Sollte man "Alltagskunde" im Gymnasium lernen?

HAllo ihr lieben Mitleser,
man hört ja immer mal wieder die Kritik von oder an Gymnasiasten, dass im Gymnasium nichts Praktisches gerlernt werde, wie z.B.
Kochen, Verträge abschließen, Hartz 4 beantragen (:slight_smile: oder Geld anlegen.

Ich habe an allen Schultypen schon gearbeitet, auch an der (so hieß es früher) Sonderschule für Lern- und Geistigbehinderte .
Aus der Arbeit an Lernbehindertenschulen kenne ich es, dass den Schülern ganz praktische Dinge intensiv vermittelt werden, weil man eben davon ausgeht, dass sie sich das nicht einfach anlesen können. Und leider auch früher davon ausging, dass diese Schüler theoretisches Wissen sowieso nicht erwerben können.

Je „höher“ die Schulform, jetzt mal vereinfacht gesagt, umso eher ging man davon aus, dass Schüler ihr Wissen und Können übertragen: Wer Zinsrechnung kann und komplizierte Texte lesen, der kann auch bei der Bank einen Kreditvertrag lesen und verstehen. Oder ein Kochrezept.

Darum wundert es mich, dass auch die Schüler so vehement „mehr praktisches Wissen“ fordern. Wollen die wirklich in der Schule über Miet- und Kreditverträge sprechen? Oder glauben sie, einen Arbeitsvertrag nicht verstehen zu können, wenn sie das nicht vorher in der Schule durchgekaut haben?
Aus meiner Vor-Abi Zeit erinnere ich mich, dass Miete, Geldanlage und Arbeitsvertrag noch weit weg erschien. Das hätte mich Null interessiert, und ich hatte auch später keine Probleme, das zu bewältigen. Ist aber auch schon ein paar Jährchen her.
Wie seht ihr das denn?

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Hallo!

All das habe ich von meinen Eltern gelernt und frage mich, warum das nun Thema für das Gymnasium sein soll - und was Kinder denn überhaupt noch zuhause lernen sollen.

Diese Fähigkeit des Transfers ist das, was durch alle Schulformen hindurch verloren geht.
Ich arbeite an einer Berufsschule, wo Klassen von der BF1 bis zum Beruflichen Gymnasium unterrichtet werden und Schüler von „kein Schulabschluss“ über Abi bis „abgebrochenes Studium“ unterrichtet werden.

Und obwohl beispielsweise diese Schüler den ganzen Tag mit dem Handy online sind, haben sie keinerlei Ahnung vom „Googlen“; also von einer effektiven Recherche im Internet. Heute haben sich gar Schüler einer Berufsschulklasse (die die Allgemeine Hochschulreife haben) beschwert, dass ich von Ihnen verlangt hatte, für ein Referat Zusatzinformationen zu googlen.

Mich wundert das nicht.
Was ich sehe ist, dass Eltern ihre Elternrolle und -aufgaben einfach nicht mehr wahrnehmen.
Grundschüler gehen ohne Frühstück in die Schule, weil sie „die Mama und ihren Freund nicht wach bekommen haben“.

Diese Schüler haben keine Hobbys (außer natürlich „Freunde treffen und Netflix“), keine Leidenschaft für irgendwas (abgesehen von Handys und Computerspielen).
Von den Eltern bekommen sie lebenspraktische Dinge weder vorgelebt noch aktiv beigebracht.

Für die Schüler an unserer Berufsschule ist das sicher auch so. Die Kids bleiben unselbständig und wohnen im Hotel Mama, bis sie über dreißig sind. Wie sollten sie auch ausziehen? Sie wüssten nicht wie und bringen auch die Initiative nicht auf. Ihre Haltung ist eine Konsumhaltung, sowohl gegenüber den Eltern als auch gegenüber den Lehrern, die sie für jeglichen Lernerfolg verantwortlich machen.

