Hallo Martinus,
Ich freue mich, dass Du geantwortet hast. Du bist für mich einer der wichtigen Vertreter in diesem Forum, um das auch klar zu sagen. Wir müssen ja auch nicht immer einer Meinung sein. Wichtig wäre mir, dass mehr Menschen deutlicher für die „Wesentlichen Glaubensinhalte“ eintreten, daran mangelt es ehrlich gesagt.
Mein Eindruck war bisher, dass wir da Gemeinsamkeiten haben in puncto Nächstenliebe, auch was ihre Wichtigkeit innerhalb des Glaubens betrifft. Insofern ist es mir auch bei Meinungsverschiedenheiten wichtig, diese bedeutende Gemeinsamkeit (sage mit wenn ich mich täusche) hervorzuheben.
Nun zu Deinen Anmerkungen.
Nein, nicht direkt Ironie. Aber ich halte es für fragwürdig,
sich im Zuge der „ich passe mir alles so an, wie ich es haben
mag“-Spiritualität des 21. Jahrhunderts Religion so zurecht zu
biegen, wie man sie selbst gerade braucht. Man muß sich ja
keiner Religion anschließen, aber wenn, dann sollte man sich
auch auf das einlassen, was die einschlägigen Quellen dazu
schreiben - im Falle Christentum wäre es die Bibel - z.B. Röm
5, 12ff, wenn’s um die Erbsünde geht. Aber der Reihe nach.
Auslöser ist nach Römer 5 der Sündenfall Adams (interessanter
Weise macht Paulus hier nicht, wie die Kirche später gerne,
Eva dafür verantwortlich, aber das ist eine andere Baustelle):
Die Schlange hatte mit dem Versprechen gelockt, man könne
erkennen, was gut und böse sei - und dabei verschwiegen: Wer
diese Erkenntnis hat, kann sich nicht mehr auf Instinkte
verlassen, sondern muß nun immer und immer wieder abwägen und
die volle Verantwortung für sein Tun übernehmen - eine
Aufgabe, an der man leicht scheitert. Damit beginnen die
Probleme, zu deren „Lösung“ Jesus als Heiland auf den Plan
tritt.
Ich weiß nicht, ob Du meine weiteren Ausführungen von gestern zu dieser Frage gelesen hast.
Die Kirche erkennt die Evolutionstheorie an. Die Adam und Eva story kann es SO nicht gegeben haben. Wer glaubt denn noch sowas? Glaubst Du ernsthaft an die Story von Adam und Eva und der Schlange und dem Paradies? Ich hoffe nicht. Die Kirche (doch auch die evangelische) hat das doch zumindest schon mal die Adam und Eva Story als wörtlich zu nehmende Ausführungen schon abgehakt.
Wir wissen ja auch, dass die Kirche für Vollbremsungen und 180 grad Wendungen länger als ein vollbeladener Öltanker braucht, das ist ja nichts Neues (was ja auch Protestanten immer an der katholischen Kirche bemängeln…). Aber ich bin doch erstaunt über diese stark vereinfachte Darstellung von Dir bei dieser Story.
Wenn Du schon an der Erbsünde festhältst, dann müsstest Du einen Fragesteller doch zumindest darauf hinweisen, dass diese Story interpretationsbedürftig ist - jeder zumindest durchschnittlich gebildete Bürger kennt die Evolutionslehre in groben Zügen. Ich war noch nicht mal erwachsen, da war mir schon klar, dass die Schöpfungs- und Paradiesstory zu wissenschaftlichen Erkenntnissen zumindest SO nicht passen kann. Dass der Schöpfungsakt symbolischer Art gedacht ist, ist doch klar und logisch. Aber die Erbsündenstory passt einfach hinten und vorne nicht. Und die aus der Not der Evolutionserkenntnisse heraus folgenden Interpretationen sind mehr als dürftig. Daran ändert auch der Römerbrief nix.
Ich habe auch gestern darauf hingewiesen, dass die Hauptströme der christlichen Kirchen anerkennen, dass vieles in der Bibel nicht wortwörtlich zu nehmen ist und vieles auch historisch zumindest umstritten ist. Um so wichtiger ist es, das als richtig erkannte deutlich herauszustellen. Und die Evangelien (und er darin zitierte Jesus) sagen zu dem Thema auch nichts.
Du hast aber m.E. nicht auf die fatalen Konsequenzen der Erbsünde hingewiesen. Der Mensch sei von Geburt an Sünder! Er muss sich danach das Paradies erst noch erarbeiten. Lassen wir das erst mal kurz auf uns wirken - Absatz
Die Botschaft Jesu ist folglich mehr als bloße Nächstenliebe.
