Hallo Harald,
diese Gründe sind recht respektabel. Ich antworte Dir darauf, weil sie in meinen Augen zu krass sind, in der Sache kann man aber vieles in Deine Richtung verstehen, sofern man es nicht verabsolutiert. Dieser Gefahr soll allerdings nach Möglichkeit begegnet werden.
Die Geburt irdischen Lebens und die Geburt himmlischen Lebens
Das kann ich in der Bibel nicht finden.
Jesus sagte: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so
kann er das Reich Gottes nicht sehen.“ (Joh.3,3)
Und Nikodemus war deutlich älter
Hier ist zuerst einmal eine grosse Eintracht zwischen uns festzustellen, nämlich dass wir diese Stelle als klar relevant für die Taufe verstehen. Sie ist also eine Geburt bzw. einer Geburt wenigstens vergleichbar. Ich kann meine Formulierung hier zurücknehmen bzw. präzisieren und etwa sagen
„Am Anfang himmlischen Lebens soll deutlich sein, dass es sich um eine Art Geburt handelt“. Dann wird klar, warum ich das als Grund für die Kindertaufe auffasse. Dass Nikodemus seinerseits erwachsen war, ist dabei zwar durchaus bedenkenswert, allerdings ist gerade er eine Figur, die als Säugling beschnitten wurde. Die Stelle könnte übrigens auch geeignet sein, unsere Achtung gegenüber dem Judentum zu stärken.
Auch Jesus wurde erst mit ca. 30 Jahren getauft
Das ist aber die Taufe des Johannes und wird vom NT grundsätzlich zur christlichen Taufe unterschieden. Immerhin sind sie verwandt, also ist es schon recht, den Zusammenhang zu erwähnen.
Die Eltern zeigen Gott ihre Dankbarkeit und Pflichtgefühl
Ihm gegenüber
Das lässt sich auch anders ausdrücken
Das stimmt, gewönne allerdings nur für unsere Auseinandersetzung eine Bedeutung, wenn es ein anderes Argument gegen die Kindertaufe voraussetzen würde (wie z. B. „nicht ausgebildeten Glauben“ des Kindes oder so etwas, wo man eben auch der Meinung sein kann, dass Kinder durch das Urvertrauen, welches sie besitzen, mehr Glauben haben oder wenigstens ebensoviel wie Erwachsene).
- Die Taufe ist ein Geschenk für das Kind,
Dafür gibt es auch keine Bibelstelle.
Gemeint ist: Man verpflichtet sich ihm gegenüber, es mit besonderer Aufmerksamkeit in dem zu erziehen, das man für wahr hält. Das ergibt den Begriff des Beschenkens (mit einem Versprechen bzw. mit Gemeinschaft), der so nicht dazustehen braucht.
Die Taufe ist eher ein „Vertrag mit Gott“, und Kinder sind nicht
vertragsfähig.
Was die bewusste Verpflichtung des Kindes im Sinne eines Versprechens angeht, ist als selbstverständlich anzunehmen, dass das Kind diese nachträglich zu leisten hat und ohne sie nicht restlos getauft ist. Diese „Vertragsverpflichtung“ besteht aber das ganze Leben über, also nicht nur die Einlösung des Versprechens, sondern auch das konsequente Aussagen des Versprechens dauert das ganze Leben über an, weil wir den Vertragspartner noch lange nicht endgültig kennen, sondern immer besser kennenlernen und immer wieder lernen sollen, zu ihm „ja“ zu sagen.
Darum ist es so, dass auch ein Getaufter und nicht nur ein
Täufling
nicht im Vollsinn
weiss, worauf er sich einlässt.
Das Kleinkind kann ja noch nicht „ja“ zu Gott sagen.
Wenn Gott die Liebe ist, ist das Urvertrauen ein „ja“ zu Gott. Dieses kommt zwar erst später ins Bewusstsein, betrifft aber das Wesen des Menschen und ist also nicht zu verachten.
Die Säuglingstaufe erinnert mich immer stark an die
Kinderhochzeiten. Die Partner werden einander versprochen und kennen
sich noch gar nicht
Natürlich gibt es diesen Aspekt, ich würde mich aber dann vielleicht immer noch denen anschliessen, die sagen „liebes Kind, ich musste eben den einen oder andern Weg für dich aussuchen“, denn das Nichttaufen ist ja auch ein Weg.
Zustimmung!
Aber da gibt es eben keine Altersbeschränkung
keine Altersbeschränkung nach oben und keine Altersbeschränkung nach unten
christliche Erziehung des Kindes gewährleistet
Die Praxis sieht aber anders aus
Der Christ soll 1. vor der eigenen Türe kehren, 2. die andern, wenn er es deutlich bemerkt, auf ihre Fehler aufmerksam machen, 3. ihnen helfen, auf die bessere Art zu leben bzw. ihren Glauben ernster zu nehmen; die Taufe eines Kindes fordert uns natürlich alle, sie stellt den moralischen Anspruch, und der fordert heraus und ist unbequem. Ob es aber verantwortungsvoll wäre, die Taufe deswegen wegzulassen, weil wir vielleicht dem Anspruch in der Praxis nicht genügen können, das müssen wir dann schon angesichts des Kindes entscheiden, dem wir die Taufe verweigern!
Schulung von Verantwortungsbewusstsein für das Kind, Einsatz der
Verantwortlichen für die Familienpastoral
diese Bürokratie nutzt dem Glaubensleben nicht
Das Verantwortungsbewusstsein für das Kind bei Eltern und in der Familienpastoral, also etwa bei Seelsorgern, ist keine Bürokratie.
