von Scheunen und Erdnüssen
Moin,
eigentlich kann man Merkel keinen Vorwurf machen. Sie hat es ja mit Ehrlichkeit versucht. 2005 hat sie dem Volk gesagt, dass man kein Geld hat und die USt. erhöhen muss. Das hat sie den Wahlsieg gekostet. Die SPD hats dann gleich als Merkelsteuer bezeichnet, um nach der Wahl noch einen Prozentpunkt zusätzlich drauf zu legen. Die Erfahrung zeigt eigentlich immer, dass man dem Volk die harte Wahrheit nicht sagen darf, weil man sonst direkt bestraft wird.
Was hat Brüderle (vorausgesetzt, er hat es wirklich so gesagt) denn verkündet? In einer Runde von Industriellen hat er (in der Hoffnung, das bleibt vertraulich) gemeint, dass das Verhalten mit den Wahlen zusammen hängt. Wer wolle ihm widersprechen. Das Verhalten aller politischen Parteien momentan ziehlt auf die nächsten Wahlen ab, insbesondere das der Grünen, weil sie sich in BaWü besonders viele Hoffnungen machen. Das Moratorium (wer denkt sich eigentlich solche Namen aus?) ist nichts anderes als eine Überprüfung der Atomkraftwerke aufgrund neuer Sicherheitsgesichtspunkte. Sie werden einige werbewirksam abschalten aber den größeren Teil genau so lange am Netz lassen wie es vor sechs Wochen geplant war. Umgekehrt vermute ich eher, dass Brüderle, der gegen das Moratorium ist, einfach nur die Industrie beruhigen wollte bzw. das Verhalten der Regierung entschuldigen wollte. Wer letztendlich belogen wurde, lässt sich erst in einigen Monaten oder Jahren sagen.
Darüber hinaus wollte die SPD die AKWs doch nicht sofort vom Netz nehmen sondern erst in ein paar Jahren, die nun ein paar Jahre mehr werden. Um wieviel genau ist nun die Wahrscheinlichkeit eines deutschen Supergaus gestiegen oder auch nur die Wahrscheinlichkeit eines Gaus wie in Japan, von dem man nicht mal wirklich weiss, wie groß er eigentlich ist.
Und ganz ehrlich? Was sind denn momentan die Alternativen zu Merkel? Sie selbst scheint international (trotz der letzten Entscheidung im Sicherheitsrat) eine gewissen Macht zu haben, was nur gut sein kann. Schröder hat mit seinem Nein zum Irakkrieg innenpolitisch seine Wiederwahl gerettet, aussenpolitisch aber ne Menge Porzellan zerschlagen. Letzendlich war wohl das Nein nicht so konsequent, wie er es verkauft hat, darüber hinaus hätte eine diplomatischere Verhaltensweise Deutschland eher erlaubt, international seine Meinung geltend zu machen.
Da seh ich eigentlich nur Steinmeier, der international auch anerkannt wird, national aber innerhalb seiner eigenen Partei isoliert ist, quasi ein Helmut Schmidt des 21. Jahrhunderts, da er die HartzIV Gesetze mit gestaltet hat (das war zu Zeiten von Rot-Grün) sowie einige Auslandseinsätze (sowohl unter rot-grün als auch in der großen Koalition) angeleitet hat.
Und sollte sich doch jemand finden, der nur ansatzweise die Begeisterung eines Barack Obama auslösen könnte (was ich in Deutschland eher für unmöglich halte) dann kann man sich gerade ansehen, wie ein Barack Obama momentan in den USA von der politischen Realität eingeholt wird. Guantanamo ist immer noch offen und es werden wieder Militärgerichtsprozesse begonnen (was gegen eines der zentralen Wahlversprechen Obamas läuft), seine Pflichtkrankenversicherung wird nicht akzeptiert und wird wohl kostentechnisch aus dem Ruder laufen und der internationale Einfluss gerade im Nahen Osten schwindet, was ihn zwar von der Aufgabe als Weltpolizei quasi entbindet, aber ein Machtvakuum hinterlässt (worin Frankreich gerade mit Wonne stößt).
ABer kommen wir zurück zu Merkel. Sie ist sehr gut darin, Realpolitik zu betreiben, sie steht nicht für Visionen sondern für das Machbare. Wenn sie sofort alle AKWs abschalten könnte, würde sie es tun, einfach nur, weil sie damit die nächste Wahl gewinnt. Nur geht das nicht, weil Kernkraftwerke momentan noch nicht voll zu ersetzen sind. Ob und wann es soweit ist, darüber lässt sich trefflich streiten, nur sofort gehts eben nicht.
Manchmal wünsche ich mir fast einen Kohl zurück, der sich eher wenig um Wählermeinungen und Landtagswahlen gekümmert hat. Der hat sein Ding (das in den seltensten Fällen mein Ding war) durchgezogen. So wie Schröder Hartz IV. Und ich glaube auch, dass Merkel durch das Moratorium mehr Stimmen verliert als gewinnt.
Es ist ein weit verbreitetes Irrtum, dass eine Regierung das tun soll, was das Volk will. Es sollte stattdessen das tun, was das Beste für das Volk ist. Und nur die grundsätzliche Richtung wird alle vier Jahre neu vorgegeben.
Fällt eigentlich nur mir auf, dass, wenn man das bisherige Jahr 2011 betrachtet, sehr viele sehr wichtige Dinge passiert sind? Und dass wir mit der Guttenberg Diskussion eigentlich nur Erdnüsse beschrieben haben, während neben uns die Erdnussscheunen bersten? Aber Hauptsache, das Fischstäbchen strahlt nicht.
Gruß
ALex