Ach, ich red mich gleich in Rage…

Schönen Abend
wünscht
Diva

Hallo,

Unter „praktisches Wissen“ kann Jeder etwas Anderes verstehen. Ich denke, dass das hier

wird als genauso öde und langweilig bezeichnet werden, wie Geschichte oder Physik. Das ist weder spannend noch sexy.

Gruß
Jörg Zabel

Zu HAuse können die meisten Kinder ausser Teeny-Mütter; Shopping-Queen; Ich bin ein Star; und anderweitige Ergüsse der aktuellen Medienlandschaft nichts lernen weil die meisten Erwachsenen es ja selber nicht bessser wissen.

Ich hatte letztlich ein Unterhaltung mit westdeutschen erwachsenen Frauen im Alter um die 50 über ihre Altersrente…und ich Ossi musste denen erklären wie ihre Rente „funktioniert“. Traurig…einfach nur traurig!

Ich weiss nicht, was genau an letzterem schlimm sein soll. Ist nicht unterm Strich jede Leidenschaft gleich viel wert?

Nun, ich halte es für keine echte Leidenschaft, zumindest so, wie ich es bei meinen Schülern wahrnehme (und was sie mir darüber erzählen).
Es sind Strategien, um dem Alltag zu entfliehen, sich berieseln und abzulenken.

Zum Vergleich: Wer eine echte Leidenschaft hat, sieht sich imhO doch darin selbst verwirklicht, bringt sich mit seiner Persönlichkeit ein - ob das nun Malen ist, Singen, Fußballspielen, Klöppeln oder Backen.
Wieviel deiner Persönlichkeit bringst du denn in solch ein Computerspiel ein? Und wieviel Suchtpotential haben solche Hobbies, Leidenschaften im Vergleich zu Handys und Computerspielen?

Ich sehe da einen deutlichen Unterschied. Es ist gar keine Kritik an den Computerspielen selbst.

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Lustige Etwas bedenkliche Anektode aus dem Leben eines Postfilialbetreibers:
Ein mittelalter Lehrer (Abitur -> studiert!) möchte einen Brief abschicken und fragt (echt wahr!) „Wo muss ich denn die Briefmarke hinkleben?“.

Ich erinnere mich, dass zu meiner Abi-Zeit durchaus ähnliche Fragen auftauchten („Wie weiß ich überhaupt, in welcher Steuerklasse ich bin“ usw…).
In der Hauptschule (!) hatten wir u.a. gelernt, wie man einen Überweisungsträger ausfüllt - wer vorher auf eine weiterführende Schule gewechselt war: Pech! Der musste sich entweder auf seine Intelligenz verlassen oder war verlassen - siehe o.g. Lehrer. Es ist halt nicht jedem gegeben, sich Informationen selbst zu beschaffen und seinem eigenen Verstand/Verständnis zu trauen.
Ob da ein Schulfach „Alltagskunde“ helfen würde, sei dahingestellt. Man behält die Dinge ja meist nur, wenn man sie praktisch anwendet. Das geht aber im Schulbetrieb nur sehr eingeschränkt.

Gruß,

Kannitverstan

Hi,

der Generation des von Dir beschriebenen Lehrers ist es auch zuzutrauen, dass er noch nie selbst einen Brief frankiert hat. dienstliche Post gibt er im Sekretariat ab, die frankieren, er macht den Rest. (das ist immer noch so, auch für mich) Zu Hause macht das die Frau. (das ist bei jüngeren Generationen vielleicht anders)
Und er hat genau das getan, wozu du ihm die Befähigung absprichst: er hat selbständig herausgefunden, wie man an eine Briefmarke kommt, und er hat sich die Information besorgt, wo die Marke hingehört. Ebenfalls selbständig, und auf die zeitsparendste und sicherste Weise: beim Briefmarkenkauf, in der Postfiliale.
Die Kinder, über deren Unfähigkeit man sich hier im Brett unterhält, bedeutet, dass die nicht wissen, dass eine Briefmarke draufmuss, wo die Anschrift hinkommt, wann die Postfiliale aufhat etc. und die nicht mal wissen, wo man die Info herbekommt (das ist, da stimme ich mit dir überein, das eigentliche Problem - nicht, dass man etwas nicht weiß)

