Verrat und Moral - sorry lang

Hallo,

ein Informant hat hat ein großflächige Spionageprogramm der NSA im Internet publik gemacht, Deutsche Behören kaufen Datenträger mit Informationen über Steuersünder und Wikileaks veröffentlicht die Taten von Kriegsverbrechern.

Das, was da ans Licht kommt, ist erschreckend und eben auch ernüchternd zugleich. Wer nicht naiv oder weltfremd ist, der ahnt zumindest (ohne es beweisen zu können), dass Kriege mit Verbrechen Hand in Hand gehen, Geheimdienste auch dort ihre Wanzen reinstecken, wo sie nichts zu suchen haben und dass bestimmte Menschen nicht so wenig Steuer zahlen können, da man überschlagen kann, was sie verdienen und sie ihren Reichtum oft auch einigermaßen sichtbar mit sich herumtragen.

Man hofft, dass die Instanz „da oben“ das irgendwie im Griff hat und am Ende die Gerechtigkeit siegt. Dann hört man wieder von Steuersündern aus den höheren Etagen, die mit einem Portogeldbeitrag davon kommen, weil sie sich gestellt haben (während Otto, der mit seiner Einkommenssteuererklärung gemauschelt hat und nun die 30.000,00 Euro nicht zahlen kann, etwas gepfändet wird), der Kriegsverbrecher kommt mit einem erhobenen Zeigefinger davon während die Frau, die jahrelang von ihrem Mann missbraucht wird und ihn von hinten umbringt Jahre im Gefägnis verbringen muss und ein Kleinunternehmer, der am Arbeitsplatz eine Kamera aufstellt, weil er einen Verdacht auf Diebstahl hat, kommt vor’s Arbeitsgericht während der US Geheimdienst munter im Backend von diversen sozialen Netzwerken herumstöbern darf.

Zum Ausgangspunkt: da arbeitet einer beim Geheimdienst und bekommt etwas mit, was ihm nicht schmeckt und er vermutet dass der überwiegende Rest der Welt das auch so sieht und gibt es an die Presse.

Wie ist das moralisch zu bewerten? Ist das Petzen oder Ziwilcourage?
Wer verusacht am Ende den größeren Schaden? Was hätte Kant dazu gesagt?

Bin gespannt auf eure Antworten!
Viele Grüße

Hi

ein Informant hat hat ein großflächige Spionageprogramm der
NSA im Internet publik gemacht, Deutsche Behören kaufen
Datenträger mit Informationen über Steuersünder und Wikileaks
veröffentlicht die Taten von Kriegsverbrechern.

Ich finde deinen Vergleich durchaus interessant und bedenkenswert.
Meinem Gerechtigkeitsgefühl nach sind Leute wie Snowdon und Julian Assange ehrenwerte Idealisten, die man nicht strafverfolgen, sondern entlohnen sollte. Den kriminellen Umgang der Bundesregierung mit Hehlern (Steuer-CDs) sehe ich hingegen sehr problematisch.
Gruß,
Branden

Hallo Chili,

Für PRISM, Patriot Act & Co…

Gesetzt den Fall, die Zivilcourage dieser Männer hätte es nie gegeben, dann wäre der größere Schaden entstanden. Nämlich in dem Sinn, dass sich Demokratien durch überzogene Abwehrfronten „zu Tode schützen“ und wesentliche Voraussetzungen der rechtsstaatlichen Demokratie aufgeben.

Karl R. Poppers Gesellschaftsmodell der „Offenen Gesellschaft“ leidet wenn Staaten zu Repressionen und Einschränkungen von Bürgerrechten greifen. Die Anti-Terror Politik der USA und die Aussetzung von Grund- und Menschenrechten in Gefangenenlagern wie Guantanamo sind bereits Beispiele für überzogene Reaktionen auf extremistische Angriffe, in denen Demokratien ihre eigenen Grundlagen unterhöhlen.

Gewiss, Freiheit ohne Sicherheit ist nicht möglich, aber es gilt auch umgekehrt (Ulrich Beck): „Ohne Freiheit verliert Sicherheit ihren Sinn. Wer die Gefahr der Terrorattentate dazu nutzt, mit den Sicherheitsversprechen die Freiheitsrechte zu (er)drosseln, schafft am Ende eine geschlossene Gesellschaft.“

Leider sind nun diese Männer die verfolgten, anstelle derer, die die Demokratie unterhöhlen. Wenn dieses Unterhöhlen sich weiter fortsetzt, wird der Terrorismus gewinnen, ohne dass dessen Exponenten noch zu den Waffen rufen müssen.

