Guten Tag, lieber Experte,
habe kürzlich gelesen, dass Frust und psychisches Leid u. a. auch aus nicht erfüllten, bzw. unterdrücken Wünschen u. Bedürfnissen heraus entstehen kann.
Hierzu einige Fragen/Gedanken:
Ist das was wir wollen immer auch das Beste für uns? Man kann doch Dinge wollen, bzw. anstreben, die man besser nicht anstreben sollte.
Umgekehrt wären manche Dinge, die wir ablehnen, bzw. nicht wollen sogar gut für uns.
So wie ich das sehe, können wir uns nicht darauf verlassen, dass unsere Wünsche und Bedürfnisse immer sinnvoll sind.
Wie soll man damit umgehen?
Soll man seine Wünsche u. Bedürfnisse am Besten gar nicht hinterfragen? Oder doch? Wenn ja, wie? Kann man das überhaupt? …
Die Standardantwort auf meine Fragen lautet meistens „Das muss jeder selber wissen. Hier gibt es kein RICHTIG oder FALSCH“. Oder auch: „Es gibt keine wahren oder falschen Meinungen“
Genau das glaube ich aber nicht. Es ist nur meinstens so, dass wir die Wahrheit nicht (ohne weiteres) herausfinden können.
Kleines und unbedeutendes Beispiel aus dem Alltag zur Veranschaulichung:
Ich stehe vor einer Konditorei und sehe im Schaufenster eine wunderschöne frische Sahnetorte. Ich denke mir: Herrlich, jetzt so ein Stück Torte und eine gute Tasse Kaffee. Das wäre toll. Dann denke ich mir: Nein, meinem kleinen Teufelchen in mir, dass mich zu etwas Ungesundem verführen will, gebe ich nicht nach.
Soll ich die Torte essen oder soll ich mir das verkneifen. Was ist besser? Was ist OBJEKTIV die richtige Entscheidung? (nicht subjektiv, denn da wäre die Sache ja klar. Ich würde die Torte ja gerne essen)
Ich bin davon überzeugt, dass man diese Frage unter objektiven Gesichtspunkten klären könnte, WENN man alle dafür notwendigen Informationen zur Verfügung hätte.
Ist der „Schaden“ der bei mir angerichtet wird größer durch das Essen der Torte oder durch den Frust, wenn ich es mir verkneife?
Oder anderes Beispiel:
Ne Bekannte von mir ist ständig auf Reisen. Sie verprasst ihr ganzes Geld für Urlaube und hat sogar Schulden deswegen gemacht.
Ich selbst habe keine große Lust zu Verreisen. Ist mir zu anstrengend. Ich bin einfach zu bequem für die ganze Organisiererei und Packerei. Stress pur für mich. Ich setzte mich lieber zuhause auf die Veranda, lese ein gutes Buch und trinke dazu ein schönes Glas Rotwein.
Ist an sich auch kein Problem. Ich könnte das einfach so stehen lassen. Meine Bekannte will gerne Verreisen, ich eben nicht. Basta. Es gibt eben solche und solche Menschen.
Ich denke mir dann aber oft: Mache ich was falsch? Sollte ich nicht auch gerne Verreisen? Verpasse ich was? Macht meine Bekannte was falsch, weil Sie ihr ganzes Geld verschwendet? Warum sitzt meine Bekannte nicht gerne daheim auf der Veranda? Welche Überlegungen hat sie angestellt, dass ihr das nicht gefällt und sie viel lieber Verreist? Habe ich bei meiner Entscheidung, lieber zuhause zu sein, wichtige Aspekte vergessen? Schade ich meinen Interessen, wenn ich zuhause bleibe? Stimmt es vielleicht gar nicht, dass ich nicht gerne Verreise und bin ich vielleicht einfach nur zu faul und zu bequem dazu? Versage ich mir tolle Erlebnisse und Eindrücke dadurch? Und so weiter und so weiter… Da wird man glatt verrückt
Oder: Sollte man besser in der Stadt leben oder auf dem Land?
Auch hier ist wieder die Standardantwort: Das muss jeder selber wissen. Hier gibt es kein richtig oder falsch. Ich glaube aber, dass man auch diese Frage unter objektiven Gesichtspunkten lösen könnte, WENN man alle relevanten Informationen zur Verfügung hätte und wenn man wüsste, welche Informationen zur Klärung dieser Frage überhaupt relevant sind.
Und noch ein Letztes:
Zwei Menschen betrachten ein bestimmtes Gemälde, sagen wir ein Gemälde von einem großen Segelschiff mit weißen Segeln in der Abenddämmerung auf einem stillen Ozean und beide sagen „Toll, das gefällt mir sehr gut“. Auch diese Aussagen könnte man einfach stehenlassen. Beiden gefällt das Gemälde. Punkt. Im Alltag wird man hier auch nicht weiterfragen.
Wenn man bei den beiden aber weiter nachbohren würde, sie sollen doch mal erklären, warum ihnen das Gemälde gefällt, sollen beschreiben, welche Assoziationen und inneren Bilder in ihnen so hochkommen, an was das Gemälde sie erinnert, und so weiter, dann würde man sehr wahrscheinlich feststellen, dass den beiden das Gemälde jeweils aus völlig unterschiedlichen Gründen gefällt.
Und der letzte Schritt wäre dann zu untersuchen, ob die Assoziationen die die beiden haben, unter objektiven Gesichtspunkten verifizierbar sind oder nicht.
Wenn einem z. B. dieses Gemälde gefällt, weil er dabei an Seefahrerromantik denkt oder an den Film „Meuterei auf der Bounty“, dann könnte man fragen, ob es auf dem dargestellten Meer überhaupt jemals Piraten gab oder ob der Betrachter in dieses Gemälde Dinge hineininterpretiert, die unzutreffend sind, die aber der Grund dafür sind, weshalb ihm das Gemälde gefällt.
Ziemlich kompliziert? Ich weiß leider nicht, wie ich es besser in Worte fassen kann…
Sind meine Gedankengänge für Sie nachvollziehbar oder ist das reine Zeitverschwendung?
LG Karl