Verlassen der individuellen Komfort-Zone

Hallo,

habe kürzlich gelesen, dass persönliche Weiterentwicklung am besten möglich sei, wenn man bereit ist, seine individuelle Komfort-Zone zu verlassen. Anders ausgedrückt: Nur wenn es schmerzt, bringt es was.

Hierzu einige Fragen:

  1. ist diese These objektiv überhaupt zutreffend? Gibt es hierzu irgendwelche empirische, bzw. wissenschaftliche Erkenntnisse?

  2. Falls ja:
    Sollte man dann absichtlich Dinge tun, auf die man eigentlich keine Lust hat? Geht es darum, sich selbst zu überlisten?
    Man kann zwar definieren, wozu man Lust hat und wozu nicht, aber man kann eigentlich nie begründen, warum das so ist. Menschen haben Vorurteile.

Unsere Wahrnehmung beteht ja im Wesentlichen in der Interpretation und Bewertung der Wirklichkeit. So gelangen wir zu unserer individuellen subjektiven Wirklichkeit und letztlich zu unserem Glaubens- und Wertesystem.

Dies sagt aber noch rein gar nichts darüber aus, ob wir die Realität zutreffend interpretiert haben und ob wir somit zu einem „richtigen“ Weltbild gelangt sind.

Ist es also sinnvoll, sich und sein Weltbild zu überlisten, indem man sich bewußt gegenteilig verhält?

Ist das unter „Verlassen der Komfortzone“ zu verstehen?

Danke und schöne Grüße,

Hilde

Hallo `Hildegard´

ich weiß nicht genau, was die „individuelle Komfort-Zone“ ist und kann auch keine empirischen bzw. in diesem Sinne wissenschaftlich begründeten Erkenntnisse zur Beantwortung Deiner Frage beitragen.

Nur weiß ich zu sagen, dass es sowohl meiner persönlichen Erfahrung entspricht - und daher empirisch begründet ist -, dass jede Weiterentwicklung, egal ob physisch, kognitiv, sozial oder emotional, mit Anstrengung, Training, Lernen verbunden ist.

Das andere: Pioniere der Psychologie wie Freud oder Maslow gingen selbstverständlich davon aus, dass Entwicklung (und Lernen) immer aus der Aufhebung von Mangelerfahrungen oder der Befriedung eines Konflikts motiviert ist.

Das heißt nach meinem Verständnis nicht, dass es schmerzen muss - aber es kann oder darf ruhig ein bisschen weh tun.

Außerdem: wenn die Entwicklung außen-motiviert ist, kann doch Weiterentwicklung und das etwaige Verlassen der K-Z auch heißen, dass es danach weniger schmerzt - oder?

Kurzum: Du musst wohl jemeand anderes fragen. Oder ließ nach bei den Klassikern wie Heckhausen (Motivation und Handeln, Springer-Lehrbuch) bzw. - aktueller - J. Kuhl (Lehrbuch der Persönlichkeitspsychologie: Motivation, Emotion und Selbststeuerung)

G.

Hallo,
sehr interessantes Thema bzw interessante Frage :smile:

zu 1) ich selber habe in meiner Ausbildung gehört, dass es dazu Untersuchungen gibt. Nach drei bis vier Wochen „Überwindungszeit“ gewöhnt man sich sozusagen an neue Verhaltensweisen,…usw … Genaueres müsste ich allerdings erst wieder nachlesen…

zu2) ob man „absichtlich Dinge tun…“ soll oder nicht, die man eigentlich nicht mag, da würde ich persönlich jedoch meinen: warum?? wenn es etwas ist, das mich wirklich sehr belastet oder etwas, was mir selber hilft, dass es mir besser geht, dann vielleicht ja - da besteht ja ein gewisser „Leidensdruck“ der hilft
wir alle sind verschieden und das ist gut so -ich denke, das Beste wäre, sich selber so annehmen zu können, wie man ist, mit seinen ganz eigenen Wertevorstellungen, Charaktereigenschaften …

zu: …„persönliche Weiterentwicklung…bereit ist, seine individuelle Komfort-Zone zu verlassen. Anders ausgedrückt: Nur wenn es schmerzt, bringt es was…“
das erlebt man ja oft - wenn zB eine Scheidung ist, ändert sich der sonst so fade Ehemann (oder die Ehefrau :smile: ) zum romantischen, sportlichen, oder… Menschen…(es ging also eine schlimme Zeit voran)
oder man erlebt eine total schmerzliche Erfahrung (ein Unfall,eine schlimme Krankheit, ein geliebter Mensch stirbt usw) und plötzlich, von einem auf den anderen Tag, ist da ein ganz neuer Mensch …
aber ist es nicht so, dass DANN IMMER GENAU DER MENSCH ZUM VORSCHEIN KOMMT, der man (innerlich) eigentlich in WIRKLICHKEIT ist !!!
sogesehen: ja- das Leben ist ständige Weiterentwicklung - ja - manchmal ist es notwendig, eine Komfortzone zu verlassen um zu sich selber zu finden - aber ich denke, dass es das Leben selber ist, dass uns dabei hilft und wir nicht „absichtlich“ die Komfortzone verlassen müssen…

ich hoffe, dass ich Ihnen ein wenig weiterhelfen konnte

lg R.

Hallo Hilde,
erstmal interessiert mich, wo genau du diesen Satz gelesen hast. Der klingt für mich etwas… naja… populärwissenschaftlich.
Dann habe ich nicht so richtig verstanden, wieso du diesen Satz dann so interpretierst, wie du es getan hast. Also, dass „es“ (was denn?) nur etwas bringt, wenn es schmerzt. Was genau meinst du damit?

Dann zu deinen beiden Fragen:

  1. Ich weiß zwar, dass in den Medien gerne von einer „Komfort-Zone“ gesprochen wird und in dem Sinne gemeint ist, dass man es nicht gern hat, wenn jemand einem zu nahe kommt (und mit mir z.B. 10 cm vor meinem eigen Gesicht redet). Oder eben bei Männern, die auf eine öffentliche Toilette gehen und zu nah aneinander am Pissoir stehen.
    Allerdings vermute ich, dass du mit „Komfort-Zone“ etwas anderes meinst und zwar die emotionale Nähe z.B. zu einer anderen Person. Stimmt das?

Zu deinen anderen Punkten: Wir Menschen bauen uns jeden Tag die Welt so zusammen, wie wir sie wahrnehmen möchten. Das ist auch ganz gut so. Einer meiner Dozenten sagte sogar mal (ich glaube, er hat den Ausspruch selber irgendwoher gehabt): „Die Einzigen, die die Welt realistisch betrachten, sind Depressive.“ So witzig das auch klingt, ist doch ein funken Wahrheit darin. Bei Menschen mit einer depressiven Störung herrscht ein negatives Selbstbild und ein negatives Bild der Umwelt vor. Wenn wir uns als Menschen nicht die Welt (unbewusst) schön reden würden, würden wir eben alle depressiv werden.

Ein fiktives Beispiel um das zu verdeutlichen:
Menschen haben grundsätzlich von sich ein sehr positives Selbstbild und wollen dies um jeden Preis aufrecht erhalten. Das geht so weit, dass sie die Realität verzerren und anpassen.
Angenommen, ich bin z.B. ein guter Schwimmer. Viele meiner Freunde wissen das und ich werde auch immer als „Schwimm-Experte“ gefragt. Jetzt kommt ein neuer Mensch in diesen Freundeskreis, der auch ein sehr guter Schwimmer ist (und zwar besser als ich). Er „bedroht“ also meinen Selbstwert, weil er mich von meinem „Thron“ stürzen könnte. Jetzt gibts 3 Möglichkeiten, wie ich mit dieser Situation umgehen kann:

  1. Ich trainiere einfach noch heftiger und überhole ihn, dann bin ich wieder der Beste
  2. Ich meide ihn und werte ihn im schlimmsten Fall sogar ab – oder werte mich selber auf, geht beides – („Ach, der macht aber häufig Fehler beim Kraulschwimmen und guck’ dir mal seinen Stil an“).
    Oder 3. Ich sage mir, dass Schwimmen sowieso nie mein Ding war und suche mir einen anderen Bereich, in dem ich gut bin (z.B. joggen)
    Das kann ich alles unternehmen, aber Objektiv werde ich mir vielleicht (wenn ich alleine und ganz ehrlich zu mir bin) eingestehen müssen, dass dieser Mensch mich aus meinem Konzept gebracht hat.
    Wenn ich das aber stetig tun würde, müsste ich mir andauernd sagen, dass ich nicht gut bin und nicht der Beste usw. Und irgendwann wirds dann gefährlich und ich kann depressiv werden. Es ist also sehr gut, dass wir solche Mechanismen haben, einfach um uns selbst zu schützen.

