Tatsächliches Geburtsdatum von Jesus Christus?

Liebe wer-weiss-was-Gemeinde,
ich habe jetzt ein bisschen gegoogelt und gelesen und gegoogelt und wieder gelesen. Ich kann nicht die Artikel bewerten hinsichtlich ihrer Seriösität, die ich gelesen habe.
Was ich mehrfach gelesen habe war, dass Jesus im Frühjahr geboren wurde und dass durch einen Papst sein Geburtsdatum zurückgesetzt wurde auf einen heidnischen Feiertag. Auch das Geburtsjahr schwankt je nach Quelle. So werden Geburtsjahre von 7 v. Chr. bis 5 n. Chr. genannt. Letzteres wird dadurch belegt, dass es eine Bevölkerungszählung in dem Gebiet von Nazareth frühestens 5 nach Christi gab.
Ich habe es jetzt 2 Tage lang durchgegoogelt und bin nicht schlauer.
Gibt es hier Experten, die ziemlich genau wissen, wann Jesus wirklich geboren wurde?
Im Voraus vielen Dank für eure Antworten.
Stefan

Hallo,

Gibt es hier Experten, die ziemlich genau wissen, wann Jesus
wirklich geboren wurde?

ich hoffe, nein. Allerdings fürchte ich…

Die Geburtserzählung ist eine theologische Erzählung, keine historische. (Und sie kommt nicht mal in allen Evangelien vor.) Wir haben schlicht und ergreifend keine Angaben über Jesu Geburtsdatum. Es kursieren diverse Berechnungsmodellem, die alle mehr oder weniger versuchen, sich an etwas festzumachen, aber es gibt keine Grundlage dafür.

Über sein Sterbedatum gibt es etwas genauere Angaben, aber auch die können theologisch motiviert sein (zum Passahfest).

Viele Grüße,

Jule

Moin,

Gibt es hier Experten, die ziemlich genau wissen, wann Jesus
wirklich geboren wurde?

es gibt sogar keine bzw. nur recht diffuse historische Hinweise auf eine Existenz dieser Person.
Wie soll es da konkretes zum Geburtstermin geben?!

Gandalf

Kontaktempfehlung
Guten Tag,

da kann ich dir einen historisch-kritischen Bibelforscher empfehlen:

http://hpd.de/node/17337
http://de.wikipedia.org/wiki/Gerd_Lüdemann

Gibt es hier Experten, die ziemlich genau wissen, wann Jesus
wirklich geboren wurde?

Mittlerweile nicht mehr.

Gruß

Stefan

eine lange Weihnachtsgeschichte
Hallo Stefan,

Gibt es hier Experten, die ziemlich genau wissen, wann Jesus
wirklich geboren wurde?

nein, die gibt es wieder hier noch anderswo. (Ungenaue) Angaben zum Geburtsjahr von Jesus machen lediglich die Evangelisten Matthäus und Lukas, die sich jedoch erheblich widersprechen.

Bei der Bewertung der Angaben ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Geburtsgeschichten diverse Prophezeiungen über den Messias zu erfüllen hatten. Die wichtigste dabei war die, dass er aus dem Haus Davids stammen (vgl. dazu die beiden einander widersprechenden Stammbäume bei Lukas und Matthäus) und in Betlehem in Judäa (vgl. Micha 5,1) geboren sein musste. Dummerweise wussten die Zeitgenossen Jesu jedoch, dass er aus Nazareth in Galiläa stammte - und das ist eine ziemliche Strecke weg.

Seine ‚Biographen‘ in den kanonischen Evangelien standen also vor dem Problem, zu erklären, wie er nach Galiläa kam - und sie fanden zwei sehr unterschiedlichen ‚Lösungen‘, die zu unterschiedlichen Datierungen führen. Lukas erzählt, Jesu sei in Betlehem geboren worden, weil seine Eltern zwecks Eintragung in die Steuerlisten dort vorstellig werden mussten - eine ziemlich löchrige Konstruktion. Matthäus hingegen erzählt, Josef und Maria seien in Betlehem ansässig gewesen. Während Lukas das Problem hat, zu erklären, wie und warum Josef und Maria nach Betlehem kamen, so dass Jesus dort geboren werden konnte, steht Matthäus vor dem Problem zu erklären, wie und warum Josef und Maria mit ihrem Sohn von Betlehem ausgerechnet nach Nazareth kamen.

