Und ich bleibe dabei, Menschen „entdecken Religion“ aus zwei
ganz unterschiedlichen Gründen für sich, damals wie heute:
a) Die „Folgenden“, welche gerne ihre gottgegebene (scnr)
Vernunft gegen die Befolgung von Mythen, Regeln und Riten
tauschen möchten - die einfach glücklicher sind, Dinge zu tun
ohne sie zu hinterfragen.
b) Die „Wissenden“, welche sich ein solches Werk zu ihrem
eigenen Vorteil entweder aneignen oder erdenken
Das klingt sehr rational konstruiert, für die Urzeit. Als die ersten Anzeichen von Religion entstand, in einer zunächst sehr primitiven Form (große Mutter, aus deren Vagina sich die Weltschöpfung erklären ließ zum Beispiel) kann man sich die ursprünglich entstandenen religiösen Strukturen (dazu vergleiche die Lehre des Radikalen Konstruktivismus nach dem österreichisch-amerikanischen Philosophen Prof. Dr. Ernst von Glasersfeld) meines Erachtens nicht erklären.
Meine Begründung ist, dass wir überhaupt nicht unterscheiden können, wo die Schnittstellen sind zwischen Bewusstem und Unbewusstem. Die meisten Vorstellungen sind uns unbewusst, und wie oft suche ich meine Brille, und hab sie vielleicht nicht direkt auf der Nase, wie im Extremfall, so jedoch ganz unbewusst in meiner geistigen Abwesenheit „verlegt“.
Deshalb ist es sehr schwer, das Bewusstsein überhaupt zu definieren, mit der Frage, was ist bewusst und was ist unbewusst? Jedenfalls ist uns heute viel klarer als noch zu Zeiten von Sigmund Freud, dass man das Bewusstsein nicht nur in zwei klar voneinander unterscheidbare Bereiche von Bewusstem und Unbewusstem (oder nach drei Kategorien vom Es, Ich und Über-Ich) exakt trennen kann, wie in zwei verschiedene Schubladen, in denen sich die Bewusstseinsinhalte (Triebe, Gefühle, Gedanken usw.) befinden. Auch das gern verwendete Computermodell ist nicht überzeugend, weil der Computer ja an sich weder einen freien selbständigen Willen besitzt, noch so etwas Ähnliches wie ein Bewusstsein. Man kann das Bewusstsein nicht so, wie in einem Schrank die Schubladen aufgeteilt sind, erklären, noch kann man das Bewusstsein mechanisieren.
Und damit sind wir am Problem des Bewusstseins angelangt, wir wissen nicht, was es wirklich ist. Eines wird jedoch immer deutlicher, es ist konstruiert, von uns selbst, wenn wir die Welt, Gott und den Menschen MEINEN!!!
Es ist aber wahrscheinlich ein viel realistischere Sicht, wenn wir z. B. die natürlichen physiologischen Bedürfnisse des Menschen mit denen der Tiere vergleichen, die ihr Tun nach dem Prinzip des Überlebens gestalten. Auch bei Tieren ist Nietzsches Machtprinzip ja zweifelsfrei zu beobachten. Und man kann nicht nur dieses Machtprinzip als nur aus der der Luft heraus konstruierten Rationalität auffassen, weil Tiere offensichtlich nicht dieselbe geistigen Fähigkeiten haben, wie wir Menschen.
Wir sagen, Tiere seien instinktgesteuert, was dem Begriff des Unbewussten gleichkommt. Wir wissen aber nicht die Grenzlinie, mit der Frage, wann beginnt überhaupt zu welchem Zeitpunkt Bewusstsein? Beginnt Bewusstsein erst mit Fähigkeiten der gezielten Konstruktion? Und wie will ich diese von den Handlungen der Tiere exakt unterscheiden? Jedenfalls wissen wir nicht, ob Religion bewusst oder unbewusst entstanden ist und wo genau die Grenzlinie hierfür zu legen wäre. Es ist keine sichere Unterscheidung möglich, deshalb finde ich den Begriff des US-Philosophen Ken Wilber („Einstein der Bewusstseinsforschung“), der von einem „nahtlosen“ Bewusstsein spricht, sehr hilfreich.
Da beide Gruppen auf ihre Weise Vorteile von der Religion
haben, ergibt sich ein Win-Win, es entsteht eine Subkultur, in
welcher beide Personengruppen zueinander finden und die
Religion organisiert sich.
Das ist ein sozialwissenschaftliches Phänomen, das auch in anderen gesellschaftlichen Strukturen zu finden ist, wie zum Beispiel in der Wirtschaft. Dieses Machtprinzip ist also nicht nur auf die Religion begrenzt. Und was deine Headline „Strohmann“ betrifft: Du scheinst ausschließlich an BEWUSST gesteuerte gesellschaftliche Konstrukte zu glauben?
CJW