Hallo,
ob Du es glaubst oder nicht, aber ausnahmsweise darf man hier mal an den Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 GG erinnern und den so ganz allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit staatlichen Handelns und Eingreifens in diese Handlungsfreiheit. D.h. eine Maßnahme muss nicht nur „rein technisch“ geeignet sein, ein wichtigeres Rechtsgut durch Einschränkung eines anderen Rechtsguts (hier die Handlungsfreiheit) zu schützen, sondern sie muss auch notwendig und das mildest mögliche Mittel sein. Und daraus abgeleitet gibt es massenhaft Papier unter welchen Voraussetzungen man wann wie weit zu irgendwelchen konkreten Einschränkungen in welchem Maße kommen kann, und dazu zählt auch wann Verkehrsschilder mit welchen Einschränkungen zulässig sind.
Und insoweit ist die momentane Tendenz und pauschale Aussage, „langsamer ist immer besser“, durchaus kritisch zu betrachten, und zu hinterfragen, gerade vor dem Hintergrund, dass sich durch immer drastischere Beschränkungen zunehmend mehr Geld bei Leuten kassieren lässt, die sich zwar an irgendein Schild nicht ganz genau gehalten haben, dadurch aber nicht zwingend auch irgendein höherwertiges Rechtsgut nur ansatzweise gefährdet hätten. Hierzu ein schönes, ganz konkretes Beispiel zum Nachdenken:
Auf der A2 wurde zwischen H und BS eine automatische Verkehrsbeeinflussungsanlage installiert, die mit diversen Blitzern gekoppelt ist, und extreme Geschwindigkeitsbegrenzungen auch in Situationen vorsieht, die diese ganz objektiv betrachtet, nicht erfordern. Trotzdem kosten einen die gefahrenen 130 Km/h bei unsinniger 80er Ausschilderung den Lappen und viel Geld und Punkte.
Wie es der Zufall so will, sind die Dinger in großer Zahl kaputt gegangen, und werden schon seit Monaten repariert. Seit dem gilt im gesamten Bereich konstant tagsüber 130 Km/h mit der Folge, dass man jetzt in einer absolut vergleichbaren Situation die 130 vollkommen legal fahren darf (Rechtsgutgefährdung identisch, Folge dramatisch unterschiedlich). BTW: Weder gefühlt noch aufgrund irgendwelcher Medienberichte müsste man annehmen, dass seit Einführung der pauschalen Regelung eine Steigerung der Unfallzahlen zu beobachten wäre. Zudem handelt es sich bei den regelmäßig schlimmen Unfällen auf dieser Strecke um LKW-Unfälle ohne PKW Beteiligung oder um PKW-Beteiligung die unabhängig von der Geschwindigkeit des PKW ist (z.B. LKW fährt auf PKW am Stauende auf, oder PKW fährt in frische LKW-Unfallstelle, was er auch mit 80 Km/h nicht hätte vermeiden können).
Und nur um das festzuhalten: Es geht mir ganz sicherlich nicht darum, das Geschwindigkeitsbegrenzungen grundsätzlich unangemessen wären. Jedoch ist tatsächlich eine zunehmende Kopplung von unverhältnismäßigen Beschränkungen mit neuen Einnahmequellen ebenso zu beobachten, wie ein gewisser Automatismus aufgrund tatsächlich gegebener Umstände einzurichtende Beschränkungen nach Wegfall dieser Umstände (z.B. Straßensanierung) nicht mehr oder zumindest nicht mehr vollständig zurück zu nehmen, um sich die während der angemessenen Beschränkung eröffneten Einnahmequellen nicht wieder zu nehmen. Oder wie ist es anders zu verstehen, dass eine ganz normale Kreisstraße erst aufgrund massiver Straßenschäden von 100 auf 50 runter begrenzt wurde, und die dann noch Wochen (nebst Kontrollen) nach Sanierung erhalten blieben, bevor es dann zu einer dauerhaften 70er Beschränkung kam, die natürlich ebenfalls seit dem regelmäßig kontrolliert wird, was zu den 100er Zeiten nie vorkam, die angemessen und daher auch von den Autofahrern respektiert waren.
BTW: Deine Argumentation zur Dunkelziffer passt hier auch nicht, denn es geht ja nicht um Schnellfahrer an sich, sondern um Unfälle, und da ist gerade keine Dunkelziffer gegeben, sondern bietet sich eine aufgrund Bremsspuren leicht zu konstatierende (ggf. auch nur minimale und nicht wirklich entscheidend ursächliche) Geschwindigkeitsübertretung als vorgeschobene Unfallursache (mit Einnahmepotential) natürlich an.
Gruß vom Wiz