Wenn das Kind das Verlangen hat, an der Erstkommunion teilzunehmen,
kann es sich ja in der Vorbereitungszeit taufen lassen
Das ist natürlich möglich, aber was hat es eigentlich, das es nicht schon als Säugling hatte, ausser dem Bewusstsein vornehmlich sprachlicher Natur? Den Willen, zu Gott „ja“ zu sagen, oder auch die Entscheidungsfähigkeit, zu Ihm „nein“ zu sagen, hat es höchstens in kleinem Masse weiterentwickelt und muss ihn das ganze Leben lang weiterentwickeln. Natürlich lässt Konstantin grüssen, der sich auf dem Sterbebett taufen liess, um nachher ja keine Sünde begehen zu können. Ich glaube aber, wir sollten auch unser ganzes irdisches Leben so gut wie möglich in die Nähe Gottes stellen, und zwar innerlich wie äusserlich und so früh als möglich, und die Menschen mitnehmen, für die wir die volle Verantwortung tragen (wie es nun einmal für ein Kind wenigstens eine Zeitlang der Fall ist). Die Taufe wird dabei von uns äusserlich vollzogen, das Kind selber muss sie innerlich vollziehen, aber wir geben ihm wenigstens so viel vom Guten, als wir können, weil wir es lieben und zugleich glauben, dass Gott die Liebe ist, also dass wir ihm mit der Taufe Liebe geben.
eine Mahnung an diejenigen, die schon getauft sind
Das geht auch ganz gut bei einer Erwachsenentaufe
Ja, allerdings ist bei der Kindertaufe mehr Deutlichkeit darauf, weil nämlich ganz augenfällig ist, dass die Umstehenden für den getauften Menschen Verantwortung übernehmen müssen.
Glaube wird durch Tradition ersetzt
Das sei ferne und ist natürlich eine echte Gefahr. Wenn ich sage „Letztendlich ist auch Glaube Tradition“, meine ich nicht, dass er „nur“ Tradition und nichts anderes sei, sondern dass er sich aus Traditionen heraus erklären lassen soll und selber weit mehr ist (darum schrieb ich nicht nur, Glaube sei Tradition, sondern auch „Leben“ sei „Glauben“).
Ein Oldtimer ist auch ein Auto
und kann mir sagen, wie ein Auto funktioniert.
Aber man fährt damit nicht täglich zur Arbeit
Das bestreite ich auch in Bezug auf die Tradition keineswegs.
sagt uns, dass wir etwas wert sind
nicht dem kleinen Täufling
Sobald er erstmals davon hört, was wir in der Kirche tun, und dabei vernimmt, dass er „auch dazugehört“, ja von Anfang an in diese Gemeinschaft mit hineingelassen wurde, erfährt er sich als mit einer Interpretation menschlicher Würde begabt, die ihm wohl nicht nur Interpretation von Würde, sondern auch ein bestimmter Grad von Würde sein und werden soll.
Die wichtigste Aufgabe der Eltern wäre es, diesen Glauben
den Kindern vorzuleben
Die wichtigste Aufgabe der Eltern wäre es nicht nur, sie ist es sogar. Nun ist es aber billig, dem Kind die Liebe zu verweigern, an die man glaubt, nur weil man fürchtet, ihr nicht zu genügen, selbst wenn dieses Genügen schwierig sein sollte.
Es gibt keine Aufforderung Jesu, kleine Kinder zu taufen
Die Taufe heisst nach meiner Auffassung „zu Jesus kommen“. Wenn Er will, dass wir die Kinder zu Ihm bringen lassen, will ich all das tun, was ich darunter mit meinem bescheidenen Verstand verstehen kann.
Und das bedarf einer persönlichen Entscheidung
ja, natürlich, sie ist oft zu fällen und manchmal auch ganz existentiell bis etwa zur Opferung des eigenen Lebens; sie spricht für eine intensive Taufpastoral auch und vor allem an Getauften, jedoch spricht sie nicht eindeutig gegen die Kindertaufe, weil wir ja auch einen Erwachsenen nur äusserlich taufen können und er den innerlichen Weg ebenfalls selber gehen muss genau wie das Kind ihn noch vor sich hat
Gott loben dürfen auch alle Ungetauften
und ich bin sogar der Auffassung, dass sie es in Teilen ihrer Seele/ihres „Unbewussten“/ihres Wesens die ganze Zeit über irgendwie tun.
persönliche Erfahrung
wird mit der Erneuerung des Taufversprechens bzw. mit all den Folgesakramenten und -sakramentalien immer wieder gewährleistet, wenigstens jedes Jahr an Ostern, im Prinzip (als kurzes Ritual) auch jeden Sonntag, das ist übrigens Bestandteil nicht nur der katholischen, sondern auch reformierter Liturgien, und dass das Versprechen an Gott
nur jeder selber
geben kann, liegt auch dann auf der Hand, wenn ein Kind hört, es „sei schon getauft“, weil es ja trotzdem weiss, dass es den guten Willen mit Bewusstsein (inkl. sprachlichem Bewusstsein) erst nachträglich entwickelt und nicht schon an der Mutterbrust in diesem Sinne hatte. Das Argument, dass das Kind sich bewusst für Gott entscheiden kann und können soll, ist doch nicht gleich dem Argument, dass es sich bewusst für die Taufe entscheiden kann und können soll. Natürlich ist eine Entscheidung für die Taufe auch eine Entscheidung für Gott und eine Entscheidung für Gott auch eine Entscheidung für die Taufe. Ich kann mich aber auch für diejenige Taufe entscheiden, die ich schon hatte!
Deine Gedankengänge sind im übrigen recht wertvoll und nicht alle einfach so widerlegt, besonders dieser letzte mit der „eigenen Entscheidung“. Es spricht aber immer wieder auch einiges für die Kindertaufe.
Gruss
Mike