Beantwortet das deine Fragen? Wie genau das mit deiner Zitierten „Komfort-Zone“ aussieht, kann ich dir erst sagen, wenn ich weiß, woher genau das stammt und was derjenige wohl damit meinte.

Viele Grüße
Daniel

Hallo Hilde,

Veränderung bedeutet immer, dass wir unsere Gewohnheit verlassen - das bedeutet aber nicht, dass es weh tun muss oder dass wir irgendetwas gegen unser Weltbild machen oder dass wir etwas tun, wozu wir keine Lust haben. Mit Komfort-Zone ist eher gemeint, dass wir uns in unserem Leben „eingerichtet“ haben, uns irgendeine Form von „Behaglichkeit“ und „Sicherheit“ geschaffen haben - selbst wenn wir leiden! Es bedeutet eben nicht, dass wir damit zufrieden und glücklich sind. Es bedeutet viel mehr, dass uns mangels alternativer Erfahrung jegliche Vorstellung fehlt, wie es ohne dem sein könnte. Menschen, die alternative Erfahrungen haben, haben es einfacher mit der Veränderung.

Vergleichbar ist dies aus der Physik mit dem Widerstand, der zu überwinden ist, wenn man z.B. ein Auto schieben will. Wenn es steht, ist es sehr schwer, rollt es erst mal, dann ist das Schieben leicht. Oder auch und das vielleicht noch treffender mit der Trägheit und der Richtungsänderung. Jede Änderung der Bewegungsrichtung kostet erst einmal sehr viel Kraft.

Je nach dem, wie gravierend die Veränderung ist, die man für sein Leben anstrebt, kostet es sehr viel Kraft - ein sich Stämmen gegen die Behaglichkeit und Sicherheit der Komfort-Zone, die Trägheit - um diese Veränderung zu realisieren. Kleine Veränderungen sind leicht. Große schwieriger.

Die Redewendung, die die Komfort-Zone am besten auf den Punkt bringt, ist: „Man weiß, was man hat, man weiß nie, was man bekommt.“ Und für viele Menschen ist dieser Komfort, diese Sicherheit wichtiger, als die Chance, dass sich etwas ändert.

Es gibt natürlich Untersuchungen über Menschen in Veränderung und Umbruchsituationen. Untersuchungen, die belegen, dass es nicht einfach ist, Gewohnheiten zu verändern. Aber ich kenne keine, die behaupten würde, dass es weh tun MUSS, dass man irgendwas gegen die eigene Lust tun MUSS. Das Durchführen von Veränderungen wird meist einfacher, wenn man realistisch einzuschätzen lernt, was man mit dem, was man hinter sich lässt, auch verliert.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass der Leidensdruck enorm hoch sein muss, ehe Menschen anfangen ernsthaft etwas an ihrem Leben zu ändern. Das Verlassen der Komfort-Zone beschreibt mithin den Konflikt, in dem Menschen stehen. Was ist bedeutsamer: Der Widerstand vor dem ersten Schritt. Oder das Leiden in aktuellen Zustand…

Ich hoffe, ich konnte helfen.

Christoph

Ebenfalls hallo,

in bestimmten Bereichen der Sozialwissenschaft und insbesondere in Deutschland hat man meiner Erfahrung nach gerne die Tendenz zur Beantwortung einer Frage erst einmal die Begriffe zu zerpflücken indem man sie definiert. Leider muss ich hier auch darauf zurück greifen.
„Persönliche Weiterentwicklung“ und „individuelle Komfortzone“ sind etwas diffuse Konstrukte. Weiterentwicklung impliziert Richtung und zumindest ein grobes Ziel. Die Frage ist, was denn das individuelle Ziel ist.
Wenn man sich weiterbilden will, dann sollte man Bücher lesen, in die Abendschule gehen, etc.
Natürlich bedeutet das Veränderung und Veränderung wird unangenehm empfunden, wobei die Toleranz dafür natürlich individuell unterschiedlich ist. Der Grund warum Veränderung als unangenehm empfunden wird, ist, zumindest auf grundlegender kognitiver Ebene, weil Abläufe nicht mehr automatisiert und damit flüssig vonstatten gehen können. Als Hinweis dafür wird z.B. genommen, dass man vertraute Dinge als positiver bewertet, als neue Dinge. Zeigt man jemandem ein Gesicht und präsentiert es einige Zeit später wieder, dann wird sich die Person vielleicht nicht explizit daran erinnern, aber wenn sie danach gefragt wird, für wie attraktiv sie das Gesicht hält, wird sie es im Mittel positiver bewerten als ein neues Gesicht (der sogenannte „Mere Exposure“ Effekt). Das funktioniert mit vielen anderen Dingen als Gesichtern auch.
Der alltägliche Trott hat in dem Sinne was positives. Auch weil Abläufe vorhersagbar und kontrollierbar sind. Unkontrollierbarkeit von Ereignissen führt zu Stress, der dazu dienen kann die Kontrolle wieder zu erlangen, aber längere Ausgesetztheit in einer unkontrollierbaren Umwelt führt zu Resignation und Depression ("Gelernte Hilflosigkeit genannt). Zuletzt - es gibt zumindest eine Untersuchung zu Stress, die zeigt, dass selbst positive Veränderungen (Heirat, Beförderung, etc.) als im gewissen Grade stressend empfunden werden.
Heißt das, dass man nichts ändern soll? Jein. Zum einen wirkt Neuigkeit auch „belohnend“ d.h. wird als positiv empfunden (wobei ich hier vor allem Forschung mit Ratten kenne, die zwar eigentlich sehr informativ ist, aber gerne von Laien abgetan wird. Es gibt aber auch jüngere Studien die zeigen, dass Neuheit - sehr vereinfacht - das „Belohnungssystem“ anspricht). Wann es zu viel Neuigkeit ist, hängt von der individuellen Persönlichkeit ab („novelty seeking“ genannt). Generell ist ein wenig Stress, ein wenig Erregung ja angenehm. Es gibt ein altes Konzept in der Psychologie, das sogenannte „Yerkes-Dodsen Gesetz“, welches besagt, dass ein mittleres Maß an Erregung optimal ist. Zu wenig ist langweilig, zu viel ist Reizüberflutung. Als Beispiel: Absolute Stille ist auf die Dauer beunruhigend, Lärm naheliegenderweise auch.

Was sicher daraus ergibt ist ein Konflikt (der sogenannte „exploitation-exploration conflict bzw. dilemma“) zwischen dem Wertschätzen dessen was man hat und der Suche nach Neuem. Die momentane Situation kann zwar in Ordnung sein, aber vielleicht gibt es eine erreichbaren anderen Zustand der besser ist. Den findet man indessen vielleicht nicht, wenn man den alten nicht verlässt. Kurz: irgendwo ist das Gras vielleicht grüner.

