Aus mündlicher Überlieferung habe ich Kenntnis von einem
sowjetischen Kriegsverbrechen. Demnach haben im Jahr 1945 bei
einem Vorfall sowjetische Militärfahrzeuge zahlreiche
Menschen, darunter Frauen und Kinder von einer Behelfsbrücke
in die kalte Elbe geschoben. Viele sollen ertrunken sein.
a) Wurde über solche Verbrechen schon einmal verhandelt ?
In der Bundesrepublik wurden derartige Fälle m. W. nie zentral erfasst oder archiviert. Und während der Endphase des Krieges wurde ebenfalls in den seltesten Fällen der Versuch gemacht, solche Verbrechen nur aufzunehmen, geschweige denn verwertbare Daten zu gewinnen. Zwar gab es einzelne Fälle, in denen in kurzfristig zurückeroberten Gebieten sowjetische Kriegsverbrechen aufgenommen wurden, dies aber nicht mit der Absicht, gerichtsverwertbare Beweise zu ermitteln oder gar einzelne Täter namhaft machen zu können, sondern um Goebbels letzter Propagandaschlacht noch ein paar aufrüttelnde Bilderchen liefern zu können.
Ein ernsthafter Versuch, derartige Verbrechen aufzuklären, hätte also erst 1990 einsetzen können, 45 Jahre nach Kriegsende. Und nach einer so langen Zeit wären wohl kaum noch verwertbare Fakten zu ermitteln gewesen.
b) Hat der KGB Zeugen systematisch eingeschüchtert oder
ausgeschaltet ?
Sieh mal den von dir geschilderten Vorfall aus der Sicht eines Russen: Im Versuch, die faschistischen Verbrechen so schnell wie möglich zu beenden musste eine sowjetische Einheit unter ständiger Gefahr deutschen Beschusses, unter ständiger Gefahr der Bombardierung und Zerstörung dieser Brücke durch deutsche Flieger die Brücke überqueren. Wenn dabei auf dieser Brücke befindliche Zivilisten nicht schnell genug waren, das andere Ufer zu erreichen, mussten sie eben baden gehen. Kollateralschäden halt.
Natürlich gab es viele russische Kriegsverbrechen, die selbst ein Zyniker nicht so einfach abtun kann. Aber nach dem Terrorfeldzug der Deutschen in Osteuropa, nach den unzähligen Verbrechen deutscher Truppen an Zivilisten, nach all den Leiden, die ganz Osteuropa im Krieg erleben musste, haben sowjetische Kriegsverbrechen im Osten nach 1945 jahrzentelang niemanden interessiert. Es wäre wohl kaum ein Russe auf die Idee gekommen, diese Verbrechen je zu thematisieren. Insofern gab es - nach dem Krieg - wohl kaum Fälle, in denen der KGB auch nur geringsten Grund gehabt hätte, Zeugen einzuschüchtern, geschweige denn, sie ‚auszuschalten‘.
Es gibt aber durchaus Berichte sowjetischer Offiziere über sowjetische Kriegsverbrechen und es gab Offiziere, die sich diesen Verbrechen entgegengestellt haben. Weit gekommen sind sie dabei nicht, bestenfalls haben sie in der Truppe Unverständnis geerntet. In anderen Fällen (z. B. Lew Kopelew) wurden Sie u. a. wg. „Mitleids mit dem Feind“ vor Gericht gestellt und zu einigen Jahren Lager verurteilt. Den KGB brauchte es hierfür nicht.
Gruss
Schorsch