Ich habe irgendwie den Eindruck, es funktioniert nicht.
Menschen die eine schlimme Kindheit hatten, sind irgendwie immer etwas gezeichnet als Erwachsener.
Ich würde sogar behaupten, ich erkenne nach einem Gespräch mit einem Erwachsenen wie seine Kindheit war.
Diese gezeichneten Menschen, haben oft diese Schwere, diese verborgene tiefe Traurigkeit, diese teilweise Leere. Als wenn sie auf der Suche nach etwas sind.
Und ganz oft zieht sich das Unglück durch das ganze Leben. Schlechte Beziehungserfahrungen werden wiederholt und auch sonst werden die selben Fehler gemacht, die auch die Eltern machten. Vielleicht etwas abgeschwächt.
Mir scheint es so, als wenn die Weichen irgendwie schon früh gestellt werden und dann kaum oder gar nicht mehr umgestellt werden können.
Seht ihr das auch so?
Ich habe meines Erachtens noch nie den gegenteiligen Fall gesehen.
(Sorry für die ganzen Fragen, bin zurzeit erkältet zuhause und mir fallen so viele ein) bin sowieso in einer Sinnfragephase.
Hallo Norma,
lies mal nach unter dem Thema „Resilienz“. Kurz gesagt die Fähigkeit, trotz widriger Umstände stabil zu bleiben.
Hierfür scheint nötig zu sein, dass zumindest eine Person im näheren Umfeld eine Stütze war, auch wenn alles andere schrecklich ist. Das kann auch eine Nachbarin sein.
Es gibt definitiv Menschen, die trotz schwerer Kindheit glücklich als Erwachsene sind.
Und dann gibt es die, die Schäden davon tragen, aber durch eine Psychotherapie gesund werden und dann ebenfalls glücklich werden können.
Ich kenne aus beiden Gruppen solche Menschen. Es geht tatsächlich.
Generell ist deine Beobachtung aber sicher richtig, dass Menschen mit schwieriger Kindheit es oft im Leben schwerer haben. Ein unausweichliches Schicksal ist das aber nicht.
Liebe Grüße!
Es geht mir gar nicht mal so ums stabil sein, es ist irgendwie diese Schwere die auf vielen lastet.
Ich muss mal weitere Beobachtungen anstellen. Ich finde es fehlt irgendwie vielen an richtiger Lebensfreude. Also jetzt nicht so krankhaft. Aber bei vielen kommt das immer durch, wenn man diese Personen näher kennenlernt und die Fassade zusammenbricht.
Ich habe noch nie jemanden erlebt der wirklich happy ist.
Einer der „nur happy“ ist, hat „einen an der Waffel“ oder steht ständig unter Drogen.
Selbst und gerade „total sorgenfreie Lebensumstände“ können einen jungen Erwachsenen schwermütig bis depressiv machen. Die Konfrontation mit Aufgaben und Problemen in der Kindheit macht es mindestens leichter, „erwachsen“ zu werden.
Dass sich ernsthafte und fröhliche Phasen abwechseln ist normal und gesund und lässt eher keine Rückschlüsse auf die Kndheit zu.
Oder wie ich es mal zu einer Arbeits-Vermittlerin für schwer vermittelbar Jugendliche sagte: „wie lange will man seine ‚schwere Kindheit‘ als Grund vorschieben, wenn man sich als Erwachsener wie ein A… Anus benimmt?!“
Wenn man sich fragt, ob eine unglückliche Kindheit ein Hemmnis für ein glückliches Erwachsenenleben ist, muss man die Gründe für die unglückliche Kindheit betrachten. Ja natürlich gibt es Konstellationen, die zu schweren Traumata führen, die sich als Behinderung bis ins hohe Alter durchschlagen. Aber der Mensch wird ja nicht nur in seiner Kindheit geschmiedet und ist danach unveränderbar. Ganz im Gegenteil, das Gehirn ist ein hochflexibles Organ - wenn man für sich selbst die Vergangenheit verarbeitet hat, kann man vielleicht unbelastet in die Zukunft starten. Zudem hängt das natürlich auch extrem davon ab, was man selbst als Glück definiert.