Matthäus lässt Jesus zunächst zu Lebzeiten Herodes I., damit mindestens 10 Jahre früher zur Welt kommen als Lukas (wenn das von ihm erwähnte astronomische Phänomen - der ‚Stern von Betlehem‘ - die Jupiter-Saturn-Konjunktion 7 v.Chr. war, sogar mindestens 13 Jahre früher). Bei ihm gibt es keine bukolische Szene, keinen Stall, keine Krippe, keine Hirten, sondern nur ein paar Astrologen (die sog. ‚heiligen drei Könige‘ - die an der Krippe überhaupt nichts verloren haben) als Besucher. Nun lässt Matthäus die Familie von Betlehem nach Ägypten fliehen, um einem durch Herodes I. befohlenen Massaker an Neugeborenen zu entkommen (was ganz nebenbei eine weitere Prophezeiung erfüllt). Dieses angebliche Massaker ist natürlich nirgendwo historisch belegt - und das nicht, weil man nicht eifrig nach Belegen gesucht hätte. Nach dem Tod Herodes I. zieht die Familie nicht nach Betlehem zurück, sondern nun nach Nazareth in Galiläa, um etwaigen Nachstellungen von Herodes’ Sohn Archelaos zu entgehen. Was als Begründung allerdings den Schönheitsfehler hat, dass in Galiläa mit Herodes Antipas ebenfalls ein Sohn Herodes I. herrscht.

Bei Lukas haben wir hingegen die Geschichte mit der Volkszählung, wegen der Josef und Maria angeblich nach Betlehem reisen müssen:
„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.“

Aus den res gestae des Augustus wissen wir, dass er mehrfach einen Zensus (lustrum) veranlasste, bei dem die wehrfähigen römischen Bürger und ihr Besitz erfasst wurden. Das ist nicht „alle Welt“ und mit Sicherheit nicht ein galiläischer Zimmermann Josef - der hatte nämlich kein römisches Bürgerrecht. Die ‚Volkszählung‘ war also doch etliche Nummern kleiner - nämlich ein Provinzialzensus. Genauer: die descriptio prima, also die unter Augustus in jeder neuen Provinz durchgeführte Ersterfassung zur Veranschlagung des Steueraufkommens. Eine descriptio prima Judäas wurde notwendig, nachdem Augustus im Jahre 6(!) n.Chr. König (Ethnarch) Archelaos abgesetzt und Judäa der Provinz Syrien zugeschlagen hatte. Verantwortlich für die Durchführung des Zensus war der Statthalter der betreffenden Provinz, Lukas nennt richtig den syrischen Statthalter Publius Sulpicius Quirinius (gräzisiert ‚Kyrenios‘).

Mit dem Provinzialzensus wurden die Wehrfähigen für die militärische Aushebung erfasst, außerdem für die Veranlagung zur Grund- und Kopfsteuer Angaben über Grundbesitz und sonstiges Eigentum erhoben. Nun war Josef jedoch aus Nazareth - mithin Untertan von Herodes Antipas, nicht römischer Provinziale. Der einzige denkbare Grund, warum ein Gäliläer sich freiwillig danach hätte drängen sollen, Rom Steuern zu zahlen, wäre Grundbesitz in Betlehem gewesen. Ohne entrichtete Grundsteuer wäre dieser Besitz eingezogen worden. Kopfsteuer kam jedoch grundsätzlich nicht in Betracht - ein Erscheinen der hochschwangeren Maria zur Eintragung in die Steuerlisten wäre (da keine Veranlagung zur Kopfsteuer) völlig überflüssig gewesen.

Von Grundbesitz (der dann wohl verpachtet gewesen sein musss, da ihn Josef offensichtlich nicht selbst bewirtschaftete) weiss Lukas darüber hinaus allerdings nichts - er nennt als Grund für die Reise lediglich „denn er war aus dem Haus und Geschlecht Davids“. Warum Josef dann mit seiner hochschwangeren Frau nicht bei seiner angeblichen betlehemitischen Verwandtschaft oder aber bei dem Pächter seines Grundbesitzes unterkommen konnte, verschweigt uns Lukas. Er schildert uns vielmehr ein offensichtlich materiell sehr armes Paar, bei dem man kaum nennenswerten Grundbesitz vermuten würde.

