Spielzeugfreie Zeit Kindergarten

Hallo,

Ich bin heute mit dem Thema Spielzeugfreie Zeit im Kindergarten konfrontiert worden. Zu meiner Zeit gab es sowas nicht.

Die Kinder bekommen alles Spielzeug weggenommen, und sollen selbst kreativ werden. Das heisst keine Puppen, kein Fahrrad, keine Bauklötze selbst das Malzeug ist verboten.

Ich selbst kann dem ganzen nicht so den Sinn entlocken. Es soll die Kreativität gesteigert werden.

Die Erzieherinnen etc. sollen keine Tips geben und nur aufpassen.

Klingt etwas nach Deprivatisierung…

Hat jemand dazu eine Meinung bzw. Erfahrung damit.

Liebe Grüsse

Anja

Hallo Anja,

die spielzeugfreie Zeit ist ein anerkanntes Konzept zur Persönlichkeitsbildung. Sie dauert im Idealfall mindestens drei Monate, da es Zeit braucht, bis Kinder und Erzieherinnen sich tatsächlich auf diese Situation einlassen können. Wesentlich kürzere Zeiträume sind in ihrer Wirkung fragwürdig, werden aber öfter dennoch angeboten, um Stress mit den Eltern zu vermeiden. Dieser tritt allerdings nur dann auf, wenn - wie anscheinend auch in deinem Fall - versäumt wurde, die Eltern ausführlich über Sinn und Zweck dieser Maßnahme zu informieren.

Ursprünglich würde das Konzept im Rahmen der Suchtprävention entwickelt. Inzwischen hat man festgestellt, dass die dabei zu erwerbenden Kompetenzen insgesamt der Stärkung der kindlichen Persönlichkeit und damit nicht zuletzt der Schulfähigkeit dienen.

Entscheidend ist, dass nicht nur das Spielzeug aus der Gruppe genommen wird, sondern auch die Angebote der Erzieherinnen weitestgehend reduziert werden. Ziel ist, dass die Kinder selbstständig Wege finden, sich zu beschäftigen, ohne auf vorgefertigtes Material zurückgreifen zu können und ohne von den Erzieherinnen unterhalten zu werden. Dass gerade auch auf Malzeug verzichtet wird, ist insofern wichtig, als viele Kinder (besonders Mädchen) Malen als Beschäftigungstherapie verwenden. Die Produktion von Bildern (unterschiedlicher Qualität) sichert ihnen nicht zuletzt auch Anerkennung durch Personal und Eltern und ist deswegen nicht primär als kreativer Akt, sondern eher als Mittel zum Zweck zu sehen. Nimmt man ihnen die Malsachen weg, sind sie nicht selten völlig verunsichert und zunächst außerstande, sich anderweitig zu beschäftigen.

Die Herausnahme des Spielzeugs löst bei den Kindern in der ersten Phase große Unsicherheit aus. Sie wissen nichts mit sich anzufangen und erwarten von den Erzieherinnen, dass diese ihnen ein Angebot machen. Bleibt das aus (was es sollte), passiert einiges an Frustrations- und Unmutsäußerungen. Manche Kinder weinen, andere streiten, wieder andere werfen Stühle um, weil die wenigsten Kinder über die Fähigkeit verfügen, mit einer unbekannten und damit stressauslösenden Situation angemessen umzugehen.

Im Grundgedanken der Suchtprävention würden sie am liebsten wieder zu ihren „Suchtmitteln“, dem vertrauten Spielmaterial, greifen, um diese Gefühle von Frustration, Stress und Unmut loszuwerden.

Für die Erzieherinnen ist diese Zeit die anstrengendste, da sie einen Weg finden müssen, diese Emotionen aushalten zu können. Ihre Hilfestellungen müssen sich darauf beschränken, mit den Kindern die Situation zu besprechen, ihnen Mut zu machen, ihre Gefühle zu äußern und ihnen den Anstoß zu geben, Ideen zu finden, was sie tun könnten. Besonders bei letzterem ist bereits größtmögliche Zurückhaltung gefragt, denn konkrete Vorschläge von Seiten der Erzieherinnen sind weder erwünscht noch sinnvoll.

Alle Aktivitäten sollen in den kommenden drei Monaten ausschließlich von den Kindern ausgehen.

Die Kompetenzen, die sie dabei entwickeln, sind elementar: Sie lernen, ihre Bedürfnisse bewusst wahrzunehmen und diese auch zu formulieren und zu äußern. Sie müssen verstärkt miteinander sprechen, da jede Aktivität der Planung und der Absprache bedarf. Sie üben sich darin, Aktionen anzuregen, sich anderen Anregungen anzuschließen, zu führen und sich zurückzunehmen. Sie entdecken neue Stärken an sich, weil sie plötzlich Dinge tun, an die sie vorher nie gedacht haben, weil es bequemere Beschäftigungen gab. Und sie lernen, Langeweile auszuhalten und dabei die Erfahrung zu machen, dass sie selbst sich aus dieser Langeweile befreien können. Das alles führt zu einem Wachsen des Selbstvertrauens und der Frustrationstoleranz.

Die Kunst ist es, die erste Zeit zu überstehen. Das gilt vor allem für Erzieherinnen und Eltern. Die Kinder können nicht von heute auf morgen ohne Hilfsmittel ihren Alltag kreativ gestalten. Sie brauchen Zeit, um diese Fähigkeit zu entdecken.