Grüße
fliegerbaer

Hallo Chilli,

die Morallehre unterscheidet zwei Grundrichtungen, die sich seit Jahrhunderten bekämpfen:
die Fraktion, welche sagt „der Zweck heiligt die Mittel“;
demgegenüber die Fraktion, welche gewisse Tabus aufstellt. Die moralischen Fragen bewegen sich meistens irgendwo zwischen diesen zwei Grundrichtungen.

Petzen oder Zivilcourage

Ich halte es für Petzen, übrigens nicht wegen dem Datenklau und weil ich Schweizer bin, sondern vor allem weil die Medien nicht Richter sind. Die Fälle, die Du beschreibst, gehören vor den Richter. Ausnahme ist der Fall, wo kein anderes Mittel mehr zur Verfügung steht. Ich halte diesen Fall für äusserst selten, evtl. ist Wikileaks einer der ganz wenigen, aber auch nur in Teilen.

Was hätte Kant dazu gesagt?

Er hätte es verurteilt, weil er nicht oder kaum damit rechnet, dass der „grosse Übeltäter“ erst durch die „grosse Glocke“ zur Strecke gebracht werden könne.

Gruss,
Mike

Hallo!

Was hätte Kant dazu gesagt?

Er hätte es verurteilt, weil er nicht oder kaum damit rechnet,
dass der „grosse Übeltäter“ erst durch die „grosse Glocke“ zur
Strecke gebracht werden könne.

Wenn man versucht, seine Argumentationsweise von da
(http://www.zeno.org/Philosophie/M/Kant,+Immanuel/%C3…)
nach hier zu übertragen, dann kann man vielleicht sagen:

Kant hätte den Verrat verurteilt, weil er eine grundsätzliche
Entwertung des Prinzips der Wahrhaftigkeit ist.
Selbst wenn der Verrat viele Menschen vor Verletzung schützt,
so verletzt er doch den Menschen überhaupt.

Wer darin einen „leeren Formalismus“ sieht, wäre damit nicht der
erste :wink:

Gruß
Tyll

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Hallo,

die Morallehre unterscheidet zwei Grundrichtungen, die sich
seit Jahrhunderten bekämpfen:
die Fraktion, welche sagt „der Zweck heiligt die Mittel“;
demgegenüber die Fraktion, welche gewisse Tabus aufstellt. Die
moralischen Fragen bewegen sich meistens irgendwo zwischen
diesen zwei Grundrichtungen.

Ja, genau das meinte ich: was wiegt denn in der moralischen Waage schwerer? Die Tat an sich oder das Öffentlich-machen?

Ich halte es für Petzen, übrigens nicht wegen dem Datenklau
und weil ich Schweizer bin, sondern vor allem weil die Medien
nicht Richter sind. Die Fälle, die Du beschreibst, gehören vor
den Richter. Ausnahme ist der Fall, wo kein anderes Mittel
mehr zur Verfügung steht. Ich halte diesen Fall für äusserst
selten, evtl. ist Wikileaks einer der ganz wenigen, aber auch
nur in Teilen.

Die Medien sind keine Richter, aber die Rezipienten werden von ihnen beeinflusst. Die Rezipienten sind aber ebenfalls keine Richter. Darum geht es mir aber auch nicht, sondern eher warum der Informant (bzw. seine Tat) oft ebenfalls in Frage gestellt wird - vielleicht sogar aus eigennützigen Motiven, vielleicht um die Welt zu verbessern oder aber auch aus Rache.

Was hätte Kant dazu gesagt?

Er hätte es verurteilt, weil er nicht oder kaum damit rechnet,
dass der „grosse Übeltäter“ erst durch die „grosse Glocke“ zur
Strecke gebracht werden könne.

Was hätte er veruteilt: den Informanten oder der Täter?

Kommt es mir nur so vor, oder haben wir zwei Arten von Gesetzen: eins für den gemeinen Bürger und ein weiteres für die Spitze der Pyramide? Wenn es so ist, warum stellt das niemand in Frage - angefangen mit den Richtern?

Viele Grüße

Hallo,

sehe ich zwar auch so (auch wenn Assenge auch ein Paar dunkle Flecken auf seinem blassen Teint hat).