Jedenfalls sind wir mit dem Provinzialzensus im Jahr 6, eher 7 n.Chr… Wenn Lukas also an anderer Stelle davon spricht, die Geburt des Johannes (des ‚Täufers‘) sei „zu der Zeit des Herodes, des Königs von Judäa“ seinem Vater Zacharias verkündet worden, die Ankündigung von Jesu Geburt hingegen im 6. Schwangerschaftsmonat der Elisabeth (was heisst, dass Jesus nur wenig jünger als Johannes gewesen sein soll), so kann mit diesem ‚Herodes‘ bei Lukas (wenn ihm kein grober Schnitzer unterlaufen ist) allenfalls (Herodes) Archelaos gemeint sein - keinesfalls Herodes I., in dessen Regierungszeit Matthäus die Geburt Jesu datiert. Matthäus hingegen kann nicht Archelaos gemeint haben, da er Josef und seine Familie erst nach Herodes Tod aus Ägypten zurückkehren lässt - der (abgesetzte) Archelaos starb jedoch erst 18 n.Chr. (Herodes I. hingegen schon 4 v.Chr.) - da wäre Jesus dann schon mindestens 22 Jahre alt gewesen. Die Fluchtgeschichte widerspricht natürlich auch Lk. 2, 22 bis 24 (Praesentatio im Tempel 8 Tage nach der Geburt) und Lukas 2,41–52 (der 12-jährige Jesus im Tempel, jährliche Reise nach Jerusalem am Passahfest).

Zusammenfassend: nach Matthäus ist Jesus spätestens 4 v.Chr. geboren, nach Lukas frühestens 6 n.Chr… Die zehn Jahre dazwischen (insbesondere das Jahr 1) scheiden aus. Lukas’ Datierung hat den Vorteil, etwas plausibler zu sein, und passt auch einigermaßen zu den Angaben von Jesus Lebensende. Jesus soll mit etwa dreißig angefangen haben zu predigen (Lk 3,23) und laut Johannes bis zu seiner Hinrichtung etwas über zwei Jahre gewirkt haben (Joh. 2,13 sowie 6,4 und 11,55 - 3 Passahfeste) - also grob 32 Jahre alt geworden sein. Pontius Pilatus war Statthalter (praefectus) von 26 bis 36 n.Chr. - bei einer Geburt 6 n.Chr. und Hinrichtung im letzten Jahr der Statthalterschaft Pilatus’ klafft da eine Lücke von etwa 2 Jahren, die durch das „ungefähr 30 Jahre“ in Lk 3,23 erklärt werden kann. Dass Johannes der Täufer laut Lk. 3.1 im Jahr 29 n.Chr. angefangen hat zu predigen, passt auch dazu. Damit ist das Lukas’sche Zeitfenster für Jesus Lebensdaten von frühestens 6 v.Chr. bis spätestens 36 n.Chr. allerdings auch voll ausgeschöpft - und Jesus wurde nicht älter als 30 Jahre.

Matthäus’ Datierung ist in Verbindung mit den Angaben von Lukas und Johannes gleichermaßen ‚eng‘ - wenn Jesus zu dem bei Matthäus spätestmöglichen Zeitpunkt 4 v.Chr. geboren wurde, gleich zu Beginn des Wirkens von Johannes dem Täufer getauft wurde (also frühestens 29. n. Chr.) und unmittelbar darauf selbst zu lehren begann, dann ist er allerfrühestens 31 n.Chr. hingerichtet worden - also mit mindestens 35 Jahren. Immerhin - die Differenz zwischen Matthäus und Lukas ist beim Tod Jesu nur noch halb so groß wie bei der Geburt.