Was das nun mit der „Komfortzone“ zu tun hat?
Ohne Ausprobieren gibt es keine Veränderung, aber ausprobieren kann auch unangenehm sein. Vielleicht gefällt einem Gitarre spielen, aber sich die Zeit für die Übungen frei zu räumen und die vielen anfänglichen Misstöne mögen wieder unangenehm sein. Aber so findet man heraus, ob es einem gefällt oder nicht (wobei man sich auch durchaus auch auf das eigene Urteil verlassen kann - wenn schon das Klavier und Geige üben genervt hat, wird die Gitarre auch keine Offenbarung bringen). Man sollte nur eben nicht wegen der Erwartung von „Diskomfort“ (gibt es das Wort im Deutschen überhaupt) gar nicht erst beginnen.
Aber im Bezug auf „Nur wenn es schmerzt, bringt es was“. Ich sehe dahinter keine Grundlage. Wir stammen nicht von Organismen ab, die in Situationen geblieben sind, die sie als unangenehm empfunden haben. Die sind nämlich wahrscheinlich verhungert, am Hitzschlag gestorben oder haben sich durch das Löwenrudel im Gebüsch nicht aus der Ruhe bringen lassen (um dann von ihnen gefressen zu werden). Allerdings sollte man auch die Fähigkeit haben den „Diskomfort“ zu überdenken. Wie sie richtig geschrieben haben, gibt es Vorurteile oder eben irrationale Aversionen. Das beste Beispiel ist die Angst vor Spinnen. Spinnen sind (in Europa) ungefährlich. Wenn man die Angst vor ihnen loswerden will, sollte man sich ihnen aussetzen. Die Angst die man dann empfindet ist aber kein Beweis dafür das es „was bringt“. Dass sie weniger wird (nach 1/2 oder mehr Stunden) ist ein Hinweis dafür das es besser wird. Die Aversion ist nur das was man überwinden soll. Wenn man Vorurteile gegenüber Schwarzen hat, dann ist ein beibehalten der Aversion kein Zeichen dafür das es was bringt, in ihrer Nähe zu sein. Die Verminderung der Aversion und Vorurteile ist ein Zeichen dafür.
Das Schwierige ist nun zu erkennen, wann es keinen Sinn macht sich weiter der unangenehmen Situation auszusetzen. Verhaltensökonomen würden es als irrational bezeichnen, wenn man beispielsweise einen Campingurlaub macht, welcher keinen Spaß bringt, den man aber fortführt, weil man ja dafür bezahlt hat und „vielleicht wird es ja besser“. Das Geld ist weg, wenn man weiter auf dem Campingplatz bleibt, hat man effektiv dafür bezahlt keinen Spaß zu haben (das nennt man das Würdigen „versunkene Kosten“ / „sunk costs“).

Wenn man sich „weiterentwickeln“ will, sollte man erkennen was man eigentlich erreichen will und ob man den Aufwand erbringen will, dann konkrete Ziele formulieren (eine übliche Praxis am Anfang einer Psychotherapie) und Pläne zu deren Erreichung ersinnen. Empirisch gibt es dazu z.B. Forschung von Gabriele Oettingen (Uni Hamburg/ New York University) und Peter Gollwitzer (Uni Konstanz / ebenfalls New York).

Unsere Wahrnehmung besteht ja im Wesentlichen in der
Interpretation und Bewertung der Wirklichkeit. So gelangen wir
zu unserer individuellen subjektiven Wirklichkeit und
letztlich zu unserem Glaubens- und Wertesystem.

Im Grunde stimmt das zwar, man sollte aber nicht überschätzen wie viel Interpretationsspielraum man hat. Wir stammen nicht von Organismen ab, welche die Realität auf extrem kreative Weise interpretiert haben. Überspitzt: Der Vorfahr, der in dem Löwen das Kuscheltier sah ist leider jung gestorben. Die Realität möglichst genau wahrzunehmen und, da der Mensch ein soziales Wesen ist, Dinge genauso zu bewerten wie andere auch ist adaptiv.

Dies sagt aber noch rein gar nichts darüber aus, ob wir die
Realität zutreffend interpretiert haben und ob wir somit zu
einem „richtigen“ Weltbild gelangt sind.

Ich würde meiner obigen Argumentation folgend schon sagen, dass wir eine halbwegs wahrheitsgemäße Wahrnehmung der Realität hat. An den Nuancen kann man feilen.

Ist es also sinnvoll, sich und sein Weltbild zu :überlisten, indem man sich bewußt gegenteilig verhält?

Es ist sinnvoll mal Dinge auszuprobieren.

Viele Grüße!

Hi, Daniel,

erstmal danke.

erstmal interessiert mich, wo genau du diesen Satz gelesen
hast. Der klingt für mich etwas… naja…
populärwissenschaftlich.

Das weiß ich leider nicht mehr genau. Ist mir schon öfter mal untergekommen im Zusammenhang mit Coaching-Seminaren, etc.

Dann habe ich nicht so richtig verstanden, wieso du diesen
Satz dann so interpretierst, wie du es getan hast. Also, dass
„es“ (was denn?) nur etwas bringt, wenn es schmerzt. Was genau
meinst du damit?

Persönliche Weiterentwicklung soll angeblich nur möglich sein, wenn man sein Verhalten, so wie es für einen am angenehmsten ist, eben in die Richtung verändert, dass es nicht mehr angenehm ist.

Sich seinen Ängsten und Konflikten stellen oder eben auch Dinge tun, die man nicht mag, um ggf. festzustellen, dass sie ja doch nicht so schlecht sind, man es aber die ganze Zeit über nicht wußte und sich ein zu negatives Bild - aufgrund falscher Vorstellungen - gemacht hat.

Wenn jemand z. B. Panik vor Hunden hat, sollte er den Kontakt zu Hunden erst recht suchen oder wenn ein Mann gegenüber Frauen gehemmt ist, sich nicht traut Frauen anzusprechen, weil er Angst vor einem Korb hat, etc. dann sollte er dies verstärkt tun, auch wenn er dabei 1000 Tode stirbt. Ziel ist es, seine Meinung, seine Einstellung zu etwas, anhand der echten Realität zu überprüfen um seine Ängste abzubauen, weil man ihre Unbegründetheit erkannt hat.

Oder etwas tun, wozu man keine Lust hat, um seine Horizont zu erweitern, seine Möglichkeiten zu erweitern, seine Voruteile zu entlarven und neue zu sortieren.

Dann zu deinen beiden Fragen:

  1. Ich weiß zwar, dass in den Medien gerne von einer
    „Komfort-Zone“ gesprochen wird und in dem Sinne gemeint ist,
    dass man es nicht gern hat, wenn jemand einem zu nahe kommt
    (und mit mir z.B. 10 cm vor meinem eigen Gesicht redet). Oder
    eben bei Männern, die auf eine öffentliche Toilette gehen und
    zu nah aneinander am Pissoir stehen.
    Allerdings vermute ich, dass du mit „Komfort-Zone“ etwas
    anderes meinst und zwar die emotionale Nähe z.B. zu einer
    anderen Person. Stimmt das?

Nein, hat mit emotionaler Nähe nix zu tun. Das was Du oben beschreibst, ist die Intim-Zone.

Zu deinen anderen Punkten: Wir Menschen bauen uns jeden Tag
die Welt so zusammen, wie wir sie wahrnehmen möchten. Das ist
auch ganz gut so. Einer meiner Dozenten sagte sogar mal (ich
glaube, er hat den Ausspruch selber irgendwoher gehabt): „Die
Einzigen, die die Welt realistisch betrachten, sind
Depressive.“ So witzig das auch klingt, ist doch ein funken
Wahrheit darin. Bei Menschen mit einer depressiven Störung
herrscht ein negatives Selbstbild und ein negatives Bild der
Umwelt vor. Wenn wir uns als Menschen nicht die Welt
(unbewusst) schön reden würden, würden wir eben alle depressiv
werden.

Echt interessant. Das habe ich mir auch schon oft gedacht. So gesehen sind die Depressiven eigentlich die Gesunden und die Normalen sind die Verrückten, weil sie sich einreden, dass das Leben schön ist.

Das ist aber natürlich von der Natur biochemisch so geregelt, sonst läge die Selbstmordrate bei nahe 100% und das ist für die Arterhaltung nicht gerade förderlich.

Jemand hat mal gesagt oder geschrieben: Der Mensch wird mit seiner Geburt zum Tode verurteilt. Nur ist die Vollstreckung des Urteils auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Objektiv gesehen stimmt diese Aussage sogar. Letztlich müssen wir alle sterben. Warum lernt und studiert der Mensch, baut Unternehmen auf und spekuliert an der Börse, etc.? Er könnte sich doch auch auf eine Bank setzen, sich jeden Tag vollaufen lassen und abwarten, bis er irgendwann stirbt.

Ist aber meist nicht so, weil man komischerweise nie an seinen eigenen Tod denkt. Ein biochemischer Trick der Natur, der es uns ermöglicht emsig zu sein.

Meine Frage war letztlich, ob es für diese These, dass Weiterentwicklung letzlich nur durch Verlassen der individuellen Komfortzone möglich sei, wissenschaftliche oder empirische Belege oder Beweise gibt oder nicht.
Es gibt ja im Bereich der Psychologie viele Bereiche, die als strittig gelten, z. B. ist bis heute nicht erwiesen, dass NLP tatsächlich funktioniert, etc.

Gruß, Hilde

Hi, Hilde

Das weiß ich leider nicht mehr genau. Ist mir schon öfter mal
untergekommen im Zusammenhang mit Coaching-Seminaren, etc.

