Vergleich Strahlung A-Bombe / Reaktorunfall

Liebe Experten

ich hoffe, hier im richtigen Forum für meine Frage zu sein.

Wie weit gleichen sich Verstrahlung durch Atom-/Wasserstoffbomben und den Unfällen von Tschernobyl und Japan?

Ich denke, dass ein grosser Unterschied in der Primärstrahlung liegt. Auch könnten Unterschiede in den radioaktiven Stoffen sein, was zu unterschiedlichen Halbwertzeiten und so zu unterschiedlichen Abnehmenskurven führt.

Hinter meiner Frage ist meine Neugierde, ob und welche konkreten Erfahrungen zur längerfristigen Auswirkung auf die Biosphäre vorhanden sind.

Besten Dank für Eure Antworten.

Urs Peter Hinnen

Hallo,

Ich denke, dass ein grosser Unterschied in der Primärstrahlung liegt.

Was verstehst du denn als Primärstrahlung? Ich vermute, du meinst die Strahlung die durch die Atombombe bei der Explosion entsteht? Die ist je nach Design der Bombe unterschiedlich, aber besteht u.a. aus Gamma-, Röntgen- und anderer thermisches Strahlung, die zum einen beim Zerfall des Spaltmaterials frei wird (v.a. Gammastrahlung) aber auch von den bei der Explosion extrem erhitzten Stoffen abgegeben wird (v.a. Röntgenstrahlung). Daneben entsteht eine starke Strahlung durch schnelle Neutronen, die ebenfalls beim Spaltprozess frei werden, aber keine so weite Reichweite hat. Im wesentlichen ist die Strahlung bei der Explosion also elektromagnetische Strahlung im Gamma- und Röntgenbereich.

Diese Strahlung ist das, was die Zerstörung bewirkt. Sie ist aber nur in der direkten Umgebung der Bombe relevant.

Auch könnten Unterschiede in den radioaktiven Stoffen
sein, was zu unterschiedlichen Halbwertzeiten und so zu
unterschiedlichen Abnehmenskurven führt.

Hier kommt es noch stärker auf das Bombendesign an. Eine herkömmliche Atom-Bombe die v.a. Uran spaltet, erzeugt im wesentlichen das gleiche Zeug, was auch in Kernreaktoren entsteht. Wasserstoffbomben dagegen produzieren zu einem Großteil andere Isotope mit tendenziell geringer Halbwertszeit.

Hinter meiner Frage ist meine Neugierde, ob und welche
konkreten Erfahrungen zur längerfristigen Auswirkung auf die
Biosphäre vorhanden sind.

Naja, natürlich gibt es konkrete Erfahrungen dazu, z.B. aus den oberirdischen Kernwaffentests. Global gesehen sind die Auswirkungen der Tests eher minimal gewesen. Die Strahlenbelastung weltweit stieg dadurch nur unbedeutend. Die direkte Umgebung der Explosionsorte ist aber natürlich sehr deutlich radioaktiv kontaminiert. Deshalb hat man die Tests ja normal auch irgendwo in der Wüste oder auf abgelegenen Inseln gemacht.

vg,
d.

Die weltweite Radioaktivität stieg nur unbedeutend ?
Heute vielleicht, aber in den 60er Jahren war die Durchschnittsdosis
höher als 1986, um eine mehrfaches sogar …

Gruss

1 Like

Die weltweite Radioaktivität stieg nur unbedeutend ?
Heute vielleicht, aber in den 60er Jahren war die
Durchschnittsdosis
höher als 1986, um eine mehrfaches sogar …

Unbedeutend waren die Kernwaffentests auf keinen Fall. Selbst hier in Europa waren die Strahlenbelastungen höher als durch Tschernobyl:

http://www.kernfragen.de/kernfragen/documentpool/ik_… [Abb.9]

Die lokalen Belastungen können allerdings deutlich abweichen. Die Ostsee hat 1986 ordentlich was abbekommen:

http://www.bmelv-forschung.de/fileadmin/dam_uploads/… [Abb. 4]

Daran haben wir noch heute unsere Freude.

Die weltweite Radioaktivität stieg nur unbedeutend ?
Heute vielleicht, aber in den 60er Jahren war die
Durchschnittsdosis
höher als 1986, um eine mehrfaches sogar …

Sicher waren sie das. Das steht ja sogar in deinem Link drin.
Von 1960-1970 wurde eine Dosis von 2 mSv durch Kernwaffentests in Deutschland verursacht, wie dort im Text zu der Grafik steht. Das macht pro Jahr also 0,2 mSv und das ist - am Höhepunkt der Atomwaffentests wohlgemerkt - gerade mal 10% der sonst üblichen Strahlenbelastung. Wo soll der Unterschied sein, ob ich 2,0 mSv oder 2,2 mSv an Strahlung pro Jahr abkriege? Wäre das problematisch, dann dürfte man überhaupt nicht mit dem Flugzeug fliegen.

Die lokalen Belastungen können allerdings deutlich abweichen.
Die Ostsee hat 1986 ordentlich was abbekommen:

Das war aber die Hinterlassenschaft von Tschernobyl, und nicht von Atomwaffentests.

vg,
d.

