Paragraphen und Interpretation
Hallo paran,
„Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ ist die korrekte Bezeichnung und bezieht sich auf:
„(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“
Hier geht es also um die Erhaltung des öffentlichen Friedens.
In Österreich lautet der entsprechende Paragraph auf „Herabwürdigung religiöser Lehren“, aber der Inhalt ganz anders:
„Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.“
Also hoppla. Das öffnet Tür und Tor jede Lästerung gegen den eigenen Gott als Herabwürdigung und Spott zu interpretieren. Dabei sollte man bedenken…
Vor Gericht stehen sich überall sonst beschuldigter Täter rund Opfer gegenüber. Gibt es kein Opfer oder ist dieses nicht auffindbar, gibt es keinen Prozess.
In Bezug auf die Frage stehen sich bei einer Beleidigung also der Beleidiger und der Beleidigte gegenüber. Und, wie eben gesagt gilt auch hier: Wenn einer fehlt gibt es keinen Prozess. Im Fall der Gotteslästerung ist „Gott“ der Beleidigte ist und der ist, wie wir aus zahlreichen Diskussionen wissen, nicht greifbar.
Meines Wissens (und da lasse ich mich gern belehren, falls ich falsch liege), also meines Wissens nach hat sich nur einmal ein Gott überhaupt der menschlichen Gerichtsbarkeit ausgesetzt, das war etwa 30 n. Chr. Und das bestimmt nicht zum Zwecke eine Lästerung gegen ihn zu klagen.
Wie in allen Fällen, die der Frage nachgehen, warum sich Gott nicht zeigt, könnte man nun spekulieren warum ihn eine Lästerung nicht genug kratzt, dass er aktiv wird.
Und auf genau diesen Spekulationen aufbauend rechtfertigen viele Gläubige, die den Strafttatbestand Gotteslästerung befürworten, Eingriffe in die freie Meinungsäüßerung, das bis hin zu Theokratien führt, in denen es praktisch keine Meinungsfreiheit mehr gibt und jede aufgeklärte Diskussion über Glaubensthemen unmöglich wird.
Freundiche Grüße
fliegerbaer