Die Erzieherinnen sorgen für die Kommunikation und natürlich auch für die nötigen Grenzen. Ideen der Kinder unterstützen sie, ohne sich aufzudrängen und ohne mehr als unbedingt nötig einzugreifen.

In aller Regel bedauern nach dem Ende der drei Monate die Kinder (und häufig auch die Erzieherinnen und Eltern), dass diese Zeit vorbei ist. Nach meiner Erfahrung erleben die Kinder zu keiner anderen Zeit derartig viel Respekt und Zutrauen von Seiten der Erwachsenen, wie in dieser Zeit. Sie sind, um mit Montessori zu sprechen, „Baumeister ihrer selbst“ und können in einem trotz allem geschützten Umfeld ihre Möglichkeiten entdecken.

All diese Erfahrungen bringen ein Vielfaches mehr als jeder „Förderkurs“, der sonst angeboten würde.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo Jule,

die spielzeugfreie Zeit ist ein anerkanntes Konzept zur Persönlichkeitsbildung.

Und die Brigitte-Diät in ähnlicher Form ein anerkanntes Konzept zur Körperformbildung :smile:

Das Konzept des Projektes „Spielzeugfreier Kindergarten“ wurde durch eine Mitarbeiterin des Weilheim - Schongauer Gesundheitsamtes (Elke Schubert) und einen Mitarbeiter des örtlichen Jugendamtes, Rainer Strick, im Jahr 1992 in Zusammenarbeit mit dem Kindergarten Penzberg entwickelt.

Angeblich wurde sogar eine wissenschaftliche Begleitstudie durchgeführt, die die Nachhaltigkeit des Projektes erwies. Kennst du sie? Welche positiven, aber auch negativen * Erkenntnisse (letztere, insbesondere individuelle, werden nirgends erwähnt, weil nicht bemerkt/beobachtet?) sind dieser zu entnehmen?

Sehr wissenschaftlich ist bei diesem Konzept wenig bis nichts. Es wird sehr viel in eine Richtung denkend übernommen und hinein interpretiert. Eher Glaubens- und Erfahrungssache, „mal was Neues probieren“ eben. Und es ist nach wie vor ein suchtpräventives Konzept.

* Der Hinweis auf Depriviation ist nicht von der Hand zu weisen. Ein (unnötig) riskantes Unterfangen bei Kindern in diesem Alter angesichts fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse.

nasziv

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Ich muss da mal nachhaken, es ist wirklich alles weg?

Noch nichtmal Tücher oder so?

Bücher?

Aber was sollen die Kinder denn dann tun?

Klar, draußen gibt die Natur ja unendlich viele Möglichkeiten (Steine, Blätter, Stöcke, Rinde usw) aber drinnen?

Also miteinander singen, tanzen geht drinnen… Vater-Mutter-Kind-Spielen geht auch… *grübel*

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Hallo

Alles, was von seinen Herstellern bereits als „Spielzeug“ deklariert wurde, wird verpackt.

Normalerweise bleiben die Möbel da.

Auch Kissen, Decken, Tücher, Alltagsgegenstände aller Art (Kartons, Schachteln, Besenstiele) und Werkzeuge (Schere, Klebstoff, Schnur) auf Verlangen sind erlaubt.

Gruss, Sama

Hallo Trashi,

ich habe einige Male ein solches Konzept begleitet. Die Vorgehensweisen unterschieden sich etwas.

Wir handhabten es so, dass wir die Kinder vorbereiteten.Wir sprachen mit den Kindern über die Idee, mal einen Kindergarten ganz ohne Spielzeug auszuprobieren. Von starkem Protest bis großer Neugier waren alle Reaktionen vertreten.

In der einen Variante räumten wir in den folgenden 2 Wochen mit den Kindern den Gruppenraum leer, wobei die Kinder gemeinsam entschieden, was weggeräumt wurde. Vor allem für die Jüngeren bedurfte es dabei immer wieder der Versicherung, dass die Sachen in ein paar Wochen allesamt wiederkämen. Da wir die Sachen in Umzugskartons packten, die wir in einem ungenutzten Raum stapelten, konnten sich die Kleinen immer wieder versichern, dass alles noch da war. Der Prozess des Leerräumens war spannend und es entstanden bereits in dieser Phase bei vielen Kindern Ideen, was man denn anstatt dieses oder jenes Spielzeugs machen könne. Dabei wurde die wichtige Idee des Ersetzens von Gegenständen durch andere (wie z.B. Naturmaterial oder Alltagsgegenstände) geboren, die sich später immer weiter entwickelte.

Da besonders die jüngeren Kinder vertraute Spielsachen schwer loslassen konnten und es immer wieder Tränen gab, beschlossen wir, dass die Kinder ein Spielzeug auswählen durften, was in der spielzeugfreien Zeit erhalten bleiben würde. Das gab täglich jede Menge Stoff für Diskussionen. Am Ende machte ein Bobby Car das Rennen, weil die Kinder zu dem Ergebnis kamen, dass sowohl die Älteren als auch die Kleineren damit fahren konnten.