1 Like

Hallo,

Die weltweite Radioaktivität stieg nur unbedeutend ?
Heute vielleicht, aber in den 60er Jahren war die Durchschnittsdosis
höher als 1986, um eine mehrfaches sogar …

Bitte beleg das mit einer Quelle. Es stimmt nämlich nicht. Die natürliche und künstliche (Medizin/Röntgen) Strahlenbelastung in Deutschland beträgt etwa 2 mSv pro Jahr. Durch Kernwaffentests kamen etwa 0,2 mSv pro Jahr hinzu. Das ist nicht das mehrfache, sondern ein Zehntel.

vg,
d.

Hallo,

Die Quarks&Co-Folge, die nach der Japankatastrophe ausgestrahlt wurde.
Am Ende kommt besagte Grafik. Kannst du beim WDR runterladen.

Gruss

Hallo,

Die Quarks&Co-Folge, die nach der Japankatastrophe
ausgestrahlt wurde.
Am Ende kommt besagte Grafik. Kannst du beim WDR runterladen.

In dieser Folge wird nirgends behauptet, dass die Dosisleistung aufgrund von Kernwaffentests höher als die natürliche Dosisleistung ist. Offensichtlich hast du in der Quarks & Co Folge etwas ordentlich missverstanden. Bitte lies dir meine Antwort hier durch, dort habe ich genau darauf schon mal geantwortet:
/t/folgen-einer-plutoniumwolke/6365517/10

vg,
d.

1 Like

Hallo,
dies passiert eben wenn man einer eigentlich grundsoliden Sendung glaubt,
du bist natürlich im Recht.

Ich hatte diese Grafik im Hinterkopf, vor allem aber die
Achsenbeschriftung: „Radioaktive Belastung, Jahresdosis in Mitteleuropa“.
Dies ist Bullshit, es müsste heißen „Künstliche Strahlenbelastung,
Jahresdosis in Mitteleuropa“.
Da hätte ich nun aber wirklich selbst drauf kommen können …
Danke!

Gruss

Hallo,

dies passiert eben wenn man einer eigentlich grundsoliden
Sendung glaubt,

Naja, das was in der Sendung vom Moderator dazu gesagt wird, stimmt ja. Nur die Beschriftung der Grafik ist zumindest irreführend, weil sie eben wie du sagst mit…

Achsenbeschriftung: „Radioaktive Belastung, Jahresdosis in
Mitteleuropa“.

… überschrieben ist.

Dies ist Bullshit, es müsste heißen „Künstliche
Strahlenbelastung,
Jahresdosis in Mitteleuropa“.

Oder noch besser: „Radioaktive Belastung durch Kernwaffentests und Reaktorunfälle in der Atmosphäre - Jahresdosis in Mitteleuropa“. Denn die anderen künstlichen Strahlenbelastungen wie z.B. medizinische Anwendungen (Röntgen, CT) sind dort ja auch nicht enthalten. Gut, ein kleiner Fehler von Quarks, denn ansonsten ist das eine der wenigen wirklich empfehlenswerten Wissenschaftssendungen im Fernsehen.

vg,
d.

Hallo,

Diese Strahlung ist das, was die Zerstörung bewirkt. Sie ist
aber nur in der direkten Umgebung der Bombe relevant.

bei einer Höhenexplosion wird praktisch die ganze Energie in elektromagmetische Stahlung umgesetzt und da ist die Bombe doch sehr weit vom Ziel entfernt. Je dichter die Explosion an (oder unter) der Erdoberfläche erfolgt, spielen Feuerball und Druckwelle als Zerstörungsfaktoren eine Rolle.

http://de.wikipedia.org/wiki/Kernwaffenexplosion

Was die Verseuchung der Umwelt angeht, spielt das Material der Bombe und die Strahlung an sich eine eher untergeordnete Rolle. Explosionen in geringer Höhe, bei denen der Feuerball Kontakt zur Oberfläche bekommt, führen zu massiver radioaktiver Aktivierung und Verteilung von Oberflächenmaterial. Analog ist die Strahlung, die von dem havarierten Kernkraftwerk ausgeht, eher nicht das Problem, sondern die Freisetzung radioaktiven Materials.

MfG,

ujk

Hallo,

Was die Verseuchung der Umwelt angeht, spielt das Material der
Bombe und die Strahlung an sich eine eher untergeordnete
Rolle.

Sicher spielt das eine Rolle. Es entscheidet, welche Isotope in welcher Menge mit welcher Halbwertszeit herumliegen werden. Es gibt ja sogar ziemlich perverse zumindest theoretisch angedachte Bombendesigns wie z.B. die Cobalt-Bombe, die gerade das Ziel hat, möglichst viel langlebigen Fallout zu generieren.

Dass natürlich generell der Ort, wo die Bombe explodiert und wie viel Material dabei verteilt wird, ebenfalls eine Rolle spielt, ist ja irgendwie trivial. Die radioaktive Aktivierung von normalem Material durch die Neutronenstrahlung ist bei oberflächennahen Tests aber in der Tat ein wichtiger Faktor. Aber auch hier kommts auf das Bombendesign an, weil unterschiedliche Bomben unterschiedlich viele Neutronen freisetzen.

vg,
d.

1 Like

Die lokalen Belastungen können allerdings deutlich abweichen.
Die Ostsee hat 1986 ordentlich was abbekommen:

Das war aber die Hinterlassenschaft von Tschernobyl, und nicht
von Atomwaffentests.

Da wäre ich nie drauf gemommen.