Das von ihm als „höchstes Gebot“ bezeichnete Doppelgebot der
Liebe besteht aus Liebe zu Gott und zum Nächsten. Sünde ist
demnach auch nicht einfach „Abwesenheit von Gutem“. Sünde ist
zunächst etwas, das zwischen Mensch und Gott steht (1). Das
betrifft zum Einen das konkrete Tun (oder Nichttun) im
Einzelfall, also z.B. die Mißachtung von Geboten (als
„Aktualsünde“). Als Erbsünde ist es die unterschwellige
Grundeinstellung „Ich Mensch bin so toll, daß ich alles
verstehen, denken, tun kann und darf“. Ein innerer, nach
Paulus allen Menschen eigener Drang, alles besser zu wissen
und zu können als Gott - ohne die Fähigkeit oder Bereitschaft,
auch die volle Verantwortung dafür zu übernehmen.
Nun zum Eingemachten: Wie Du schon richtig erkannt hast (ich entnehme dies Deinen Ausführungen between the lines), habe ich in meinen Beiträgen scheinbar losgelöst von allen Konfessionen immer wieder nur die Nächstenliebe (aufgelöst in Primärtugenden wohlgemerkt) hervorgehoben. Das Gebot der Gottesliebe habe ich „vernachlässigt“. Das stimmt. Warum habe ich das getan? Weil ich nicht Gott bin.
Ich habe gestern in meinem Beitrag ausführlich die Einstellung Kardinal Kaspers dargestellt. Ich weiß, er ist katholisch und ich weiß dass für viele Protestanten die Erbsünde eine immer noch große Rolle spielt. Kasper liegt, wie Du vielleicht weißt, die Ökumene sehr am Herzen (nicht nur qua seines Amtes). Er hat klar gemacht (wie gestern ausgeführt), dass Menschen, denen die Botschaft Jesu nicht zugänglich ist, trotzdem die Erlösung erlangen können! Also ich bin NICHT von Geburt an der Sünder, der nur durch Taufe (bisheriges Dogma der Kirche dazu) und Einhaltung BEIDER Gebote (Nächstenliebe und Gottesehre) zur Erlösung gelangen kann. Das ist konsequenter Weise das Ende der Erbsünde. Dies habe ich gestern weiter ausgeführt (würde mich freuen, wenn Du das noch mitnehmen könntest).
Und das ist der EINZIGE Grund, warum ich die Gottesverehrung bisher vernachlässigt habe in den Ausführungen. Wenn Menschen aus welchen Gründen auch immer, die ich weder be- und schon gar nicht verurteilen kann (ich bin nicht Gott) nicht an Gott glauben können und ihn folglich auch nicht verehren können, dann rate ich - schon aus philosopischen, soziologischen, psychologischen und (vielleicht glaubt er ja mit Zweifeln doch etwas) nicht zuletzt auch aus religiösen Gründen, die Nächstenliebe zu praktizieren! Kardinal Kasper glaubt jedenfalls an die Große barmherzigkeit Gottes für diejenigen, denen Gottes Botschaft nicht zugänglich ist.
Du sprachst von Instinkten die der Mensch dem Übermut geopfert hat (so interpretiere ich es). Ich habe gestern auf eine etwas modifizierte Sichtweise aufmerksam gemacht. Ich kann mir eine „Art Erbsünde“ vorstellen, wenn wir (auf Basis der Evolutionslehre) wissen, dass unsere geerbten tierischen Instinkte uns bei der Erfüllung Jesu Botschaft (manchmal)im Wege stehen (bei Paulus konnte Energie und Kampfgeist udn Siegeswillen auch positiv umgekehrt werden . Also Instinkt als Ursache von Überheblichkeit und Korrekitv ist das Leben und Sterben und die Botschaft Jesu.
Der Begriff Erbsünde ist dann allerdings auch falsch. Es sind von Gott gegebene Eigenschaften, die uns unkontrolliert auch zu Bösem („NICHTGUTEM“ führen können. Und Jesus hat das verändert. Diese Bild passt und passt auch zu der von Dir zizierten Stelle im Römerbrief, auch wenn ich (und wohl auch Kasper) es für Unsinn halte, dass alle Menschen bis zur Erlösung durch Jesus verloren waren (Römer 5, 14) was aber im Nachhinein auch schon egal ist, wenn sie es nun nicht mehr sein sollten.