In der anderen Variante wurden die Kinder ebenfalls darauf vorbereitet und spannen gemeinsam Ideen, wie denn der Kindergarten ohne Spielzeug sein würde. Das Ausräumen übernahmen aber wir, und die Kinder wussten, als sie am Freitag gingen, dass am Montag das Spielzeug weg sein würde.

Diese Variante hatte zwar den Vorteil, dass es keine „Trennungsschmerzen“ gab, ich selbst fand die andere Variante aber bereichernder für Kinder und Team. Auch war die „Schockreaktion“ am Montag deutlich größer und die Kinder waren viel stärker verunsichert.

Wir begrüßten die Kinder und ermutigten sie zum Entdecken des leeren Raums. Hier zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den beiden Varianten: Die Kinder, die selbst mit ausgeräumt hatten, waren explorationsfreudiger und gelassener. Hier entwickelte sich schnell die Idee, aus den leeren Regalen, Tischen und Stühlen ein „Labyrinth“ zu bauen. Die anderen Kinder waren deutlich frustrierter und bedurften unserer Unterstützung, über ihre Gefühle zu sprechen. Ein Junge flippte regelrecht aus, weinte und schrie, er wolle in diesem „Scheißdrecksladen“ nicht bleiben. Das bewirkte, dass andere Kinder ihn trösteten, und indem sie ihm erklärten, dass das doch nicht für immer sei und dass man doch auch was anderes spielen könne, verarbeiteten sie ihre eigene Unsicherheit.

Noch während das „Labyrinth“ gebaut wurde, entstanden Ideen, was man damit machen könne. Die Kinder beschlossen, mit geschlossenen Augen durchzukrabbeln. Dabei zeigte sich die Schwierigkeit, die Augen geschlossen zu halten. Aus der Aussage „Eine Augenbinde wäre gut“ entwickelte sich die Idee, es mit Klopapier zu probieren, und es folgten einige Versuchsreihen, aus dem leicht reißenden Material eine funktionstüchtige Augenbinde zu konstruieren. Eine Dreijähriger entdeckte, dass es klappte, wenn er über den Streifen Klopapier einfach seine Brille aufsetzte. Den Vorschlag, nun einfach die Brille reihum zu benutzen, mussten wir mit Rücksicht auf die Brille leider abbiegen. Nun war aber die Idee geboren, das Klopapier irgendwie festzuhalten. Ein Haarreif erwies sich ebenso untauglich, wie ein Zopfgummi. „Das Papier müsste halt kleben“ führte zu dem Versuch, es nass zu machen und über die geschlossenen Augen zu legen, was zwar ebenfalls nur bedingt tauglich war, aber riesigen Spaß machte.

Interessant war, dass zu Anfang an diesen Prozessen vorrangig die Älteren beteiligt waren, während die Jüngeren derweil andere Dinge taten. Während des „Augenbinden“-Geschehens taten sich z.B. einige zusammen, die an einem umgekippten Regal „Einkaufen“ spielten. Als Ware dienten Hausschuhe, die jeweils in die verkauften Gegenstände umbenannt wurden. Im Laufe der Wochen entwickelten sich immer mehr Gemeinschaftsaktionen.

Zu Anfang war wirklich alles (bis auf das Bobby Car) weg. Manchmal entwickelte sich aus einer Spielidee heraus ein Bedürfnis nach bestimmten Dingen wie Decken, Tücher oder Werkzeug. Wenn sich zeigte, dass das Problem nicht anders gelöst werden konnte, gaben wir das dringend benötigte Material in die Gruppe, Daraus entstanden weitere Ideen. Wenn es nicht mehr gebraucht wurde, kam das Material wieder weg, es sei denn, es zeigte sich, dass es dauerhaft von Nöten war. Die Kinder entwickelten zunehmend Ehrgeiz, alles selber zu machen und „überflüssiges“ Material wieder wegzuräumen.

Bücher brauchte es nicht. Stattdessen entwickelten sich gemeinsame Erzählrunden, die nach einiger Zeit sogar ohne die Erzieherinnen stattfanden. Kreisspiele initiierten die Kinder von Anfang an selbst.

Natürlich waren wir viel draußen, obwohl wir bewusst nicht den Sommer, sondern den Herbst gewählt hatten.

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo,

ich kenne die Studie nicht. Aus anderen suchtpräventiven Projekten ist aber hinreichend bekannt, dass sie allesamt ein Problem haben: Erfolge sind nicht nachweisbar. Es lässt sich nicht schlüssig belegen, dass Kinder aufgrund bestimmter Präventionsmaßnahmen nicht süchtig werden. Wie soll das auch gehen?

* Der Hinweis auf Depriviation ist nicht von der Hand zu
weisen. Ein (unnötig) riskantes Unterfangen bei Kindern in
diesem Alter angesichts fehlender wissenschaftlicher
Erkenntnisse.

Das halte ich für völlig überzogen. Hier würde ich einen Nachweis erwarten, wie Kinder, die - von Pädagoginnen begleitet und unterstützt - ihr kreatives Potential entdecken und ausschöpfen können, in den Zustand von Deprivation geraten sollen. Die blinde Hörigkeit gegenüber dem derzeit bei uns praktizierten Förderwahn im Vorschulalter, der völlig an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Kinder vorbeigeht, finde ich deutlich bedenklicher.

