Zufällig „musste“ ich heute diese Schlagzeile in der BILD mitbekommen: „Kanzler, in Berlin darf die PDS nicht an die Macht“.
Gut, wir kennen ja alle die Lügenmärchen von BILD und deren rechtes Gezetere, aber man möge sich eine solche Schlagzeile mal bei einer halbwegs seriösen Zeitung vorstellen. Von einer ebenso halbwegs gewahrten Journaistenneutralität ganz zu schweigen. Womöglich erwartet uns übernächsten Herbst: „Stoiber, das nächste Mal müssen Sie Kanzler werden!“
In ihrem „Artikel“ (http://www.bild.de/service/archiv/2001/jun/08/politi…) wettert die BILD weiter: „Politiker von CDU und SPD appellierten gestern bereits an SPD-Chef Gerhard Schröder: Kanzler, die PDS darf nicht die Hauptstadt regieren!“
Mich verwundert hier insbesondere die seltene, seltsame Einmütigkeit zwischen SPD und CDU, den beiden Protagonisten der Berliner grossen Koalition. Wie soll ich das verstehen: Einerseits diese Koalition beenden und Neuwahlen auf den Weg zu bringen, andererseits gleichzeitig Angst vor der PDS äussern? Und wer ist denn wieder einmal diese anonyme Masse, die die BILD so gerne benutzt (die „Politiker von CDU und SPD“, Herr F. aus K, ein Spitzenfunktionär, ein Vorstandsmitglied usw.), wenn sie ohne Informationshintergrund agitieren will?
Wie lässt BILD doch abschliessend den Sprecher des „einflussreichen SPD-Gewerkschaftsflügels ‚Seeheimer Kreis‘, Reinhold Robbe“, zu Wort kommen: „Eine Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin wäre fatal. Gebraucht wird jetzt keine Partei, die allen alles verspricht. Wenn das Wahlergebnis es zulässt, wäre eine Ampelkoalition mit Grünen und FDP sinnvoll.“
Unerwähnt bleibt bei BILD natürlich, dass der „Seeheimer Kreis“ ziemlich konservativ ist, und wenn es danach ginge, dass keine Partei gebraucht werde, die „allen alles verspricht“, dann dürfte die Bundes-SPD unter Schröder schon längst nicht mehr in Amt und Würden sein. (Und etliche Landes- und Städteregierungen ebenso nicht.)
Es ist schon erstaunlich, dass das Springer-Blatt zu jeder Zeit, wenn es die PDS erwähnt, gleichzeitig von der „SED-Nachfolgepartei“ spricht. Wie gerne würde ich es doch einmal in dieser Hinsicht erleben und lesen - wenn schon jederzeit über die Parteivergangenheit hergezogen werden muss -, dass sich die SPD in der Weimarer Republik unter Ebert mit Monarchisten und Militärs zusammentat, um blutig gegen ihre eigene Wählerschaft vorzugehen; dass CDU und F.D.P. nach dem 2. Weltkrieg Nazis schon beinahe mit offenen Armen in ihren Reihen aufnahm und sowieso dieses Land permanent um Steuern betrügt; dass gewisse Grüne der Terrorszene nahestanden und ein heutiger Minister die vom Volk ausgehende Gewalt allzu wörtlich nahm.
Aber Amnesie war hierzulande schon immer eine Volkskrankheit, weshalb als einzige „böse“ Partei die PDS herhalten muss, die aus einem noch „böseren“ Regime hervorging. Wenn schon, bitte schön, dann mit gleichen Ellen messen. Aber BILD war ja schon immer äusserst objektiv in solchen Angelegenheiten. Wie mag man sich dann erst deren Leserschaft vorstellen!?!
Marco