Den Datenkauf der Bundesregierung halte ich für einen ziemlich faulen Akt. Sind sie nicht in der Lage durch eigene Mittel, Ermittlungen und Arbeit an Informationen heranzukommen, wird es eben auf äußerst fragwürdiger Weise gekauft). Ich gehe auch davon aus, dass der „Verkäufer“ ein rein finanzielles Interesse dabei verfolgt und kein idealistisches.

Viele Grüße

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Hallo Chilli,

den Informanten oder den Täter

Ich beurteile hier nur den Informanten, dessen Tat sich ja zum Teil nach der Bezugstat richten muss.
Beispiele:
A) Ein kleines Mädchen bekommt von einem besoffenen Taugenichts einen Fusstritt, als er wieder nüchtern ist, sitzt er mit dem gleichen Mädchen unter vier Augen in der Wirtsstube, das Mädchen schimpft mit ihm und beklagt sich.
B) (neulich in unserer Gemeinde:smile: Wo jahrzehntelang immer Plakate gehangen haben, in der Nähe einer Fahrstrasse, ist es jetzt neuerdings verboten, solche hinzuhängen, sondern man muss 5 Meter weiter hinüber mit dem Plakat. Ein Bürger hängt nichtsahnend ein Plakat an den alten Platz, ein anderer beobachtet ihn. Dieser andere weiss nichts Besseres und geht zur Gemeinde, zeigt jenen an, die Folge ist eine saftige Busse.

Ich denke, zu den beiden obigen Beispielen erübrigen sich Kommentare. Folgerung: Es gibt jedenfalls Informanten, die richtig, und Informanten, die falsch handeln.
Der „Verrat“ an sich kann ja ein Grenzfall sein.

Gruss,
Mike

Hallo Mike,

einen Unterschied möchte ich herausstellen, zwischen Deinem Fall B und dem Fall des Edward Snowden:

in Deinem Fall B verrät ein Bürger einen gleichgestellten anderen an die Obrigkeit. Es entsteht ein vollkommen sinnloser Schaden, nicht nur die Geldstrafe, sondern auch eine Verschlechterung des zwischenmenschlichen Klimas im Ort.

Im Fall Snowden tut die Obrigkeit etwas, dessen Folgen wir noch nicht absehen können. Diese (US-)Obrigkeit baut sich ein mächtiges Instrumentarium auf, von dem jede Diktatur früherer Zeit nur hätte träumen können. Es entsteht eine riesige heimliche Machtfülle ohne jede demokratische Legitimierung. Unter dem Vorwand der Sicherheit und Terrorismusabwehr. Vielleicht verwandeln sich unsere westlichen Demokratien allmählich über Jahre und Jahrzehnte in Diktaturen.

Wenn wir (also die Pyramidenbasis) darüber Informationen bekommen, können wir uns zumindest darauf einstellen, vielleicht (?) auch Mittel finden, uns gegen diese Entwicklung erfolgreich zu wehren: Wissen vergrößert die Handlungsmöglichkeiten.

Diese pragmatische Betrachtung führt mich zu einer grundsätzlich anderen Bewertung, im Vergleich zu dem Bosheitsakt Deines Falls B.

Grüße,

I.

Hallo chilli,

ich begrüße in höchstem Maße, dass unser Staat durch den Kauf von Steuer-CDs sich das zurückholt, was ihm zusteht. Er hatte als legitimer Souverän das Recht, die Steuern einzunehmen. Von daher hat nicht er, sondern die Steuerschuldner den Kampf um die Vorteilsnahme eröffnet. Ich sehe nur ungern, dass ausgerechnet der Staat dabei ins Hintertreffen geraten soll. Vor reiner Willkür, das ist das, was die Steuerhinterzieher betreiben, würde ich mich ansonsten nicht mehr geschützt fühlen.

So. Und jetzt zu Deiner Frage: Ich wette, dass jeder von denen die sich zu Deiner Frage gemeldet haben, der Art lügen, dass es nur so kracht. Kaum dass sie die Augen aufgeschlagen haben.

Na ja, das trifft auf mich dann wohl genau so zu. Sage ich so, denn das kann natürlich auch gelogen sein.

Der US-Agent Snowden ist ein ganz armes Schwein. Er konnte doch nur belügen. So oder so. Den demokratisch legitimierten Staat, die narzistisch-sprunghafte Öffentlichkeit (selbst hier im Forum verstecken sie sich ohne Gewissensbisse; hinter der Umgangssprache als aller erstes und diskreditieren Menschen, die in der Prostitution arbeiten als Billignutten; Menschenrechte? Pha!), vielleicht auch seine hübsche Freundin oder nur sich selbst?

