Von einem 104jährigen, der aus Tralien zog, auf dass ihm in dr Schwyz das Sterben gelänge

Die Geschichte ist ja bekannt, weil sie durch alle Medien ging.
Das soll jetzt hier auch nicht die 7.283ste Sterbehilfe-Diskussion werden, aber Frage anlässlich:

Warum klaffen eigentlich beim Thema Sterbehilfe die Haltung der „normalen Menschen“ (Umfragen zeigen etwa sehr deutliche Mehrheiten für aktive wie passive Sterbehilfe; Leserbriefe und Social-Media-Kommentare weisen in die gleiche Richtung) und die der „Experten“ (vorrangig sog. „Ethiker“, auch nicht-christlicher Provenienz) regelmäßig so dermaßen stark auseinander

Gruß
F.

° der bei weitem scharfzüngigste aller Thanatosoziologen, Feldmann, führt einen Aspekt davon so klausuliert aus: „Manche Studien ergeben, dass die kognitiven Welten und die Prioritäten der Betroffenen und der Expertendiskurse über gutes Sterben große Diskrepanzen aufweisen

Moin,

möglicherweise liegt es an dem Menschentyp, der sich zum Experten berufen fühlt. Überzeugt von der Richtigkeit der eigenen Meinung, ausgestattet mit bisweilen beängstigendem Sendungsbewusstsein und resistent gegen jede Art von Information, welche von der reinen Lehre abweicht. Dieser Expertentypus ist keineswegs auf die Debatte zur Sterbehilfe beschränkt, sondern man kann ihn im TV zu jedem Thema vernehmen.

Gruss Goetz

Die einem Gegenstand innewohnende Komplexität erfasst man manchmal erst, wenn man sich intensiver mit einem Thema beschäftigt. Diejenigen, die sich als Experten intensiv mit der Frage befassen, erkennen möglicherweise Probleme, die bei einer oberflächlichen Befassung mit der Problematik unerkannt und deswegen unberücksichtigt bleiben.

P.S.: Letzthin habe ich einen Artikel über holländische Rentner gelesen. In dem Artikel wurde berichtet, dass viele, die es sich leisten können, sich im Ausland niederlassen, um nicht bei vorliegen vorübergehender Unpässlichkeit gleich aus humanitären Gründen großzügige Hilfe beim Sterben zu bekommen. Ein Laissez-faire beim Töten wird anscheinend umso kritischer betrachtet, je näher der eigene Tod rückt.

Du ignorierst dabei, dass die Experten in einem Feld in der Regel das jeweilige Fach studiert haben und/oder über langjährige Berufserfahrung verfügen und deshalb sehr viel tiefgehendere Kenntnisse besitzen als der durchschnittliche Wohnzimmersessel-Schwadroneur.

:paw_prints:

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Hallo FBH,

die endgültige Antwort kenne ich leider auch nicht.

Vielleicht liegt es ja daran, dass die „Experten“ in ihre Überlegungen andere Aspekte mit hinein beziehen, als der sogenannte „normale“ Mensch, der bei Befragungen ja meistens nur von sich selbst ausgeht.
Sie haben vermutlich nicht nur den Einzelnen in seiner persönlichen Situation, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes im Blick.

Ich, beispielsweise, auch wenn ich kein Experte bin, würde einem Menschen in aussichtsloser Lage den Selbstmord nicht verweigern, fände aber eine Gesellschaft in der der Selbstmord anerkannt und einfach auszuführen wäre, einfach nur gruselig, da man die Probleme der Menschen, die sie in diese Situation hineingeführt haben, nicht anders lösen kann oder will und das Dilemma durch das „Wegwerfen“ des Betroffenen löst.

Überspitzt dargestellt wäre das eine Gesellschaft, in der der tattrigen und lästigen Omi von der erbwilligen Verwandschaft eingeredet werden kann, dass es im Jenseits schöner ist als hier und es deswegen Zeit wäre zu gehen.

Dein
Ebenezer

Das ist, glaube ich, das Problem. Emphatische Menschen, die sich immer wieder selbst reflektieren, hätten damit wohl weniger Probleme.
Die Sterbehilfe selber ist ziemlich knifflig. Wo setzt man eine Grenze? 90-Jährige mit Lungenkrebs ist ok? 30-Jährige mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, unheilbar mit unerträglichen Schmerzen mit Chemo und Bestrahlungen noch drei Monate ein unwürdiges Leben verlängert?
Man sollte schon auch auf die Experten hören, aber die Experten sollten auch öfters aus ihrem Elfenbeinturm herauskommen und sich mal das echte Leben anschauen. Die Diskussionen erscheinen mir oft sehr abstrakt und philosophisch und nicht mehr pragmatisch.
Ich habe mal eine wundervolle Frau kennengelernt, die in einem Hospiz gearbeitet hat. Ihre heitere, ausgeglichene, öfters sogar zynische Sichtweise auf den Tod und das Sterben haben mich sehr beeindruckt.
Man kann darüber wunderbar abstrakt diskutieren (wie übrigens über fast alle Themen des Lebens), solange man nicht selbst betroffen ist. Dann ändert sich oft die Sichtweise radikal.