die Franzi

Na, ganz so negativ sehe ich das nicht. Hast du diese Erkenntnisse vielleicht eehr selber aus den „Reportagen“ des Privatfernsehens?
Die meisten Erwachsenen, die ich kenne, verfügen durchaus über praktisches Wissen und kommen mit ihrem Leben klar. Ihre Kinder meistens auch. Deshalb verstehe ich ja den Wunsch nicht, jede Eventualität des Lebens vorher in der Schule durchkauen zu wollen…

Gerade vor dem Hintergrund, dass heute längst nicht mehr nur Eltern aus dem Mittelstand ihre Kinder ins Gymnasium schicken, bei denen man zumindest früher mit einer guten Wahrscheinlichkeit davon ausgehen durfte, dass solche Dinge in der Familie gelernt wurden, halte ich einen solchen „Alltagsunterricht“ sogar für dringend notwendig. Zumal auch im Mittelstand inzwischen viele früher selbstverständliche Dinge heute auf recht breiter Front keine Rolle mehr spielen. Man denke nur an das Thema Kochen.

Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass es mE überhaupt keine Schande ist, bestimmte Dinge im Rahmen der Alltagsbewältigung mal von Leuten zu hören, die diese nicht nur „auch schon mal gemacht haben“, wie Mama und Papa, sondern von Leuten zu lernen, die dafür ausgebildet sind, und mit all den „Legenden“ aufräumen, die teilweise schon über Generationen von Laien tradiert werden. Das gilt insbesondere in allen Bereichen, die rechtliche Berührungspunkte haben, bei denen man diese Legenden hier regelmäßig in Form entsprechender Fragen erkennt.

Auch haben sich neue Gefahren ergeben, die viele Elternhäuser noch nicht ausreichend beantworten können (Online-Handel, Computer-Spielsucht, Cyber-Kriminalität, …), bei denen mE „Fachpersonal“ gefordert ist.

Gerade im Umgang mit moderner Technik stelle ich zudem eine „massive Verblödung“ fest, die genau gegenläufig zu den an sich aus dieser Technik erwachsenden Chancen und Möglichkeiten ist. Es hat zwar jeder ein Smartphone mit Fratzenbuch, Wassnlos, … Aber wenn ich mir ansehe, dass die Leute die oft grausame Spracherkennung für die Suche im Internet verwenden, und einem dann mit treudoofem Blick erklären, dass man zu einem Thema „nichts im Internet finden konnte“, dann kommt mir das kalte Grausen, weil es mich dann regelmäßig nur ein oder zwei schriftliche Versuche mit rudimentärer Nutzung der dabei möglichen Einstellungen kostet, um zu einer Vielzahl brauchbarer Ergebnisse zu kommen.

Gerade am Wochenende habe ich mal wieder einige jüngere Kollegen ganz massiv gefaltet, weil sie einfach per Google übersetzte Texte in Angebote übernommen hatten, ohne diese noch mal „menschlich“ zu überarbeiten. Da wurden dann Markennamen und Fachbegriffe übersetzt, teilweise sogar auffällig falsch, und da geht es nicht um muttersprachliche Englischkenntnisse, sondern einfach nur darum, dass man wissen sollte, dass man dem Google-Übersetzer nicht blind vertrauen darf.