Mh. Leider wird mit so genannten Coaching-Seminaren auch viel Scharlatanerie betrieben.

Persönliche Weiterentwicklung soll angeblich nur möglich sein,
wenn man sein Verhalten, so wie es für einen am angenehmsten
ist, eben in die Richtung verändert, dass es nicht mehr
angenehm ist.
Sich seinen Ängsten und Konflikten stellen oder eben auch
Dinge tun, die man nicht mag, um ggf. festzustellen, dass sie
ja doch nicht so schlecht sind, man es aber die ganze Zeit
über nicht wußte und sich ein zu negatives Bild - aufgrund
falscher Vorstellungen - gemacht hat.
Wenn jemand z. B. Panik vor Hunden hat, sollte er den Kontakt
zu Hunden erst recht suchen oder wenn ein Mann gegenüber
Frauen gehemmt ist, sich nicht traut Frauen anzusprechen, weil
er Angst vor einem Korb hat, etc. dann sollte er dies
verstärkt tun, auch wenn er dabei 1000 Tode stirbt. Ziel ist
es, seine Meinung, seine Einstellung zu etwas, anhand der
echten Realität zu überprüfen um seine Ängste abzubauen, weil
man ihre Unbegründetheit erkannt hat.

Das aller erste erste kann ich nicht bestätigen. Wenn man davon ausgeht, das wir uns stetig entwickeln (und zwar bis wir sterben), dann muss diese Entwicklung in irgendeiner Art von Lernprozessen stattfinden. Wir machen irgendetwas, das klappt oder eben nicht und aus den Fehlern oder dem Gelingen lernen wir.

Was anderes ist das, wenn dich eine bestimmte Verhaltensweise stört und du diese ablegen willst. Häufig ist das Verhalten, was wir Menschen an den Tag legen eine Folge von bestimmten Bildern, die wir von der Welt haben, diese nennt man auch Schemata. Angenommen, ich habe Angst vor Hunden. In dem Fall werde ich wahrscheinlich Situationen meiden, in denen mir Hunde begegnen können. Das ist ja erstmal nicht schlimm. Aber wenn das soweit geht, dass ich z.B. nichtmehr zu Parties gehen kann, weil dort immer Hunde sind, ist das schon ein Einschnitt in mein Privatleben. Wenn ich in dem Fall Situationen meide, in denen ich auf Hunde treffen kann, mache ich alles nur noch schlimmer. In dem Fall ist es tatsächlich ratsam, die Situationen mit Hunden aufzusuchen und z.B. die Angst auszuhalten. irgendwann merkt man dann, dass Hunde doch nicht schlimmes sind. So gesehen stimmt das natürlich. Aber wenn man tatsächlich eine Phobie hat, sollte man sich von einem richtigen Therapeuten helfen lassen, sonst kann das alles auch in die Hose gehen.

Echt interessant. Das habe ich mir auch schon oft gedacht. So
gesehen sind die Depressiven eigentlich die Gesunden und die
Normalen sind die Verrückten, weil sie sich einreden, dass das
Leben schön ist.

Naja, als „gesund“ würde ich Depressive nicht einschätzen, aber im Prinzip hast du schon recht. Aber wenn wir das nicht tun würden, wären wir wohl wirklich alle ziemlich selbstmordgefährdet.

Objektiv gesehen stimmt diese Aussage sogar. Letztlich müssen
wir alle sterben. Warum lernt und studiert der Mensch, baut
Unternehmen auf und spekuliert an der Börse, etc.? Er könnte
sich doch auch auf eine Bank setzen, sich jeden Tag vollaufen
lassen und abwarten, bis er irgendwann stirbt.

Ist aber meist nicht so, weil man komischerweise nie an seinen
eigenen Tod denkt. Ein biochemischer Trick der Natur, der es
uns ermöglicht emsig zu sein.

Wenn du tiefer in das Thema einsteigen willst, würde ich dir empfehlen mal nach der Selbstbestimmungstheorie zu suchen. Die beschreibt eben, dass es für uns Menschen offensichtlich einen sehr großen Vorteil gebracht hat, ein Bewusstsein auszubilden und uns mit anderen Bewusstseins (seinen?) auszutauschen. Auf der anderen Seite sind wir Menschen wohl mit die Einzigen Lebewesen auf der Welt, die sich Gedanken ums sterben machen (ist noch nicht erwiesen, aber möglich). Man hat so etwas wie ein Verständnis von „Selbst“ sowohl schon bei Affen als auch bei Delphinen nachweisen können, aber noch nicht, dass sie sich ihrer Sterblichkeit bewusst sind.

Meine Frage war letztlich, ob es für diese These, dass
Weiterentwicklung letzlich nur durch Verlassen der
individuellen Komfortzone möglich sei, wissenschaftliche oder
empirische Belege oder Beweise gibt oder nicht.
Es gibt ja im Bereich der Psychologie viele Bereiche, die als
strittig gelten, z. B. ist bis heute nicht erwiesen, dass NLP
tatsächlich funktioniert, etc.

So, wie es da steht, würde ich es verneinen. Mir ist keine empirische Arbeit bekannt, die diese Hypothese untersucht hat. Zu allen anderen Dingen weiter oben schon (sonst würde Psychotherapie, so wie sie heute stattfindet, nicht stattfinden). Zur Selbstbestimmungstheorie, Therapie von Phobien und anderen psychischen Störungen und auch zum Selbstbild, Selbstwert und Schemata, etc. gibt es hunderte von Belegen und empirischen Studien.
Von NLP halte ich persönlich ziemlich wenig und auch in unserem Studium schenken wir dem keine Beachtung. Das heißt aber nicht, dass es nicht funktioniert. Mir ist aber auch keine empirische Studie (geschweige denn eine mit sehr guter methodischer Kontrolle!) bekannt, die Effekte von NLP gefunden haben soll.

Beantwortet das deine Fragen?

Viele Grüße
Daniel

Hallo, Ricolina

zu2) ob man „absichtlich Dinge tun…“ soll oder nicht, die
man eigentlich nicht mag, da würde ich persönlich jedoch
meinen: warum?? wenn es etwas ist, das mich wirklich sehr
belastet oder etwas, was mir selber hilft, dass es mir besser
geht, dann vielleicht ja - da besteht ja ein gewisser
„Leidensdruck“ der hilft
wir alle sind verschieden und das ist gut so -ich denke, das
Beste wäre, sich selber so annehmen zu können, wie man ist,
mit seinen ganz eigenen Wertevorstellungen,
Charaktereigenschaften …

Das ist jetzt wirklich sehr interessant. Warum sollte man was tun, was man nicht gerne mag…

Wie bereits erwähnt, interpretiert und bewertet das menschliche Gehirn in jeder Sekunde unserer Existenz die Wirklichkeit.
Die Art und Weise der Interpretation, bzw. der Bewertungen hängt wieder von vielen Faktoren und Voraussetzungen ab. Welche Erfahrungen habe ich bisher im Leben gemacht, wie war mein Elternhaus, die Schule, etc.
So gelangen wir zu unserem Werte- und Glaubenssystem.

Dieses könnte sich aber - rein theoretisch - auch völlig anders entwickelt haben, wenn man eben entsprechend andere Erfahrungen in einer anderen Umgebung in einem anderen Land mit anderen Menschen gemacht hätte.

Folglich ist unser Glaubens- und Wertesystem kein ehernes Gesetz. Wir könnten es zumindest überprüfen. Dazu müssen wir aber erst erkennen, dass dies überhaupt möglich ist.

Meine beste Freundin wollte z. B. nie heiraten und zwar aus Imagegründen. Sie fand Heiraten langweilig und spießig. Dann kam der Richtige und sie hat doch geheiratet und ist glücklich damit. Wir haben uns neulich darüber unterhalten und sie sagte sinngemäß, dass sie früher gegen Heiraten eingestellt war, weil sie völlig falsche Vorstellungen davon hatte, wie eine Ehe ist, bzw. sein kann.

Das ist jetzt nur ein Beispiel, aber wir wollen ja Viele Dinge nicht, sind gegen Vieles eingestellt und können aber in den wenigsten Fällen tatsächlich handfest begründen, warum wir etwas nicht mögen.

Durch Ausprobieren haben wir die Chance zu erfahren, dass wir uns vielleicht in dem ein oder anderen Punkt getäuscht haben, bzw. wir bekommen unsere Ansichten bestimmt auch oft bestätigt.