Kant, der alte Sack, liefert dazu nicht die um so dringender notwendigen Antworten. Die Besonderheit des Falls der Datenausspähung hätte ihn ohnehin überfordert, den Kritelkopf. Wer will ihm das auch verdenken? Wer von uns hätte denn das Vorstellungsvermögen gehabt, einen solchen komplexen Sachverhalt gedanklich abzudecken? Warum also immer Opa fragen? Lieber selbst Courage zeigen.

Zuvor jedoch stellt sich die Frage, wen Snowden besser nicht belogen hätte; wem er mit seiner subjektiven Wahrheitsliebe (toll, toll, toll) womöglich nur einen Bärendienst erwiesen hat?

Grüße mki

Hallo

Kommt es mir nur so vor, oder haben wir zwei Arten von
Gesetzen: eins für den gemeinen Bürger und ein weiteres für
die Spitze der Pyramide? Wenn es so ist, warum stellt das
niemand in Frage - angefangen mit den Richtern?

weil wir das von klein auf so gelernt haben, hinzunehmen, daß die oben andere Rechte haben als wir unten. „Quod licet iovi, non licet bovi“, oder in derbem Deutsch: „Was dem Herrn erlaubt ist, das darf das G’scherr noch lange nicht“, wer kennt das nicht?

Aber es ist mehr als gelernt, es ist ererbt. Alle Tiere, die in Horden, oder in Gruppen leben, leben in Hierarchien, es gibt Alphatiere und in Abstufungen die Übrigen. Auch bei den Menschen. Oben und Unten, und daß die an der Spitze mehr dürfen, das ist uns das Natürliche, das wir nicht ohne triftigen Grund in Frage stellen.

Man kann es auch noch anders ausdrücken: die erste Gruppe der Bezugspersonen, in der ein Mensch lebt, wird auch Primärgruppe genannt, meist ist es die Familie. Da gibt es Eltern, die sind oben. Man selbst ist unten, auch die Geschwister, wenn es sie gibt, später die Mitschüler. Dieses Schema ist Vorbild für spätere hierarchische Beziehungen wie Lehrer zu Schüler, Chef zu Angestelltem, Staat bzw. Obrigkeit zum Untertan bzw. Bürger, usw.

Die Eltern dürfen immer mehr als die Kinder, die da oben dürfen auch immer mehr als die hier unten. Es wird vielleicht darüber geschimpft, wirklich in Frage gestellt wird es nicht, dafür ist es uns zusehr im Blut.

Demokratisierung, die Idee von der Gleichheit der Menschen, dazu bedarf es schon eines Prozesses analog der Pubertät im Leben eines Individuums. Es ist kein Zufall, daß wir die meiste Zeit unserer bekannten Geschichte in Monarchien gelebt haben.

Grüße,

I.

Hallo,

ich verstehe den Zusammenhang des von Dir verlinkten Textes mit dem Verrat nicht. Den der Verrat ist ja die Äußerung von Wahrheit, wenn auch vielleicht unaufgefordert und auf jeden Fall gegen den Willen eines der Beteiligten. Da sehe ich also nicht den Widerspruch zum Prinzip der Wahrhaftigkeit (es sei denn es handelte sich um absichtliche Falschinformation).

Ich habe noch ein anderes Verständnisproblem: ich bin weit davon entfernt ein Kenner von Kant zu sein, eigentlich habe ich nur das Bild eines Aufklärers vor mir: „Wage es, dich deines Verstandes ohne Anleitung durch einen Anderen zu bedienen!“. Und dann solche kontextfreien Prinzipien wie das der unbedingten Wahrhaftigkeit. Man stelle sich vor: ein Trupp Nazi-Soldaten durchkämmt ein Dorf. „Gibt es hier noch Juden?“ - und die nach Kant moralisch einzig einwandfreie Antwort wäre etwa wahrheitsgemäß: „Ja. im Keller des Hauses schräg gegenüber sind einige.“ So allgemeine Prinzipien, die unbedingt einzuhalten sind, scheinen mir dem sapere aude-Motto zu widersprechen.

Grüße,

I.

