Urteil zur Zahlung von Bereitschaft bei privater Pflege

Hallo,

heute in den Nachrichten gehört: private Pflegekräfte müssen nicht nur nach konkreter Leistung sondern auch für Bereitschaft entlohnt werden, alles per Mindestlohn.
Hatte in der Familie auch eine alte Dame, die so gepflegt wurde, gezahlt wurden pauschal 1800 Euro und es gab vertraglich vereinbarte Freizeiten. Da die Dame bis zu ihrem plötzlichen Tod recht gesund war, nur unter leichter Demenz litt, konnte die Pflegekraft die Freizeit i.d.R. wahrnehmen und nachts durchschlafen - aber grundsätzlich hätte sie natürlich im Notfall die Freizeit ausfallen lassen und nachts helfen müssen.
Bei 24 Std. Bereitschaft täglich, 7 Tage die Woche kommen ca. 7000 Euro zusammen, ohne Lohnnebenkosten - das kann sich doch kein alter Mensch leisten.
Was wird sich daraus ergeben? Müssen die bislang so gepflegten Alten jetzt alle ins Heim? Woher plötzlich soviele Heime und Pflegekräfte in diesen nehmen? Das ist doch ad hoc gar nicht möglich.
Und wie ist das für die alten Menschen, die dann aus ihrer Umgebung heraus müssen, alte Gewohnheiten und Freundschaften aufgeben etc. ?

Alternativ bleibt die Pflege dann an den Angehörigen hängen, die dafür womöglich einen sinnvollen Arbeitsplatz aufgeben müssen usw…

Natürlich müssen die Pflegekräfte vernünftig bezahlt werden, aber unter diesen Umständen werden die bisherigen „Pflegekräfte“, die ja meist keine derartige Ausbildung haben, allesamt arbeitslos.

Was denkt ihr dazu? Wie sehr ihr euer Alter oder das eurer Angehörigen unter diesen Bedingungen?

Gruß,
Paran

Hallo,

ich finde das Urteil nur konsequent. Habe früher auch in der Rufbereitschaft (nicht medizinisch) gearbeitet und da stellte sich die Frage überhaupt nicht, ob das bezahlt wird, Das war schlicht offensichtlich.

Bisher hat man halt arme Seelen gefunden, die sich für kleines Geld haben ausquetschen lassen. Da sehen jetzt wohl einige Leute ihre eigenen Pläne zerstört. Aber auch dieser Weg war langfristig aus meiner Sicht nicht praktikabel.

Ich sage das ungern, aber wir steuern mit der weiter steigenden Lebenserwartung in Kombination dem System der Erwerbsarbeit (in der Pflege und im Allgemeinen) auf eine unvermeidbare Wand zu.

Gruß,
Steve

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Hallo,

was meinst Du damit? Vor die Wand fahren hört sich für mich nicht nach einer guten Lösung an, oder verstehe ich dich falsch?

Gruß,
Paran

Die alten Leute haben nicht das Geld oder die Verwandtschaft um für die eigene Pflege zu sorgen. Eine Zeitlang kann der Staat diese Lücke mit Steuergeldern füllen. Der demographische Wandel macht das langfristig unmöglich.

Wenn ich eine gute Lösung hätte, würde ich damit durch die Talkshows der Republik ziehen. Aus meiner Sicht gibt es aber keine, außer das langfristig die Qualität der Pflege einfach abnehmen wird.

Gruß,
Steve

Hallo,
KEIN alter Mensch? Wir reden hier nicht von Einkommen, sondern von bissl Einkommen / Rente PLUS Vermögen. Plus Pflegeversicherung, die bei diesen Beträgen ihren Namen kaum verdient.
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Langfristig könnte der Staat mit Vermögensbildung helfen. Passende Gesetze formulieren, so dass fast jeder im Laufe des Lebens zu seinem schuldenfreien Häuschen kommt, statt wie heute den Erwerb immer mehr zu verteuern.
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Auch der demografische Wandel liesse sich mit Gesetzen angehen, das wird gar nicht versucht.
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Gruss Helmut

Hallo,
vor Jahren gab es mal in den Medien einen Vergleich, wenn ein Maurer aus seinem Nettolohn einen anderen Maurer korrekt bezahlen muesste (ohne Schwarzarbeit, ohne auslaendische Subunternehmer), dann reicht sein Nettolohn nicht fuer den Bruttolohn des Anderen. Es lag der Faktor 5 dazwischen. Er muss 5x so lange arbeiten wie er davon bezahlen kann.
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Damals war das noch nicht so schlimm wie heute. Gefuehlt sind es eher 6x geworden. Zustaendig fuer die Misere ist der Staat, der es aendern koennte, zum Positiven hin mit weniger Steuer-Umverteilung, weniger Sozialabgaben, weniger Staatsverbrauch, mehr Netto vom Brutto, um das mal trotz aktuellem Wahlkampf so zu sagen. Das wollen die Waehler jedoch nicht, sonst waere es laengst als starke Welle mit allen Parteien durchgefuehrt worden. Es waren sicher ueber 30 Jahre Zeit.
Gruss Helmut

Idee: Mehrere Pflegebedüftige einer Straße / eines Stadtteils legen zusammen und leisten sich mehrere Pflegekräfte, die normal für Schichtarbeit bezahlt werden.