…und plötzlich, von einem auf den anderen Tag, ist da ein
ganz neuer Mensch …
aber ist es nicht so, dass DANN IMMER GENAU DER MENSCH ZUM
VORSCHEIN KOMMT, der man (innerlich) eigentlich in
WIRKLICHKEIT ist !!!

Nächster interessanter Punkt: Wann ist man wirklich man selbst und wie merkt man das? Woher weiß man, wie man wirklich ist?

Es ist unendlich schwer, bzw. vielleicht sogar unmöglich auseinanderzudröseln, welche Wünsche und Ansichten von mir selbst stammen und welche von der Gesellschaft, von Freunden, von der Familie von den Medien, etc. in einen hineingelegt worden sind.

Studieren Menschen Jura und BWL weil sie es wollen oder weil sie wissen, dass es die Eltern wollen? Wollen junge Frauen Supermodels werden, weil sie die Tätigkeit an sich interessiert oder weil sie Aussicht auf REichtum und Berühmtheit verspricht?

Fragen über Fragen…

Schöne Zeit, Hilde

Hallo Hilde,

man weiß wer man selber ist, wenn total Ruhe IN EINEM ist - es ist ein wunderbares Gefühl… alles ist so leicht… wann immer ich Dinge tue, die nicht zu mir passen, dann geht es mir schlecht… manchmal höre ich nicht darauf und mache es trotzdem, bis es wieder ganz schlimm wird… dann weiß ich: so nun bist du wieder mal einen Umweg gegangen…das alles hat nicht zu dir gepasst… kann passieren, kein Problem, hab wieder dazu gelernt…

lg Ricolina

Hello again,

vielen Dank für die ausführliche Abhandlung. Unglaublich interessant.

„Persönliche Weiterentwicklung“ und „individuelle Komfortzone“
sind etwas diffuse Konstrukte.

Persönliche Weiterentwicklung:

Ich meine damit, man sollte nicht hinter seinen Möglichkeiten und Potentialen zurückbleiben, wenn es nicht unbedingt sein muss, sondern all seine Anlagen und Fähigkeiten ausschöpfen - soweit möglich.

individuelle Komfortzone:

Mit Komfort-Zone meine ich, dass wir uns in unserem Leben „eingerichtet“ haben, uns irgendeine Form von „Behaglichkeit“ und „Sicherheit“ geschaffen haben - selbst wenn wir leiden! Es bedeutet gerade nicht, dass wir damit zufrieden und glücklich sind. Es bedeutet viel mehr, dass uns mangels alternativer Erfahrung jegliche Vorstellung fehlt, wie es ohne den Trott sein könnte. Menschen, die alternative Erfahrungen haben, haben es einfacher mit der Veränderung.

Was das nun mit der „Komfortzone“ zu tun hat?
Ohne Ausprobieren gibt es keine Veränderung, aber ausprobieren
kann auch unangenehm sein.
Aber so findet man heraus, ob es einem gefällt oder nicht

Das ist jetzt auch wieder so eine Sache. Selbst wenn ich weiß, was ich ausprobieren will, ist dieses Vorhaben ja auch wieder predeterminiert und womöglich nicht authentisch.

Man fragt sich in Wirklichkeit ja nicht, was interessiert mich, sondern, welche Interessen könnten mir im Leben nutzen, mit welchen Interessen kann ich bei anderen punkten. Fallschirmspringen ist da z. B. viel prestigeträchtiger, als ein Bastelkurs im Pfarrheim.

Wir stammen nicht von
Organismen ab, die in Situationen geblieben sind, die sie als
unangenehm empfunden haben.

Es stellt sich die Frage: Ist eine Situation in objektiger Hinsicht unangenehm für uns, weil wir sie als unangenehm erleben?

Beispiel: Jemand hat lange Zeit in einer großes Stadt gelebt und zieht später in eine ländliche Kleinstadt.
Er fühlt sich dort sehr unwohl und einsam. Die Gegend gefällt ihm nicht und auch der Menschenschlag liegt ihm so gar nicht.

Der „normale“ Weg wäre nun zu sagen: O.k. mir gefällt es hier nicht, ich fühle mich unwohl, deshalb ziehe ich wieder zurück in meine alte Heimatstadt. Dort gefällt es mir und ich habe dort viele Freunde.

Man könnte aber auch hinterfragen: Warum gefällt es mir in der neuen Umgebung nicht? Von welchen Annahmen gehe ich aus? Warum halte ich die Menschen für langweilig und bieder? Ist das objektiv wirklich so?

Kurz: Gefällt es mir in der neuen Umgebung zurecht nicht oder sehe ich nur alles Grau in Grau.

Könnte es nicht auch eine Herausforderung sein, in einer fremden Stadt, in der man sich unwohl und einsam fühlt, neue Freunde zu finden und sich nach und nach einzuleben?

Der angenehme Weg wäre also, in die alte Heimatstadt zurückzugehen. Der bessere Weg (für die persönliche Weiterentwicklung) könnte aber der schwierigere Weg in der neuen Stadt sein.

In diesem Zusammenhang fällt mir noch was ein:

Mein jüngerer Bruder hatte in seiner Studentenzeit eine ziemlich heruntergekommene Bude. Sie war zwar bezahlbar, aber wirklich sehr häßlich und schäbig.
Er wurde von seinen Freunden gehänselt, weil er in so einem Loch gehaust hat und er fühlte sich auch nicht wohl.

Dann kam wohl heraus, dass Mitte der 60er Jahre ein später berühmt gewordener US-amerikanischer Rockstar in dieser Wohnung geboren worden sein soll. Seine Mutter hatte wohl kurz in Deutschland gelebt und ist in die Vereinigten Staaten zurück, als das Kind 2 Jahre alt war.

Und plötzlich war das eine total coole Bude, um die mein Bruder beneidet wurde. Genau die gleiche häßliche Bleibe, war plötzlich unglaublich hipp, nur weil (angeblich) ein späterer Rockstar darin geboren worden sein soll.

Dabei ist es auch völlig egal, ob die Geschichte stimmt oder nicht. Allein der Glaube, dass in dieser Wohnung eine berühmte Person geboren worden ist, reicht schon aus.

Was sagen Sie dazu?

Wie bereits erwähnt, interpretiert und bewertet das menschliche Gehirn in jeder Sekunde unserer Existenz die Wirklichkeit.
Die Art und Weise der Interpretation, bzw. der Bewertungen hängt wieder von vielen Faktoren und Voraussetzungen ab. Welche Erfahrungen habe ich bisher im Leben gemacht, wie war mein Elternhaus, die Schule, etc.
So gelangen wir zu unserem Werte- und Glaubenssystem.

Dieses könnte sich aber - rein theoretisch - auch völlig anders entwickelt haben, wenn man eben entsprechend andere Erfahrungen in einer anderen Umgebung in einem anderen Land mit anderen Menschen gemacht hätte.

Folglich ist unser Glaubens- und Wertesystem kein ehernes Gesetz, es ist vielmehr zustande gekommen, aufgrund zufälliger Umstände und Begebenheiten. Wir könnten es zumindest überprüfen. Dazu müssen wir aber erst erkennen, dass dies überhaupt möglich ist.

Meine beste Freundin wollte z. B. nie heiraten und zwar aus Imagegründen. Sie fand Heiraten langweilig und spießig. Dann kam der Richtige und sie hat doch geheiratet und ist glücklich damit. Wir haben uns neulich darüber unterhalten und sie sagte sinngemäß, dass sie früher gegen Heiraten eingestellt war, weil sie völlig falsche Vorstellungen davon hatte, wie eine Ehe ist, bzw. sein kann

Wenn man sich „weiterentwickeln“ will, sollte man erkennen was
man eigentlich erreichen will und ob man den Aufwand erbringen
will, dann konkrete Ziele formulieren (eine übliche Praxis am
Anfang einer Psychotherapie) und Pläne zu deren Erreichung
ersinnen.

Wieder sehr interessant. Kann man überhaupt wissen, was man will?
Wann ist man wirklich man selbst und wie merkt man das? Woher weiß man, wie man wirklich ist?

Es ist unendlich schwer, bzw. vielleicht sogar unmöglich auseinanderzudröseln, welche Wünsche und Ansichten von mir selbst stammen und welche von der Gesellschaft, von Freunden, von der Familie von den Medien, etc. in einen hineingelegt worden sind.

