Studie zu Rechtsextremismus gefälscht

Erstens hat die WELT die von Dir verlinkte Begründung inhaltlich wiedergegeben.
Zweitens erklärt sie nicht die unauffindbaren Personen, die eben kein Teil der Fokusgruppen waren.

Aus der „Klarstellung“:
Dabei haben wir […] unterschiedliche Stufen der Anonymisierung gewählt […] - auch durch Verfremdung der Namen. Dies gilt insbesondere für […] Fokusgruppenteilnehmerinnen.
„Insbesondere“ - und nicht „ausschließlich“.

Die „Welt“ gibt den Inhalt verzerrt wieder, wenn sie schreibt
Ebenso seien Namen der befragten Anwohner verfremdet worden, „um deren Anonymität zu gewährleisten“. […] Nun stehen auf der Liste allerdings auch erfundene Namen von Beamten und Politikern.
Dies suggeriert einen Widerspruch, der nicht vorhanden ist.

Weiter aus der „Welt“:
[in der Studie wird ein] „Herr Reese, führender Mitarbeiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung“, aufgeführt. Die Einrichtung teilte der WELT mit, dass es dort niemanden gebe, der so heißt – und auch niemanden, der sich wie angegeben äußern würde.
„Unser angeblicher leitender Angestellter Reese wird an fünf Stellen zitiert, mit Positionen, die Sie niemals aus unserem Haus hören würden.“

Das dürfte der Grund sein, warum die betreffende Person nur unter dem Vorbehalt der Anonymisierung zu einem Interview bereit war.

Weil es hier so schön passt:

3 Like

Wie jeder andere Auftraggeber von Erhebungen auch: Rechtliche Schritte gegen das Forschungsinstitut einleiten, falls man auch -unabhängig von dem Geschreibsel der WELT- davon überzeugt ist, dass ein mangelhaftes Produkt abgeliefert wurde.

Ich hab gerade Lust, den Artikel ausführlicher zu kommentieren:

Sozialforschung ist schön, macht aber viel Arbeit.

Aha.

Die wuchs den Gesellschaftswissenschaftlern des Göttinger Zentrums für Demokratieforschung offenbar über den Kopf

Spekulation, die durch das Nachstehende überhaupt nicht untermauert werden kann.

als sie im Auftrag der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), eine qualitative Studie zum Rechtsextremismus in Ostdeutschland anfertigten.

Man merke sich hier den Begriff „qualitativ“!

Die jungen Wissenschaftler hatten keine empirische Untersuchung in allen ostdeutschen Bundesländern durchgeführt

Qualitative Studien sind empirisch, aber sie nicht quantitativ, ihr WELT-Erklärer!

sondern 2016 knapp 40 Interviews mit meist linken Politikern und Aktivisten aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft geführt; außerdem einzelne Gespräche mit Bürgern aus zuwanderungsfeindlichen Hotspots in Freital, Heidenau und Erfurt. Damit hat die Studie wenig Aussagekraft für die Zustände in anderen ostdeutschen Regionen.

Qualitative Studien haben sehr wohl Aussagekraft.
Was gemeint ist, ist, dass sie nicht „wenig“, sondern gar keine Repräsentativität beanspruchen können.
Das ist aber auch der Sinn qualitativer Studien.

Hat die WELT für einen Artikel, der solche schwerwiegende Vorwürfe erhebt, keine Autoren auftreiben können, die wenigstens ein bisschen Ahnung von dem haben, was sie schreiben?

Nun wollten viele der Gesprächspartner anonym bleiben.

Nachvollziehbarerweise und gängige Praxis in der Sozialforschung.
Immerhin ist auch Sozialforschung einer Berufsethik unterworfen, die im Zweifel Anonymisierung oder Pseudonymisierung verlangt.

„Die Anonymität der befragten oder untersuchten Personen ist zu wahren“ (Ethik-
Kodex, Abschnitt B5 der DGS)

Auch die rechtliche Situation ist nicht ganz einfach, weil man sich die Erlaubnis zur Nennung des Klarnamens bei Themen, die evtl. negative Konsequenzen für die Befragten nach sich ziehen könnten, bestätigen lassen muss und idealerweise auch belegen können muss, dass man korrekt über diese möglichen Folgen aufgeklärt hat.

Deswegen fehlen in der entsprechenden Auflistung viele Namen.

Eingangs hat der WELT-Artikel noch behauptet, es seien fiktive Gesprächspartner aufgelistet worden, nun fehlen nur die Namen der Personen. Welch für ein Wunder, wenn anonymisiert wurde!

