Hallo Stefan,
Deinen Posts entnehme ich, dass Du ein engagierter Lehrer bist, wohl so einer, wie ich ihn meinen Kindern gerne gegönnt hätte.
denn letztendlich kommt es weniger auf die Methode als auf die Persönlichkeit des Pädagogen an. Und da glaube ich, punktest du.
Ich kann nicht für Deinen bereich sprechen, aber für das was ich mit meinen Kindern erleben musste. Als Mangel bei den Lehrern erlebt ich mehrere Dinge: Zum einen beim Eltern-Lehrer-Gespräch, beim Unterricht und bei der Einstellung zu den Kindern/Jugendlichen.
Aus dem, was ich an Pädagogik gelernt habe weiß ich, dass das soziale Verhalten größtenteils gelernt ist: Durch Versuch und Irrtum, durch Konditionierung und durch bewusstes Verhalten. Allein diese Erkenntnis muss es meiner Meinung nach einem Lehrer ermöglichen, dass er Kinder nicht als böse empfindet, wenn sie nicht so sind, wie er es gerne hätte.
Ich habe einen Sohn mit ADHS. Die haben ganz bestimmte Probleme, das weiß ich und deshalb konnte ich ihm auch ganz gut über die Schulzeit helfen und mit ihm Üben, die fehlenden Eigenschaften zu verbessern. Da hilft es nicht weiter, wenn Lehrer den Eltern von Erwartungen erzählen, die das Kind ohne Übung und Training unmöglich erfüllen kann. Unser Kind wurde nicht verhaltensauffällig, weil wir ihm nie ein schlechtes Beispiel gegeben haben, aber auch, weil wir die Vorschläge der Lehrer nicht ohne Rücksprache mit den Therapeuten umgesetzt haben, weil sie das Kind schlicht überfordert hätten! Schon da habe ich die Kompetenz der Lehrer vermisst und hatte den Eindruck, dass ihnen das alles zu anstrengend ist. Diese Erlebnisse führten, wie Ihr Euch sicherlich vorstellen könnt, nicht dazu, dass ich besonderen Respekt vor den Lehrern meiner Kinder hatte. Gleichzeitig traten sie aber so auf, als wären sie die Fachleute schlechthin! Diese Diskrepanz zu überbrücken ist ihnen deshalb nie gelungen. Da haben sie sich maßlos überschätzt! Der erste Schritt wäre also, die Realität einfach anzuerkennen und dann die Fachkompetenz auch zeigen, und nicht die Eltern für so dumm halten zu wollen, dass die das nicht merken. Es hilft unserer Gesellschaft mehr, wenn die Fachkenntnisse, die die Lehrer in ihrem Studium lernen, auch einen Weg in die Gesellschaft finden würden, und nicht der Bequemlichkeit halber einfach ausgeblendet würden!
Die richtige Einstellung und das Wissen um das Erlernen des menschlichen Sozialverhaltens kann dann sehr hilfreich sein, wenn die Lehrer das als Stress empfinden: Mir hat bei meinen Kindern immer ein innerer Standpunktwechsel geholfen: Wenn die Gefahr bestand, dass ich mich über irgend eine Situation ärgern müsste (So haben wir das ja in unserer Erziehung größtenteil gelernt: Wenn sich die Eltern ärgern müssen ist das Kind böse, und muss ein verhalten finden, dass sich die Eltern/Lehrer nicht mehr ärgern müssen) habe ich innerlich einen Standpunktwechsel durchgeführt, und mir gesagt: „Aha, das Kind kann dies und jenes noch nicht, und muss das erst noch lernen! Dafür bin Ich zuständig!“ Das hat bei mir augenblicklich den Ärger aus der Situation genommen und ich konnte in ruhe darüber nachdenken, was nun zu tun ist. Die Grundlagen für diese Erkenntnis müsste eigentlich jeder Lehrer in seinem Studium lernen. Das in der Praxis anzuwenden und wie ein Lehrer mit für ihn schwierigen Situationen umgeht, muss Teil der praktischen Ausbildung sein. Auch Jesper Juuhl schreibt davon, dass er sehr gute Erfolge erzielt hat, wenn er da lehrer entsprechend gecoacht hat. Es würde den stress der Lehrer enorm reduzieren. Die innerliche Kündigung von Lehrern, wie ich das bei meinen Kindern häufig gehört habe (z.B. „Es ist mir völlig wurscht, ob hier einer aufpasst oder ob hier alle nur Mist machen!“) könnte da bestimmt deutlich reduziert werden.
Die innere Einstellung ist auch die Grundlage für eine gute Beziehung zu den Kindern. Denn gerade in der Schule ist eine gute Beziehung zu den Schülern enorm wichtig. Ich habe öfter davon gelesen, dass die Lehrer die Beziehungsmanager sind. Wie soll das funktionieren, wenn die Lehrer eine innere Einstellung gegenüber den Schülern haben, wie sie unten hummelbrumm zur Schau trägt? Gerade schwierige Schüler sind nur auf der Beziehungsebene erreichbar. Falsch angewandte Sanktionen vertiefen doch nur die Kluft zwischen Lehrern und Schülern. Das geht ja sogar so weit, dass die Schüler den Hosenbund sehr tief tragen, weil das in den Slums in Amerika ein Zeichen dafür ist, dass diese Jugendlichen schon mal im Gefängnis waren (wo sie keinen Gürtel tragen durften). Seht Euch mal die Videos von Gordon Neufeld an, der in äGefängnissen mit Jugendlichen arbeitet:
https://www.youtube.com/watch?v=DvT9mB84UYA&noredire…
Dorthin muss der Weg gehen! Um einen Lehrer dahin zu bringen, muss erst einmal seine innere Überzeugung dahin gebracht werden, dazu ist erst einmal die Theoretische Erkenntnis wichtig. Der scheinbar einfache Weg über harte Strafen ist ein Irrtum und das sollte jedem Lehrer schon in seiner Referandarzeit klargemacht werden!