Ähnlich einem Pflegeheim mit über die Nachbarschaft verteilten Wohnungen. Nur dass der Weg vom Schwesternzimmer zum Bewohner ein paar Minuten länger dauert.

Gibt es schon seit Jahrzehnten. Nennt sich „Altenwohnanlage“. Und das Urteil oben ging um einen Fall, der sich in genau so einer Wohnanlage abgespielt hat.

(Was genau haben die eigentlich an dem Begriff „Mindestlohn“ nicht verstanden?)

Bessere Idee: es beteiligen sich nicht nur die unteren Bevölkerungsschichten an den Sozialkosten, sondern auch die oberen Millionen. Warum genau bezahlt man auf Kapitalerträge nicht den Spitzensteuersatz, sondern nur 25%? Und selbstverständlich auch keine Sozialversicherung?

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Habe die Zeit und die Bereitschaft, alten Menschen ehrenamtlich zu helfen. Mit Singstunden im Heim habe ich das schon gemacht.

Als Gegenleistung muss kein Geld fließen, aber irgendwie eine Zeitgutschrift, die ich später, wenn ich selbst Hilfe brauche, einlösen kann.

Gespartes Geld wird bei Bedürftigkeit gepfändet und ist weg, ein Zeitkonto mit Guthaben wäre eine interessante Alternative.

Dafür müssen die Alten aber ihre bisherige Wohnung / Nachbarschaft / Umgebung aufgeben. Statt mietfrei im eigenen Haus oder günstig in ihrer Altbauwohnung werden sie allein schon fürs Wohnen abgezockt.

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Weil unsere ach so gelobte Demokratie dazu dient, den Reichen die Taschen zu füllen. Dir dürfte bekannt sein, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklafft.

Die „Sklaven“ wollen das doch so, wählen immer wieder die Parteien, die dieses System aufrecht erhalten.

Mit Illusionen hilft man den bedürftigen Menschen also nicht.

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Kommt auf die Geschwindigkeit an. --duckundweg–

Da liegen wohl zwei Mißverständnisse vor: zum einen ist der Vergleich Singstunde mit Pflegestunde schon sehr mutig. Körperlich, fachlich und von der Notwendigkeit und Verantwortung her. Zum anderen wird braucht man schon ein paar Leben, wenn man jahrelange Vollzeitpflege mit ein paar Singstunden pro Woche ansparen will. Vor allem, wenn man einen Faktor von ungefähr 10 zugrunde legt (also eine Pflegestunde entspricht zehn Singstunden, wobei das wohl noch ein sehr günstiger Tarif wäre).

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Dieses Urteil offenbart sehr schön das Dilemma, das wir in vielen Bereichen haben und sich bei der Pflege derzeit besonders deutlich offenbart: wir wollen fachlich hochwertige Leistung, eine faire Entlohnung aller Beteiligten und erschwingliche (wobei das ja Ermessenssache ist, aber ich denke, es ist klar, was ich meine) Preise. Natürlich sollen Pflegekräfte angemessen bezahlt werden und natürlich sollen sie ihre Bereitschaftszeiten in einem Maße bezahlt bekommen, wie das in anderen Bereichen auch der Fall und ganz selbstverständlich ist.

Nur ist das Ergebnis dann leider so, daß die Preise für die Pflege dann dramatisch steigen müssen und die Sätze der Pflegeversicherung noch deutlicher übersteigen werden als das bisher schon der Fall ist.

Das ganze System funktionierte bisher nur, weil ein großes Angebot an osteuropäischen Kräften bestand, die niedrige Stundenlöhne und eine zeitliche Ausbeutung akzeptierten (was natürlich auch Auswirkungen auf die Löhne und Arbeitszeiten für deutsche Fachkräfte hatte). Dieses Kartenhaus fällt nun in sich zusammen, was entweder bedeutet, daß die Versorgung schlechter wird oder die Preise massiv steigen - oder beides.

Natürlich kann man die Lücke durch Steuergelder schließen wollen, aber das ändert ja am Problem nichts. Dann fehlt dem Staat entweder für andere Leistungen Geld oder zur Finanzierung werden die Steuern erhöht - oder auch die Beiträge zur Pflegeversicherung. Letztlich wird es wohl auf eine Mischung aus allem hinauslaufen, weil es so weniger transparent ist und in viel kleineren Häppchen auf mehr Leute verteilt wird, so daß die Mehrbelastung weniger auffällt. Wenn dann deswegen eine Autobahn zehn Jahre später saniert wird, wird man das kaum mit der Situation in der Pflege in Verbindung bringen.

Gruß
C.

Kaum bringt man ein Beispiel, schon wird man festgenagelt.

Habe auch bei privat den Garten gemacht, weil der alte Herr das nicht mehr konnte, aber sich daran erfreute.