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo,

ich kenne die Studie nicht.

Erste Gemeinsamkeit.

Aus anderen suchtpräventiven Projekten

im Kindergartenalter, einem Alter von entscheidender Bedeutung für (Weiter-)Entwicklung individueller Charaktereigenschaften und Persönlichleitsmerkmalen? Welche Projekte mit welchen Nachweisen?

ist aber hinreichend bekannt, dass sie allesamt ein Problem haben: Erfolge sind nicht nachweisbar.

Erfolge sind nicht nachweisbar (werden aber überall behauptet), Misserfolge werden nicht einmal angesprochen. Das Fehlen von Misserfolgen, weil nicht dokumentiert, bestätigt daher einen Erfolg?!

Ich hatte in meiner ersten Antwort schon angedeutet, dass die Güte einer Maßnahme nicht nur an „Erfolgen“, sondern auch an „Misserfolgen“ gemessen werden muss. Beides nicht vorhanden. Nur Vermutungen.

Insbesondere bei derartigen Maßnahmen mit „experimentellen Charakter“ und seit Jahren stets neuen dreimonatigen Probanden ohne nachvollziehbare Ergebnisse.

Insbesondere bei „kollektiven Pauschalmaßnahmen“, die jeglichen individuellen Hintergrund der Kinder ignorieren, alle über einen Kamm scheren. Mit welchem „konformen“ Ziel (welcher Absicht) eigentlich? Suchtprävention kann es nun nicht wirklich sein…

* Der Hinweis auf Depriviation ist nicht von der Hand zu
weisen. Ein (unnötig) riskantes Unterfangen bei Kindern in
diesem Alter angesichts fehlender wissenschaftlicher
Erkenntnisse.

Das halte ich für völlig überzogen.

Deprivation, und hier nehme ich schlicht die Einleitung von Wikipedia zuhilfe:
Der Begriff Deprivation (von lateinisch deprivare, „berauben“) bezeichnet allgemein den Zustand der Entbehrung, des Entzuges, des Verlustes oder der Isolation von etwas Vertrautem sowie das Gefühl einer Benachteiligung.
Noch einmal nachgefragt: Weshalb erzeugt man ohne Not derartige Zustände bei kleinen Kindern? Im Rahmen staatlicher oder privater kollektiver Maßnahmen? Ohne Erfolgsnachweise? Nach so vielen Jahren?

Hier würde ich einen Nachweis erwarten, wie Kinder, die - von Pädagoginnen begleitet und unterstützt - ihr kreatives Potential entdecken und ausschöpfen können, in den Zustand von Deprivation geraten sollen.

a) Wie beschrieben, ist diese aufgezwungene spielzeugfreie Zeit bereits eine solche Deprivation.
b) Wie könnten die Pädagoginnen diesen Zustand verhindern, wenn sie ihn selbst erzeugen?

In deinem erstem Posting und deiner Antwort an Trashi hast du die Folgen der erzeugten „Krisen“ bei den Kindern selbst dargstellt. Wie sieht es mit bleibenden Nachwirkungen bei empfindlicheren Seelen aus, die dann halt auch mal Bobby-Car fahren dürfen müssen?
Sicherlich kann man positive Effekte herbeireden, wenn man möchte…

Diesen Eindruck habe ich sehr stark.

Die blinde Hörigkeit gegenüber dem derzeit bei uns
praktizierten Förderwahn im Vorschulalter, der völlig an den
Bedürfnissen und Fähigkeiten der Kinder vorbeigeht, finde ich
deutlich bedenklicher.

Dies ist unsere zweite Gemeinsamkeit. Wobei du widersprüchlich bist.

nasziv

Gelegentlicher Nichtstreichler, wenn er eine Notwendigkeit hierfür vermutet

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Hallo Anja,

die spielzeugfreie Zeit ist ein anerkanntes Konzept zur
Persönlichkeitsbildung. Sie dauert im Idealfall mindestens
drei Monate, da es Zeit braucht, bis Kinder und Erzieherinnen
sich tatsächlich auf diese Situation einlassen können.
Wesentlich kürzere Zeiträume sind in ihrer Wirkung fragwürdig,
werden aber öfter dennoch angeboten, um Stress mit den Eltern
zu vermeiden. Dieser tritt allerdings nur dann auf, wenn - wie
anscheinend auch in deinem Fall - versäumt wurde, die Eltern
ausführlich über Sinn und Zweck dieser Maßnahme zu
informieren.

Ob das auch mit Jugendlichen geht?

Was fällt einem ein, ohne Material? Oder hab ich das mißverstanden?
Warum fällt mir da Doktorspiel und Masturbation ein?

Interessantes Konzept.

Tilli

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Hallo,

wie ich finde, klingt bei dem Projekt ganz stark der Zwang heraus.
Es wird künstlich eine Situation erschaffen, die also zum Ziel haben soll, dass die Menschen später nicht süchtig werden. Das widerspricht doch jede wissenschaftliche Erkenntnis, dass das Suchtpotenzial z.T. gentisch bedingt ist und auch, wie in anderen Fällen, die Krankheitsdispositionen auch umweltbedingt sind. Umweltbedingt bedeutet bei den Kleinkindern das Beobachten von anderen Menschen.

