Politische Fantasy-Parabel
Hi.
Schweine gab es im Judäa des 1. Jh. tatsächlich, da ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung noch polytheistisch war. Das wurde im vorausgehenden Post hinreichend deutlich dargestellt. Trotzdem bleibt einiges dazu zu ergänzen.
Nichts spricht dafür, dass sich das Geschilderte so ereignet hat, erst recht nicht, wenn man die Historizität des Protagonisten in Frage stellt. Darauf will ich hier aber nicht insistieren, es reicht, auf die mangelnde Logik der Handlung hinzuweisen.
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Dass eine Schweineherde in der Größenordnung von 2000 Stück gerade mal zufällig in der Nähe ist, wenn ein Besessener auftaucht, ist unwahrscheinlicher als ein Sechser im Lotto, vermutlich sogar unmöglich, und zwar vor allem wegen der großen Zahl. Rein zufällig ist sogar ein See in der Nähe, in welchen sich die Viecherl stürzen können, weil sie rein zufällig an einer Klippe weiden, die rein zufällig hoch genug ist, um den Sturz ins Wasser tödlich enden zu lassen.
Schweine sind nämlich gute Schwimmer, siehe:
https://www.youtube.com/watch?v=hp-iEG_7Te0
Oder sind die Schweine einfach absichtlich ertrunken, indem sie unter Wasser die Luft anhielten? Wie das? Tiere haben nicht die Intelligenz, so etwas zu planen. Dass Lemminge sich selbst töten, ist nur ein Mythos, der auf einer Disney-Doku mit gestellten Szenen beruht. Von anderen Tiere ist das auch nicht bekannt. Also verübten nicht die Schweine ´Selbstmord´ (etwa aus Angst vor den in sie gefahrenen Dämonen), sondern die Dämonen (oder der Dämon) trieben ihre neuen Wirte in den Tod. Warum aber das? Um zu demonstrieren, wie rücksichtslos sie Leben zerstören können? Warum opfern sie sich dann selbst? Dadurch werden sie doch „in Bann geschlagen“, wie M. richtig anmerkt.
Die Aktion macht also keinen Sinn, außer man nimmt sie als eine politische Parabel (siehe Punkt 2).
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´Jesus´ fragt nach dem Namen des Dämons, vermutlich, weil dessen Kenntnis eine Austreibung erleichtert. Als Antwort kommt: „Mein Name ist Legion, denn wir sind viele.“
Das Wort ´Legion´ in diesem Text wird von der Exegese als die römische Bezeichnung für eine Kampftruppe in der Stärke von 6000 Mann interpretiert. Zunächst mal: ´Legion´ ist kein Name. ´Jesus´ erfährt also gar nicht den Namen des Dämons - obwohl er danach fragt. Seltsam. Und doch gelingt sein Vorhaben. Es findet aber gar kein Exorzismus statt, vielmehr geraten der oder die Dämonen bereits durch die Androhung der Vertreibung in Panik und bitten in vorauseilendem Gehorsam darum, in die Schweine fahren zu dürfen
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Das aber nur am Rande.
Zurück zur ´Legion´: Das Wappentier der im 1. Jh. in Judäa stationierten Zehnten Legion, der ´Legio Decima Fretensis´, war ein Eber, und zwar auf Standarten, Siegeln und anderen Gebrauchsobjekten. Wieder ein Zufall? Eher wohl nicht. Der Bibelforscher John Crossan hat als erster die Theorie aufgestellt, die Story könne eine jüdische Parabel sein, in welcher die Römer sinnbildlich als Schweine erscheinen, die vom Bösen besessen sich vom Acker machen (sollen).
Dazu Dr. Thomas Staubli:
Für die Hörerschaft des Evangelisten, die das Wappentier der in Palästina stationierten zehnten Legion kannten, war dadurch ohne ausdrückliche Nennung klar, dass die Ursache der Besessenheit in der römischen Militärherrschaft zu suchen ist.
(Staubli: Tiere als Teil menschlicher Nahrung in der Bibel und im Alten Orient, in: ders. / O. Keel, Im Schatten deiner Flügel. Tiere in der Bibel und im Alten Orient, 2001
Zur Zeit des Bar-Kochba-Aufstandes, also in den 30ern des 2. Jh., war die 10. Legion immer noch in Judäa stationiert. Die antirömische Parabel (falls es eine ist) kann durchaus ein Produkt von Autoren dieser Zeit sein, sie widerspricht also nicht der von mir öfters vorgetragenen Spätentstehungsthese über die Evangelien.
Chan