Unseren Au-Pair hatte ich vor Jahren mal auf einem Webserver bei uns im Haus eine Seite mit nützlichen Links angelegt. So Sachen wie Nah- und Fernverkehrsauskunft mit vorbelegter Start-/Zieladresse um schnell und einfach von uns irgendwo hin und wieder zurück zu kommen, Google Maps mit eingestelltem Stadtplan, Links zu Anbietern von Kurztrips für junge Leute, Kinoprogramm, Kursangebote der Bildungsträger, … Nutzung nahezu gleich Null. Statt dessen standen sie regelmäßig bei mir auf der Matte (und nein, ich weiß auch nicht auswendig, wie man von hier nach Kleinkleckersdorf kommt, und nutze dann auch genau diese Seite). Und auch sonst habe ich da immer wieder ganz massive Defizite im rein praktischen Leben festgestellt, die nichts mit der geographischen Herkunft zu tun hatten, und die ich dann immer versucht habe, über ein Jahr aufzuarbeiten.

Eben. Genau wie Wirtschaft oder Rechtskunde als Schulfach.

Das find ich jetzt nicht so schlimm. Wenn man etwas nicht weiß, dann fragt man halt. Wahrscheinlich hat der Information ja dann verstanden und konnte sie anwenden. Genau das wollen wir doch, oder?
Die Fähigkeit, sich selber zu informieren. Oder möchtest du, das „Briefe frankieren“ in der Schule unterrichtet wird?

Oh wei, das listest du ja eine ganze Menge Unzulänglichkeiten auf.
Wenn man die alle in der Schule behandeln will, bleibt für Lesen, Schreiben, Rechnen aber keine Zeit mehr…

Ich bleibe dabei: Im Gymnasium und in allen weiterführenden Schulen sollte Wissen vermittelt werden und die Fähigkeit, dieses zu übertragen.
Was nützt es meinen armen Schülern, wenn ich ihnen genauestens beibringe, wie ein Fahrkartenautomat benutzt wird, und in einer anderen Stadt steht dann ein ganz anderes Dingen? Oder wenn sie zwar Hartz4 beantragen könne, aber nicht in der Lage sind, sich über aktuelle Gesetzesänderungen zu informieren?

Dass man diese Fähigkeiten an moderneren Inhalten vermitteln könnte, also statt Goethe mal ein Gesetzbuch lesen, oder statt Aufsatz einen Internetblog schreiben, bleibt natürlich unbestritten.

Hi!

Stimmt!
Gefühlte 80 % des Abschlussjahrgangs meines Sohnemanns haben das bereits vor der Oberstufe bemängelt.

Naja, in unserem Fall ging es eigentlich eher darum, dass man wenigstens in der Saure-Gurken-Zeit nach den geschriebenen Zeugnissen ab und zu auf Dinge eingeht, wie

  • Steuerklassen
  • was darf und was muss ich als Azubi?
  • was ist organisatorisch zu regeln vor der Uni?
  • welche Fördermöglichkeiten gibt es, etc.

Es gab genau einen Mathelehrer, der diese Zeit für Wiederholungen von Prozent- und Zinsrechnung, Dreisätze oder auch Kopfrechnungen genutzt hat, da dies seiner Meinung nach im täglichen Leben enorm wichtig ist.
Mein Sohn ist ihm dafür heute noch dankbar.

Kochen lernen war zugegeben auch extrem gefragt.

Wir hatten das seinerzeit so geregelt, dass zusammen mit der VHS Kochkurse angeleiert wurden (da waren die Lehrer aus dem Spiel, was nicht ganz unwichtig war).

Eltern, die sich in gewissen Bereichen auskannten (Personalfuzzis, Steuerberater, Juristen, Mitarbeiter des Sozialamts und für den IT-Sicherheitsbereich sogar ein Ex-Schülersprecher, usw.) haben Skripts entworfen und in Abendveranstaltungen, bei denen Snacks gereicht wurden, die die Schüler - dank der Kochkurse - zubereitet hatten im lockeren Rahmen vorgestellt.

