Hallo Schorsch,
zum Kotzen, diese Gleichgueltigkeit. Ich habe letztens erst erlebt, dass ein Mann von der einfahrenden S-Bahn erfasst wurde am Bahnsteig und alle Leute in der S-Bahn und auf dem Bahnsteig nur gaffen. Ich war in ein Buch vertieft und glaubte zunaechst nur, dass die Tueren mal wieder temporaer klemmen, bis ich durch eindeutige Gespraechsfetzen auf die Situation aufmerksam wurde. Waehrend ich und ein zweiter vom THW dem Volltrunkenen in seinem Blut halfen, sprich Erstversorgung und meine Haende bereits blutig waren, war ein dabeistehender Polizei dabei, die Hersteller von Gummihandschuhen zu verfluchen, weil er schon seit Minuten dabei war, sich die Dinger anzuziehen. Nachdem alle vorbei war, Feuerwehr, Krankenwagen, Protokoll und etc…, trat ich noch einmal in die S-Bahn in Berlin und sah hinten dutzende Leute stehen, die mir zuriefen, dass sie nicht rauskaemen, der THW-Mensch und ich hatten unsere Tuer mittels Notgriff geoeffnet, mittlerweile waren aber 30 Minuten vergangen. Zu unfaehig, bequem und/oder gar faul zu helfen, aber 30 Minuten in der S-Bahn rumstehen und keinen Notgriff bedienen koennen, gestandene Maenner waren unter der Menschengruppe. Ich auf Zuruf: Die Notoeffnung!. Aber halfen tat es auch nichts, ich musste hingehen und ihnen die Tuer oeffnen. Vor (meiner) Tuer lag der Verletzte, da wollte sich niemand durchzuwaengen vorher. Ich dachte noch an die Situation, wenn es in der S-Bahn gebrannt haette. Wieviele Tueren waeren dann wohl per Nottueroeffnung geoeffnet worden. Die Gleichgueltigkeit und Hilflosigkeit selbst des Polizisten war zum k*****, welcher irgendwann tatsaechlich wenigstens noch auf die Idee kam, mich nach meinem Zustand zu fragen. Als die Feuerwehr erschien, stand ich anschliessend relativ teilnahmslos herum, nur um der Dinge zu harren, die noch erledigt werden muessen. „Achso, wie geht es Ihnen eigentlich?“ Ich trocken und sehr indirekt: „Ich bin Rettungsschwimmer“. Er: „Achso, dann ist ja alles gut.“
Die Angst, selbst involviert zu werden in eine Schlaegerei kann ich noch nachvollziehen. In Essen vor 6 Wochen sehe ich am spaeten Abend mit meinem Einkauf im Rucksack, wie ein schwarzer Mann querr vor mir ueber die Strasse rennt und zwei weisse Kerle mit Muetzen hinterher. Es sah fuer mich ganz klar nach einer Schlaegerei, wenn nicht gar nach einem rassistischen Uebergriff auf. Auf offener Strasse (Hauptstrasse!) noch stuerzen die beiden „Weissen“ den „Schwarzen“ zu Boden und auf ihn. Ich dachte in der vergangenen Sekunde nur, dass ich mich gleich selbst mittendrin befinde werde, denn ich konnte nicht anders, als mich einzumischen und sagte ruhig, auf die Gruppe nun direkt rasch zugehend im Abstand von 8 Metern: „Gaanz langsam!“ und wollte erst einmal die Reaktion abwarten. Mulmig war mir, wie werde ich den Rucksack am schnellsten vom meinem Ruecken los, was ist, wenn die Autos von der Ampel 150 Meter weiter beginnen anzufahren, was ist mit evtl. Waffen und etc… Dazu muss man allerdings sagen, dass ich eine jahrelange Kampfausbildung erfahren habe und zwar klassische Schule, kein Sport- oder Pruegelwettkampf, letztendlich musste ich also irgendwo einschreiten, fuer das vermeintliche Opfer und auch fuer mich. Die Reaktion auf meinen Zuruf war allerdings, dass beide „Weissen“, die ansonsten wirklich wild aussahen, in ihre Hosentaschen griffen und mir ihre Polizeiausweise entgegen hielten. Also konnte ich die Strasse absperren, bis bald die Kollegen kamen und war mehr als froh.
Es kommt schon darauf an, welchen Hintergrund man hat. Eine Rechtfertigung fuer das Maß der Gleichgueltigkeit in der Grossstadt und der Zeit der Individualisten allerdings kann es nicht sein.
viele gruesse, peter