Es ist sicher eine wertvolle Erfahrung etwas Neuer zu machen und Grenzen zu überschreiten - nur muss man es so zwanghaft und kollektiv tun? Da der Begriff Montessori fiel: eigentlich widerspricht es komplett dieser Pädagogik, da die Kinder 1. eine vorbereitete Umgebung vorfinden sollen und 2. selber entscheiden sollen was und wie lange sie es tun.

Viele Grüße

Hi Jule,

mich würde jetzt doch interessieren, ob dass ein „Morgens-KiGa“ (4 Std.) war.
Nach Abschluss des KiGa gehen alle Kinder wieder in „ihre Welt“ zurück? Und spielen dann wie üblich?

Auch im Sinn und Zweck, dass über ein viertel Jahr zu machen, erschließt sich mir noch nicht wirklich.

Meiner Kinder Kindergartenzeit ist jetzt bald 20 Jahre her. Wir hatten die „Waldwochen“, es gab auch ein Zimmer „ohne irgendwas“, in das in Rotation gegangen wurde.

Suchtprävention? Spielzeug= Suchtmittel? Keine Anregungen durch Erzieher/Erwachsene? Ein viertel Jahr mit Klopapier experimentieren? Dreijärhrige mit fast sechsjährigen ohne Eingreifen kommunizieren und agieren lassen?

Fehlt nur noch, dass Strom und Heizung abgeschaltet werden.

Der Sinn erschließt sich mir gegenüber gängigen KiGa-Konzepten nicht.

Mir wäre dieser Kindergarten ein Graus, genau wie jede Frühförderung, die du als Gegenpol anprangerst.

Herzliche Grüße

Dankeschön !

Hallo aqua-alta,

mich würde jetzt doch interessieren, ob dass ein"Morgens-KiGa" (4 Std.) war. Nach Abschluss des KiGa gehen alle Kinder wieder in „ihre Welt“ zurück? Und spielen dann wie üblich?

Es handelte sich jeweils um Ganztages-Kindergärten, wobei die Kinder unterschiedlich lange da waren. Das mit dem Spielen zuhause war ziemlich spannend. Die meisten Kinder spielten wie auch sonst zuhause mit dem, womit sie immer spielten. Vor allem die Größeren wollten aber oft von sich aus zuhause „spielzeugfrei“ sein und erzählten im Kindergarten ganz stolz, was sie gestern Tolles ohne „richtiges“ Spielzeug gespielt hatten.

Auch im Sinn und Zweck, dass über ein viertel Jahr zu machen, erschließt sich mir noch nicht wirklich.

Nach meiner Erfahrung dauert es, bis die Kinder (und auch die Erzieherinnen) sich wirklich darauf einlassen können. Vor allem für die Erzieherinnen ist es zu Anfang oft schwer, ihre gewohnte Entertainer-Rolle loszulassen.

Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Erzieherinnen von Eltern daran gemessen werden, was sie den Kindern anbieten. Wenn Eltern in den Gruppenraum kommen, erwarten sie, die Erzieherinnen im aktiven Spielgeschehen mit den Kindern zu sehen. Dass genau das nicht das primäre Ziel ist, verstehen Eltern nur dann, wenn man sie gut informiert.

Kinder müssten lernen, ab dem Eintritt in den Kindergarten zunehmend Selbststeuerungsfähigkeiten zu entwickeln. Dazu ist es auch notwendig, dass sie zunächst Gefühle wie Langeweile und Unlust erleben und aushalten können, aus denen heraus sie eigenmotiviert aktiv werden. Genau das wird in Kindergärten nahezu unmöglich gemacht. Die Erzieherinnen befinden sich im Förder- und Aktionszwang. Es ist einem Kind z.B. faktisch unmöglich, in einem normalen Kindergarten auch nur 5 Minuten herumzustehen und „nichts“ zu tun, ohne dass es von einer Erzieherin pädagogisch belästigt wird.

In vielen Einrichtungen haben Kinder kaum noch Zeit, echtes Freispiel zu erleben, bei dem sie - der Definition nach - das was sie tun, wie sie es tun, wie lang sie es tun und mit wem sie tun tatsächlich ausüben können. Auch im sogenannten „Freispiel“ reglementieren die Erzieherinnen die Anzahl der Kinder, die zusammen spielen („nur 4 Kinder in die Bauecke“), beeinflussen die Wahl des Spielpartners („Lasst mal den Kevin mitspielen“ oder „Paul, spiel’ bitte auch mal mit jemand anderem als nur Jonas“), greifen in jede Auseinandersetzung ein, ohne den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu einigen oder zwingen Kinder zu Spielen, zu denen sie keine Lust haben („Luis, du musst erst ein Spiel am Tisch machen, bevor du in die Bauecke darfst“).

Neben dem, was sich also nun so „Freispiel“ nennt, stehen dann gut durchgeplant Förderangebote und häufig der Zwang, für irgend ein Fest zu basteln oder sonstige Dinge vorzubereiten. Wenn das nicht passiert, sind die Eltern unzufrieden mit dem Kindergarten, weil da „nichts Richtiges mit den Kindern gemacht wird“. Sie messen die Qualität an dem, was die Kinder an (von der Erzieherin) Gebasteltem mit nach Hause bringen und welch wohlklingende Angebote auf dem Tagesplan stehen.