Was nun Monat und Tag der Geburt angeht, so geben die kanonischen Texte dazu überhaupt keine Angabe. Der 25.12. wurde ausgewählt, um damit in bewährter Weise einen heidnischen Festtag zu ‚besetzen‘ - den Geburtstag (dies natalis Invicti) des 274 von Aurelian zum Reichsgott (dominus imperii romani) erhobenen Sol Invictus. Für einen Sonnengott war der Termin naheliegend - im julianischen Kalender war dies der Tag der Wintersonnenwende. Da das julianische Kalenderjahr ein wenig zu lang ist (was die gregorianische Kalenderreform korrigierte) wanderte der Termin etwas nach vorne (heute 21. 12.), während der Festtag (da Jesus Geburtstag nun wiederum - vom ‚Stern‘ als Zeichen abgesehen - keinen Bezug zu astronomischen Vorgängen hat) auf dem 25.12. blieb. Erster überlieferter Nachweis für die Datierung des Weihnachtsfestes auf den 25.12. ist der 354 n.Chr. verfasste sog. Chronograph des Furius Dionysius Filocalus.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Ralf,

Bei der Bewertung der Angaben ist vor allem zu
berücksichtigen, dass die Geburtsgeschichten diverse
Prophezeiungen über den Messias zu erfüllen hatten. Die
wichtigste dabei war die, dass er aus dem Haus Davids stammen
(vgl. dazu die beiden einander widersprechenden Stammbäume bei
Lukas und Matthäus) und in Betlehem in Judäa (vgl. Micha 5,1)
geboren sein musste. Dummerweise wussten die Zeitgenossen Jesu
jedoch, dass er aus Nazareth in Galiläa stammte - und das ist
eine ziemliche Strecke weg.

Zu ergänzen nur dies: Diese Probleme gibt es nur bei Matthäus und Lukas. Markus und Johannes erwähnen weder „Bethlehem“ noch überhaupt eine Geburtslegende. Und daß Jesus eben aus Galiläa, und nicht aus Bethlehem stammte, ist bei Johannes explizit der Grund für die Feindseligkeit (bzw die Nichtanerkennung des Maschiach) der judäischen Obrigkeiten gegen ihn.

Ansonsten hast du ja alles (wieder einmal) trefflich und überblicklich zusammengefaßt.

Grüße
Metapher

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einzelne Kritikpunkte zur alles umhauenden Kritik
Hallo Tychi,

ist Deine Motivation ausschliesslich durch die scheinbare Möglichkeit gegeben, biblische Fakten als „sicher nicht“ und „felsenfest widerlegt“ darzustellen?
Wenn nicht, dann ergänze ich Dich gerne:

Matthäus und Lukas, die sich jedoch erheblich widersprechen

dieses Wörtchen löse doch bitte klar ein oder lass es weg, ebenso wie hier:

die einander widersprechenden Stammbäume

warum sagst Du nicht einfach „die unterschiedlichen“? Da man sie auf mehrere Weise auch so lesen kann, dass sie einander eben nicht widersprechen.

Matthäus hingegen erzählt, Josef und Maria seien in Betlehem ansässig gewesen.

Wo wie wann sagt er das bitte explizit?

Dieses angebliche Massaker ist natürlich nirgendwo historisch belegt

Nehmen wir wieder mal Wikipedia als Schiedsrichter.
Es schreibt:
>>Um 400 n. Chr. berichtet der römische Philosoph Ambrosius Theodosius Macrobius in seiner Schrift Saturnalia davon, dass Augustus, als er davon gehört hatte, dass Herodes, König der Juden, alle Jungen in Syrien unter dem Alter von zwei Jahren töten ließ und dabei auch sein eigener Sohn umgebracht worden sei, kundtat: „Bei Herodes ist es besser, sein Schwein (hyn) zu sein als sein Sohn (hyión).“ Macrobius war kein Christ, sondern neuplatonischer Heide. Sein Bericht über die Äußerung des Augustus stützte sich kaum auf Matthäus, darf also als eigenständiger Beleg gelten.

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Moin,

Du suchst also Widersprüche wie Ostereier. Es ist aber nicht
die Rede von Ostern, sondern von Weihnachten.

sagen wir mal so:
man muss sie nicht suchen, sie fallen einem beim (kritischen) Lesen wie Ostereier in den Schoß.