Stattdessen werden dann zum Beispiel „KommunalpolitikerInnen aus Heidenau“ oder „Mitglied des Stadtrates für die CDU“ als Informationsquellen angegeben.

Das nennt sich Anonymisierung qua reductio.

Nun stehen auf der Liste allerdings auch erfundene Namen von Beamten und Politikern.
Neben mehreren angeblichen Stadträten, die noch nie in ihren Kommunen gesichtet wurden, wird beispielsweise „Herr Reese, führender Mitarbeiter der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung“, aufgeführt.

Das nennt sich Pseudonymisierung.

Die Einrichtung teilte der WELT mit, dass es dort niemanden gebe, der so heißt – und auch niemanden, der sich wie angegeben äußern würde.

Das ist durch und durch ein Witz:

  1. Eine „Einrichtung“ teilt nichts mit.
  2. Welch Wunder, dass sich dort ein Name nicht findet, der zum Zweck der Pseudonymisierung erfunden wurde. Grandios!
  3. Woher will denn „die Einrichtung“ wissen, wie sich Personen unter dem Schutzmantel der Anonymität Forschern gegenüber äußern?

„Unser angeblicher leitender Angestellter Reese wird an fünf Stellen zitiert, mit Positionen, die Sie niemals aus unserem Haus hören würden.“

Das zeigt, wie notwendig eine kompromisslose Anonymisierung in der Forschung ist, denn unter Klarnamen hätten die Aussagen nicht getätigt werden können, weil man sie ja „niemals aus unserem Haus hören würde“.

Der erfundene Demokratievermittler

Nicht der Demokratievermittler wurde erfunden, sondern sein Pseudonym wurde erfunden.
Es sei denn natürlich, die Autoren der WELT können nachweisen, dass Interviews tatsächlich fingiert wurden.
Dazu findet sich in diesem Artikel aber null komma null Hinweis.

Die Landeszentrale habe erfolglos versucht zu rekonstruieren, wer „Herr Reese“ sein könnte, und nun bei den Göttinger Forschern um Transparenz gebeten. Bisher ohne Antwort.

Wenn die Forscher der Landeszentrale hier den Klarnamen nennen würden, wäre der Witz von Anonymisierung dahin, Ethikregeln gebrochen und wohl rechtliche Regelungen ebenfalls.
Ist doch völlig klar und richtig, dass sie darauf nicht reagieren.

Auch nennen die Wissenschaftler eine „Frau Ackermann, Mitglied des sächsischen Landtages (Fraktion DIE LINKE)“. Von den Forschern erfährt man, dass es Zeitdruck bei der Drucklegung der Studie gegeben habe. Deswegen seien Gesprächspartner unter anderen Namen aufgeführt worden, bei denen man sich nicht sicher gewesen sei, ob sie mit namentlicher Nennung einverstanden sind.

Im Zweifel pro Anonymisierung.
Völlig richtig und klare Vorgabe der Berufsethik.
Auch rechtlich die sichere Seite.

Warum die Forscher der Sozialistin ausgerechnet den Nachnamen des ehemaligen Deutsche-Bank-Chefs verpasst haben, wird wohl nie erforscht werden.

Unter einem Anflug von Humor?

Völlig unerheblich, welches Pseudonym gewählt wird, solange nicht fälschlich der Eindruck erzeugt wird, die Aussage stammt tatsächlich von Josef Ackermann.

Kurzum:

  • die Vorwürfe mögen stimmen, das kann man nach der Lektüre des WELT-Artikels aber nicht ansatzweise nachvollziehen, weil der Artikel kein einziges geeignetes Argument dafür bringt
  • der WELT-Artikel ist strunzdumm geschrieben und kann nicht einmal Begrifflichkeiten korrekt auseinanderhalten
  • ich würde als Mitglied der Forschergruppe definitiv Strafanzeige gegen die WELT erstellen

Gruß
F.

Keine.

HJS

Und warum wird zur angeblichen Pseudonymisierung gegriffen, wenn andere Interviewte anonymisert wurden?

Hallo,

im Niedermachen von unliebsamen Medieninhalten, institutionen und Einzelpersonen wird der Protagonist immer rabiater.