Unterm Strich heißt das, dass die Kinder systematisch lernen, beschäftigt zu werden. Es ist immer jemand da, der dafür sorgt, dass sie zu tun haben und der weiß, was gut für sie ist. Die einzigen, die das niemals herausfinden können, sind die Kinder selbst.

Aus dieser Mühle auszusteigen, ist aus diesen Gründen für die Erzieherinnen und für die Kinder harte Arbeit. Beide sind es nicht gewohnt, sich einfach aufeinander einzulassen. Die Kinder haben gelernt, dass die Erzieherinnen ihnen sagen, was gut für sie ist. Und die Erzieherinnen haben verinnerlicht, dass das ihr Job ist.

Steht ein allzu frühes Ende in Aussicht, schaffen es häufig die Erzieherinnen nicht, loszulassen. Sie betrachten die spielzeugfreie Zeit als etwas, was es zu überstehen gilt und nicht als gemeinsames Lernfeld, das es sein muss, um Erfolg zu bringen.

Im idealfall trägt nach dieser Zeit der Grundgedanke des miteinander Lernens und die Fähigkeit, die Kinder entscheiden zu lassen, was sie interessiert, auch im weiteren Kindergartenalltag. Man kann das Funktionieren dieses Ansatzes übrigens hervorragend in Waldkindergärten sehen. Entgegen der Ängste vieler Eltern sind diese Kinder trotz „fehlender“ Förderung durch Sprach- Rechen- und sonstige Programme in der Schule in keinster Weise benachteiligt - im Gegenteil. Viele „Waldkinder“ fallen durch gute Impulskontrolle, Selbststeuerung und eigenmotiviertes Lernverhalten auf.

Suchtprävention? Spielzeug= Suchtmittel?

Das klingt seltsam und ist es in dieser Formulierung irgendwie auch. Aber hast du schon mal erlebt, dass Kinder nicht in den Garten wollen, weil sie dort nichts mit sich anfangen können? Oder dass Kinder bei einem Waldspaziergang weinen, weil ihnen langweilig ist? Kindergartenkinder wohlgemerkt, keine Teenager:smile:.

Das „süchtige“ Malen habe ich in einem anderen Post schon angesprochen. Auch „süchtig“ betrieben werden übrigens Puzzles. Es gibt Kinder, die nichts anderes täten, als ein Bild nach dem anderen zu malen oder ein Puzzle nach dem anderen zu legen, weil sie dort nicht mit anderen Kindern interagieren müssen. Sie wollen - wenn überhaupt - nur die Aufmerksamkeit der Erzieherinnen, um für ihr Tun gelobt zu werden.

Keine Anregungen durch Erzieher/Erwachsene?

Zumindest nicht in erster Linie. Der Unterschied liegt darin, dass die Kinder erst mal Fragen entwickeln, bevor die Erzieherinnen Antworten liefern, anstatt ihnen Antworten auf Fragen zu geben, die sie gar nicht stellen. Natürlich verfügen die Erzieherinnen über ein größeres Wissen, aber es ist ein Irrtum zu glauben, die Kinder würden das verinnerlichen, wenn sie das Thema nicht interessiert. Die Kunst ist, die Kinder dabei zu unterstützen, Fragen zu stellen, neugierig zu werden. Wie sollen sie Neugierde und Interesse entwickeln, wenn ihnen alles mundgerecht serviert wird? Dann wird nur konsumiert, aber hängen bleibt davon nicht viel.

Ein viertel Jahr mit Klopapier

Quatsch. Das war nur ein Blitzlicht des ersten Tages. Wobei Klopapier noch für mancherlei Verwendung fand:smile:. Es geht ums Prinzip: Die Kinder entdecken ein Problem und suchen eine Lösung. Die wird ihnen nicht - Tata! - wie gewohnt von der Erzieherin geliefert, sondern sie suchen eigenmotiviert und selbstständig nach ihr. Der Job der Erzieherin ist es, sie dabei zu unterstützen. Im genannten Beispiel wäre es fatal, die Klopapier-Testreihe nicht zuzulassen. Genau das ist nämlich der Weg, wie Kinder lernen.

Dreijärhrige mit fast sechsjährigen ohnem Eingreifen kommunizieren und agieren lassen?

Warum nicht? Man muss Kindern was zutrauen. Natürlich begleitet man die Kinder dabei. Aber anstatt einem 3-Jährigen, der sich beschwert, dass ein 6-Jähriger ihm den Stuhl weggenommen hat, die Arbeit abzunehmen und den 6-Jährigen zu rügen, macht es viel mehr Sinn, den 3-Jährigen zu ermutigen, dem Großen zu sagen, dass er ihm bitte seinen Stuhl wiedergeben soll. Man beobachtet das aus dem Hintergrund und wenn der 3-Jährige keinen Erfolg hat, begleitet man ihn beim nächsten Versuch und ermutigt ihn, nochmal seinen Stuhl zurückzufordern. Dabei ist es nicht nötig, den 6-Jährigen zu ermahnen, der hat das auch so begriffen - und der 3-Jährige hat nicht gelernt, dass Petzen dazu führt, dass andere Ärger kriegen. Und: Es gehört auch dazu, zu akzeptieren, dass andere Kinder manchmal stärker sind als man selbst und man eben manchmal zurückstecken muss.