Man kann durchaus etwas mehr anbieten als das, was im Lehrplan steht, wenn ein gewisses Maß an Eigeninitiative vorhanden ist und die Schulleitung mitspielt.

Geschadet hat es keinem der Schüler und die Resonanz war riesig.

Ich bin mir ausgesprochen sicher, dass die Mehrzahl der Arbeitnehmer in diesem Land ihren Arbeitsvertrag nicht zu 100 Prozent verstehen, insofern ist das ein vermutlich schlechtes Beispiel.

VG
Guido

Man sollte vielleicht Leidenschaft an Handy und Computer hier als Leidenschaft im Sinne bloßen, höchst trivialen Konsums verstehen. Als blankes „Zeit totschlagen“, ohne sich zu entwickeln, neue Erkenntnisse zu gewinnen, sich kreativ auszudrücken, …

Wenn ich an meinen ersten PC zurück denke, dann gab es auch damals schon Computerspiele, und ich habe diese auch gelegentlich gespielt. Aber ich habe dieses Gerät insbesondere dafür genutzt, mir das Programmieren beizubringen, und dann auch massenhaft Dinge zu programmieren. Seien es rein technische Dinge, oder wirklich ganz kreative Geschichten im Bereich Computergrafik. Ich habe mich schnell mit Textverarbeitung vertraut gemacht, und habe damit ein Werkzeug in die Hand bekommen, um ganz viel zu schreiben. Ich hatte damals die Gelegenheit für die Zeitung, bei der mein Vater arbeitete Bild und Text zu liefern, und habe das auch regelmäßig mit Begeisterung gemacht.

Für Sohnemann hatte ich extra einen noch ganz einfach mittels Basic-Interpreter zu nutzenden kleinen Computer angeschafft, habe mich da eingearbeitet, und mit ihm zusammen dann die ersten kleinen Programme geschrieben, mit denen er sich das Lernen in der Schule vereinfachen sollte. Interesse mäßig, obwohl er jahrelang ständig vom Bau von Robotern gesprochen hat, den ich sofort unterstützt hätte. Das Ding ist irgendwann im Regal gelandet, obwohl es - darauf hatte ich geachtet - jede Menge Schnittstellen mitliefert, über die man Roboter ansteuern könnte.

Inzwischen braucht er einen echten PC für die Schule, kann hier auf Software ohne Ende in allen interessanten Anwendungsfeldern zugreifen. Aufgrund der Begeisterung für Lego-Technik gab es auch gleich passende CAD-Lösungen installiert, … Zu Weihnachten gab es noch ein Schnittprogramm für Videos, nachdem er ein paar kleine Geschichten mit Webcam und Fotoapparat gemacht hatte. Er macht auch mal ein wenig Bildbearbeitung, sitzt aber überwiegend vor der Kiste um Youtube-Videos zu sehen.

Dabei würde ich meinen Sohnemann im Vergleich zum Rest seiner Freunde noch als „Vorbild“ sehen, weil er z.B. bislang keinen Wunsch nach modernen Computerspielen, einem speziellen Spiele-PC, einer Spielekonsole oder einem modernen Smartphone geäußert hat (und auch nicht ständig zu Leuten rennt, die entsprechend ausgestattet sind), und weder Fratzenbuch noch Wassnlos nutzt. Insoweit ist das alles nicht dramatisch, oder würde mir jetzt besondere Sorgen bereiten. Aber auch da sehe ich schon einen ganz deutlichen Unterschied zu der Nutzung solcher Dinge zu mir und meinen Altersgenossen damals. Bei uns war der Anteil „sinnvoller“ und kreativer Nutzung im Verhältnis zum reinen Medienkonsum deutlich höher.

nee…die Erkenntnisse stammen aus dem alltäglichen Umgang mit Auszubildenden

Ich finde das eigentlich sogar ein ganz wunderbares Beispiel. Denn auch wenn man Schüler natürlich nicht auf den Stand bringen kann, den ein gestandener Personaler oder Arbeitsrechtler hat, ist es doch durchaus möglich klassische Klauseln und deren Bedeutung vorzustellen, damit diese jungen Leute dann zumindest deutlich mehr als ihre Eltern von dem verstehen, was sie da unterschreiben. Auch ein Hinweis auf Rechte und Pflichten und typische Fallen und Risiken sollte nicht fehlen.