Pragmatisch und nicht gelogen
mki,

ich begrüße in höchstem Maße, dass unser Staat durch den Kauf
von Steuer-CDs sich das zurückholt, was ihm zusteht. Er hatte
als legitimer Souverän das Recht, die Steuern einzunehmen. Von
daher hat nicht er, sondern die Steuerschuldner den Kampf um
die Vorteilsnahme eröffnet. Ich sehe nur ungern, dass
ausgerechnet der Staat dabei ins Hintertreffen geraten soll.
Vor reiner Willkür, das ist das, was die Steuerhinterzieher
betreiben, würde ich mich ansonsten nicht mehr geschützt
fühlen.

Mal abgesehen davon, dass sich ein Staat außerhalb der von ihm proklamierten und daher auch zu 100 % zu vertretenden Rechtsstaatlichkeit stellt, was an sich schon ein immenses Problem darstellt, gibt es einen ganz pragmatischen Grund solche Daten nicht aus illegaler Hand um gar nicht wenig Geld zu kaufen :

Dieselben Typen räumen dir vielleicht nächste Woche dein Bankkonto leer, hacken deinen PC, deine Passwörter, spammen in deinem Namen (mit deiner e-Mail-Adresse) oder, oder… Über Wasser halten können sie ihre illegalen Server und ihr illegales Netzwerk auch ganz gut mit dem vom Staat erhalten „Lohn“.

[…] Ich wette, dass jeder von denen
die sich zu Deiner Frage gemeldet haben, der Art lügen, dass
es nur so kracht. Kaum dass sie die Augen aufgeschlagen haben.

Ich schlage die Augen auf, … und … es kracht nicht.

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Snowden - ‚mein Arbeitgeber betrügt Dritte‘
Hallo idomeneo,

Snowden ist in einer Doppelrolle:

  1. Er möchte sich aus seinem Job zurückziehen, aus ethischen Motiven
  2. Er muss sich überlegen, mit welchen Mitteln er dem Treiben ein Ende setzen könnte.

Die zwei Rollen hängen zwar zusammen - natürlich sind die Motive zum Gehen dieselben wie die Motive, die ihn zum Kampf gegen seinen früheren Arbeitgeber antreiben. Das Wissen Snowdens ist aber weder eine Legitimation zu Verrat noch ein wirksames Mittel. Mir stellt sich insbesondere die Frage: Was hat Snowden mit seiner „Öffentlichkeitsarbeit“ denn erreicht? Mag sein, dass ein Fall aufgedeckt ist - in hundert weitere sind die Chefs bzw. ist die Regierung der Amis noch verwickelt.

Es mag sein, dass der Misserfolg ihm Unrecht gibt. Mit andern Worten: Hätte das Verhalten Snowdens wirklich positive Folgen für die Weltkarte (Freiheit der Völker, Freiheit der Meinungsäusserung auf dem Netz u. dgl.), würde ich es vielleicht anders beurteilen. So aber sollte man schon fragen, wem denn Snowden das Vertrauen schenkt und ob die Medien gerade der schlauste Partner waren.

Gruss,
Mike

hallo fliegerbaer,

„Wehret den Anfängen!“, lautet Dein Plädoyer. Dich sorgt offenkundig, dass der Staat systemische Hackerangriffe auf Banken begünstigt, um an Steuerdaten zu gelangen. Ob, das nicht auch nur ein krimineller Akt sei, wie die Steuerhinterziehung selbst? Ja das ´Risiko´ keinesfalls jedoch ´Gefahr´ ist gegeben (im Sinne von ´nicht ausgeschlossen´) und wirft tatsächlich deshalb die Frage auf, wo das denn bitte enden soll?

Das ist ein Problem, aber nicht wirklich einschneidend. Sollte daher in keinem Fall dazu führen, ein Denkverbot bezüglich des Kauf von Steuer-CDs durch die Steueraufsicht auszusprechen. Denn die Gegenseite, die Steuerhinterzieher, die nutzen das zu Ihrem eigenen Vorteil bloß aus. Die rechtsstaatliche Problematik und der gesamte deomokratische Rechtsstaat ist denen, gelinde gesagt, egal.

Das macht sie nicht gleich zu Staatsfeinden, aber sie behandeln den Staat wie eine Ware.

Ob indes die streitige Ware (Steuer-CD´s) daher tatsächlich so heiß, also illegal, ist, wie jede andere x-beliebige Ware die, weil die Cds in vielleicht durchaus robuster Weise erworben (!) wird? So lange rechtsstaatliche Ziele nicht mit rechtsstaatlichen Werten (Menschenrechte und informationelle Selbstbestimmung) kollidieren?

