Hallo Thomas,
In §211 StGB heißt es „Der Mörder wird mit
lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. Mörder ist, wer …“.
Glaubst Du allen ernstes, irgendeine Frau würde einer
Bestrafung nach §211 StGB nur deshalb entgehen, weil die
Strafdrohung nur für „den Mörder“, aber nicht auch „die
Mörderin“ ausgesprochen ist? Und da ließen sich noch endlos
weitere Beispiele finden.Nein, das glaube ich nicht. Das Beispiel zeigt aber doch nur,
dass Sprache und ihr Gebrauch nicht kongruent sind.
Diese Schlußfolgerung kann ich aus dem Beispiel nicht nachvollziehen. Die Bestimmung ist in jeder Hinsicht eindeutig.
[…] Im Privaten war das aber, nach meinen
zugegebenermaßen eingeschränkten Erfahrungen, nicht überall
angekommen: ich habe öfters in Familien ein derart
kleinbürgerlich-patriarchales Verhalten von Männern erlebt,
dass mir die Spucke wegblieb.
Beispiele dieser Art sind wahrscheinlich jedermann in irgendeiner Form geläufig. Ein bischen Sprachkosmetik wird an derlei Strukturen nichts ändern. Um in solchen Verhältnissen etwas zu bewegen, ist zunächst einmal ein (oder auch zwei) Generationenwechsel erforderlich.
Der praktische Nutzen geht nicht gegen Null, weil man (sic!)
sich die Thematik (Emanzipation) beim Gebrach des i.S. immer
bewusst macht, so dass sie nicht „im Alltagsgeschäft
untergeht.“
Um dies zu erreichen, müssen wir nicht die Sprache vergewaltigen. Dieser Zweck läßt sich auch mit anderen Mitteln - wahrscheinlich sogar besser - erreichen. Mit Aufklebern zum Beispiel. „Ein Herz für Kinder“ war in den 70er oder 80er Jahren ein großer Erfolg… Oder mit schönen, teuren Werbekampagnen à la „Du bist Deutschland“. Die Mehrheit der gegenwärtigen Gesellschaft ist ohne hin dem Bild eher zugänglich als dem geschriebenen oder gesprochenen Wort.
Aufblähen? Wenn Du mal einer männderdominierten Diskussion
gelauscht hast, dann weißt Du, dass es viel bessere
Ansatzpunkte gibt, um Deine kostbare Zeit zu sparen ("…wie
meine 25 Vorredner möchte ich betonen, dass…").
Verunstalten? Was ist an „ThyssenKrupp“ besser als an
„RednerInnen“? Oder an „Dortmunder OberflächenCentrum“?
Stellvertretend für die (leider) zahllose Flut von Beispielen sei §20 Abs. 6 des nordrhein-westfälischen Hochschulgesetzes zitiert:
„Die Prorektorinnen oder Prorektoren werden vom Senat auf Vorschlag der Rektorin oder des Rektors mit der Mehrheit der Stimmen des Gremiums aus dem Kreis der Professorinnen und Professoren innerhalb der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer für die Dauer von vier Jahren gewählt und von der Rektorin oder dem Rektor bestellt. Die Grundordnung kann eine andere Amtszeit von mindestens zwei Jahren vorsehen und bestimmen, dass eine Prorektorin oder ein Prorektor aus dem Kreis der Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren gewählt werden kann; gleiches gilt für die Gruppe der akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wenn die Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer über die Mehrheit der Stimmen im Rektorat verfügt; …“
Derart monströse sprachliche Totgeburten sind nicht nur phänomenal lächerlich, sondern obendrein in allerhöchstem Maße ärgerlich:
-
Die zusätzliche -innen-Form ist aus rechtlicher Sicht (und das ist bei Gesetzen die zuallererst maßgebliche Sicht) völlig funktionslos und schlicht überflüssig. Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass die Vorschrift auch ohne die -innen-Zusätze nicht dahin auszulegen wäre, dass weibliche Amtsträger von den beschriebenen Abstimmunsgvorgängen ausgeschlossen wären.
-
Obwohl die Vorschrift lediglich Banalitäten regelt, muß man sie sehr konzentriert lesen, weil die Satzstruktur unter all den überflüssigen Zusätzen völlig verschüttet wird. Recht ist auch ohne „integrativen Sprachgebrauch“ kompliziert genug. Wird auch noch bis zum Exzess „sprachlich integriert“, kann man die rechtsstaatliche Funktion von Gesetzen, dem Bürger (!) als Verhaltensanleitung zu dienen, auch gleich vergessen.
-
Es trägt zur sozialen Fortentwicklung der Gesellschaft nichts bei. Die Allgemeinheit liest nämlich nicht das nordrhein-westfälische Hochschulrahmengesetz.
Damit dürfte jede Debatte darüber, inwiefern „integrativer Sprachgebrauch“ Texte verunstaltet und aufbläht ein für allemal erledigt sein. Wenn derartiger Sprachgebrauch zu etwas führt, dann zu abgrundtiefer Verachtung für die darin zur Schau getragene sprachliche und rechtliche Inkompetenz und zu massiver Abneigung gegen derlei sinnentleerte Indoktrination und diejenigen, die sich dies zum Lebensinhalt gemacht haben.
Warum
wettert nur ein armseliges Häufchen gegen den
Deppenapostrophen? Warum muss ich mit den vielen unnötigen
Anglizismen in der deutschen Sprache leben? Warum ist hier der
Widerstand nicht so groß, warum wird das nicht in’s
Lächerliche gezogen? Diese „Ungleichbehandlung“ lässt für mich
auf andere als rein rationale Gründe schließen.
Durchaus nicht. Weder der Deppenapostroph - wenn man ihn denn überhaupt registriert - noch der ein oder andere Anglizismus macht sich bei der Arbeit mit Texten derart störend bemerkbar wie der „integrative Sprachgebrauch“ - vor allem dann, wenn man tagtäglich mit Texten der oben wiedergegebenen Art zu tun hat.
Akut und praktisch gesehen mag es dringenderes geben als den
integrativen Spachgebrauch. Als Anstoß und Methode zum
Umdenken ist er allerdings meiner Meinung nach unverzichtbar.
Nein. Siehe oben.