Erst eine Kriterienliste erstellen
Hi FraLang.
Niemand will sich damit den Mund verbrennen, aber
Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede existieren trotzdem. Das
wird wohl niemand abstreiten.
Du hast, wie vor allem ThomasM herausstellt, das Pferd von hinten aufgezäumt. Vor der Prozentualisierung sollte also erst die Aufstellung von Kriterien erfolgen. Diese Kriterien könnte z.B. als möglichst umfangreiche Liste von „Theologemen“ erscheinen. Unter „Theologem“ verstehe ich eine Aussage von Religionen zu wichtigen Einzelfragen wie z.B. „Gibt es ein höchstes Wesen (Gott)?“, „Ist die Menschenseele unsterblich?“, „Gibt es überhaupt eine Seele?“, „Gibt es einen Erlöser?“, „Was bedeutet Erlösung?“, „Gibt es einen oder mehrere Götter?“, „Welchen Anteil hat der Mensch an seiner Erlösung?“, „Gibt es eine Hölle?“ (wenn ja: ewig oder temporär?), „Gibt es Prädestination?“, „Gibt es Engelwesen?“ usw. usf.
An diese Fragen bzw. die entsprechenden Antworten wären neue Fragen zu knüpfen, z.B. „Ja, es gibt ein höchstes Wesen“ - „Wie ist sein Verhältnis zur Welt / zu den Menschen?“
Allein dieses Thema ist nahezu unerschöpflich, da die diversen Positionen innerhalb der einzelnen Religionen z.T. erhebliche Unterschiede aufweisen. Welche dieser Positionen würdest du in die Rechnung aufnehmen, welche nicht? Würdest du dem Katholizismus oder dem Islam als Gesamtpaket den Glauben an die göttliche Prädestination zusprechen oder nicht? Es gibt Quellentextstellen, welche die Vorsehung aller Ereignisse behaupten. Andere widersprechen dem.
Als kleine Andeutung von der Komplexität allein der Gottesfrage zitiere ich hier aus Wiki-„Gott“, Abschnitt 3.6.3.:
_Klassifikation von Hartshorne und Reese
Charles Hartshorne und William Reese schlugen eine Klassifikation von Vorstellungen des „Höchsten“ nach metaphysischen Attributen vor. Sie identifizierten folgende fünf grundsätzliche Eigenschaften, die in verschiedenen Vorstellungen auftreten:
U In mancher (oder, falls V fehlt, in jeder) Hinsicht unveränderlich, sei es durch Geburt, Tod, Zu- oder Abnahme
V In mancher (oder, falls U fehlt, in jeder) Hinsicht veränderlich, zumindest in Form einer gewissen Zunahme
B (Sich selbst) bewusst
A Die Welt (vollständig) kennend
E Die gesamte Welt als Bestandteil einschließend
Aus der Kombination dieser Eigenschaften ergibt sich nach Hartshorne und Reese folgende Einteilung:
Eigenschaften Beschreibung Weltanschauung Bekannte Vertreter
UVBAE Das Höchste als ewig-zeitliches Bewusstsein, die Welt kennend und einschließend. Panentheismus Platon, Jiva Goswami, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Gustav Theodor Fechner, Alfred North Whitehead, Muhammad Iqbal, S. Radhakrishnan
UB Das Höchste als ewiges Bewusstsein, das die Welt nicht völlig kennt oder einschließt. Aristotelischer Theismus Aristoteles
UBA Das Höchste als ewiges Bewusstsein, allwissend in Bezug auf die Welt, diese aber nicht einschließend. Klassischer Theismus Philon von Alexandria, Augustinus von Hippo, Anselm von Canterbury, al-Ghazali, Thomas von Aquin, Gottfried Wilhelm Leibniz
U Das Höchste als ewig, über Bewusstsein und Wissen stehend. Emanationismus Plotin
UBAE Das Höchste als ewiges Bewusstsein, die Welt kennend und einschließend. Klassischer Pantheismus Shankara, Baruch Spinoza, Josiah Royce
UVBA Das Höchste als ewig-zeitliches Bewusstsein, allwissend, aber die Welt nicht einschließend. „Temporalistischer Theismus“ Fausto Sozzini, Jules Lequier
UVBW(E) Das Höchste als ewig-zeitliches Bewusstsein, teilweise von der Welt getrennt. Eingeschränkter Panentheismus William James, Christian von Ehrenfels, Edgar Sheffield Brightman
V(B)(A) Das Höchste als völlig zeitliches oder emergentes Bewusstsein. – Samuel Alexander, Edward Scribner Ames, Raymond Bernard Cattell
V Das Höchste als zeitlich und unbewusst. – Henry Nelson Wieman_
Chan