Warum gibt es Schüchternheit und Minderwertigkeitsgefühle?

Hallo,

anscheinend leiden viele Menschen unter starker Schüchternheit (bis hin zur Sozialphobie), Minderwertigkeitsgefühlen oder ständiger Scham. Diese Gefühle oder Selbstbilder scheinen nun gerade nicht förderlich im Leben zu sein, daher frage ich mich, warum sie sich in der Evolution erhalten haben. Wie kann man erklären, dass Menschen total bescheuerte Sachen machen, nur weil sie sozial unsicher sind? Wie kann es sein, dass Menschen auf elementare Dinge verzichten aus Angst vor anderen Menschen, auch wenn diese anderen Menschen ihnen nichts wirklich Böses tun (also sie zum Beispiel nicht körperlich angreifen), sondern schlimmstenfalls schlecht über sie denken?

Kann man das wissenschaftlich irgendwie erklären?

Hi,

Minderwertigkeitsgefühle, oder am anderen Ende Selbstbewusstsein, entstehen aus demVergleich mit anderen, aus dem Feedback, dass man über sein Leben hinweg bekommt: wird man als gut empfunden, als richtig? Tut man die „richtigen“ Sachen? Ist man wirksam - kann man durch sein Tun etwas ausrichten? Beantworten sich alle diese Fragen lange genug und häufig genug negativ, dann hat man ein entsprechendes Selbstbild: ich bin nichts wert, ich kann nichts ausrichten, ich werde nicht geliebt.
Dann ist es auch logisch, dass man auf Sachen verzichtet. Wieso soll man auf Parties gehen, wenn dort keiner mit einem, aber alle über einen reden? Warum soll ich mich in Gesellschaft begeben, wenn mich alle piesacken und mobben?
Und dass ich nicht körperlich, sondern „nur“ verbal angegriffen werde, ist keinesfalls „besser“ - für mich persönlich ist ausgelacht oder ignriert werden viel, viel schlimmer als eine Ohrfeige zu bekommen. Man vermeidet Sachen, um seelischen und / oder körperlichen Schmerz zu verhindern - ein wirklich sinnvolles Anliegen, denn es ist der einzige Schutz, den ein schüchterner Mensch für sich selbst leisten kann.
Es ist sehr schwer, aus diesem Kreislauf herauszukommen, ohne Hilfe ist es fast unmöglich. Für den Betroffenn ist es schwer, Beispiele wahrzunehmen für seinen eigenen Wert, selbst wenn sie da sind, und für die anderen ist es normal, zu mobben, nicht zu beachten, … - es war ja nie anders, „der ist eben so.“

die Franzi

anscheinend leiden viele Menschen unter starker Schüchternheit (bis hin zur Sozialphobie), Minderwertigkeitsgefühlen oder ständiger Scham. Diese Gefühle oder Selbstbilder scheinen nun gerade nicht förderlich im Leben zu sein,

Doch, als schwächster in einer Steinzeit- Sippe kannst Du mit einem solchen Verhalten überleben, ohne regelmäßig Opfer des Faustrechts zu werden. Damit wird die Hierarchie gefestigt und unnötige Kämpfe vermieden. Immerhin, die weiblichen Schwächlinge konnten sich so fortpflanzen, die männlichen natürlich nicht.

daher frage ich mich, warum sie sich in der Evolution erhalten haben. Wie kann man erklären, dass Menschen total bescheuerte Sachen machen, nur weil sie sozial unsicher sind?

Es ist die Alternative zum Austragen von Konflikten.

Wie kann es sein, dass Menschen auf elementare Dinge verzichten aus Angst vor anderen

Menschen, auch wenn diese anderen Menschen ihnen nichts wirklich Böses tun (also sie zum Beispiel nicht körperlich angreifen), sondern schlimmstenfalls schlecht über sie denken?
Neben dem Faustrecht gibt es noch die Erpressung, viele Arten der Sanktionierung die sehr unangenehm sein können, nicht nur soziale Ausgrenzung.

Kann man das wissenschaftlich irgendwie erklären?

Dazu reicht der gesunde Menschenverstand und das Betrachten von Tieren, die es ähnlich machen.

Hallo,

Kann man das wissenschaftlich irgendwie erklären?

Dein Beispielsfall lässt darauf schließen, dass Angst vor Fremden (Schüchternheit) das geringste Problem ist. Eher das Gefühl von Minderwertigkeit und Scham.

