur an das Thema Kochen.
Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass es mE überhaupt keine Schande ist, bestimmte Dinge im Rahmen der Alltagsbewältigung mal von Leuten zu hören, die diese nicht nur „auch schon mal gemacht haben“, wie Mama und Papa, sondern von Leuten zu lernen, die dafür ausgebildet sind, und mit all den „Legenden“ aufräumen, die teilweise schon über Generationen von Laien tradiert werden. Das gilt insbesondere in allen Bereichen, die rechtliche Berührungspunkte haben, bei denen man diese Legenden hier regelmäßig in Form entsprechender Fragen erkennt.
Auch haben sich neue Gefahren ergeben, die viele Elternhäuser noch nicht ausreichend beantworten können (Online-Handel, Computer-Spielsucht, Cyber-Kriminalität, …), bei denen mE „Fachpersonal“ gefordert ist.
Gerade im Umgang mit moderner Technik stelle ich zudem eine „massive Verblödung“ fest, die genau gegenläufig zu den an sich aus dieser Technik erwachsenden Chancen und Möglichkeiten ist. Es hat zwar jeder ein Smartphone mit Fratzenbuch, Wassnlos, … Aber wenn ich mir ansehe, dass die Leute die oft grausame Spracherkennung für die Suche im Internet verwenden, und einem dann mit treudoofem Blick erklären, dass man zu einem Thema „nichts im Internet finden konnte“, dann kommt mir das kalte Grausen, weil es mich dann regelmäßig nur ein oder zwei schriftliche Versuche mit rudimentärer Nutzung der dabei möglichen Einstellungen kostet, um zu einer Vielzahl brauchbarer Ergebnisse zu kommen.
Gerade am Wochenende habe ich mal wieder einige jüngere Kollegen ganz massiv gefaltet, weil sie einfach per Google übersetzte Texte in Angebote übernommen hatten, ohne diese noch mal „menschlich“ zu überarbeiten. Da wurden dann Markennamen und Fachbegriffe übersetzt, teilweise sogar auffällig falsch, und da geht es nicht um muttersprachliche Englischkenntnisse, sondern einfach nur darum, dass man wissen sollte, dass man dem Google-Übersetzer nicht blind vertrauen darf.
Unseren Au-Pair hatte ich vor Jahren mal auf einem Webserver bei uns im Haus eine Seite mit nützlichen Links angelegt. So Sachen wie Nah- und Fernverkehrsauskunft mit vorbelegter Start-/Zieladresse um schnell und einfach von uns irgendwo hin und wieder zurück zu kommen, Google Maps mit eingestelltem Stadtplan, Links zu Anbietern von Kurztrips für junge Leute, Kinoprogramm, Kursangebote der Bildungsträger, … Nutzung nahezu gleich Null. Statt dessen standen sie regelmäßig bei mir auf der Matte (und nein, ich weiß auch nicht auswendig, wie man von hier nach Kleinkleckersdorf kommt, und nutze dann auch genau diese Seite). Und auch sonst habe ich da immer wieder ganz massive Defizite im rein praktischen Leben festgestellt, die nichts mit der geographischen Herkunft zu tun hatten, und die ich dann immer versucht habe, über ein Jahr aufzuarbeiten.