Wie jeder andere Auftraggeber von Erhebungen auch: Rechtliche Schritte gegen das Forschungsinstitut einleiten, falls man auch -unabhängig von dem Geschreibsel der WELT- davon überzeugt ist, dass ein mangelhaftes Produkt abgeliefert wurde.
Ich hab gerade Lust, den Artikel ausführlicher zu kommentieren:
Sozialforschung ist schön, macht aber viel Arbeit.
Aha.
Die wuchs den Gesellschaftswissenschaftlern des Göttinger Zentrums für Demokratieforschung offenbar über den Kopf
Spekulation, die durch das Nachstehende überhaupt nicht untermauert werden kann.
als sie im Auftrag der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), eine qualitative Studie zum Rechtsextremismus in Ostdeutschland anfertigten.
Man merke sich hier den Begriff „qualitativ“!
Die jungen Wissenschaftler hatten keine empirische Untersuchung in allen ostdeutschen Bundesländern durchgeführt
Qualitative Studien sind empirisch, aber sie nicht quantitativ, ihr WELT-Erklärer!
sondern 2016 knapp 40 Interviews mit meist linken Politikern und Aktivisten aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft geführt; außerdem einzelne Gespräche mit Bürgern aus zuwanderungsfeindlichen Hotspots in Freital, Heidenau und Erfurt. Damit hat die Studie wenig Aussagekraft für die Zustände in anderen ostdeutschen Regionen.
Qualitative Studien haben sehr wohl Aussagekraft.
Was gemeint ist, ist, dass sie nicht „wenig“, sondern gar keine Repräsentativität beanspruchen können.
Das ist aber auch der Sinn qualitativer Studien.
Hat die WELT für einen Artikel, der solche schwerwiegende Vorwürfe erhebt, keine Autoren auftreiben können, die wenigstens ein bisschen Ahnung von dem haben, was sie schreiben?
Nun wollten viele der Gesprächspartner anonym bleiben.
Nachvollziehbarerweise und gängige Praxis in der Sozialforschung.
Immerhin ist auch Sozialforschung einer Berufsethik unterworfen, die im Zweifel Anonymisierung oder Pseudonymisierung verlangt.
„Die Anonymität der befragten oder untersuchten Personen ist zu wahren“ (Ethik-
Kodex, Abschnitt B5 der DGS)
Auch die rechtliche Situation ist nicht ganz einfach, weil man sich die Erlaubnis zur Nennung des Klarnamens bei Themen, die evtl. negative Konsequenzen für die Befragten nach sich ziehen könnten, bestätigen lassen muss und idealerweise auch belegen können muss, dass man korrekt über diese möglichen Folgen aufgeklärt hat.
Deswegen fehlen in der entsprechenden Auflistung viele Namen.
Eingangs hat der WELT-Artikel noch behauptet, es seien fiktive Gesprächspartner aufgelistet worden, nun fehlen nur die Namen der Personen. Welch für ein Wunder, wenn anonymisiert wurde!
Stattdessen werden dann zum Beispiel „KommunalpolitikerInnen aus Heidenau“ oder „Mitglied des Stadtrates für die CDU“ als Informationsquellen angegeben.
Das nennt sich Anonymisierung qua reductio.
Nun stehen auf der Liste allerdings auch erfundene Namen von Beamten und Politikern.
Neben mehreren angeblichen Stadträten, die noch nie in ihren Kommunen gesichtet wurden, wird beispielsweise „Herr Reese, führender Mitarbeiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung“, aufgeführt.
Das nennt sich Pseudonymisierung.
Die Einrichtung teilte der WELT mit, dass es dort niemanden gebe, der so heißt – und auch niemanden, der sich wie angegeben äußern würde.
Das ist durch und durch ein Witz:
- Eine „Einrichtung“ teilt nichts mit.
- Welch Wunder, dass sich dort ein Name nicht findet, der zum Zweck der Pseudonymisierung erfunden wurde. Grandios!
- Woher will denn „die Einrichtung“ wissen, wie sich Personen unter dem Schutzmantel der Anonymität Forschern gegenüber äußern?
„Unser angeblicher leitender Angestellter Reese wird an fünf Stellen zitiert, mit Positionen, die Sie niemals aus unserem Haus hören würden.“
Das zeigt, wie notwendig eine kompromisslose Anonymisierung in der Forschung ist, denn unter Klarnamen hätten die Aussagen nicht getätigt werden können, weil man sie ja „niemals aus unserem Haus hören würde“.
Der erfundene Demokratievermittler
Nicht der Demokratievermittler wurde erfunden, sondern sein Pseudonym wurde erfunden.
Es sei denn natürlich, die Autoren der WELT können nachweisen, dass Interviews tatsächlich fingiert wurden.
Dazu findet sich in diesem Artikel aber null komma null Hinweis.
Die Landeszentrale habe erfolglos versucht zu rekonstruieren, wer „Herr Reese“ sein könnte, und nun bei den Göttinger Forschern um Transparenz gebeten. Bisher ohne Antwort.
Wenn die Forscher der Landeszentrale hier den Klarnamen nennen würden, wäre der Witz von Anonymisierung dahin, Ethikregeln gebrochen und wohl rechtliche Regelungen ebenfalls.
Ist doch völlig klar und richtig, dass sie darauf nicht reagieren.
Auch nennen die Wissenschaftler eine „Frau Ackermann, Mitglied des sächsischen Landtages (Fraktion DIE LINKE)“. Von den Forschern erfährt man, dass es Zeitdruck bei der Drucklegung der Studie gegeben habe. Deswegen seien Gesprächspartner unter anderen Namen aufgeführt worden, bei denen man sich nicht sicher gewesen sei, ob sie mit namentlicher Nennung einverstanden sind.
Im Zweifel pro Anonymisierung.
Völlig richtig und klare Vorgabe der Berufsethik.
Auch rechtlich die sichere Seite.
Warum die Forscher der Sozialistin ausgerechnet den Nachnamen des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs verpasst haben, wird wohl nie erforscht werden.
Unter einem Anflug von Humor?
Völlig unerheblich, welches Pseudonym gewählt wird, solange nicht fälschlich der Eindruck erzeugt wird, die Aussage stammt tatsächlich von Josef Ackermann.
Kurzum:
- die Vorwürfe mögen stimmen, das kann man nach der Lektüre des WELT-Artikels aber nicht ansatzweise nachvollziehen, weil der Artikel kein einziges geeignetes Argument dafür bringt
- der WELT-Artikel ist strunzdumm geschrieben und kann nicht einmal Begrifflichkeiten korrekt auseinanderhalten
- ich würde als Mitglied der Forschergruppe definitiv Strafanzeige gegen die WELT erstellen
Gruß
F.