Fehlt nur noch, dass Strom und Heizung abgeschaltet werden.

Den Zusammenhang kann ich nicht erkennen. Es geht nicht um Entzug. Es geht im Gewinn :smile:.

Mir wäre dieser Kindergarten ein Graus, genau wie jede Frühförderung, die du als Gegenpol anprangerst.

Ich vermute, wenn du es erleben würdest, würdest du anders denken. Ich muss aber fairerweise auch sagen, dass auch dieses Konzept nur so gut ist, wie die Erzieherinnen, die es umsetzen. Und deren erste und vielleicht wichtigste Aufgabe wäre, die Eltern ins Boot zu holen. Nur wenn sie die Eltern überzeugen können, haben sie auch ausreichend den Rücken frei, um die Früchte zu ernten.

Schöne Grüße,
Jule

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Hallo nasziv,

Das Fehlen von Misserfolgen, weil nicht dokumentiert, bestätigt daher einen Erfolg?!

Selbstverständlich ebenso wenig, wie das Fehlen von Erfolgsnachweisen einen Misserfolg bestätigt.

Insbesondere bei „kollektiven Pauschalmaßnahmen“, die jeglichen individuellen Hintergrund der Kinder ignorieren, alle über einen Kamm scheren.

Bei dieser Form der Arbeit passiert nichts weniger, als Kinder über einen Kamm zu scheren. Die Kinder haben stattdessen endlich mal die Gelegenheit, sich in einer ihnen angemessenen Art und Weise einzubringen. Natürlich passiert das nicht automatisch, sondern ist ein Lernprozess, der von den Erzieherinnen begleitet werden muss.

Mit welchem „konformen“ Ziel (welcher Absicht) eigentlich?

Vielleicht liest du dazu mal, was ich aqua-alta geantwortet habe?
/t/spielzeugfreie-zeit-kindergarten/6982092/13

Noch einmal nachgefragt: Weshalb erzeugt man ohne Not derartige Zustände bei kleinen Kindern?

Weil das schiere Vorhandensein von Überfluss nicht zwingend auch der Entwicklung förderlich ist. Die Kinder werden zudem ja nicht dazu „verurteilt“ fortan ein armseliges Lebens führen zu müssen. Sie lernen, mit professioneller Unterstützung, mit einer Herausforderung umzugehen.

b) Wie könnten die Pädagoginnen diesen Zustand verhindern, wenn sie ihn selbst erzeugen?

Indem sie den Kindern dabei helfen, sich selbst und ihre eigenen Fähigkeiten zu entdecken und zu nutzen, anstatt sich darüber zu definieren, welche „Beute“ sie sich heute gesichert haben.

In deinem erstem Posting und deiner Antwort an Trashi hast du die Folgen der erzeugten „Krisen“ bei den Kindern selbst dargstellt. Wie sieht es mit bleibenden Nachwirkungen bei empfindlicheren Seelen aus

Du betrachtest eine Krise als ausschließlich negatives Ereignis, welches in der Folge zwingend zu einem Trauma führen muss. Genau das ist es aber nicht. Die Kinder machen die Erfahrung, dass aus einer Krise eine andere, spannende und unter Umständen sogar bessere Situation entstehen kann. Ich kann in diesem Fall nur für die von mir begleiteten Projekte sprechen. Dort war der Tenor am Ende immer der, dass die Kinder bedauert haben, dass die „Abenteuerzeit“ vorbei war.

die dann halt auch mal Bobby-Car fahren dürfen müssen?

Interessanterweise war das Bobby Car im Endeffekt nicht mehr wichtig. Es wurde nicht als „Beute“ benutzt, um die alle sich rissen, sondern fand seinen Einsatz ganz selbstverständlich im Spielgeschehen der kommenden Wochen.

Wobei du widersprüchlich bist.

Es mag sein, dass Manches widersprüchlich scheint. Ich habe allerdings kaum etwas Stimmigeres erlebt - auch wenn es mir nicht gelingen mag, das auch zu vermitteln.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo,

mir kam da grade ein ganz böser Gedanke…

Würde ich das als Mutter zuhause machen, und meinen Kindern alles Spielzeug wegnehmen um mich dann „zurückzunehmen“ und danebenzustehen und zuzuschauen, wie diese jetzt damit klarkommen, würde man mir glatt unterstellen, ich würde meine Kinder vernachlässigen…

Ich finde das sehr, sehr schwierig, weil die Kinder dann eben einfache Alltagsgegenstände zu Spielzeug umfunktionieren. Nimmt man die dann auch weg? dürfen die Kinder denn toben, rausgehen, rennen ?

Zumal kleinere Kinder nur mit Rollenspielen durchaus überfordert sind.

Ich finde, das weniger oft mehr ist, und zumindest meine Kinder spielen von sich aus auch ohne irgendein Speilzeug , oder oft wochenlang nur mit einem einzigen. Aber bewußt alles wegnehmen?

Diese Überlegung, das Mädchen ja nur malen, um Anerkennung zu finden, oder das diese Kinder dann suchtfreu wären halte ich für sehr , sehr gewagt… und os ganz verstehe ich das auch nicht, schließlich wird uns ja auf der anderen Seite doch auch ständig betont, wie wichtig anerkennung ist… oder ?? Schulnoten, Karriere, Aussehen, wir bemühen uns doch alle, anerkennung und Lob zu finden, oder etwa nicht?

