Hi Thea,
Dein Beitrag ist ja weniger Frage denn Kommentar; in diesem Sinne auch keine Antwort, sondern auch ein Kommentar …
ich bin erstaunt, wie viel hier von Gleichberechtigung,
Männer- und Frauenproblemen gesprochen wird. Aber entweder
wurde es bisher totgeschwiegen oder es traut sich einfach
niemand, das Thema mal anzuschneiden: Transsexualität.
Naja, das Brett hieß bisher ja „Frauen und Feminismus“, und historisch betrachtet hat das Thema „Transsexualität“ auch im „real-life“ Feminismus nicht wirklich stattgefunden, erst im „Post-Feminismus“ allmählich Bedeutung erlangt …
Wie verhaltet ihr euch gegenüber TS?
ich selbst verhalte mich TS gegenüber ungewohnt befangen, weshalb auch immer …
- Ich greife mal den Aspekt der Gleichberechtigung auf und
behaupte einfach, dass TS hier z.B. bei der Suche nach
einem Arbeitsplatz benachteiligt sind. Der Grund mag sein,
dass diese Personengruppe den „Funktionären“ nicht geheuer
vorkommt oder es werden irgendwelche Geisteskrankheiten (trotz
absolviertem Studium) unterstellt - natürlich nicht gesagt.
Möglich wäre auch, dass mit der Ausrede „das könnte Vertreter
anderer Firmen (oder Kunden) abschrecken/verstören/…“ eine
Einstellung verwehrt wird. Was denkt ihr zu diesen oder
ähnlichen Aspekten?
Ich denke dazu erstens, dass tatsächlich dieser seltsame Nexus angenommen wird zwischen dem Begehren, das Geschlecht zu wechseln und der Geisteskrankheit;
ähnlich wie bis vor einigen Jahrzehnten die Homosexualität, die Invertiertheit, geradezu zwanghaft einer psychodynamischen Erklärung bedurfte (wenn schon nicht mehr strafrechtlich relevant, so doch therapiebedürftig; ein Normaler macht das doch nicht, da muss doch was vorgefallen sein …), so trifft das für die TS noch heute zu, z.B. erhält die „Störung der Geschlechtsidentität“ eine eigene Nummer unter den „Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen“ im ICD (F 64).
Du selbst redest dieser Medico-Moral ja im Grunde auch das Wort, wenn Du betonst:
dass eine äußerliche Frau sich psychisch nicht als Frau fühlt
dass ein äußerlicher Mann sich psychisch nicht als Mann fühlt
Ansonsten denke ich zweitens, dass nicht umsonst einmal zaghaft die sexuelle (geschlechtliche) Revolution mit der ökonomischen Revolution verknüpft wurde, und dass in einem kapitalistischem System (das ja längst nicht nur Wirtschaftssystem ist) die „Funktionäre“ (ein sehr schöner Begriff übrigens!) die andere große moralische Instanz sind, die markiertes (auffälliges) Verhalten auslöschen können.
Ich möchte nicht an dieser Stelle zur Globalanalyse ansetzen, aber so sehr uns die historische Entwicklung des Kapitalismus mit der linken Hand von dem ganzen traditionalen und familialen Muff befreit hat, so sehr erzeugt er mit der rechten Hand ein hochrigides und hochrepressives System der Fleischtopf-Moral, der Verhaltenssteuerung im Namen der Marktgängigkeit.
Solange also der TS als „3. Geschlecht (von 2 Geschlechtern!)“, bzw. als "paradoxes Geschlecht, oder auch als „zwischen den Geschlechtern“ markiert ist, solange wird er unter pauschalem Krankheits- und Abschreckungsverdacht stehen.
- Was weiß die Öffentlichkeit eigentlich über
Transsexualität? Wie, wo und in welcher Form ist
Aufklärungsbedarf da? Sollte das ev. schon ein Thema in der
Schule sein (Stichwort Sexualkunde in der 10. Klasse)?
Meines Erachtens sind Empowerment-Strategien zur Durchsetzung der Rechte eines „3. Geschlechts“ recht wenig erfolgsversprechend, es bedürfte einer radikalen Destruktion des ganzen Systems der Geschlechterbinarität selbst, wovon wir aber in einer Zeit, in der ein militanter und mit einer gut gefüllten Kriegskasse von Forschungsgeldern ausgestatteter Biologismus auf dem Kreuzzug ist, recht weit entfernt sind.
Solange die „Sexualkunde in der 10. Klasse“ noch immer im Rahmen des Biologie-Unterrichts stattfindet, damit Sexualität an dieses lächerliche Fortpflanzungs-Schema und an den Primat der Genitalien bindet, solange leistet m.E. eine stärkere Thematisierung des TS nicht viel mehr als eine stärkere Markierung und Pathologisierung des TS.
Viele Grüße
Franz