lumen supranaturale - darum geht´s
Hi Ralf.
… so ist es doch sicher erlaubt, darauf hinzuweisen, dass ‚Licht‘ zunächst einmal nichts anderes ist als eine (optische) Sinnesempfindung.
Ist das wirklich so? Ich habe an anderer Stelle schon darauf hingewiesen, dass Lichtwahrnehmung auch ohne äußere Reize stattfinden kann, z.B. in Träumen. Auch Ulf hat ähnliches angedeutet. Die Esoteriker behaupten, dass im Traum der feinstoffliche Astralleib aktiv ist und Szenarien wahrnimmt, die an Plastizität oft die normale sinnliche Erfahrung übertreffen. Woher kommt dann dieses „innere“ Licht, wenn nicht aus dem Potential, das der feinstoffliche Leib innehat? Von da führt kein großer Schritt zu der Annahme, dass auch das „äußere“ Licht (die physikalischen Schwingungen, die ja nicht optisch sind, sondern als Frequenzen beschrieben werden!) auf dem Weg ins Bewusstsein TRANSFORMIERT werden - in das Phänomen „geistiges bzw. feinstoffliches“ Licht.
So gesehen, kann ich den Lichtbegriff in mystischen und lichtmetaphorischen Anwendungen ganz und gar nicht als Metapher verstehen. Ohne das mystische (feinstoffliche) Licht wäre ein („optisches“, also per Auge wahrgenommenes) Licht gar nicht möglich.
Die Scholastik unterschied ja bereits zwischen lumen naturale und lumen supranaturale, also dem natürlichen und dem geistigen Licht.
Selbstverständlich sind ‚Licht‘ und die im Titel des Threads erwähnte ‚stoffliche Beschaffenheit‘ zunächst einmal nicht zu vereinbaren - jedenfalls nicht im Sinne des Fragestellers…
Wenn man gewisse mystische und, wieder mit Verlaub, lichtmetaphorische Lehren berücksichtigt, erscheinen sie schon vereinbar - diese Lehren gemäß gilt „Licht“ als eine Art Urstoff des Seienden. Ich behaupte, dass diese Anschauungen nicht nur als Metaphern zu verstehen sind, wie Blumenberg das darstellen möchte.
Aus einem Net-Text über Blumenberg:
"Indes zeigt Blumenberg verschiedentlich, dass solche „absolut“ gewordenen Metaphern einen wesentlichen Bestand unseres kulturellen Gedächtnisses bilden: so etwa die v. a. seit dem Neuplatonismus gebräuchliche Metapher des „Lichts“ als Darstellung von „Wahrheit.“
Nun, weiß Blumenberg denn, dass Plotin mindestens drei Mal (Porphyrios berichtet das) mystische Extasen, die spontan auftraten, erlebt hat und sein Werk auf den aus diesen Erfahrungen gewonnenen Erkenntnissen weitgehend basiert? Plotin sprach doch nicht „metaphorisch“ vom Licht, er hat es gesehen - nicht anders als Augustinus oder Böhme z.B.
Die mystischen Erfahrungen haben definitiv Licht-Charakter, das ist ihr Hauptmerkmal neben der Erkenntnis, dass „alles Eins“ ist. Licht und Eins - das ist identisch, so sehen das z.B. Plotin und Böhme.
Auch Hegel darf hier zitiert werden: „Das reine Licht wirft seine Einfachheit als eine Unendlichkeit von Formen auseinander und gibt sich dem Für-sich-sein zum Opfer dar, daß das Einzelne das Bestehen an seiner Substanz sich nehme.“ (Phän.d.Geistes, Natürliche Religion, Das Lichtwesen)
schließlich ist ‚Licht‘ kein ‚Stoff‘ und auch kein ‚Feinstoff‘ (was auch immer das sein mag).
An anderer Stelle zitierte ich schon folgende Passage (wenn ich aus Wiki zitiere, dann hat das bitteschön hauptsächlich Gründe der Ökonomie, ich verwende Wiki AUSSCHLIEßLICH bei Forum-Diskussionen, nicht privat):
Ich zitiere also aus Wiki: „Feinstofflichkeit“:
„In der Paramarthasara, einer alten Schrift der Advaita-Vedanta, die etwa drei Jahrhunderte vor den Schriften Shankaras erschien, gilt die Avidya nicht nur als ein Klesha, eine Ursache des Leidens, sondern vielmehr als eine Ursache der Welt selbst. Im Samkhya wird sie auch Urmaterie Prakriti genannt und besteht aus drei Urkräften den Gunas. Aus diesem Urstoff wird in einem Prozess fortschreitender Vergröberung sowohl der grobstoffliche materielle Körper als auch auch der feinstoffliche Körper Sūkhsma.
Die meisten Hindus und Jainas nehmen an, dass dem materiellen Körper ein feinstofflicher Körper zugesellt ist. Dieser enthalte im Inneren seit Ewigkeit existierende Seelen, die von einem feinstofflichem Körper umkleidet sind. Wenn der zugehörige grobstoffliche Körper verfällt, gehen diese feinstofflichen Körper in einen neuen Mutterschoß ein (Reinkarnation).“
In seinem Werk „Die Schlangenkraft“, S.44, beschreibt Sir John Woodroffe aka Arthur Avalon, ein berühmter Sanskrit-Gelehrter, den feinstofflichen Körper (des Menschen) wie folgt (er nennt ihn „Hauchkörper“ - in der Übersetzung - im Unterschied zum grobstofflichen Körper):
„Die Hauchkörper-Funktionen… sind diese: die Sinnesobjekte (bhuta) beeindrucken die Sinnesorgane (indriya), weden vom Manas erkannt, werden durch Ahamkara auf das Selbst bezogen und durch Buddhi determiniert. Die Buddhi ihrerseits wird durch das Bewußtseins-Licht (chit)… erleuchtet…“
Speziell wenn man sich die Visionen Hesekiels anschaut, so liegt der Verdacht nahe, dass hier Halluzinogene eine Rolle gespielt haben könnten.
Ich deutete ja schon mal in einem anderen Brett an, dass die Erkenntnisse bzw. Visionen in jenen Zeiten, auch im asiatischen Raum, solche Erfahrungen zur Grundlage hatten. Auch Platon wird dies (in einer aktuellen Hypothese, siehe Albert Hofmann) nachgesagt (Eleusinische Mysterien). Ich darf hinzufügen, dass sich meine Hartnäckigkeit in Sachen „mystisches Licht = höchste Realität“ aus vergleichbaren Quellen speist.
Eben deswegen kann hier vom metaphorischen Charakter des „mystischen Lichts“ keine Rede sein. Natürlich denkt der Mystiker, wenn er dieses Licht thematisiert, auch an andere Konnotationen außer der der Helligkeit oder des Strahlens: hinzu kommen Merkmale wie Seligkeit, Einheit, Unendlichkeit usw. Nichtsdestotrotz ist der Lichtcharakter das vielleicht wesentliche Merkmal.
Eine andere Erklärung schlägt Eric Altschuler vom Brain and
Perception Laboratory, University of California at San Diego,
vor - eine Temporallappen-Epilepsie (vgl.
http://www.wissenschaft.de/sixcms/detail.php?id=151354), für
die visuelle Halluzinationen (und andere bei Hesekiel
beobachtbare Symptome) typisch sind.
Das sind reduktionistische Versuche, das Transzendente auf banale Sinnesstörungen herunterzuspielen. Das hat eine lange Tradition.
Gruß Horst