Gandalf

Dieses angebliche Massaker ist natürlich nirgendwo historisch belegt

Nehmen wir wieder mal Wikipedia als Schiedsrichter.
Es schreibt:
>>Um 400 n. Chr. berichtet der römische Philosoph Ambrosius
Theodosius Macrobius in seiner Schrift Saturnalia davon, dass
Augustus, als er davon gehört hatte, dass Herodes, König der
Juden, alle Jungen in Syrien unter dem Alter von zwei Jahren
töten ließ und dabei auch sein eigener Sohn umgebracht worden
sei, kundtat: „Bei Herodes ist es besser, sein Schwein (hyn)
zu sein als sein Sohn (hyión).“ Macrobius war kein Christ,
sondern neuplatonischer Heide. Sein Bericht über die Äußerung
des Augustus stützte sich kaum auf Matthäus, darf also als
eigenständiger Beleg gelten.

Themefremde Nachfrage
Hi,

fiel mmir eben beim Lesen Deiner ViKa auf.
Soll das dort wirklich „Kontrapun“ heißen?

Gandalf

Hallo.

Bei der Bewertung der Angaben ist vor allem zu
berücksichtigen, dass die Geburtsgeschichten diverse
Prophezeiungen über den Messias zu erfüllen hatten.

Ist dieses nicht ein Zirkelschluss, wenn eben erst christliche Auslegungen diese angeblichen Prophezeihungen auf den Messias dermassen beziehen?

Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die Geschichte durch solche „Prophezeihungen“ für Aussenstehende Glaubhafter gemacht werden sollte? Dieses betrifft ja nicht nur seine Geburt sondern auch viele spätere vorgebliche Belege, welche sich aber erst auf Auslegungen beziehen, welche im Beleg selbst gemacht wurden. Für Aussenstehende mag dieses schlüssig sein, aber jüdischerseits ist dieses nur ein Taschenspielertrick.

Gruss,
Eli

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Hallo Stefan Anders,

hier ein paar Einzelfakten (was Du daraus zusammenmixt, musst Du selber wissen):

  • die römische Zeitrechnung kann variieren, sodass also dasselbe Jahr 1 n. Chr. entweder 753 oder 754 ab Urbe Condita beginnt. Man nimmt an, dass Herodes im Jahr 750 (je nach Zählung 751) ab Urbe Condita gestorben sei, und zwar im Frühjahr (Paschafest); diese Annahme basiert indirekt auf den Daten der Mondfinsternisse jener Zeit. Um die Sache genauer zu untersuchen, würde ich hier ansetzen! (Wann waren genau die Mondfinsternisse? Wer nennt das Jahr 751 - oder 750? - ab Urbe Condita eigentlich das Jahr 4 v. Chr.? Ist es möglich, hier das Jahr Null wegzuzählen - also 3 v. Chr. - und dann sich zugunsten von „nach 751 Jahren“ statt „im Jahr 751“ ab Urbe Condita zu entscheiden und also nochmals ein anderes Jahr wegzuzählen? Sodass sich der Tod des Herodes um zwei Jahre verschöbe…)

  • Die Zeitrechnung des Dionysius Exiguus (= unsere gebräuchliche) rechnet damit, dass Christus ein Jahr alt gewesen sei, als die Zählung einsetzt, d. h. unter Umständen"2 v. Chr." geboren ist (sofern kein Jahr Null gerechnet wird) und dann immer noch die Geburt mit der Zeitrechnung übereinstimmt und das Jahr „1“ erst beginnt, als Christus schon 1 Jahr alt gewesen ist.
    Wir können bis heute Dionysius nicht irrtumsfrei einen Irrtum nachweisen, wenngleich ein solcher möglich ist. Einige nehmen übrigens an, er habe einmal ein Jahr zuviel und einmal eines zuwenig gezählt, sodass die beiden Irrtümer sich aufheben würden : ) die Frage ist, welche Parameter man stärker gewichtet.

  • Das römische Jahr beginnt Ende März, das christliche (Neue) läuft schon, während noch das vorherige römische Jahr gezählt wird.

  • die astronomische Zeitrechnung kennt ein Jahr 0, also ist dort 1 v. Chr. dasselbe Jahr wie bei der „sonst gebräuchlichen“ Zeitrechnung 2 v. Chr.