Praktisches Beispiel: einer meiner entfernt Verwandten ist ein paar Jahre vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges in Ostpreußen geboren. Zum Kriegsende wurden er und seine Mutter von Polen vertrieben. Sie mussten auf dem Landweg übersiedeln. Er kann sich en Detail an viele schreckliche Ereignisse erinnern. Im zerbombten Berlin anzukommen und hier zu überleben, gegen den Widerstand der hier schon länger lebenden, hat ihn schwer geprägt. Seine Kindheit wies also nicht viele glückliche Momente auf. Trotzdem hat er später studiert, den Beruf seiner Wahl ergriffen, eine Frau gefunden, mit der er mehr als 50 Jahre verheiratet ist, hat zwei wunderbare Töchter großgezogen und kann zufrieden und glücklich auf ein langes, erfülltes Leben zurück blicken, bei dem Krieg, Vertreibung und Wiederaufbau nur eine von vielen Passagen ist.
Es gibt auch verschiedene psychische Andersartigkeiten, die einem den Umgang mit Menschen schwer machen und die ganze Kindheit verhageln (mir fallen da erstes (weil sie hier im Forum immer mal wieder Thema sind) Zwangs- und Angterkrankungen, verschiedene Abstufungen von Autismus sowie Hochintelligenz ein). Wenn diese Störungen nicht erkannt und eingeordnet werden und sich die Umgebung nicht darauf einstellen kann, kann die Kindheit und Jugend zu einem reinen Spießrutenlauf werden, Das bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass man auch als Erwachsener nur wie ein Tropf durch die Gegend schleicht.
Das ist nicht zu bestreiten. Für Psychiater oder Psychotherapeut wäre das eine wünschenswerte Eigenschaft.
Man könnte auch formulieren, dass diese Menschen mehr erlebt haben und stärker geprägt sind. Das bedeutet aber im Umkehrschluss für mich nicht automatisch, dass diese Menschen auch im Erwachsenenalter ständig unglücklich sind.
Nein, dem kann ich so nicht unwidersprochen zustimmen. Der Mensch wird wohl bis zu seinem 20. Lebensjahr stark geprägt. Er ist aber danach nicht völlig unflexibel. Ich habe aber den Verdacht, dass die kognitiven Anlagen eine ganz erhebliche Rolle dabei spielen. Menschen mit hoher rationaler und sozialer Intelligenz werden eher in der Lage sein sich bewusst zu verändern als „tumbe“ Menschen, die nur über ihr Leid klagen, stets schimpfen und protestieren. Letztere Menschen könnten ihr „Schicksal“ als unveränderbar von außen aufgedrückt empfinden und erfüllen dann die von Dir dargestellten Theorien.
Sorry für die vielen Antworten. Ich habe gerade Urlaub und bin schon mein ganzes Leben auf der Suche nach dem Sinn von allen Dingen.
[quote=„gelöscht, post:1, topic:9435413“]
Mir scheint es so, als wenn die Weichen irgendwie schon früh gestellt werden und dann kaum oder gar nicht mehr umgestellt werden können.
Selbst wenn das in vielen Fällen so WÄRE, wäre es doch eine wenig produktive Lebenseinstellung. Kindheit schlecht gelaufen - wozu soll ich da noch selber versuchen, meine Leben befriedigend zu gestalten? Ich möchte dich vor solchen Glaubenssätzen warnen.
Ich habe meines Erachtens noch nie den gegenteiligen Fall gesehen.
Ich denke, dann fällst du einem Typischen Wahrnehmungsfehler zum Opfer: Du siehst unglückliche Menschen, schließt daraus auf ihre unglückliche Kindheit, und natürlich findest du in deren Kindheit (oder in dem, was sie dir erzählen) dann auch Unglück. In jeder Kindheit gibt es unglückliche Erlebnisse.
Umgekehrt ebenso: Du siehst zufriedene, glückliche Menschen, und glaubst, deren Kindheit müsse auch gut gewesen sein. Dann wirst du auch Hinweise darauf finden.
Nach meiner bescheidenen Erfahrung ist das Leben nie so einfach. Jeder Erwachsene hat die Möglichkeit, sein Leben zu gestalten - zumindest die meisten in unserem privilegierten Land. Natürlich gibt es Erschwernisse, aber immer auch Möglichkeiten, Hilfe zu finden.
Das ist mit Sicherheit richtig.
Wer durch eine krass mangelhafte Situation in der ganz frühen Kindheit bestimmte Dinge (gute Beziehungsmuster, ausreichendes Urvertrauen, adäquate Selbstregulation, ausreichende Ich- und Objekt-Identität, ausreichenden Selbstwert) nicht entwickeln konnte, kann das in der Regel nicht mehr „umstellen“, sondern bestenfalls mehr oder minder gelingend kompensieren oder wenigstens ein bisschen „nachreifen“, wenn er gute Lebensumstände bekommt.
Infancy is destiny - wenig Spielraum.