Bei einzelnen Journalisten geht das so:

Mal kurz ein paar Wissenschaften diskreditieren geht so:

Neben einer sich ständig inzestuös reproduzierenden Präpotenz mancher Halbgebildeten, die ihre Minderwertigkeitskomplexe nicht unter Kontrolle bekommen, trägt ein zunehmender Zweifel an der eigenen Weltauffassung zu solchen haltlosen Urteilen bei. Scheiß Krisen, wo seid ihr???

Solche Urteile stellten eine Beleidigung dar, wüßte man nicht woher sie kommen. Was bleibt, ist Verblüffung darüber, wie Menschen sich verändern können.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

Das kann ich sofort unterschreiben, Schneiderlein.

Da kann ich nur spekulieren, es spielt aber doch auch gar kein Rolle in Bezug auf die Fälschungsvorwürfe.

Ich könnte mir vorstellen, dass Personen pseudonymisiert wurden, deren Funktionen/Positionen angeben wurden und/oder die öfter im Text auftauchen; schlicht, weil sich der Text dann leichter liest.

Evtl. gabs auch unterschiedliche Stufen der Anonymisierung.
Die einen wurden von vorne herein anonymisiert, so dass die erhobenen Aussagen schon in der Datenaufbereitung keiner Realperson mehr zugeordnet werden konnten.
Bei den anderen wurde die Zuordnung der Person zu ihren Aussagen gewahrt, und denen wurden dann erst für die Veröffentlichung Pseudonyme zugewiesen.
Das wird z.B. da gemacht, wo man im Ernstfall (z.B. bei gerichtlichen Auseinandersetzungen) belegen können muss, dass Aussagen tatsächlich getätigt worden sind, weil etwa mit Unterlassungsklagen (z.B. der sächsischen Landeszentrale) zu rechnen wäre.

Nur Spekulation von mir.

Gruß
F.

P.S.: Verbesserungsvorschlag: Studie zu Rechtsextremismus gefälscht ? :wink:

Das ist bei Dir zum Glück ganz anders. Ich spare mir eine Verlinkung, wir kennen ja alle Dein Lieblingsthema…

Abgesehen von der hochgegriffenen Bezeichnung „Studie“, welche IMHO vielleicht einer Diplomarbeit unter dem Titel „Selektive Interviews…“ Genüge leisten könnte heutzutage:

Die „Studie“ ist nicht von politischen Interessen geleitet?

Könnte die „Klarstellung“ den Charakter einer Rechtfertigung und Ausrede haben? Um nicht zu sagen, man macht sich ob dieser sog. „STUDIE“ gar noch wichtiger?

Franz

Die höchste Kunst der Unwissenschaftlichkeit äußert sich in Begriffen wie „insbesondere“. Das ist doch Gewäsch zur Überdeckung fehlender fachlicher Nachweise.

Morgenstern macht das keinen Deut besser. Im Gegenteil!

Franz

Entschuldigung, ein paar anonyme Hansel befragen, weil im Auftrag der Regierung und dafür Steuergelder einkassierend…

Hältst du das für seriös und rechtschaffen?

Franz

Prinzipiell natürlich.
Warum sollte a) qualitative Forschung (die nun mal mit ein paar Hansel arbeitet) und/oder Forschung im Regierungsauftrag per se unseriös sein?

Speziell zu der Studie kann ich nichts sagen, weil ich sie mir nicht angeschaut habe.
Dass der Auftraggeber die Grundrichtung vorgibt, ist klar. Die Vorwürfe „qualitative Mängel“ oder gar „Fälschung“ sind aber schon eine andere Hausnummer. Beide sollte man belegen können, wenn man sie erhebt.

Gruß
F.

Und wie lautet Dein inhaltliches Argument?

2 Like

A.a Definitiv ist sie von (partei)pol. Interesse geleitet. Dafür spricht u.a., dass sie bereits einen Tag nach Veröffentlichung von einer Grüne zusammenhanglos als Vehikel benutzt http://www.bundespresseportal.de/berlin/6-berlin/studie-ist-ein-weckruf-zivilgesellschaft-staerken-wagenburgmentalitaet-aufgeben-demokratische-teilhabe-staerken.html wurde. Ebenso die Auswahl der Interviewpartner (nicht der Fokusgruppen).