Lg

Brenna

Hallo brenna,

zum Konzept hab’ ich eine Menge geschrieben, wenn du dir die Mühe machst, es zu lesen, beantworten sich vermutlich viele deiner Fragen :smile:.

Und ganz konkret:
Auch zuhause dient Spielzeug doch u.a. dazu, dass die Eltern ihre Ruhe haben. Je jünger die Kinder sind, desto weniger wichtig ist Spielzeug, weil die ganze Welt sowieso ein Abenteuerspielplatz ist. Es sind die Erwachsenen, die damit anfangen, Kindern Spielzeug zu schenken - in einem Alter, in dem die Töpfe in der Küche oder Papas Taschenlampe mindestens ebenso interessant sind :smile:.

Die meisten Kinderzimmer sind heillos mit Spielzeug überfrachtet. Dass die Kinder damit überfordert sind, merkt man spätestens dann, wenn man von ihnen verlangt, dass sie aufräumen. Eine befreundete Lehrerin pflegte zu sagen, dass das, was ein Kind nicht problemlos selbstständig aufräumen könne, zuviel sei.

Ich finde das sehr, sehr schwierig, weil die Kinder dann eben einfache Alltagsgegenstände zu Spielzeug umfunktionieren.

Genau das wäre der Sinn des Ganzen: Weg vom vorgegebenen Eindimensionalen hin zu kreativen Lösungen.

Nimmt man die dann auch weg?

Natürlich nicht, im Gegenteil: Man ermutigt sie dazu.

dürfen die Kinder denn toben,rausgehen, rennen ?

Unbedingt.

Aber bewußt alles wegnehmen?

Für den privaten Bereich in Reinkultur sicher nicht passend. Andrerseits: Meine große Tochter verbrachte die ersten Lebensjahre zwischen Afrika und Australien. Sie besaß eine Spieluhr, einen Stofflöwen und einige Bilderbücher. Der Rest fand sich im und ums Haus.

Diese Überlegung, das Mädchen ja nur malen, um Anerkennung zu finden,

Natürlich nicht alle Mädchen. Es gibt aber viele.

oder das diese Kinder dann suchtfreu wären halte ich für sehr , sehr gewagt

Das wird sich niemals schlüssig beweisen lassen - wie ich übrigens schon mehrfach geschrieben habe .).

schließlich wird uns ja auf der anderen Seite doch auch ständig betont, wie wichtig anerkennung ist

An der richtigen Stelle und im richtigen Kontext ja. Als Automatismus, der jeden Pups lobt, sicher nicht. Lieblos in Serie produzierte Bilder gehören zu Letzterem.

Schöne Grüße,
Jule

Danke, Jule,
für diese sehr ausführliche Beschreibung, die meine anfänglichen Bedenken zumindest in ein Überlegen und Nachdenken geändert haben.

Wir sind über 15 Jahre mit einem VW-Campingbus (mit entsprechend wenig Platz für Spielzeug aller Art) mit den Kindern im Urlaub unterwegs gewesen. Es gab tatsächlich nie einen Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten. Diese soo leicht ausführbaren Improvisationen musste ich mir gerade ins Gedächtnis zurück rufen!

Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Erzieherinnen von Eltern :daran gemessen werden, was sie den Kindern anbieten. Wenn Eltern in den :Gruppenraum kommen,

[und folgendes]

erinnert mich sehr daran, dass sich seit der Kindergartenzeit meiner Kinder und der meiner jetzt sechs-jährigen Nichte wohl nicht viel in der Fläche im Kindergarten geändert hat.

Woran liegt es?

Aus Legos ein Schloss, eine Burg zu bauen, fanden meine Kinder toll. Diese komischen Fertigteile nach Plan zusammenzufügen, fand ich dann schon abseits der kreativen Möglichkeiten dieser tollen Bausteine (die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch).

Die „Waldwochen“ waren bei meinen Kindern immer Highlights.

Nur, und diese Frage muss dann auch gestellt werden, welche Kindergärten haben denn überhaupt die Möglichkeiten, annähernd solch ein Programm zur Verfügung zu stellen?

Meine Schwieger-Cousine ist täglich zum Walldorf-Kiga (dem ich dieses Procedere nicht unterstelle)ihrer Kinder einen Weg 35 km gefahren. Da hört es dann irgendwo auf.

Die Ideen mögen durchaus gut sein, eine Umsetzung scheint dann wieder nur einer gewissen Klientel vorbehalten.

Die Ansätze scheinen in vielen Kindergärten vorhanden zu sein. Nur scheint eine Umsetzung mit dem Persolalschlüssel nicht durchführbar.

Und, leider, ein Minuspunkt aus eigener Erfahrung. Meine Kinder hatten in der Mehrzahl „Kindergärtnerinnen*“, keine Pädagogen. Sie waren zum Glück nur vormittags da.
(Allen aktuell Kindergarten-Angestellten sei noch mal gesagt, das war vor 20 Jahren!)

Herzliche Grüße

*ich möchte die Mädels von damals nicht anfeinden. Sie haben wirklich ihr bestes gegeben. Die viel gesungenen Lieder sitzen noch immer…