In wie weit dann aber Banken, denen nachgewiesen wird, dass sie, bewusst oder nicht, sich dem Vorwurf der Hehlerei nach § 159 StGB aussetzen, für sich noch auf die Einhaltung rechtsstaatlicher Werte pochen können, halte ich für eine ziemlich sicher zu beantwortende Frage.

Dieselben Typen räumen dir vielleicht nächste Woche dein
Bankkonto leer, hacken deinen PC, deine Passwörter, spammen in
deinem Namen (mit deiner e-Mail-Adresse) oder, oder… Über
Wasser halten können sie ihre illegalen Server und ihr
illegales Netzwerk auch ganz gut mit dem vom Staat erhalten
„Lohn“.

Was die „Typen“ und „Typsen“ in ihrer Freizeit noch alles so anstellen lässt sich einfach nicht voraussagen. Und außerdem hängt eine Straftat von viel mehr Faktoren und Umständen ab, als dass die Hacker, womöglich mein Bankkonto sofort leeren werden wenn sie nur dessen Existens erahnen. Ich halte das für ein überschaubares Risiko, keine Gefahr; im Gegensatz zu der Frage der nicht geklärten Endlagerung von ausgedienten Brennstäben von Atomkraftwerken. Grundsätzlich bin ich skeptisch, wenn gemeint wird, eine mögliche also nicht einmal eine wahrscheinlich werdende Straftat, verhindern zu müssen. Nix muss. Allenfalls sollte. Denn die Frage, wo das denn bitte enden soll, ist ganz bestimmt nicht unberechtigt.

[…] Ich wette, dass jeder von denen
die sich zu Deiner Frage gemeldet haben, der Art lügen, dass
es nur so kracht. Kaum dass sie die Augen aufgeschlagen haben.

Ich schlage die Augen auf, … und … es kracht nicht.

Darf ich daraus schließen, dass Du mit den weiteren Ausführungen von mir leben kannst?

Zu Kant wäre noch zu sagen, dass Kant in der Zeit des absolutistischen Königs von Preußen, Friedrich II., lehrte. Kein Wunder also, dass Kant meinte, dass die Liebe zur Wahrheit unabdingbar und die Lüge unmoralisch sei. Friedrich II. dürfte wohl nichts anderes gehört haben wollen.

Grüße _ mki _

Jetzt ist mit Ecken und Kanten zu ‚kanten‘
Hallo mki,

die Frage, wo das denn bitte enden soll, ist ganz bestimmt
nicht unberechtigt

Da hast Du Recht.

Aber Du äusserst Dich im Nachsatz fragwürdig.

Zu Kant wäre noch zu sagen, dass Kant in der Zeit des
absolutistischen
Königs von Preußen, Friedrich II., lehrte. Kein Wunder also, dass
Kant
meinte, dass die Liebe zur Wahrheit unabdingbar und die Lüge
unmoralisch sei.

Hier haust Du mir (und wohl andern auch) kurzerhand nicht nur meinen Monarchiebegriff, sondern indirekt auch meinen Demokratiebegriff zu Brei.
Selbstverständlich gehört auch zu so manch demokratischer Moral (und hoffentlich!!), dass die Liebe zur Wahrheit unabdingbar und die Lüge unmoralisch sei.
Wenn die Wahrheit nicht existiert (häufig die allgemeine Annahme des Atheismus), dann liebt man eben etwas, das nicht existiert.
Existiert sie (häufig die allgemeine Annahme von Religion), dann liebt man eben etwas, das ausserhalb dieser Welt ist (und mit der Welt, je nach Art der praktizierten Religion, so oder anders in Kontakt tritt).

Aber sie nicht zu lieben, bedeutet, letztendlich überhaupt nicht lieben zu können. Man müsste ja den Begriff der Liebe auch entleeren, wenn er nicht wahr sein darf. Also könnte man überhaupt nicht lieben, wenigstens nicht bewusst. Das Wort „Liebe“ und „lieben“ wäre auf jeden Fall hinfällig, anders kann das logisch nicht verstanden werden.

Also ist Kants (=die von ihm übernommene) Argumentation in diesem Punkt alternativlos!

Gruss,
Mike

hallo fliegerbaer,

„Wehret den Anfängen!“, lautet Dein Plädoyer.