Soon

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Der Satz ist mir zu abstrakt, weil er unspezifisch für „den Experten“ überhaupt gilt.
Z.B. ist es ja auch beim Thema der Abtreibung so, dass „Experten“ das Thema viel komplexer betrachten können als „Laien“. Hier besteht aber diese große Diskrepanz zwischen Experten-Diskurs und Betroffenen-Diskurs nicht.

Ich denke daher, dass eine pauschale Aussage über „den Experten“ zur Fragestellung, weshalb gerade beim Thema Sterbehilfe die Sichtweise so diskrepant sind, nicht viel beitragen kann.

Gruß
F.

Und Du ignorierst dabei, dass Experte kein geschützter Begriff ist und jedermann, von Vollprofi bis umfassend kenntnisbefreit, sich zu jedem Thema, von dem er selber annimmt, er hätte Ahnung davon, äussern darf und (wie man sieht, wenn man diverse Formate im TV konsumiert) auch tut.

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Das scheint mir ein wesentlicher Punkt zu sein.
M.E. geht’s nicht nur um weitere/andere Aspekte, sondern um eine prinzipiell unterschiedliche Sichtweise, denn der Experte führt ja (nur) einen ‚objektiven‘ Diskurs über die Sterbehilfe, mit dem er keinen Zugang bekommen kann zur ‚subjektiven‘ Lebenslage eines Menschen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Diskrepanz ein Ausdruck dieser grundsätzlich verschiedenen Perspektiven ist, wobei die „subjektive“ Perspektive ja keine falsch oder mangelhafte ist, sondern schlicht eine irreduzibel andere.

Mit der kursiven Passage widersprichst du deiner nicht-kursiven Aussage aus meiner Sicht komplett, denn damit zeigst du ja gerade, dass du auch als Nicht-„Experte“ die Gesellschaft-als-Ganze in den Blick nimmst.

Gruß
F.

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Dem kann ich viel abgewinnen, aber es ist halt auch eine abstrakte Aussage zum „Experten“ überhaupt, die für die hiesige Fragestellung m.E. nicht viel bringt (siehe meine Antwort auf Rot-Alge oben).

Ich glaube aber, dass es im Bereich der Sterbehilfe tatsächlich das Problem ist, welcher Art von Experten erlaubt wird, das Maul aufzumachen. Aus meiner Sicht ist das Thema einfach zu stark dominiert von Theologen und ihren säkularen Doppelgängern, v.a. Philosophen und Juristen. Soziologen oder Psychologen beispielsweise kommen im dem Diskurs kaum zu Wort, dabei wären das Wissenschaftszweige, die anders funktionieren als die Moral-Diskurse der oben Genannten.

Gruß
F.

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So sehe ich das auch.
Dazu kommt, dass die einzige Berufsgruppe, die Sterbende in der alltäglichen Realität begleitet, an diesem Diskurs null komma null teilnehmen kann, nämlich Pflegepersonal.
Da würde nämlich z.B. die Behauptung von der ach so tollen Palliativmedizin ziemlich schnell in sich zusammenbrechen.

Gruß
F.

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Ah, ich weiß nicht.
Kommt doch darauf an, worum es jeweils geht.
Natürlich weiß ein Mediziner mehr über die Wirkungsweise eines Medikamentes als du und ich, aber ob er mehr darüber weiß, welche gesellschaftlichen Auswirkungen die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe auf die Gesellschaft habe, würde ich bezweifeln.
Mutatis mutandis gilt das auch für die Theologen, Philosophen und Juristen, die diesen Diskurs vorrangig führen und in den Kommissionen sitzen.

Ich bin nicht generell „Experten-kritisch“, aber Expertenwissen ist halt immer auch unweigerlich Fachidiotie. Das unterschreibe ich für die Bereiche, in denen ich Experte bin, ja auch.

Gruß
F.