Du hast weiter vieles ausgeführt, was ich nur untersteichen kann. Der Mensch hat Verantwortung für sein Handeln! Ja, für seins, nicht für das von Menschen, die vor viele tausend Jahren gelebt haben! Also hier geht es um die Sünde und nicht um die Erbsünde. Und ich gestehe auch zu, dass Abwesenheit von Gutem sich umgekehrt als Sünde definieren lässt. Das ist nun mehr die Diskussion um des Kaisers Bart.
Ich wollte es positiv Formulieren. ich möchte mich nicht wiederholen, aber wer Gutes selbst erfahren hat und gelernt hat, dass sein Umfeld dies in den Vordergrund stellt, der weiß von ganz alleine, dass NICHTHANDELN (Hilfsbereitschaft), Schlecht Handeln (Respekt, Einfühlungsvermögen, Mitleid) das Gegenteil von Gut - nämlich schlecht (oder Sünde) ist. Hier geht es vielmehr um den Paradigmenwechsel von Strafe und Drohung zu vorgelebter Liebe.
Und ich muß ganz ehrlich sagen, wenn ich mir das Handeln
vieler Verantwortlicher in Finanz-, Umwelt- oder
Gesellschaftsfragen ansehe, dann habe ich durchaus den
Eindruck, daß das eine ziemlich gute Beschreibung der
Tatsachen ist.
Sorry, jetzt habe ich Deinen Artikelsinn auseinadergerissen. Es ging hier um Verantwortung, die man übernehmen muss.
Ich kann Dir nur uneingeschränkt Recht geben. Aber es ist nicht immer leicht, hier Verantwortung klar zu machen. Viele Blindgänger im Finanzwesen waren (und sind) sich ihrer Taten überhaupt nicht bewusst. Sie glauben, dass sie Teil eines demokratischen Systems sind, die Summe der Privatinteressen das Wohl der Gemeinschaft immer mehrt und sie einfach nur Pech hatten. Hier gilt leider: die Gründe sind bisher nicht aufgearbeitet - geschweige denn ansatzweise abgestellt. Ähnlich ist es meist (nicht immer) beim Umweltschutz.
(1) Die Sünde als „Störung“ zwischen Mensch und Gott kann
dann zur Abwesenheit von Gutem in Bezug auf die Mitmenschen
führen, muß es aber nicht. Man kann auch Atheist sein (das
wäre aus biblischer Sicht natürlich eine Sünde gegenüber Gott)
und trotzdem einen vorbildlichen, guten Umgang mit den
Mitmenschen haben.
Der Atheist ist nach Kardinal Kasper NICHT zwingend ein Sünder, dem die Erlösung versagt bleibt (siehe meine Ausführungen dazu oben und gestern).
Abschließend zur Erbsünde: Ich kenne auch allzu calvinistische und sichselbstgeißelnde asketische Protestanten. Die Erbsünde wurde ihnen „in die Wiege“ gelegt
Die für Protestanten (und alle Menschen) so wichtige Reformation hat viele Fehler der Einheitskirche korrigiert. Sie war Vorreiter. Sollte sie nun bei der unsinnigen Erbsünde die Reform verschlafen?
Ich habe kardinal Kasper zitiert. hier noch ein link
http://www.welt.de/kultur/history/article13587981/Ei…
Beim letzten Papstbesuch erschien es so, als dass der Papst nicht recht auf die Protenstanten zugehen wollte. Hier wäre mal Gelegenheit umgekehrt einen wichtigen Schritt auf die Theologen der katholischen Kirche zuzugehen, einige von Ihnen sind offenbar schon sehr viel weiter.
Mal ganz ehrlich: Nehmen wir eine engagierte und allseits bekannte und beliebte Protestantin - Frau Käßmann. Glaubst Du im Ernst, dass wenn ein kleiner eingeborener ungetaufter Junge von vier Jahren im Amazonasdschungel vom Baum fällt und sich das Genick bricht, dass ihm dann aufgrund der Erbsünde die Erlösung verwehrt wird? Und glaubst Du, dass das die engagierte Pazifistin Frau Käßmann in den Tiefen ihres Herzens wirklich glaubt?
Die Erbsünde war immer ein Unsinn - Evolution hin oder her. Christen hätten (auch vor den Erkenntnissen zur Evolution) längst erkennen müssen, dass Erbsünde mit einem gerechten Gott, der Nächstenliebe in den Vordergrund stellt, unvereinbar ist.
Schönen Gruß von
ikarusfly