Hallo!
Auch wenn die Überschrift wohl eher ins L&L Brett passen würde, scheint mir das Thema hier doch besser aufgehoben zu sein.
Meine WG-Mitbewohnerin, nennen wir sie mal Doris, hat einen Verehrer. Sie hat ihn völlig zufällig auf der Straße kennengelernt, als sie nicht wusste, wie sie zu einem bestimmten Ort hinkommt, da die Bahn ausgefallen war. Anfangs rief er sie öfter an und schrieb SMS, in denen er lang und breit erklärte, wie super-supertoll sie sei. Er meinte aber, er wolle auf jeden Fall nur Freundschaft. Eine solche Beteuerung kam mir damals schon spanisch vor, weil von ihrer Seite nie die Rede von mehr war - warum fängt er also überhaupt damit an, sowas zu sagen? Merke: Er sagt genau das Gegenteil von dem, was er denkt.
Er bot Doris an, ihr für die Weihnachtsferien den Flug nach Hause zu bezahlen, damit sie die Ferien mit ihren Eltern verbringen kann. Sie wollte das nicht. Dann hat er angeblich ihre Telefonnummer verloren, weil sein Handy gestohlen wurde. Eines Tages erhielt Doris eine Email von der Sekretärin ihrer Fakultät, sie solle bitte ihr iPod abholen, das sie bei einem Vorstellungsgespräch an der Universität der Nachbarstadt vergessen habe. Dazu muss man sagen: Doris besitzt gar kein iPod! Sie hat ein bisschen überlegt und ist darauf gekommen, dass es wahrscheinlich ihr Verehrer, nennen wir ihn mal Paul, sei, der das iPod dort abgegeben habe, da er in der besagten Nachbarstadt arbeitet (er wohnt aber in unserer Stadt). Sie ist zur Sekretärin hingegangen und hat ihr erklärt, das iPod habe ihr nie gehört. Die Sekretärin wollte Doris die Tel.nr. des Herrn geben, aber Doris wollte nichts von ihm hören und bat die Sekretärin, das selbst mit ihm zu klären, das iPod wollte sie auf keinen Fall annehmen. Ein paar Tage später traf Doris Paul zufällig auf der Straße - er war gerade unterwegs zu ihrer Fakultät, um sein iPod wieder abzuholen. Er versuchte sie zu überreden, das iPod anzunehmen, aber sie stellte sich stur. Paul notierte sich ihre neue Nummer und wieder fingen die Anrufe und die SMS an. In einer seiner Messages schrieb er, er wolle keine Gegenleistung für das iPod (man erinnere sich: der Gute scheint genau das Gegenteil von dem zu sagen, was er denkt!), deshalb solle sie es doch bitte annehmen. Doris blieb stur. Irgendwann sagte er ihr bei einem Telefonat, sie solle keine Angst vor ihm haben. (?!!!)