Dass (je nach Zählung) im 751. Jahr „ab Urbe Condita“ Herodes noch lebte, ist ebenso denkbar wie dass im 1. Jahr „vor Christi Geburt“ Christus bereits ein Jahr alt war, weil man mit der Zählung eben erst beginnt. Ob wir dann auch noch dem Dionysius seine zwei Jahre schenken wollen („Geburt 2 v. Chr.“), hängt davon ab, welche Ereignisse wir zeitlich wo einordnen wollen.
Als Rechengrundlage stehen zu Gebote: Matthäusevangelium (rechnet mit Zeitgenossenschaft v. Herodes und Jesus), Lukasevangelium (erzählt von Quirinius - ein Cyrenius ist nicht erst im Jahr 759 ab Urbe Condita, sondern schon einmal ca. 9 Jahre früher Statthalter in Syrien gewesen), die „Ostertafeln“ des Dionysius Exiguus, die jüdische Zeitrechnung und die römische Zeitrechnung - alles zur Beliebigkeit.

Mir hat’s bis heute keiner ganz unwiderleglich plausibel gemacht, darum hör’ ich jetzt hier mal zur Freude aller allfälligen Gegner auf…

Gruss,
Mike

Hallo Eli,

Bei der Bewertung der Angaben ist vor allem zu
berücksichtigen, dass die Geburtsgeschichten diverse
Prophezeiungen über den Messias zu erfüllen hatten.

Ist dieses nicht ein Zirkelschluss, wenn eben erst christliche
Auslegungen diese angeblichen Prophezeihungen auf den Messias
dermassen beziehen?

Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die Geschichte durch
solche „Prophezeihungen“ für Aussenstehende Glaubhafter
gemacht werden sollte?

da rennst du „offene Türen ein“ in Bezug auf das was Ralf hier rüber bringen wollte.
Er meint ja, daß genau dies erfolgte: die Anpassung der Erzählungen
in den Evangelien über die Geburt Jesu an die Verheißungen der Schriften des AT
über den kommenden Messias und zwar über die „Formalien“.
Hier gibt es in der Tat Widersprüche.
Matthäus wollte vor allem seinen jüdischen Adressaten die Sendung Jesu glaubwürdiger,
machen.Lukas hatte offensichtlich weniger Intentionen dazu. Er hat „berichtet“ was man
ihm vermittelt hat.
Markus und Johannes haben die „Verheißungen“ bezüglich der „historischen Daten
der Geburt“ Jesu überhauptnicht interessiert und genau genommen braucht es die
Christen auch nicht interessieren, da für diese die Glaubwürdigkeit der Botschaft Jesu
eine ander Basis hat, also nicht die Messiasverheißungen des AT !!
Aber wie das Leben nun mal so ist - die Nebensächlichkeiten, die spektakulären
Geschichten werden fokusiert, in den Vordergrund geschoben und beherrschen damit
auch einen Teil des Christentums.
Das ist nichts anderes als das was hier im Forum ständig geschieht. Da werden vor allem
von Gegnern (gut- viele „Gläubige“ machen dies auch) des Christentums irgenwelche
Texte aus der Schrift herausgepickt und den Christen gesagt, daß diese das (eigentlich)
so glauben müssen und das dies nicht nachvollziehbar, Quatsch ist usw. und deshalb
ihr „Glauben“ für die Katz.

Gruß VIKTOR

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Lieber Ralf,
herzlichen Dank zu deiner ausführlichen Antwort. Ich habe deinem Artikel einen Bewertungsstern gegeben und ich habe sehr viel gelernt.
Nochmals Danke!
Dir und deinen Lieben wünsche ich ein besinnliches Weihnachtsfest.
Stefan

Hallo VIKTOR.

Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die Geschichte durch
solche „Prophezeihungen“ für Aussenstehende Glaubhafter
gemacht werden sollte?

da rennst du „offene Türen ein“ in Bezug auf das was Ralf hier
rüber bringen wollte.
Er meint ja, daß genau dies erfolgte: die Anpassung der
Erzählungen
in den Evangelien über die Geburt Jesu an die Verheißungen der
Schriften des AT
über den kommenden Messias und zwar über die „Formalien“.
Hier gibt es in der Tat Widersprüche.
Matthäus wollte vor allem seinen jüdischen Adressaten die
Sendung Jesu glaubwürdiger,
machen.