Ich mache regelmäßig bei uns in der Firma Rechtsseminare, und bin immer wieder erschüttert, wie wenig selbst studierte Menschen an „Alltagsjuristerei“ drauf haben, von der sie ständig umgeben sind. Ganz zu schweigen von Dingen, mit denen sie beruflich zu tun haben.

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„Lesen, Schreiben, Rechnen“ wird mE auf den Gymnasien in einer Tiefe betrieben, die in vielen Bereichen vollkommen überzogen ist. Da sehe ich ganz erhebliches „Einsparpotential“ über das man dann Platz für andere Dinge schaffen kann, die deutlich höhere Relevanz haben.

Wenn ich mir alleine die Masse an dicken Büchern ansehe, die wir damals im Unterricht gelesen und bearbeitet haben, an jahrelange Quälerei mit Algebra und Vektorrechnung denke, … Und dann kommen die Leute aus einem technischen Studium bei uns in die Firma, und sind nicht in der Lage eine anständige Prozentrechnung hin zu bekommen, mehr als rudimentäre Excel-Funktionen zu nutzen, …

Es geht auch gar nicht darum, den Leuten den einen Fahrkartenautomaten bis ins Detail zu erklären. Das wäre dann ja eher Hauptschulniveau. Aber es macht Sinn, sich mal ganz grundsätzlich mit der Funktionsweise solcher Dinger zu beschäftigen, was die Dinge so an Input brauchen, um was damit zu machen. Dann ist es auch egal, ob in der Nachbarstadt ein anderes Modell steht, weil man das Prinzip verstanden hat, und als kluger Gymnasiast in der Lage ist, den entsprechenden Transfer auf das konkrete Modell zu leisten.

Und was das von dir angesprochene Thema Gesetze angeht: So ein wenig „politisches System“, so ein wenig „Rechtssystematik“, wäre natürlich die Voraussetzung dafür, dass man dann auch konkrete juristische Anwendungsfälle sauber einsortieren kann.

Hallo,

ich erinnere mich an diesen Fall hier:

https://www.focus.de/familie/schule/schuelerin-prangert-schulsystem-an-allgemeinbildung-fehlanzeige-aber-ich-kann-ne-gedichtsanalyse-in-4-sprachen_id_4398825.html

Nun, der Dame wurde im Unterricht auch nicht beigebracht, wie man „twittert“. Trotzdem kann sie es.
Wenn sich das Mädel auch nur einen PIEP für irgendetwas Praktisches, Sinnvolles, Notwendiges interessieren würde, dann hätte sie sich jederzeit allumfänglich aus frei verfügbaren Quellen informieren können.

Aufgabe der Schule ist es, gerade die Sachen beizubringen, die ein Schüler sich sonst nicht aneignen würde oder kann, die man aber trotzdem für wichtig hält.

Sorry, aber was deine Antwort mit meinem Posting zu tun hat, weiß ich nicht.

Du beschreibst eine völlig andere Nutzung von Computerspielen als ich.
Gleichzeitig meinst du

Leidenschaft als bloßen, höchst trivialen Konsum verstehen.

Sorry, nee. Genau das Gegenteil habe ich gemeint und beschrieben, als ich von Leidenschaft sprach. Und das was meine Schüler mit Handys und Computern machen ist immer noch meilenweit davon entfernt.

Vielleicht diente deine Antwort der Selbstdarstellung, dann kann ich nur sagen: Solche Eltern wünschte ich meinen Schülern.

Gruß