Studieren Menschen Jura und BWL weil sie es wollen oder weil sie wissen, dass es die Eltern wollen? Wollen junge Frauen Supermodels werden, weil sie die Tätigkeit an sich interessiert oder weil sie Aussicht auf Reichtum und Berühmtheit verspricht?

Fragen über Fragen…

Viele Grüße, Hilde

Abermals hallo,

ich denke zu ein paar Dingen sollte ich mich nicht äußern, weil ich kein Philosoph, sondern Psychologe bin.

Das, was ich als ein Thema zu erkennen vermag, ist die Frage danach, was die Persönlichkeit und das Wertesystem ausmacht und wie veränderbar sie ist. Auch machen Sie die Annahme, dass es eine wahre Persönlichkeit, ein wahres Ich, gibt, dessen Zutagetreten durch verschiedene Faktoren gehemmt wird.

Zunächst zur Persönlichkeit und ihrer Stabilität. Die Frage danach ist bedeutsam in der Persönlichkeitspsychologie bzw. der Differenziellen Psychologie (der Bereich der Psychologie, der sich mit den Unterschieden zwischen Menschen beschäftigt). Die Laiensicht, auf die ich oft treffe ist, dass die Persönlichkeit unveränderlich ist. Man ist halt so. Man beruft sich auf Gene oder die Erziehung.
Allerdings wurde auch festgestellt, dass Menschen in verschiedenen Situationen ganz unterschiedlich sind. Die gleiche Person ist in der Arbeit vielleicht pünktlich, bei seinen Freunden aber nie. Das hat zu der Überlegung geführt, dass Menschen a.) nicht wirklich eine langfristig stabile Persönlichkeit haben und b.) stabil erscheinen, weil die Umwelt sich nicht ändert und die Erwartungen der sozialen Umwelt die Persönlichkeit stabilisieren. Beispielsweise glaube Freunde, dass man ein offener Mensch ist und deshalb verhält man sich offen, weil sie irritiert sind, wenn man es nicht ist. Ein extremes Beispiel ist „Gehirnwäsche“ in Sekten, die nicht ohne Grund wollen, dass man den Kontakt mit allen anderen abbricht.
Von dieser extremen Position hat man sich aber wieder entfernt. Es gibt diverse Persönlichkeitsmerkmale die recht stabil sind ab dem Erreichen des Erwachsenalters. Es wurde in diesen Zusammenhang die Metapher verwendet, dass die Persönlichkeit in Gips erstarrt ist. Recht fest, aber bekanntermaßen kann davon was abbröckeln. Eine introvertierte Person wird wohl nie extrem extravertiert werden, aber es kann sich durchaus etwas in die eine oder andere Richtung ändern.
Ob sich etwas ändert hängt tatsächlich von der eigenen Motivation ab. Es gibt Forschung zur Intelligenzentwicklung bei Kindern von Carol Dweck von der Stanford University: Kinder können sich in ihrer Einstellung dahingehend unterscheiden, ob ihre Intelligenz fest oder veränderbar ist. Jene, die glauben, dass ihre Intelligenz veränderbar ist, zeigen tatsächlich über die Schuljahre einen größeren Anstieg als jene, die an eine feste Intelligenz glauben. Die Ursache dahinter liegt augenscheinlich in dem Verhalten der Kinder hinsichtlich dem wahrnehmen von Lernmöglichkeiten und dem Umgehen mit Rückschlägen.
Trotzdem haben wir hier immer noch den Gips-Gedanken: Gerade Intelligenz ist etwas, was erstaunlich stabil ist. Man kann aber durchaus ein Maß an möglicher Varianz ausreizen.
Der Grund für die relative Stabilität von Persönlichkeit wurde dann in den Genen gesucht und es gab tatsächlich wieder einen Trend in die andere Richtung, dass man eben nicht so stark durch die Umwelt bestimmt sei, sondern durch die Gene.
Tatsächlich kennt man Gene, welche eine gewisse Verhaltenstendenz bewirken (oft durch das Wirken auf Neurotransmitter, ihre Rezeptoren, ihren Abbau, etc.) Mittlerweile wird dieser Gedanke aber durch die Auffassung abgelöst, dass Gene und Umwelt untrennbar miteinander interagieren. Gene werden abgelesen aufgrund von Signalen die letztendlich ihre Ursache in der Umwelt haben. Die Umwelt wird indessen wieder durch den Organismus verändert, indem sie neuronale Veränderungen erzeugen die mit Lernen und Verhaltenstendenzen in Verbindung steht. Es gibt zum Beispiel ein Gen, welche für den Serotoninhaushalt mitverantwortlich ist und damit an der Regulation der Reaktion auf bedrohliche Reize mitwirkt (neben vielen anderen Dingen). Sind Menschen mit einer bestimmten Ausformung dieses Gens nun ängstlicher? Nein, es kommt darauf an, wie z.B. die Forschung um ein Herrn namens Hariri zeigt. Wenn man in einer stressreichen Umwelt aufgewachsen ist, dann ja, falls die Kindheit behütet war nein. Kommt beides, Gen und Umwelt zusammen, dann ist die Person tendenziell neurotischer und anfälliger für Depression und Angstzustände. Allerdings kann eine angenehme Umwelt im Erwachsenenalter daran wohl wieder in gewissen Maße etwas ändern - wieder durch die Interaktion mit dem Gen.

Zweierlei folgt daraus: Menschen können sich ändern - aber es ist schwer.
Und: wir sind nicht wirklich vollkommen frei in unserem Wertesystem. Wir unterscheiden uns nämlich in unserer genetischen Ausstattung nicht nur untereinander (allerdings im geringeren Maße als viele glauben. Hinsichtlich der genetischen Varianz sind wir sehr homogen - 30 km von einander lebende Schimpansen haben mehr Varianz als die Menschheit). Wir unterscheiden uns auch von anderen Spezies. Zum menschlichen Verhalten gehören auch gewisse Verhaltenstendenzen. Da der Mensch ein soziales Wesen ist und eben kein durch den Dschungel streifender Tiger. Er ist auf andere angewiesen und deshalb hat der überwiegende Teil der Menschheit bestimmte zwingende Wertvorstellungen, die dem Zusammenleben dienlich sind. Gesellschaften bilden sich dementsprechend überwiegend in eine bestimmte Richtung.
Die Schlussfolgerung steht im Widerspruch zu Ihrer Aussage das unser Wertesystem „aufgrund zufälliger Umstände und Begebenheiten“ zustande kommt. Wenn man einen Klon von einem selbst in eine andere Umwelt setzen würde, wäre dieser dann völlig anders? Forschung mit nach der Geburt getrennten Zwillingen zeigt, dass das einige Gemeinsamkeiten erhalten bleiben werden.

Daraus scheint nun zu folgen, dass es die wahre Persönlichkeit eines Menschen gibt, jene die durch die Veranlagung bestimmt ist. Aber wie schon erwähnt funktionieren Gene im Zusammenspiel mit der Umwelt.
Die Person die man zu einem Zeitpunkt t ist, ist aus dem untrennbaren Zusammenspiel aus sozialen Umfeld, Genen und Person zum Zeitpunkt t-1 entstanden. Die wahre Persönlichkeit ist also nicht verdeckt - man hat schon die wahre Persönlichkeit! Gleichsam ist das was wir wollen auch tatsächlich das was wir wollen. Sonst würden wir es ja nicht wollen. Wenn einen etwas interessiert, dann kann man nicht sagen, dass es einen nicht wirklich interessiert, denn dann leugnet man die momentane (wohlgemerkt, die momentane!) Realität. Etwas ist per Defintion unangenehm, weil wir es als unangenehm empfinden. Ich kann anzweifeln, dass es in einem Zimmer kalt ist, in dem ich auf das Thermometer blicke und mein Wissen über angenehme Temperaturen zu Rate ziehe. Ich kann aber nicht anzweifeln, dass einem kalt ist. Ich kann darauf den Grund hinter dieser Empfindung hinterfragen, die Kausalität. Vielleicht ist der Person ja kalt, weil sie krank ist.
Die Parallele zu Ihrem Beispiel mit der Kleinstadt ist, dass man zwar die Gründe für eine Empfindung erkennen kann, dadurch die Empfindung aber nicht unwahrer wird. Man empfindet immer noch so.
Was sich ändert ist vielleicht die spätere Empfindung, aber dadurch wird doch die vorherige nicht unwahrer.
Richtig ist allerdings, dass sich die Empfindung und das Urteil mit der Zeit ändern kann. So wie sich das Urteil zu der vermeindlichen Rockstar-Wohnung geändert hat, nur eben unter Umständen nicht so schnell. Je eingefahrener die Einstellung desto schwieriger ist es sie zu ändern.