Die Diskussion, ob die eine oder andere Tätigkeit in Geld mehr wert sei, ist nicht hilfreich, wenn es um Zeitgutschriften geht. Ich gebe eine Stunde meines Lebens und hätte später gerne, dass mir ein anderer Mensch dafür eine Stunde widmet, dem wiederum diese Stunde gutgeschrieben wird.

Habe zu dieser Idee den Faden „ Was hälst du von Tauschringen?“ eröffnet.

Kurti

Ich habe das Prinzip schon verstanden, aber es ist lebensfremd zu glauben, daß einem der Zahnarzt eine Stunde die Zähne macht, nachdem man ihm eine Stunde den Garten geharkt hat. Das kann man privat gerne so handhaben, wenn man jemanden findet, der das mitmacht, aber so vom Grundsatz her sind die meisten Menschen aus Erwerbsgründen beruflich tätig und möchten dafür auch angemessen entlohnt werden, d.h. der Zahnarzt wird für eine Stunde Zähne machen eher fünf oder zehn Stunden Gartenarbeit in Rechnung stellen anstatt einer.

Pflege im engeren Sinne hat ja nicht eine rein körperliche Tätigkeit bzw. Anwesenheit zum Inhalt, sondern verlangt auch Ausbildung/Fachkenntnisse, Einfühlungsvermögen und vieles andere mehr. Natürlich kannst Du mit auch einer Pflegekraft ein solches Arrangement treffen, aber wir reden hier ja von gewerbsmäßiger mobiler oder stationärer Pflege und nicht von ein paar Einkäufen und Haushaltsdienstleistungen, die man sich vorher mit der ein oder anderen Steuererklärung oder Sprachkursen ansparen kann

Als wenn dieses schuldenfreie Häuschen nicht von klugen alt werdenden Eltern beizeiten den Kindern überschrieben würde.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es wirklich am Ende so kommt, dass viele Menschen 7000 Euro im Monat für die Pflege zuhause zahlen werden.
Es wird wieder mehr Schwarzarbeit in diesem Bereich geben.
Nicht wenige werden ins Heim gehen, weil sie sich das wirklich nicht mehr leisten können.

Ich habe das mit durch exerziert, Pflege zu Hause in den letzten Lebensmonaten.
Die Dame aus Polen, die das ganz prima gemacht hat, ohne es irgendwo gelernt zu haben hat ihre 2-3000 bekommen- ich weiss es nicht mehr genau- und war damit sehr sehr glücklich. Zumal das Geld in Polen dann ein bisschen mehr wert ist, hier hat sie ja keines ausgegeben.
Natürlich war sie theoretisch auch nachts da, hat aber in ihrem schönen Zimmer immer durch geschlafen, weil der Fall nie eintrat.
Ich hätte es absurd gefunden, die Schlafstunden zu bezahlen und 7000 Euro auf den Tisch zu legen.
Sie auch, da bin ich sicher.

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Hallo,

es geht meist nicht um Monate sondern um Jahre die gepflegt / geholfen wird. 7000 / Monat macht in 10 Jahren ca. 800.000 Euro - das Standarthäuschen reicht dann wohl nur für 2, bestenfalls 3 Jahre. Und dann?

Mich irritiert vor allem der volle Stundensatz bei der Bereitschaft in der Privatpflege. Eine selbständige Hebamme bekommt z.B. für 3 Wochen Bereitschaft für eine anstehende Geburt einige hundert Euro Vergütung, nicht 3 X 7 Tage x 24 Stunden zum Stundensatz von XX Euro. Sie kann auch nicht für z.B. 20 anstehende Geburten gleichzeitig bereit stehen, da sie dann ev. an zwei oder drei Orten gleichzeitig sein müsste. Der Lohn für die Bereitschaft bezieht sich hier also wohl nur auf die Unannehmlichkeiten, die die Bereitschaft mit sich bringt (keine Reisen, kein Alkohol, Handy neben dem Bett usw.)

Natürlich gibt es enorme Unterschiede im Bedarf der Pflegebereitschaft, aber darauf kann man doch eingehen, statt pauschal in allen Fällen für 24 Stunden den Mindestlohn zu fordern.

Gruß,
Paran

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Hallo,
bisher bekommt eine Pflegekraft auch weniger.
Wir werden sehen, wie weit das „Pflegeurteil“ auf Hebammen uebertragen wird.
Die Logik, bisher war es woanders schlecht, deshalb muss es hier auch schlecht bleiben, koennte keinen Bestand haben.

Das heißt, dass das Urteil für viele Osteuropäische Pflegekräfte ein echtes Problem wird. Sie waren mehr oder weniger mit dem Entgelt zufrieden und konnten vielleicht sogar ihre Familie zu Hause unterstützen. Pflege ist so vielfältig, jeder Fall ist anders. Hier sollte die Vertragsfreiheit zwischen den beteiligten Parteien im Vordergrund stehen. Der Staat kann eben nicht alles regeln. Eine Pflegekraft die sich ausgenutzt fühlt, muss sich eine andere Position suchen. Das geht dann, wenn Pflegekräfte gesucht sind und sie werden auch in Zukunft gesucht sein.
Udo Becker

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