Ich spreche aber a) nur von den ersten Lebensjahren und b) nur von sehr ungünstigen Umständen. Eine Kindheit muss weder perfekt noch „gut“ sein, sondern nur „gut genug“.
Richtig, aber im Sinne der Threadfrage müsste man eine Ebene „tiefer“ ansetzen. Stell dir vor, der Verwandte wäre bei der Flucht nicht acht oder neun gewesen, sondern zwei oder drei Jahre, und hätte fliehen müssen mit einer Mutter, auf die er sich überhaupt nicht verlassen hätte können, und die seine Ängst und seine Traurigkeit dabei gar nicht verstehen, geschweige denn aufnehmen und bewältigen hätte können, weil sie ausschließlich mit sich selbst beschäftig gewesen wäre.
Ein alles entscheidender Unterschied.
Hallo,
was macht denn eine schwierige Kindheit aus?
Das Schwierigste ( neben körperlichem Missbrauch, seien es Schläge oder sexuelle Übergriffe) sind bestimmt der seelische Missbrauch.
Es ist ganz fürchterlich, als Kind nicht gesehen oder gehört zu werden.
Da gibt es so simple Sätze wie: " Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt ".
Das ist ein Machtspielchen. Warum kann man nicht akzeptieren, dass das Kind gewisse Speisen einfach eklig findet?
Nimmt man sich als Erwachsener nicht auch das Recht heraus?
Alternativ kann man anbieten, dass das Kind sich ein Brot selber macht, oder sich etwas Obst oder Gemüse macht.
Aber man wird nicht gehört und unmündig gemacht.
Ganz schlimm ist der Umstand, wenn ein Elternteil erkrankt und dem Kind wird ans Herz gelegt, denjenigen zu ersetzen!
Die labilen zerbrechen daran, finden möglicherweise ihr "Glück " in Drogen oder Medikamenten, die zähen besinnen sich auf sich. U.U. brechen sie auch mit der der Familie.
Mao
Ja, genau.
Oder völlig verzerrt gesehen werden, weil z.B. die überehrgeizigen Eltern unbedingt ein Wunderkind brauchen.
Mir kommen da immer die beiden Begriff des Psychoanalytikers Leon Wurmser in den Sinn: Seelenblindheit und Seelenmord.
Yepp.
Oder wenn Krankheit als Erziehungsmittel eingesetzt wird im Sinne von: „Mach das nicht, Mami regt sich sonst wieder so auf und bekommt wieder ihren Ausschlag / Papi hats doch eh schon am Herz“.
Richtig, es kommt unter diesen schwierigen Bedingungen (Krieg)wirklich dann noch mal auf die Mutter-Kind-Bindung an. Da stimme ich voll und ganz zu. Meine Mutter ist selbst schwer traumatisiert, mit so einer Mutter wäre es dann nochmals schwieriger.
Ich kann auch nicht ganz mitgehen, dass man mal eben alles verarbeitet und dann unbelastet weiterlebt. Das glaube ich einfach nicht.
Von außen betrachtet habe ich mir vieles erarbeitet bzw. hatte einmal alles, was auch unbelastete Erwachsene haben, aber irgendwie holt es einen doch immer und immer wieder ein und die Vergangenheit zerstört einem alles.
Also wieder Therapie machen…irgendwann ist man es sowas von Leid, aber es bleibt einem nichts anderes übrig. Wenn dann noch Therapeuten am anderen Ende sitzen, welche so gar keine Ahnung haben…gute Nacht.
Zumal man dann oftmals noch damit gestraft ist, dass die Eltern immernoch nicht funktionieren und man so wie in der Kindheit alleine da steht. Lg norma
Mir wurde auch oft gesagt, von Ärzten und was weiß ich, dass ich es immer etwas schwerer haben werde oder eben ein “paar Narben“ bleiben werden. Das entmutigt einen schon.
Aber es gibt auch sehr, gute Phasen. Es ist ja nicht alles schlimm. Bzw. nicht immer. Ein Glück.
Aber wenn es immer so weiter geht, ist es schon ein Kampf.
Nein, da hast du recht.
Aber es muss doch auch nie „alles gut“ und „alles möglich“ sein.
Hmm.
Geboren als Ersatz für das verstorbene Geschwister, von früh auf Gewalterfahrungen, mehrmonatiges Abgeschobenwerden (wenn auch sachlich-rational begründbar) mit 3 Jahren, Tod der Mutter mit 11 Jahren … das Etikett „Betroffener“ gefällt mir persönlich nicht, aber ich denke, dass es genug Menschen hier im Forum gibt, deren Kindheit kein Hort der Glückseligkeit war.