AW2:
Halloballo.
Ach so, für mich ist das auch unterrichten.
Meinst Du?
Der Lehrstoff ist von der Vorlesung vorgegeben und auch schon vor der Übung behandelt.
Zu mir kommt der Spielball später, und ich muß in Abstimmung mit dem Großen Häuptling (Prof.) geeignete Aufgaben erstellen, durchrechnen, ggf. nachkorrigieren und dann darf ich mit dem Zeug auf die Studenten intellektuell einprügeln.
Das ist für mein Dafürhalten kein echtes Unterrichten, denn ich muß den eigentlichen Stoff weder didaktisch noch methodisch vermitteln, sondern ich muß die Anwendung ausgiebig beleuchten, oder, wenn mich das Pech ereilt, akademische Spezialfälle zeigen.
Für mich fehlt der entscheidende Aspekt der (relativen) Gestaltungsmacht und der Kontrolle über den pädagogischen Vorgang.
Allerdings konnte ich mir die Hoheit über die Klausur und die Klausurbewertung sowie einen ständigen Beisitz in den mündlichen Prüfungen meines Doktorvaters sichern. Und Prüfungen erstellen macht verdammt viel Spaß.
Die Korrektur ist leider nicht amüsant. Zum Beispiel hatte ich die bescheuerte Idee, an bestimmten Stellen einen Antwortsatz zu verlangen. Ich ahnte nichts Böses und dachte mir, daß das keine Sache sein dürfte. Wir sprechen hier über Sprachbeherrschung der 1. Klasse; sinngebende Sätze selbständig bilden und fehlerarm bzw. fehlerfrei niederschreiben.
Aber ich bekam in manchen studentischen Prüfungsarbeiten ein Deutsch zu lesen, sowas hat die Welt noch nicht erlebt…
Oha. Mechanik. Hab ich schon mal gehört. Konnte mir nur keiner
begreiflich machen.
Wenn Du auf die Kinematik (Bewegungslehre) und Dynamik (Kräftelehre) der Festkörper, Flüssigkeiten und Gase anspielst - ja. Das ist wesentlicher Bestandteil des Physikunterrichts in der Schule und sollte eigentlich gefestigt sein.
aus Interesse? Sowas find ich toll.
Ja. Wobei ich Anfang der 80er eigentlich in ein Forschungsstudium wollte, um zu promovieren. Die Planwirtschaft war gegenteiliger Meinung, aber ich bat mir zumindest eine Alternative aus. Die Germanistik konnte mich dann begeistern. Wie üblich, hatte das Kombinat einen an Tagen mit Konsultationen, Prüfungsverpflichtungen usw. freizustellen und mit 75% Lohnausgleich für die Weiterbildung zu unterstützen.
Die meisten Studenten kapieren überhaupt nicht, wie leicht
ihnen das Studium gemacht wird. Photokopierer, Taschenrechner,
Internet, eMails, eBooks, LaTeX, PowerPoint,
Simulationssoftware, wer-weiß-was.
Ich bin so dankbar dafür, dass ich meine Zulassungsarbeit
nicht auf einer Schreibmaschine schreiben muss… […]
Schreibmaschinenschreiben ist Teufelswerk.
Wenn in der letzten Zeile zwei Buchstaben verklemmen und man enthusiastisch statt eines z wie in Hertz ein bezauberndes uzu wie in Hertuzu erblickt.
Oder wenn die Farbe ausging und das präzise Wiedereinspannen des Blattes kongenial mißlang, so daß Frequenzabhängigkeit dastand.
Oder wenn die Automatik zur Führung des Blattes versagte und man unbemerkt fuffzig Zeichen auf die gleiche Stelle drückte.
Da es im Osten nicht sehr viel gab, konnte man nichtmal die verdammte Schreibmaschine an die Wand schmeißen, sondern mußte lieb sein.
Missen möchte ich es rückblickend trotzdem nicht.
Ich empfinde es als störend,wenn alle 2 Minuten
wieder jemand reinkommt.
Ich hatte ein paar Dozenten, die die Türe zuschlossen.
Die zur Klausur zugelassenen Hilfsmittel
mitzubringen, ist bei uns allerdings kein Problem. Es sind
nämlich keine zugelassen .
Aber wenn z.B. eine Konstruktionsaufgabe geplant ist, sollten gespitzter Bleistift, Lineal und Zirkel vorhanden sein.
„Zirkel? Wo stand das denn?“ –
Ich denke: Dick und fett auf dem A3-Aushang, Du Idiot!
Ich sage: „Zu ihrem Unglück war es eigentlich leserlich auf dem Aushang vermerkt.“
Es dauert keine drei Sekunden, da ruft es dann aus mehreren anderen Ecken:
„Was? Wir brauchen einen Zirkel?
Da hätte jemand ja vorher was sagen können!“
oder
„Vor zwei Monaten war noch nichts im Schaukasten.“
In solchen Momenten möchte man großflächig und irrational Gewalt anwenden.
Alleine dieser dämliche Blick, wenn diese Experten den Kopf verdrehen, eine Fratze ziehen wie eine Schwein, das ins Uhrwerk blickt, und dann wie Rudolf Scharping auf Drogen den Mund aufmachen und ihren Stuß zum besten geben.
Die Lehrer in Deutschland ernten meinen vollsten Respekt, daß sie sich mit solchen Sachen ständig auseinandersetzen zu müssen.
Ich hab noch nie nen Schein für Anwesenheit bekommen.
Sogenannte Sitzscheine sind in den Geisteswissenschaften eine alltägliche Erscheinung.
Ach ja? Warum nicht? Man kann alles lernen, wenn man will.
Die Bemerkung kam im Zusammenhang, daß die Studentin nicht verstanden hatte, daß sie verstehen-begreifen-anwenden sollte, statt auswendigzulernen, und daß die Klausur entsprechend aufgebaut sein würde.
Tja, in Bayern wär sowas nicht möglich gewesen.
Da musste man zwei NaWis behalten.
Auf allen Sorten des Gymnasiums?
Wie wurde in der Mittelstufe unterrichtet?
Der Satz könnte von mir kommen.
Kleines Einmaleins?
Großes Einmaleins?
Schriftliches Addieren?
Schriftliches Subtrahieren?
Schriftliches Multiplizieren?
Schriftliches Dividieren?
Quadratzahlen+Quadratwurzeln bis zur 30 aus dem Kopf?
Kubikzahlen+Kubikwurzeln bis 30 aus dem Kopf?
Konstanten aus dem Kopf wie z.B. e, Pi/4, LN2, WURZEL2, WURZEL3?
Bruchrechnung?
Überschlag?
Stapel nicht tiefer, als Du mußt; diese grundlegenden Sachen kannst Du bestimmt aus dem Stehgreif.
Tschüß