Wie es kommen musste, folgte bald eine Liebeserklärung. Doris sagte Paul klipp und klar, dass da von ihrer Seite nichts sei. Er schrieb viele SMS und Emails, rief sie oft an und wollte sich wieder mit ihr treffen. Sie streute zwischendurch ein, sie habe jemanden in ihrem Heimatland, den sie liebe (was übrigens stimmt - nur wird diese Liebe nicht erwidert). Sie ließ sich dann auf ein erneutes Treffen ein, das vor ein paar Tagen stattfand. Sie kam fünf Minuten zu früh zum Treffpunkt, wartete 15 min und ging dann zur nahegelegenen Uni-Bibliothek, wo sie nach dem Treffen eh hinwollte. Dort angekommen, erhielt sie von Paul einen Anruf. Er fragte mit sanfter Stimme, wo sie denn sei, er warte doch auf sie. Sie antwortete, das könne zwar nicht sein, da SIE diejenige war, die auf ihn gewartet hatte, aber gut, sie werde in 5 min vorbeikommen. Das hat er anscheinend am Telefon nicht verstanden und sagte, nun ganz und gar nicht sanft, sie solle schnell zum Treffpunkt hingehen. Sie sagte ok und legte auf. 10 Sekunden später, Doris war gerade am Ausgang der Bibliothek angelangt, erneut ein Anruf: Sie solle sofort zum Treffpunkt gehen! Doris, die eigentlich immer supernett und freundlich ist, ist dann doch in Rage geraten, hat ihn am Telefon angeschrieen, gerade das habe sie doch vor und legte auf. (Die Leute in der Bibliothek guckten sie ganz komisch an. )
Am Treffpunkt angekommen, war Paul wieder sehr nett und gab zu, dass er erst vor kurzem gekommen sei (ja ja, Lügen haben kurze Beine). Er schlug vor, in eine Pizzeria zu gehen. Doris sagte zu, meinte aber, sie habe keinen Hunger. Na ja, was trinken könne sie ja dort trotzdem. Obwohl sie klar sagte, dass sie das nicht wolle, kaufte er auch für sie eine Pizza. Sie wollte diese nicht essen, worauf Paul zu ihr meinte: Doris, du musst die Pizza essen! Wieder mit einem bedrohlichen Unterton. Sie aß die Pizza natürlich nicht. Im Gespräch erzählte sie ihm wieder von ihrem Lover in der Heimat und dass er sie bald besuchen komme. Paul meinte später, Doris habe dabei so glücklich ausgesehen.
Am Abend desselben Tages rief er sie an. Er habe seinen Eltern gesagt, dass aus ihnen doch nichts wird, weil Doris ihren Freund aus der Heimat heiraten wird. Doris war perplex. Sie wusste nicht, dass sogar schon seine Eltern über sie bescheid wussten. Dabei hat sie ihm ständig wiederholt, dass sie überhaupt nicht an ihm interessiert sei!
Gestern dann kam aber eine Email von ihm, unter anderem mit dem Satz: „I want you to be mine, and you will be mine!“. Ehrlich gesagt, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, als sie mir das erzählte. Außerdem sagte er ihr, Gott habe sie zweimal zusammengeführt (beim allerersten Mal und als sie sich nach der verlorenen Telefonnummer wieder getroffen hatten), Gott solle ihnen helfen, stark zu bleiben (Doris glaubt, Paul sei Muslim, sie selbst ist christlich). Heute hat sie ihm mit einer langen Email geantwortet. Sie hat ihm erklärt, dass er ihre Gefühle nicht respektiere. Dass sie jemanden habe, der ihr sehr wichtig ist und der herkommen wird. Dass sie möchte, dass Gott jedem von ihnen einzeln helfe, seinen eigenen Weg zu gehen. Dass er sich nach einem anderen Mädchen umschauen soll. Dass sie nichts für ihn empfindet. Und dass sie ab jetzt den Kontakt zu ihm abbricht.
Ganz ehrlich, ich fühle mich in dieser Situation nicht wohl. Ich habe den Eindruck, Paul sei psychisch nicht normal und ich mache mir große Sorgen um Doris. Die Stadt, in der wir leben, ist nicht groß, sie werden sich mit ziemlicher Sicherheit wieder begegnen. Und ich bin mir sicher, dass er sie jetzt weiterhin anrufen sowie ihr schreiben wird.
Doris hat hier einen sehr guten Kumpel, der aus ihrem Heimatland stammt. Ich hatte die Idee, dass, falls Paul sie weiterhin mit Anrufen belästigt, dieser Kumpel mal den Hörer abnehmen und dem Paul mit ruhiger Stimme sagen könnte, Doris sei gerade nicht da und er solle bitte aufhören, sie zu belästigen. Was meint ihr dazu? Ist es sinnvoll? Was kann Doris noch tun, falls Paul sie nicht in Ruhe lässt? Wie gesagt, dieser Mann macht mir Angst.
Viele Grüße
Anja