Hier mal ein paar Bongardt-Aussagen:
„Bei der Beschneidung von Jungen […] halte ich es für völlig überzogen, von einer Verstümmelung zu reden.“
Eine bemerkenswerte Antwort auf die Frage, was der Interviewte von dem Urteil aus Köln hält, denn das Gericht spricht darin mit keiner Silbe von einer Verstümmelung.
„In dieser Frage und damit auch im Urteil müssen verschiedene Güter gegeneinander abgewogen werden: Auf der einen Seite steht das Wohl des jeweils betroffenen Kindes – ein hohes Gut, das man nicht einfach zur Seite schieben kann. […] Es muss also die Gesundheit des Kindes gegen das Recht, zu entscheiden, was man für ein gutes und richtiges Leben hält, abgewogen werden. Die Abwägung des Gerichts in dieser Frage ist sehr definitiv und eindeutig gefallen. Ich hätte mir mehr Differenzierung gewünscht.“
Erst belehrt der Ethik-Professor das Gericht über die rechtlichen Maßstäbe - nur auf die kommt es für ein Urteil an -, und dann beklagt er auch noch eine unzureichende Differenzierung, obwohl gerade das Gericht strenger differenziert als der Herr Professor. Der will nämlich lediglich die körperliche Unversehrtheit anerkennen, und erkennt weder das Selbstbestimmungsrecht noch die negative Religionsfreiheit des Kindes an.
„Es geht um Toleranz. Unsere Gesellschaft ist in all ihrer Unterschiedlichkeit auf ein hohes Maß an Toleranz ihrer Mitglieder angewiesen. In einem strikt philosophischen Sinne heißt Toleranz: Ich dulde etwas, was ich aus meiner eigenen Perspektive mit guten Gründen für falsch halte. Das heißt, auch Menschen, die den Ritus der Beschneidung für falsch oder rückständig halten, müssen sich fragen, ob ihre Gründe so schwerwiegend sind, dass sie es nicht dulden können, wenn andere Leute bei diesen Bräuchen bleiben. Niemand verlangt von jemandem, der Beschneidung nicht gut findet, seine Meinung zu ändern. Es geht nur um die Frage der Duldung.“
Die Frage ist ja immer, ob man auch die Intoleranz tolerieren muss. Dazu könnte man es ja zählen, wenn man dem Sohn die Entscheidung über die Beschneidung nicht selbst überlassen möchte. Ich sage nicht, dass dieses Argument durchfreifen muss, aber die arg verkürzte Darstellung bei dem Ethik-Professor fällt unangenehm auf, zumal wenn er selbst bemängelt, andere hätten sich bei der Abwägung nicht genügend Mühe gegeben.
„Das Selbstbestimmungsrecht von Religionen ist kein Wert an sich. Es ist auch kein Menschenrecht. Im Grundgesetz steht aber: Die Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht und religiöse Menschen haben das Recht, sich zu weltanschaulichen Gemeinschaften zusammenzutun und sich zu organisieren.“
Das steht so nicht im Grundgesetz. Insbesondere definiert das Grundgesetz Religionsfreiheit nicht als Menschenrecht. (Und weil der Professor solche Dinge nicht weiß, kann er die Sache juristisch nicht beurteilen.)
"Sie besagt zunächst einmal, dass in Deutschland das Feld der Fragen von Staat, Gesetz und Religion schon von unserer Verfassung her ein Feld der Abwägung und Aushandlungen ist. Wir haben weder einen Staat, in dem eine bestimmte Religion ihre Gesetze staatlich proklamiert, noch haben wir einen Staat, der Religionen ablehnt oder als irrelevant betrachtet. "
Auch falsch. Das deutsche Recht weist deutlich christliche Prägungen auf. Man denke nur an Tanzverbote an Karfreitag und an Kirchensteuern, die immerhin vom Finanzamt eingezogen werden.