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Das Pflegepersonla würde ich nun gerade NICHT als Experten zurate ziehen: Häufig total überlastet, erleben sie alle Missstände in Pflegeeinrichtungen hautnah. Dass man da manchmal den Blick dafür verliert, dass Leben und Altern auch lebenswert gestatlte werden kann, ist klar.
Würdest du es gutheißen, Menschen „Sterbehilfe“ zu geben, weil in vielen Pflegeeinrichtungen unhaltbare Zustände herrschen, oder wäre es da nicht doch besser, für eine Verbesserung der Pflege zu kämpfen?

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Mir scheint, hier ist die Definition nicht ganz klar. Worin bitte sollen sich „normale Menschen“ von sogenannten „Experten“ unterscheiden? Kann es sein, dass du einfach die, die deiner Meinung sind, als „normale Menschen“ bezeichnest, alle anderen dagegen als „Experten“? Dann liegt die Erklärun,g, warum deren Meinungen auseinander klaffen, doch wohl auf der Hand?

Ich sehe Sterbehilfe durchaus auch kritisch, sehe mich aber trotzdem als „normalen Menschen“ (der selber auch sterben muss!).
Und nun?

Das ist aber doch gerade der Punkt, dass sie die Realität sehen, wie sie ist, und nicht nur, wie sie sein könnte.
Es geht ja nicht darum, dass sie die einzigen „Experten“ sein sollen, aber m.E. sind sie die einzige Berufsgruppe, die sehr nahe an der Klientel ist.

Um die vermeintliche Alternative „Sterbehilfe oder Verbesserung der Pflege“ gehts mir in diesem Thread absolut nicht.

Gruß
F.

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Experten = die Leute, die bei dem Thema in Gremien und Kommissionen sitzen, Ausschüsse bilden, darüber Fachpublikationen veröffentlichen oder in den Massenmedien als „Experten“ zu Wort kommen usw. Der sog. „Expertendiskurs“ halt.
Ist vielleicht keine perfekte Definition, aber zum Diskutieren hier sollte das reichen.

Ich hab überdies ja auch dieses Feldmann-Zitat angeführt, das die von mir wahrgenommene Diskrepanz untermauert. Als Beleg dafür gibt Feldmann mehrere Studien an, die ich nicht mitzitiert habe.

Wie und nun?
Es hat doch niemand auch nur ansatzweise behauptet, alle „normalen Menschen“ wären durch die Bank pro Sterbehilfe. Diese „Diskrepanz“ ist ja nicht schwarz-weiß gemeint.

Gruß
F.

Wer ist denn hier Experte?
Ein Priester oder Philosph, die über das Leben an sich schwadronieren, ein Jurist, der da ein Gesetz draus machen müsste, ein Arzt, der die Sterbehilfe durchführen müsste oder ein Historiker, der vielleicht weiss, dass früher auch schon kranken Menschen bein Sterben „geholfen“ wurde, die dies gar nicht wollten?
Und wie so haben diese „Experten“ durch die Bank eine andere Ansicht als der „normale Bürger“? Ist mir noch gar nicht aufgefallen.

Hab ich oben schon umrissen:
"Experten = die Leute, die bei dem Thema in Gremien und Kommissionen sitzen, Ausschüsse bilden, darüber Fachpublikationen veröffentlichen oder in den Massenmedien als ‚Experten‘ zu Wort kommen usw. Der sog. „Expertendiskurs“ halt.
Ist vielleicht keine perfekte Definition, aber zum Diskutieren hier sollte das allemal reichen."

Gruß
F.

häufig, oder immer wieder, nicht regelmäßig, bei keinem thema.

„experten“ vertreten „im auftrag“ interessen anderer (lobbyismus), „normale menschen“ ihre eigenen (egoismus).

„experten“ dienen der meinungsbildung, „normale menschen“ haben ihre meinung. sie sind aber alleine oder meist nicht organisiert und damit „anfällig“ für fremdinteressen.

experten sind eine art kampfansage an „die da draußen“, um deren meinung zu beeinflussen. sie vetreten meist keine mehrheiten, sind aber dienlich.

ein ausschließlich subjektives, individuelles.

„experten“ versuchen mittels moralischem druck ein gemeinschaftliches interesse zu generieren, fremd zu bestimmen, macht auszuüben oder diese zu unterstützen (lobbyismus).

derartige eingriffe in die persönliche freiheit müssten jeden erschüttern.

pasquino

Lobbyismus sehe ich bei dem Thema nicht unbedingt, aber der Aspekt „moralischen Druck generieren“ passt m.E. sehr gut. Die Sterbehilfe-Debatte ich aus meiner Sicht viel zu sehr Moral-beladen.

Gruß
F.

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