Die Frage ist allerdings: Soll man die Meinung ändern? Habe ich sie zu Recht?
Die Antwort darauf ist, dass die Frage falsch ist. Falsch deshalb, weil sie eine Vorannahme beinhaltet, nämlich dass es eine wahre Meinung gibt. Dass es das wahre Bedürfnis, die wahre Neigung gibt. Irgendwo glimmend als leuchtender Kern.
Aber wahr ist in diesem Zusammenhang nicht definiert und auch gar nicht definierbar.

Die Frage sollte doch eher heißen „Ziehe ich einen größeren langfristigen (!) Nutzen aus dem einen Verhalten oder aus dem anderen?“
Auch diese Frage ist nicht absolut beantwortbar, den dafür müsste man in die Zukunft blicken können. Man kann jedoch eine gute Schätzung der Zukunft machen. „Ziehe ich *wahrscheinlich* einen größeren langfristigen Nutzen aus dem Verhalten?“
Nun habe ich eine Frage, die ich beantworten kann. Ich kann eine Wahrscheinlichkeitsaussage darüber machen, in dem ich Information begutachte, welche in die eine oder andere Richtung deutet. Habe ich mich in anderen Orten schon schwer einleben können? Habe ich genug Erfahrung mit den Leuten gesammelt, dass ich sicher sein kann, dass sie langweilig sind? Wie gut bin ich darin mich zu verändern?
Hier kommt wieder die Sache mit dem Komfort rein. Um diese prädiktiven Informationen zu bekommen ist es ratsam sich von Schwierigkeiten nicht abschrecken zu lassen.
Allerdings ist irgendwann der Punkt erreicht, ab dem man nicht mehr Informationen sammeln muss. Nach einer Woche Studium ist das zum Beispiel nicht erreicht. Nach drei Semestern schon.

Ein letzter Punkt, der immer wieder durchschien, war der Konflikt zwischen den Erwartungen der Umwelt und den eigenen Erwartungen. Nochmals - man ist auch ein Produkt der Umwelt. Wenn ich die Erwartungen und Vorstellungen der Umwelt annehme sind sie meine Erwartungen und Vorstellungen. Sie sind nicht mehr trennbar von mir. Daran ist überhaupt nichts verwerfliches. Andere Menschen sind auch denkende Wesen. Wenn die Eltern wollen, dass man Jura oder BWL studiert, dann können sie durchaus auch gute Gründe haben. Daher das die Eltern die Idee haben, wird die Ideen nicht schlechter. Diese Gründe kann man sich zueigen machen und dann sind es die eigenen. Der Wunsch Jura zu studieren kommt dann von einem selbst.

Woher stammen den Wünsche? Wie entstehen sie? Sie entstehen vor allem aus Lernerfahrungen. Man hat vielleicht als Kind „Matlock“ geschaut und bemerkt, dass ihm, dem Anwalt, mit Respekt begegnet wird. Respekt hält man für etwas positives und deshalb ist „Anwalt = positiv“. Das ganze muss nicht bewusst geschehen sein oder man hat es auch wieder vergessen. Aber gewiss macht es weder eines Tages grundlos „plopp“ und man hat einen Wunsch, noch treibt das Anwaltsgen einen voran (wohl gibt es aber gewisse Neigungen, die die Berufswahl etwas eingrenzen).

Was man nicht hinterfragen sollte, ist ob es der eigene Wunsch ist, sondern ob er Sinn macht. Wie wahrscheinlich ist es, dass man als Anwalt Respekt bekommt? Man kann sich informieren, wie andere Menschen Anwälte sehen und kriegt eine Wahrscheinlichkeitsantwort.

Zu guter Letzt:

Persönliche Weiterentwicklung:

Ich meine damit, man sollte nicht hinter seinen Möglichkeiten
und Potentialen zurückbleiben, wenn es nicht unbedingt sein
muss, sondern all seine Anlagen und Fähigkeiten ausschöpfen -
soweit möglich.

Hier kommt das philosophische rein: Ist das überhaupt ein erstrebenswertes Ziel?

Kennen Sie Grisu den kleinen Drachen, der Feuerwehrmann werden will? Ich würde sagen, er wird in dem Beruf sein Potenzial, Feuer entfachen und Furcht und Erschrecken hervor rufen zu können nicht ausschöpfen können.
Trotzdem finde ich seinen Wunsch besser als den seines Vaters (obwohl er den Wunsch vielleicht nur hat, um sich von seinem Vater abgrenzen zu können, was ihn wieder durch die Umwelt determiniert macht…)

Viele Grüße!

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Guten Morgen,

abermals sehr interessant. Danke.

Gestatten Sie mir noch die eine oder andere Nachfrage.

ich denke zu ein paar Dingen sollte ich mich nicht äußern,
weil ich kein Philosoph, sondern Psychologe bin.

Was meinen Sie damit genau? Welche meiner Fragen, bzw. Aussagen halten Sie für philosophischen Ursprungs?

Die Frage ist allerdings: Soll man die Meinung ändern? Habe
ich sie zu Recht?
Die Antwort darauf ist, dass die Frage falsch ist. Falsch
deshalb, weil sie eine Vorannahme beinhaltet, nämlich dass es
eine wahre Meinung gibt. Dass es das wahre Bedürfnis, die
wahre Neigung gibt. Irgendwo glimmend als leuchtender Kern.
Aber wahr ist in diesem Zusammenhang nicht definiert und auch
gar nicht definierbar.

Sind Sie sicher? Ich glaube schon, dass es wahre und falsche Meinungen und Ansichten gibt, man das nur in vielen Fällen nicht herausfinden kann, jedenfalls nicht einfach (das ist übrigens auch wieder eine Meinung).

Meinungen und Ansichten, sind ja das Ergebnis von Bewertungen, von subjektiven Bewertungen, der Realität, der verfügbaren Informationen und auch das Ergebnis von bisherigen Erfahrungen, Erfahrungswerten.

Beispiel Auslandsaufenthalt: Ich war vor nunmehr 20 Jahren für 3 Monate in den Vereinigten Staaten. Schüleraustausch. Ich war der Meinung, dass das ein tolles Abenteuer sein könnte und sehr bereichernd. Aber es war der Horror. Langweilig, trist und trostlos.
Mein bisheriges Amerika-Bild setzte sich fast ausschließlich aus dem Konsum von auf Hochglanz polierten Hollywood-Streifen zusammen und aus dem, was man so in Nachrichtenjournalen (Auslandsjournal, Weltspiegel, etc.) und Dokumentationen mitbekommt.

Dieses Amerikabild in meinem Kopf hat so gar nicht mir der vorgefundenen Realität übereingestimmt, folglich war meine ursprüngliche Meinung, ein Auslandsaufenthalt in den USA könnte mir viel Spaß bereiten, falsch. Meine Vorstellungen, meine Annahmen und Ansichten bezüglich der USA waren falsch.

Natürlich kann man jetzt wieder sagen: Naja, wenn Du irgendwo anders in den USA gelandet wärst, dort andere Leute kennengelernt hättest, dich vielleicht sogar verliebt hättest, dann wäre Dein USA-Aufenthalt ganz anders verlaufen und er hätte Dir sehr gut gefallen. In diesem Fall hätte dann auch mein Amerika-Bild gestimmt.

Anderes Beispiel:
Jemand ist der Meinung, dass sich die Aktienmärkte weiter positiv entwickeln, daher investiert er sein Geld in Aktien.
Ein anderer ist der Meinung, dass sich die Aktienmärtke negativ entwickeln, folglich investiert er nicht in Aktien.
Welche Meinung nun richtig war, wird sich herausstellen. Es kann aber nur einer Recht behalten. Entweder die Aktien steigen oder sie fallen.

In einem Korb liegt eine Schlange. Es ist eine hochgiftige schwarze Mamba. Herr A erkennt diese Schlange als schwarze Mamba und traut sich deshalb nicht, sie aus dem Korb herauszunehmen. Herr B hält diese Schlange fälschlich für eine harmlose Ringelnatter und nimmt sie aus dem Korb. Er wird auch tatsächlich nicht gebissen.