Da hast du mich falsch verstanden, nicht das letzte mal übrigens. Jemand (hier der Staat) stellt Regeln auf, an die sich jeder zu halten hat, außer er selbst, weil er es für angebracht hält? Oder vielmehr: Weil er die Macht hat sie in seinem Sinne außer Kraft zu setzen!

Und er tauscht hier eine Gruppe von Geld-Verbrechern gegen eine andere. Die, die frei gehen, schädigen Privatpersonen und Privatunternehmen, die, die er „kassiert“ sind jene, die den Staat schädigen.

Ähnlich argumentiert könnte man einen Mörder gegen den anderen ausspielen, jener der nicht mir schadet geht frei, wenn er den anderen verpetzt. Und man entlohnt ihn auch noch für die „(Staats-)Treue“. Mehr als fragwürdig.

Dich sorgt
offenkundig, dass der Staat systemische Hackerangriffe auf
Banken begünstigt, um an Steuerdaten zu gelangen. Ob, das
nicht auch nur ein krimineller Akt sei, wie die
Steuerhinterziehung selbst?

Nein, jeder andere der wissentlich bei Hehlern kauft hat mit Konsequenzen zu rechnen. Zumindest in Österreich laut § 164 StGB.

Das macht sie nicht gleich zu Staatsfeinden, aber sie
behandeln den Staat wie eine Ware.

Deine Bankdaten, deine Kreditkartennummer alles ist eine Ware, die gehandelt werden kann. Und auch wenn es nicht dich persönlich trifft (vorerst vielleicht sogar nur), die Schadenssumme und der Schaden für die Volkswirtschaft ist enorm.

[…]

auf dein verklärtes Bild vom Freizeit-Hacker gehe ich jetzt nicht ein, das gehört nicht hierher.

Tja, deine Devise scheint zu sein, der „Zweck heiligt die Mittel“ solange ich dadurch nicht behelligt werde. Egal von welcher Seite der zweifelhaften Partnerschaft.

Ein letztes noch: Wenn ich mich auf dieselbe Ebene stelle, wie die die ich (normalerweise) verurteile, welches Recht habe ich dann überhaupt noch zu urteilen? Oder anders: Wer für vogelfrei erklärt wurde, darf mit allen Mittel auch außerhalb der Rechtsstaatlichkeit verfolgt werden? Aber natürlich nicht von jedem. Mit dieser Methode werden zum Teil bereits Minderheiten oder unliebsame Störenfriede zu Terroristen erklärt und militärisch und geheimdienstlich verfolgt und gefoltert!

Was heißt wehret den Anfängen? Ich weiß nichtmal, ob das alles noch nichtig gemacht werden kann. Für mich sieht es so aus, als würde die junge Regierungsform der Demokratie weltweit scheitern. Kein Wunder, dass es „Unbeugsame“ gibt, die keinen Vorteil in einer von den USA oder dem Westen diktierten Demokratie sehen. Aber das sind alles Terroristen.

Gruß

hallo fliegerbaer,

zugegeben, Snowden, stellvertretendes Beispiel für andere seines Schlages, handeln märtyrerisch. Nicht ausgeschlossen, dass sie einen Schaden verhindert haben. Ist das aber überhaupt denkbar?

Denn das würde voraussetzen, dass eine strategisch angelegte Verschwörung gegen die Bürgerrechte von ganz oben im Gange wäre.

So wie etwa die Waffenlobby in den USA in der Öffentlichkeit behauptet, dass die Bürger entwaffnet würden und damit wehrlos wären gegenüber der US-Regierung. Bullshit!

Wird hier durch den Saloon bloß eine Sau nicht einfach nur durch eine weitere Tür gejagt?

Die Gefahren, die Du andeutest sehe ich aus vorgenanntem strategischem Grund nicht. Terror scheinst Du hingegen als ein vermeidbares Risiko statt eine tatsächliche Gefahr einzustufen. Das sichert aber nicht die Einhaltung der Menschenrechte.

Was sollte daher Anti-Terror Politik erreichen und auf welche Art und Weise?