A.b Man unterscheidet zwischen qualitativer und quantitativer Sozialforschung. Es gibt einerseits prinzipielle Kritik an der „Qualität“ der qualitativen Forschung https://de.wikipedia.org/wiki/Qualitative_Sozialforschung#Methodenstreit, aber andererseits - offenkundig - auch an der Qualität der vorliegenden „Studie“.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt attestiert der Studie methodische Fehler. „Der empirische Teil der Studie ist eine Illustration der theoretischen Vorannahmen, dort wird der zu Beginn korrekt geschilderte Forschungsstand durch Ausschnitte aus den Interviews und eigene Deutungen noch einmal durcherzählt.“

B. Die „Klarstellung“ selbst stellt eigentlich gar nichts klar. Bspw. nicht, welche Personen tatsächlich „pseudonymisiert“ wurden und warum man nicht ohne Namen anonymisierte. Der angebliche „Zeitdruck“ ist doch bereits der Versuch, (bestenfalls) Pfuscherei zu entschuldigen.

C. Die letzte Frage kann ich nicht beantworten. Lediglich das Wort „Kampagne“ scheint mir in die Richtung überzogener Viktimisierung zu gehen.

Ich würde es begrüßen, falls die Studie eine Rezension bekäme.

Da wir gerade bei interessengeleiteten Interpretationen von oder in Studien sind:

Eine große Mehrheit der Deutschen will nicht mehr so stark auf das Auto angewiesen sein. Das ist eines der Ergebnisse der Umweltbewusstseinsstudie, einer repräsentativen Umfrage des Bundesumweltministeriums (BMUB) und des Umweltbundesamtes (UBA). 91 Prozent der Befragten sagen demnach, dass das Leben besser werde, wenn der oder die Einzelne nicht mehr auf ein Auto angewiesen ist. 79 Prozent wünschen sich eine Stadtentwicklung, die die Alternativen zum Auto stärkt, für ihre eigene Stadt oder Gemeinde.

Die Studie https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/umweltbewusstsein_in_deutschland_2016_barrierefrei.pdf Vgl. Abb. 31

Frage: Können Sie sich zukünftig vorstellen, … Antwort: „ja, kann ich mir unter bestimmten Bedingungen vorstellen

Hier nun die Kritik an der äusserst „kreativen“ Deutung durch Hendricks (SPD).

Gruß
vdmaster

1 Like

Hierzu auch ein neuer Medienbericht

… der auch keinerlei Substanz anzubieten hat.
Fehlende Sternchen im Namensverzeichnis ist der einzige klare Punkt.
Die Zitierweise soll angeblich problematisch sein. Warum erschließt mir der Tagesspiegel nicht.
Und sonst kommt gar nix, außer dass ein Wirtschaftsingenieur (FH) der Studie die Wissenschaftlichkeit abspricht. #gähn

Es ist halt einfach von vorne herein (Auftragsforschung) ein Politikum gewesen und wird jetzt auch politisch in die Mangel genommen. So weit so banal!

Gruß
F.

Nur nebenbei: Es gibt auch ausreichend Kritik an der „Qualität“ quantitativer Sozialforschung.
Diese Kritik läuft aber mehr in Fachdiskursen ab als in der Öffentlichkeit, wo „Studie“ und „Wissenschaft“ halt sehr naiv gleichgesetzt wird mit Zahlen, Häufigkeitsverteilungen und den quantitativen Gütekriterien Objektivität und Reliabilität.

Und was soll der „methodische Fehler“ bei diesem Vorgehen sein?

Das ist methodisch exakt korrekt, wenn etwa die „Grounded Theory“ (die Standardmethode der qual. Soz.fo) verwendet worden sein sollte: zuerst Explizierung des theoretischen Vorwissens, im nächsten Schritt dann Verdichtung des Vorwissens mit dem bereits erhobenen Datenmaterial … darauf folgt dann einen neue Erhebungswelle … usw. bis durch neue Erhebungen keine zusätzlichen Informationen eingeholt werden können, also sog. „Sättigung“ erreicht ist.

Kannst du unter dem Stichwort „Grounded Theory“ selbst nachlesen.

Dass der Quanti Patzelt das so abwertend als „noch einmal durcherzählt“ abtut, mei, geschenkt.

Wo ist der inhaltliche Unterschied dabei, ob Namen anonymisiert oder pseudonymisiert wurden?
Wenn die Anonymisierung im Text tatsächlich nicht nachvollziehbar angegeben wurde, ist das ein etwas dämlicher formaler Fehler, aber keiner, der ernsthaft von „Pfusch“ sprechen lässt.

Gruß
F.

stattdessen:

1 Like

Dass angesichts der Formulierungen, Verschleierung von Zusammenhängen (es ist nicht erkennbar, welche Personengruppen überhaupt was gesagt haben sollten) und Anonymisierung „nach gängigen Methoden“ nichts prüfbar ist?!

Franz