Hätte Herr B gewußt, dass es eine Giftschlange ist, hätte er sich möglicherweise ebenfalls nicht getraut.

Für einen fremden Beobachter - der wußte, dass es sich um eine schwarze Mamba handelt - hat die Situation aber so ausgesehen, als hätte sich Herr A nicht getraut, Herr B aber schon. Der Beobachter ist jetzt der Meinung, dass Herr A ein Feigling ist, Herr B ein Held. Diese Meinung ist aber unzutreffend. Der Beobachter hat mangels näherer Informationen den falschen Schluss gezogen. Gemessen an den Informationen, die er hatte, war es zwar die richtige Schlussfolgerung, trotzdem war sie - bei Betrachtung der Gesamtsituation - falsch.

Abschließend noch eine Bemerkung zum Thema eigene Wünsche und Erwartungen anderer.

Auch hier ergibt sich wieder eine Fehlerquelle, weil ich letztlich auch wieder nur vermuten kann, was andere von mir erwarten und wie ich von anderen gesehen werde, welchen Ruf ich habe, welches Image, etc.
Es gibt bekanntlich verschiedenen Perspektiven: Das Selbstbild, also die Selbstwahrnehmung, die vermutete Fremdwahrnehmung und die tatsächliche Fremdwahrnehmung.

Ich kann zwar vieles darüber aussagen, wie ich mich selbst sehe und wie ich glaube, dass ich von anderen gesehen werde, aber ich kann letztlich nichts darüber aussagen, wie mich andere tatsächlich sehen. Das wissen zwar die anderen, aber ich nicht.

Ich müßte Umfragen starten in meinem Bekanntenkreis, dann müßten die Befragten auch ehrlich sein und ich müßte das Gesagte dann auch noch so auffassen, wie es die anderen gemeint haben.

Alles ziemlich kompliziert.

Vielen Dank für Ihre Beiträge und schönen Tag,

Hilde

Hallo, Herr Kehr,

ich hatte Ihnen am 14.7. eine Rückmeldung auf Ihren letzten Beitrag zugesandt. Wie ich heute erfahren habe, gab es zu diesem Zeitpunkt bei wer-weiss-was technische Probleme.

Es kann also sein, dass Sie meine o. g. Rückmeldung nicht erhalten haben.

Falls dem so ist, melden Sie sich bitte, dann sende ich Ihnen meine Antwort nochmals zu.

lg Hilde

Hallo Hilde,
entschuldige die verspätete Antwort… Das ist eine interessante Frage. Ich kann die Frage aus der Verhaltenstherapeutischen Sicht beantworten.
Bei der Therapie von Ängsten wird die Exposition häufig angewandt um die Angst zu überwinden, das wäre eine Art Verlassen der Komfort Zone. Die Ängste, die mit Exposition behandelt werden sind meist solche, die das Leben deutlich einschränken.
Sich zu Überwinden um des Überwindens willens halte ich nicht für nötig. Sicher kann man jedoch neue Dinge erfahren, wenn man mal was riskiert.
Es geht bei dem Thema denke ich nicht um Glaubens und Wertsysteme, sondern nur darum dass man nicht immer auf Nummer Sicher gehen sollte, z.B. jmd der am liebsten allein zu Hause ist sollte mal auf eine Party gehen. So etwas zu tun wird aber nur für den nötig, der eben an seiner Einsamkeit was ändern möchte.
Fazit: Ich finde es nicht nötig die Komfort Zone zu verlassen, außer wenn man das Bedürfnis hat konkret etwas in seinem Leben zu ändern.
Ich hoffe die Frage ist so in etwa beantwortet.
Liebe Grüße

Hallo, Izumi,

vielen Dank.

Es geht bei dem Thema denke ich nicht um Glaubens und
Wertsysteme, sondern nur darum dass man nicht immer auf Nummer
Sicher gehen sollte, z.B. jmd der am liebsten allein zu Hause
ist sollte mal auf eine Party gehen. So etwas zu tun wird aber
nur für den nötig, der eben an seiner Einsamkeit was ändern
möchte.

Stimme ich voll und ganz zu. Meine Idee geht sogar noch weiter. Selbst wenn jemand am liebsten alleine zuhause ist und NICHT darunter leidet, ist es ja trotzdem denkbar, dass dieses Verhalten objektiv schädlich für ihn ist. Man kann auch Dinge gerne tun und trotzdem schaden sie einem.

Ich muss dazu etwas weiter ausholen, damit Sie verstehen können was ich meine:

Wenn jemand gerne alleine zuhause bleibt und nicht gerne ausgeht, dann gibt es dafür ja (subjektive) Gründe. Diese Ansicht, dass es zuhause viel schöner ist, als ständig unterwegs zu sein, ist ja das Ergebnis von bestimmten Bewertungen und Glaubenssätzen und Mustern, etc.

Wenn diese Person beim Ausgehen einmal positive Erlebnisse hätte und sich total amüsieren würde, hätte diese Person vom Ausgehen plötzlich ein ganz anderes Bild und fände Ausgehen plötzlich nicht mehr doof. Folglich fände sie auch alleine zuhause zu bleiben, nicht mehr so erstrebenswert.

Fazit: Auch wenn man nicht darunter leidet, kann man sich falsch verhalten und einem selbst schaden. Man sollte daher auch mal Dinge ausprobieren, von denen man sich ganz sicher ist, dass man sie nicht mag und ggf. wird man dann positiv überrascht.

Das ist aber nur meine persönliche Theorie und ich wollte eben wissen, ob die in psychologischer Hinsicht haltbar ist.

Schönen Tag, Hilde

Hallo Hilde,

Wenn jemand gerne alleine zuhause bleibt und nicht gerne
ausgeht, dann gibt es dafür ja (subjektive) Gründe. Diese
Ansicht, dass es zuhause viel schöner ist, als ständig
unterwegs zu sein, ist ja das Ergebnis von bestimmten
Bewertungen und Glaubenssätzen und Mustern, etc.

Das hatte ich vorher missverstanden… genau, wir werden in unserem Verhalten immer durch subjektive Werthaltungen/Glaubenssätze beeinlusst. In der Verhaltenstherapie wären dies handlungsleitende Schemata und Grundannahmen.

Wenn diese Person beim Ausgehen einmal positive Erlebnisse
hätte und sich total amüsieren würde, hätte diese Person vom
Ausgehen plötzlich ein ganz anderes Bild und fände Ausgehen
plötzlich nicht mehr doof. Folglich fände sie auch alleine
zuhause zu bleiben, nicht mehr so erstrebenswert.

Fazit: Auch wenn man nicht darunter leidet, kann man sich
falsch verhalten und einem selbst schaden. Man sollte daher
auch mal Dinge ausprobieren, von denen man sich ganz sicher
ist, dass man sie nicht mag und ggf. wird man dann positiv
überrascht.

Das ist aber nur meine persönliche Theorie und ich wollte eben
wissen, ob die in psychologischer Hinsicht haltbar ist.

Ja ich denke das ist so haltbar. Ich finde es aber schwierig, dies als Regel gelten zu lassen, im Sinne von jeder sollte sollte mal was wagen.
Vermutlich ist mein Blick schon zu stark therapeutisch :smile: Aber danke für die interessante Frage, es ist sicher lohnenswert über so etwas nachzudenken.
Liebe Grüße

Schönen Tag, Hilde

Hallo,

danke für das Feedback. Hatte vor allem mit Joe Kehr einen sehr sehr interessanten Dialog über dieses Thema. Ich weiß nicht, ob Du diese Beiträge auch einsehen kannst.

Herr Kehr war dann der Ansicht, dass meine Fragen schon eher in Richtung Philosophie gehen.

Vielleicht hat er ja Recht. Wären meine Gedanken tatsächlich psychologischer Natur, wären Ihnen diese Überlegungen sicherlich schon früher mal über den Weg gelaufen.

Gruß, Hilde

Hallo Hilde, weiß leider nicht, ob es sich bei der Frage um eine „private“ oder um Fragen, die sich auf eine Studienarbeit beziehen, handelt, wenn Studienarbeit, bin ich leider dafür kein Experte…

VG

Hallo, Berny,

es handelt sich um eine rein private Frage.

LG Hilde