Grüße mki

Hallo!

ich verstehe den Zusammenhang des von Dir verlinkten Textes
mit dem Verrat nicht. Den der Verrat ist ja die Äußerung von
Wahrheit

Stimmt, der Verrat äußert evtl. Wahrheit, jedenfalls nicht zwingend Lüge.
Als Akt aber ist er oder beruht er immer auf Lüge, weil er das explizit oder implizit abgegebene Verprechen der unbedingten ‚Bündnistreue‘, durch das der Verräter überhaupt erst in die Lage gekommen ist, in die jeweilige Gruppe zu gelangen und jenes Wissen zu erwerben, das er dann verrät, nachträglich als Lüge/Unwahrhaftigkeit heraustellt.

Deshalb bin ich der Meinung, dass man eine Passage wie die folgende ihrer inneren Logik nach auf den „Verrat“ übertragen kann:
Wahrhaftigkeit in Aussagen, die man nicht umgehen kann, ist formale Pflicht des Menschen gegen jeden,2 es mag ihm oder einem andern daraus auch noch so großer Nachteil erwachsen; und, ob ich zwar dem, welcher mich ungerechter weise zur Aussage nötigt, nicht Unrecht tue, wenn ich sie verfälsche, so tue ich doch durch eine solche Verfälschung, die darum auch (obzwar nicht im Sinn des Juristen) Lüge genannt werden kann, im wesentlichsten Stücke der Pflicht überhaupt Unrecht: d.i. ich mache, so viel an mir ist, daß Aussagen (Deklarationen) überhaupt keinen Glauben finden, mithin auch alle Rechte, die auf Verträgen gegründet werden, wegfallen und ihre Kraft einbüßen; welches ein Unrecht ist, das der Menschheit überhaupt zugefügt wird. [Herv. von mir]

Man stelle sich vor: ein Trupp
Nazi-Soldaten durchkämmt ein Dorf. „Gibt es hier noch Juden?“

  • und die nach Kant moralisch einzig einwandfreie Antwort wäre
    etwa wahrheitsgemäß: „Ja. im Keller des Hauses schräg
    gegenüber sind einige.“ So allgemeine Prinzipien, die
    unbedingt einzuhalten sind, scheinen mir dem sapere aude-Motto
    zu widersprechen.

Ich bin auch kein Kant-Experte.
In „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ zieht Kant die Engführung von Aufklärung und Freiheit.
Insofern heißt ‚sapere aude‘: Sei frei!
Freiheit ist bei Kant (im Rahmen der praktischen Vernunft) aber nicht nur die (aufklärerische) Freiheit vor der äußeren Autorität, sondern auch die Freiheit vor inneren Trieben und Neigungen wie Mitgefühl, Zuneigung usw.
Frei, vernünftig handelt der, der sich unbedingt dem allgemeinen Gesetz unterwirft, und das ist hier: „Du sollst immer und überal wahrhaftig aussagen“.
Mitgefühl mit den Juden wäre nicht vernünftig, ihre Denunziation schon. Nicht anders als die Zuneigung zum Freund, die Kant in dem von mir verlinkten Aufsatz diskutiert.

Dort schreibt Kant:
Es ist also ein heiliges, unbedingt gebietendes, durch keine Konvenienzen einzuschränkendes Vernunftgebot; in allen Erklärungen wahrhaft (ehrlich) zu sein.


Wobei diese Lesart Kants mit Sicherheit nicht die einzig mögliche ist.

Gruß
Tyll

Keine Freiheit für die Feinde der Freiheit…
Hallo mki,

Was sollte daher Anti-Terror Politik erreichen und auf welche
Art und Weise?

Man muss nicht gleich übers Ziel schießen. Deutschlands so genannte streitbare Demokratie und das Grundgesetz sind ein guter Weg.

Allgemein wird dir jedes Lehrbuch zu Extremismus verraten, dass Demokratien ohne Extremismus genauso wenig denkbar sind, wie eine Gesellschaft ohne Kriminalität. Ich würde es nicht gutheißen, wenn sich ein Ermittler krimineller Methoden bedienen darf, um gegen einen Verdächtigen (es gilt die Unschuldsvermutung) zu ermitteln.

Extremismus steht gegen Pluralismus, Toleranz und demokratische Verfahren, in den schlimmsten Spielarten steht er für die Vernichtung von schwer erkämpften Werten und Bürgerrechten, den demokratischen Werten oder Gesellschaften. Die zeitliche Entwicklung seit 9/11 zeigt, dass mehr und mehr dieser Bürgerrechte ohnehin nicht mehr zählen, denn der Zweck heiligt die Mittel, und wie es aussieht stimmen viel zu viele dem zu.

aber genug OT

Gruß
fliegerbaer