Guten Abend, Christian!
So zahlen manche Leute noch an den Darlehen, die sie für
die Schadensbeseitigung nach der Flut 2002 aufnahmen.
Die Leute waren also gewarnt.
Ja, sogar mehrfach. Einmal von den Folgen des damals noch so genannten „Jahrhunderthochwassers“, 2006 durch ein relativ glimpflich verlaufenes Hochwasser und schließlich von Versicherern, die seit 2002 keine Neuverträge für Elementarschäden in Risikogebieten abschließen wollen.
Für deren Privatvergnügen, an einer offensichtlich :hochwassergefährdeten Stelle weiter wohnen zu :bleiben…
So einfach ist es auch wieder nicht, den eigenen Grund und Boden aufzugeben. Man müßte schon ahnungslose Kaufinteressenten von weit her ankarren, um solche Immobilien zu versilbern. Nicht vergessen, vorher die Beschriftungen mit den Wasserständen bis zum Obergeschoß schön übermalen. Viele hofften aber, daß nie wieder bedrohliche Pegel erreicht werden. Immerhin überboten sich für den Hochwasserschutz Verantwortliche in Kommunen und Ländern nach 2002 gegenseitig, was alles umgehend in Angriff genommen werden sollte. Bei der Diskussion über geeignete Maßnahmen war ich hautnah dabei, weil ich in einer Gegend wohne, die schon 2002 Katastrophengebiet war und jetzt wieder (ich bekomme keine nassen Socken, weil hier das Gelände hoch genug liegt). So gibt es hier eine Bürgerinitiative, die sich vehement gegen große Überflutungsflächen stemmt. Das sind Landwirte, die natürlich ihre Interessen verfolgen, bei denen es auch nicht um irgendwelche Mickerflächen geht, sondern um Betriebe mit > 1000 ha, also mehr als 10 Quadratkilometern.
Ich kann diese Einzelinteressen nachvollziehen, wenngleich sie natürlich für das Gemeinwesen schädlich sind. Es funktioniert eben nicht, Deiche immer höher zu bauen. Spätestens an den Städten in unmittelbarer Elbnähe geht es nicht und wäre auch nie wirklich sicher. Das Wasser muß an vielen Teilstücken der Elbe (und anderer Flüsse) in die Breite können. Das hab ich im Café in einem Nachbardorf vor 11 Jahren einmal laut gesagt, trank meinen Kaffee aus und zog es anschließend vor, zu gehen. Die Manieren können schon mal rauh werden. Um zu vermitteln, daß wir unsere Lebensgewohnheiten den von der Natur veränderten Bedingungen entweder anpassen oder laufend riesige Schäden in Kauf zu nehmen haben, sind furchtbar dicke Bretter zu bohren und harte Schädel zu überzeugen.
Es wurden zwar Schutzeinrichtungen gebaut, z. B. Hitzacker ist ein gutes Beispiel (aber höher hätte der Pegel auch dort nicht steigen dürfen, ausgereizt bis auf wenige Zentimeter) aber insgesamt blieb vieles hinter den Erfordernissen zurück, teils aufgrund der Einzelinteressen, teils, weil niemand solche Elbpegel wie jetzt erlebt für möglich hielt und weil man auch glaubte, viel mehr Zeit zu haben. Wer denkt schon an Extrempegel in so schneller Folge.
Für große Polder müssen hier und da einzelne Anwesen und kleine Dörfer aufgegeben werden, ist Landwirtschaft nach Überflutungen u. U. über Jahre nur eingeschränkt möglich und Neuansiedlungen in gefährdeten Gebieten haben zu unterbleiben. Übers Bergrecht bekommt man Vergleichbares für den Braunkohletagebau zustande, aber nicht für Überflutungsgebiete. Da kann der einzelne Landwirt, die einzelne Interessengruppe Maßnahmen im Interesse des Gemeinwesens bis zum Sankt-Nimmerleinstag blockieren. Das stinkt mir gewaltig. Andererseits bin ich mir gar nicht sicher, ob man Enteignungsverfahren leichter gestalten sollte. Das hätte womöglich auf ganz anderen Gebieten unerfreuliche Wirkungen. Das Thema läßt sich nicht mal eben mit lockerer Hand erledigen.
Nicht gerade erleichternd kommt hinzu, daß Überflutungsflächen letztlich dem Schutz der Städte dienen. So fühlen sich Bewohner betroffener ländlicher Regionen als Opfer, die Existenz, Eigentum und soziales Umfeld aufgeben sollen, damit die Leute in der Stadt keine nassen Füße bekommen. Ich wünsche jedem viel Spaß dabei, soetwas zu vermitteln.
Zudem sind viele Gegenden auch abseits der Elbe an deren Zuflüssen betroffen. Bei uns ist es die in die Elbe mündende Sude. Steht die Elbe zu hoch, kann die Sude nicht mehr abfließen und aus dem kleinen Bach wird nach einiger Zeit ein riesiges Gewässer. Auf diese Weise sind plötzlich etliche Orte weitab der Elbe mit tausenden Einwohnern betroffen. Alle umsiedeln kann niemand ernsthaft wollen.
Übrigens: Nicht alle, die zum zweiten Mal betroffen wurden, bauen neu auf. Einige haben genug von ruiniertem Inventar und monatelang nassen Wänden und ziehen weg. Bei Interesse höre ich mich um, vermittle die eine oder andere Immobilie in traumhafter Lage mit Elbblick. Schlauchboot gibt’s gratis dazu
Gruß
Wolfgang