Daddelnde Jungs
Moin Branden,
Unser Eindruck ist, dass die Jungen unerhört ablenkbar und
wahrscheinlich auch massiv triebgesteuert sind und sich selbst
in der Oberstufe im Wege stehen. Ich rede jetzt natürlich von
intelligenten Kindern, die eigentlich spielend das Abitur
machen könnten.
Die Jungen finden es außerdem offenbar „cool“, nichts mündlich
zum Unterricht beizutragen, sich nicht auf Klassenarbeiten
vorzubereiten usw. Sie wollen keine „Streber“ sein.
Aus Gesprächen mit Leuten die Jungs im betreffenden Alter haben, kann ich ebenfalls bestätigen, dass weniger die Schule, bzw. die dort vermittelten Lerninhalte „Schuld“ am Versagen vieler Jungs in der Oberstufe sind (denn diese Lerninhalte haben sich in den letzten 20 Jahren wohl nicht so wesentlich verändert), sondern tatsächlich die Einstellung der heutigen Jungs zum Lernen.
Ein Vater, der ebenfalls sowohl Jungs, als auch Mädchen hat, drückte es mal so aus:
Jungs sitzen nach der Schule zu Hause und retten in irgend welchen Computerspielen dreimal die Welt oder hübsche virtuelle Mädchen. Das ist natürlich viel cooler als Vokabeln lernen.
Mädchen sind zudem sozial viel besser vernetzt. Sie bilden eher Arbeisgruppen und unterstützen sich gegenseitig beim Lernen. Eine Party, wo jeder seinen Computer mitbringt und dann alle nebeneinander an ihren Computern relativ isoliert vor sich hin daddeln wäre bei Mädchen undenkbar, bei Jungs gibt es sowas offenbar.
Das Ergebnis ist, dass die Leistungen von Jungen nicht nur in der Schule schlechter werden, sondern dass Jungs generell stärker gefährdet sind, den Sinn für die Realität zu verlieren und in irgend welche Scheinwelten abzugleiten, in denen sie die Superhelden sind. Und sie dann mit so banalen Fragen wie „welchen Beruf will ich mal ergreifen“ einfach nicht mehr zurecht kommen. Man kann im „Spiel des Lebens“ nunmal nicht einfach wegklicken, wenns einem zu anstrengend wird, oder ein anderes Spiel einlegen, das einem besser gefällt.
Was die Schule dabei machen kann, weiß ich auch nicht, ich kann nur vermuten. Zum Beispiel kann ich mir durchaus vorstellen, dass die Verrohung bereits an den Grundschulen, der Mangel an Disziplin und das eben „typische männliche“ Mackerverhalten (der körperlich Stärkere setzt sich durch) mit ein Grund dafür ist, welche Art Verhalten von den Kids als „vorbildlich“ angesehen und gepflegt wird, auch wenn dies letztendlich zu schlechten Noten führt.
Dass sich niemand dieses Problems annimmt, ist übrigens ein Irrtum. In einem Gespräch mit einem Kinder- und Jugendpsychologen erfuhr ich, dass es sehr schwer sei, die Jungs überhaupt zu erreichen. Sebst Freizeitangeobte, die durchaus auf Jungs zugeschnitten würden, werden immer seltener wahrgenommen (wer geht denn schon in einen Sportverein, wie uncool). Statt dessen sitzen die Jungs an ihren Daddelkisten zu Hause. Warum sich im Sportverein schinden, wenn man im Computerspiel täglich „Sieger“ sein kann.
Ich mag aber auch nicht den Eltern die Schuld geben, weil ich weiß, wie Eltern teilweise selbst unter diesen Zuständen leiden und hilflos mit anschauen müssen, wie ihre Sprösslinge von den Schulen fliegen etc.
Vielleicht rächt sich hier, dass es nie eine von Männern betriebene „Männerarbeit“ und „Jungsarbeit“ gegeben hat. Männer waren offenbar immer der Meinung, sie kommen schon durch und brauchen all das nicht. Und auch jetzt sehe ich zwar viel Energie von Männern, sich über die angebliich benachteiligenden Verhältnisse zu beschweren, aber kaum Männer, die bereit wären, in ihrer Freizeit z.B. „Jungsarbeit“ zu leisten oder gar Erzieher in einem Kindergarten zu werden.
Frauen können den Männern diese Arbeit aber nicht abnehmen. Jungs brauchen Männer um ihre Vorbilder und Rollen zu finden. Statt aber das Engagement der wenigen Männer in diesen Bereichen zu unterstüzen, werden Männer, die „Jungsarbeit“ machen, „Männergruppen“ gründen oder Erzieher im Kindergarten werden, von ihren Geschlechhtsgenossen eher noch veralbert oder lächerlich gemacht.
Insofern möchte ich ausdrücklich jedes Engagement von Männer unterstützen, die sich bemühen, Jungs Werte zu vermitteln, die sie dazu befähigen, in unserem Schulsystem wieder leistungsfähiger zu werden. Zusätzlich zu Symposien mit dem Thema „Wie kann ich Mädchen mehr für Technik interessieren“, kann es ja durchaus welche geben z.B. mit dem Thema „Wie kann ich Jungs wieder mehr dafür interessieren, Vokalbeln zu lernen und Hausaufgaben zu machen“.
Gruß
Marion