Und genau dieser Idee habe ich widersprochen. Aus meiner Sicht ging es hier schon nicht mehr um jüdische Adressaten sondern oben Aussenstehende (eben ohne jüdische Sozialisation). Aus jüdischer Sicht wurden die Prophetien so nicht verstanden und hier wären damals ganz andere Ansatzpunkte notwendig gewesen.

Aber aus meiner Sicht war die Zeit wo versucht wurden, innerjüdisch zu missionieren beim Schreiben der Texte schon lange vorbei. Was eben auch sich anhand viele Fehler und Missverständnisse jüdischer Konzept zeigt. Ein Jude der damaligen Zeit hätte die Evangelien so nie geschrieben. Was nun kein Vorwurf oder Kritikpunkt ist, aber bezogen auf den Inhalt sollte man deshalb aufpassen, keine falschen Schlüsse zu ziehen.

Das ist ja auch immer wieder mein Punkt bei Auslegungen hier, welche aufgrund des NT meinen das Judentum verstanden zu haben. Das kann einfach nicht gelingen.

und genau
genommen braucht es die
Christen auch nicht interessieren, da für diese die
Glaubwürdigkeit der Botschaft Jesu
eine ander Basis hat, also nicht die Messiasverheißungen des
AT !!

Christen nicht, aber um „Ungläubige“ zu überzeugen vielleicht? Immerhin befinden sich die Missionare damals noch in einem Zeitalter in welchem Götter lebten und Prophetie nichts unbekanntes war.

Dem Rest über die Art der Diskussion hier kann ich nur zustimmen.

Gruss,
Eli

Hallo Mike,

ich gedenke nicht, mit jemandem über historische Fragen zu diskutieren, der darauf besteht, die Bibel nicht quellenkritisch, sondern mit gläubigen Augen lesen. Das wäre sinnlos. Auf ein „Argument“ von Dir möchte ich trotzdem eingehen.

ein Cyrenius ist nicht erst im Jahr 759 ab Urbe Condita, sondern schon einmal ca. 9 Jahre früher Statthalter in Syrien gewesen)

Das soll dann also 750 a.u.c. gewesen sein. Die sog. akephale tiburtinische Inschrift (ILS 918), die Grundlage solcher Spekulationen ist, lautet:

… proconsul Asiam provinciam opti[nuit legatus pro praetore] divi Augusti iterum Syriam et Pho[enicen optinuit] …

Da steht weder ein Name noch eine Datumsangabe. Da der Kopf des Gedenksteines fehlt (deswegen „akephal“), weiss man nicht, wer da zweimal ein proprätorisches Legat (nicht Prokonsulat!) in Syrien inne hatte. Dass dies Quirinius war, war eine Theorie Theodor Mommsens - die sich ausschließlich auf das Bestreben stützte, Matthäus’ Erwähnung von Herodes und Lukas’ Erwähnung von Quirinius als Prokonsul Syriens irgendwie zu synchronisieren. Jüngere Althistoriker schlugen deutlich plausiblere Kandidaten für die Inschrift vor: Edmund Groag Marcus Plautius Silvanus und Ronald Syme Lucius Calpurnius Piso (um nur die beiden zu nennen, deren wissenschaftlicher Ruhm Mommsen in keiner Hinsicht nachsteht). Die Diskussion ist heute noch nicht abgeschlossen und sicher erst nach Vorliegen neuer Funde ggf. zu klären. Mehr als eine Hypothese ist das, was Du da schreibst, nicht.

Selbst, wenn Mommsen recht hatte, bleibt immer noch die Frage, wann Quirinius ein solches zweites Legat innegehabt haben soll. Wie oder wann auch immer - einen Provinzialzensus in Judäa gab es definitiv nicht vor 6 n.Chr. - da wurde Judäa nach Absetzung des Archelaos eine Syrien unterstellte Prokuratur. Vorher war Judäa 37 - 4 v.Chr. unter dem rex socius Herodes ein Königreich, von 4 v.Chr. bis 6 n.Chr. eine Ethnarchie unter Archelaos. Da erhob Rom keine Steuern in Judäa (sondern Herodes bzw. Archelaos) und führte dort natürlich auch keinen Zensus durch.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Mike,

auch hier gehe ich nur auf Deinen Quellenhinweis als halbwegs ernst zu nehmendes Argument ein:

>>Um 400 n. Chr. berichtet der römische Philosoph Ambrosius
Theodosius Macrobius in seiner Schrift Saturnalia davon, dass
Augustus, als er davon gehört hatte, dass Herodes, König der
Juden, alle Jungen in Syrien unter dem Alter von zwei Jahren
töten ließ und dabei auch sein eigener Sohn umgebracht worden

usw. usf. Nichtsdestotrotz ist das kompletter Quatsch. Herodes hatte in Syrien nichts zu melden - das war Provinz des römischen Reiches. Natürlich konnte er dort keine Leute abmurksen lassen. Das hätte ihn seinen Thron gekostet.

Ansonsten sind wir durch zeitnahe Quellen (vor allem Flavius Josephus und Tacitus) sehr gut über die Politik und auch die Familienverhältnisse von Herodes unterrichtet. Insbesondere Josephus hatte als ehemaliges Mitglied der jüdischen Elite sehr detaillierte Kenntnisse - allerdings nicht von einem ‚bethlehemitischen Kindermord‘.

In der Tat ließ Herodes 4 v.Chr. - wenige Tage vor seinem eigenen Tod - seinen ältesten Sohn wegen Hochverrat hinrichten. Laut Josephus, weil sich herausgestellt hatte, dass er in eine Intrige gegen seine Halbbrüder Aristobulos und Alexandros (Söhne der Hasmonäerin Mariammne und aussichtsreichste Thronfolger) verwickelt war, die zu deren Hinrichtung im Jahr 7 v.Chr. führte. Natürlich war Antipatros da kein Kind unter 2 Jahren mehr, sondern bereits 41 Jahre alt.

Freundliche Grüße,
Ralf

4 Like

Hallo Tychi,

mehr als eine Hypothese ist das, was Du da schreibst, nicht

Du willst über den Geburtszeitpunkt Jesu referieren, versuchst dabei die biblischen Quellen entweder in ihrer Priorität gegenüber Drittquellen zurückzusetzen oder gegeneinander auszuspielen, ordnest Zeitrechnungen, deren jede einigermassen ungenau ist, einander zu - - - und wirfst der Gegenseite Hypothesen vor.

Ich nehme an, Dir ist trotz allem klar, dass sämtliche hier angestellten Überlegungen Hypothesen sind, ansonsten ist die Überschätzung (und nicht die Schätzung) astronomisch.

Bezüglich des Census nehme ich die von Dir hier ins Spiel gebrachte Variante vom „Grundbesitz“ auf, insofern als Nachkommen Davids als Besitzer in Bethlehem antraben mussten und zwar auch dann, wenn sie nur unter sehr vielen andern Miteigentümer an Grund und Boden waren.

Dass dann Joseph ein Unterkommen gefunden haben müsste, ist ein Kurzschluss, sofern die Stadt eben voller Leute war.

Aber Du drehst es halt gerne nach Deinem Glauben.

Meiner Ansicht nach müsste statt maximalistischer Bibelkritik einfach mal ergebnisoffen vorgegangen werden.

Gruss,
Mike

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Hallo Tychi,

es ist doch immerhin möglich, dass ein weiterer Sohn von Herodes gemeint ist,
hatten doch Könige auch zu dieser Zeit Dutzende von kleinen und grossen Kindern;
aber es kann ja nicht sein, was (Deiner Genialität nach) nicht sein darf.

Gruss,
Mike

Hallo Ralf,

kleines (für diese Rechnung unwesentliches) aber vielleicht interessantes Detail

Lk. 2, 22 bis 24 (Praesentatio im Tempel 8 Tage nach der
Geburt)

kein Besuch im Tempel „8 Tage nach der Geburt“!

Lk.2,22: „Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Mose um waren, brachten sie ihn nach Jerusalem,“

Die Tage der Reinigung werden im Gesetz des Mose mit 33 beziffert
Und sie soll daheim bleiben dreiunddreißig Tage im Blut ihrer Reinigung. Kein Heiliges soll sie anrühren und zum Heiligtum soll sie nicht kommen, bis die Tage ihrer Reinigung um sind.“ (3.Mose 12,4)

Gruss Harald

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