Hallo !
Ihr habt recht - das grösste Problem liegt wohl in der mangelnden Kinderbetreuung.
Häufig höre ich das Vorurteil, Kinder, welche schon sehr früh in Tagesstätten geschickt werden, könnten kein Vertrauen zu Bezugspersonen aufbauen, wären aggressiver, unkonzentrierter…
Es ist dann die Rede von dem angeblichen Wunsch, das Kind „weg zu organisieren“, wie man so schön sagt.
Sogar der Spiegel (weiss nicht mehr, welche Nummer) hat diesem Thema mal einen ausführlichen Artikel gewidmet.
So, und das ist jetzt wirklich lustig:
Bei der Sudie wurden Kinder in einer Krabbelgruppe mit einem Gerät versehen, das ihre Herzfrequenz misst. Es wurde festgestellt, dass diese durchschnittlich um ??? Prozent höher liegt als bei Kindern, welchen sich ausschliesslich die Mutter zuwendet, und die ein „richtiges“ Zuhause haben…
Äääähh - wenn ich zwei Jahre alt wäre, und irgendwer würde mir ein hartes, unangenehmes Gerät umschnallen, mit dem ich den ganzen Tag herumkrabbeln müsste - dann würde mein Herzchen vor Angst wirklich rasen… ))))
Bei der ganzen dummen Debatte frage ich mich, warum niemand nach Skandinavien schaut.
Seit Jahrzehnen sind dort Kindertagesstätten gang und gebe. Ab dem Alter von einem Jahr können die Kinder in die sogenannten „dagis“ gebracht werden.
Hausfrauen gibt es so gut wie nicht in Skandinavien, das sollte man sich klar machen.
Ein Drittel alle schwedischen Väter (von den anderen Ländern weiss ich es nicht) nehmen Erziehungsurlaub.
Und das heisst nicht, dass es in Schweden „endlich“ die Frauen geschafft hätten, die Männer unterzubuttern - das heisst, dass man dort vernünftig miteinander umgeht und die Arbeit teilt .
Häufig bleibt die Mutter das erste halbe Jahr Zuhause, der Vater das nächste halbe Jahr.
Akzeptiert man also als Faktum, dass skandinavische Kinder spätestens mit zwei Jahren in die Ganztagesbetreuung eingeführt werden, und hat man dabei die dazu in Deutschland herrschenden Vorurteile im Kopf, so müsste das heissen … dass alle Skandinavier geistesgestört, hyperaktiv, unkonzentriert usw, sind.
Das wäre der logische Umkehrschluss.
Stimmt aber nicht.
Ich war ein halbes Jahr in Schweden, und habe diese Ruhe im Umgang miteinander genossen, diesen sehr viel weniger aggressiven Umgangston, als er hier herrscht.
(Als ich in Deutschland das erste Mal wieder auf der Autobahn gefahren bin, dachte ich, ich sterbe, so irre wie hier alle fahren, drängeln, das war ein grosser Gegensatz).
Die gängigen Vorurteile, die die Schweden gegen uns Deutsche haben, sind wenig schmeichelhaft und lauten: „laut, reich, arrogant“. Müssen überall auffallen, müssen sich überall vordrängeln, müssen überall den grossen Hecht markieren…
Und was denken wir von den Schweden? Doch zu allermeist, dass sie sehr ruhig, sehr höflich, sehr sachlich sind. Meistens Einzelgänger, die eher durch Taten auffallen, als durch eine grosse Klappe.
Manchmal empfindet man (ich) sie auch als unsozial, weil sie im Studentenwohnheim eine geschlagene Stunde neben einem in der Küche sitzen und keinen Ton sagen. Weil sie einfach nicht aus purer Höflichkeit reden, wenn sie nichts besonderes zu sagen haben.
Dagegen kann man bei einer Party aber (wenn man Lust hat) den ganzen Abend stumm in der Ecke sitzen und seine Salzstangen knabbern - kein Mensch würde auf die Idee kommen, einen für langweilig oder unsozial zu halten.
Das Motto lautet „Wenn sie das tut, dann wird sie einen Grund dafür haben. Niemand handelt ohne Grund. Wenn ich den Grund nicht erkenne, mache ich meine Sache halt anders, und lasse sie in Ruhe.“
Und nochmal sei gesagt:
In Skandinavien gibt es keine „lieben“ Hausfrauen, die Kinder werden von früh an in Kinderhorten betreut.
Hätte das wirklich schädliche Folgen, so müsste man sie diesen Völkern längst angemerkt haben.
Kinder werden dort auch besser in den Alltag integriert.
So gibt es in Supermärkten nicht nur die Einkaufswägen mit Kindersitz wie bei uns, sondern auch solche, die statt dem Sitz eine kleine, gepolsterte Schale montiert haben, wo man den Winzling gemütlich reinlegen kann.
In der Aula der Uni stand in der Ecke ein Stapel mit Kinder-Hochstülen - damit jeder seine Kleinen mitbringen kann.
In den Rast- und Gaststetten gibt es Mini-Klos, wo die Kleinen selber raufkrabbeln können, ohne zu ersaufen, für Jungen gibt es ein extra niederes Pinkelbecken.
Nochmal - so dass es allen zum Hals raushängt - Was sind die Folgen davon?
Dass die Leute aggressiv, sozial gestört werden und alle Zeichen von Vernachlässigung zeigen?
Ganz im Gegenteil:
In Skandinavien bekommen die Frauen ihre Kinder wesentlich früher als hier.
Es ist nämlich gar kein Problem, während des Studiums ein Kind zu bekommen - man weiss es sicher versorgt, für das Anrecht darauf muss man nicht kämpfen.
Die Frage „Kinder oder Beruf“ stellt sich einfach nicht, denn das die Frau weiterhin arbeiten wird, steht ausser Zweifel.
Der schwedischen Wirtschaft geht es gut.
Schweden ist eines der reichsten Länder der Erde, ebenso Finnland, Norwegen und Dänemark (alles Länder mit Ganztagesbetreuung für die Kinder).
Die Debatte darüber, wie wichtig Ganztagesschulen sind, ist für mich einfach nur irre.
Es ist kein Eingeständnis an die Frauen, damit sie sich selbst verwirklichen können.
Man kann doch nicht auf der einen Seite heulen, dass es zu wenige Kinder in Deutschland gibt, und auf der anderen Seite nichts dafür tun, dass die Bedingungen zum Kinderkriegen verbessert werden.
Irgend jemand muss die Renten finanzieren. Und wenn man will, dass die Frauen in jüngeren Jahren oder überhaupt Kinder bekommen, dann sollte man einfach mal für ein paar Monate nach Schweden reisen und sich angucken, wie es da läuft.
Deren System hat nämlich Erfolg, unseres nicht.
Gruss, Bettina