Offenkundig gelingt es in dem Fall nicht, a) sich neu auszurichten und b) mit den Personen, die in einem das Unbehagen von Minderwertigkeit und/oder Scham auslösen, ein für alle mal abzuschließen. Aus Bequemlichkeit, aus Trägheit oder aus Gründen der Gemütsschwere aber auch aus übertriebenem Aktionismus.

Für alles gibt es eine Lösung Teil der Lösung ist, a) Ruhe bewahren (Atem- und Körperübungen), sich auf sich konzentrieren, b) mit Teilschirtten zu frieden zu sein und c) das Ziel nie aus den Augen zu verlieren. Das könnten sein eine, sei es auch nur eine vorübergehende Ortsveränderug bzw. perspektivisch ganz neue Interessen.

Gruß mki

Hallo Katze,

Dann ist es auch logisch, dass man auf Sachen verzichtet.
Wieso soll man auf Parties gehen, wenn dort keiner mit einem,
aber alle über einen reden? Warum soll ich mich in
Gesellschaft begeben, wenn mich alle piesacken und mobben?

So übel geht es ja meist gar nicht zu, sondern ein Sozialphobiker kann sich auch auf einer Party mit lauter netten Leuten total unwohl fühlen.

Und dass ich nicht körperlich, sondern „nur“ verbal
angegriffen werde, ist keinesfalls „besser“ - für mich
persönlich ist ausgelacht oder ignriert werden viel, viel
schlimmer als eine Ohrfeige zu bekommen. Man vermeidet Sachen,
um seelischen und / oder körperlichen Schmerz zu verhindern

Ja, die Frage ist nur: warum empfinden wir diesen Schmerz? Warum empfinden wir nicht alle nach dem Motto „Sticks and stones may break my bones but words can’t hurt me“? Warum sind wir Menschen psychisch so leicht verletzlich? Warum wurde das nicht im Laufe der Evolution ausgemerzt?

für die anderen ist es normal, zu mobben,
nicht zu beachten, … - es war ja nie anders, „der ist eben
so.“

Wie gesagt, ein Mensch kann auch solche Probleme haben, ohne dass die andern mobben oder bösartig sind.

Gruß
Mike

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Hallo Chinese,

anscheinend leiden viele Menschen unter starker Schüchternheit (bis hin zur Sozialphobie), Minderwertigkeitsgefühlen oder ständiger Scham. Diese Gefühle oder Selbstbilder scheinen nun gerade nicht förderlich im Leben zu sein,

Doch, als schwächster in einer Steinzeit- Sippe kannst Du mit
einem solchen Verhalten überleben, ohne regelmäßig Opfer des
Faustrechts zu werden. Damit wird die Hierarchie gefestigt und
unnötige Kämpfe vermieden.

Klar, es gibt auch Tiere, die sich unterordnen und dadurch Kämpfe vermeiden. Aber ich glaube, es gibt da einen Unterschied zur Tierwelt: Tiere scheinen nicht so sehr darunter zu leiden. Und es gibt auch tatsächlich einen klaren evolutionären Vorteil. Die Hierarchie wird geklärt, und dann wissen alle, woran sie sind. Beim Menschen aber gibt es das, dass Menschen über Jahre unsicher sind, darüber grübeln, Hilfe in Form von Psychotherapie, Ratgeberbüchern u.ä. brauchen. Ich sehe auch keinen evolutionären Vorteil, wenn ein Mensch so gehemmt ist, dass er in Gruppen oder beim anderen Geschlecht kaum ein Wort rauskriegt, ins Stottern kommt oder nur noch Mist baut. Oder sich völlig zurückzieht.
Das geht doch weit über „Kämpfe vermeiden“ oder „Alternative zum Austragen von Konflikten“ hinaus.

Dazu kommt noch, dass die Betroffenen von ihren Fähigkeiten her vielleicht eine höhere Position verdient hätten, was auch der Gruppe dienen würde, nur die Schüchternheit verhindert es.

Wie kann es sein, dass Menschen auf elementare Dinge verzichten aus Angst vor anderen
Menschen, auch wenn diese anderen Menschen ihnen nichts
wirklich Böses tun (also sie zum Beispiel nicht körperlich
angreifen), sondern schlimmstenfalls schlecht über sie denken?

Neben dem Faustrecht gibt es noch die Erpressung, viele Arten
der Sanktionierung die sehr unangenehm sein können, nicht nur
soziale Ausgrenzung.

Also wenn ein junger Mann schüchtern ist und sich nicht traut, auf die Mädels zuzugehen (und deshalb keine abbekommt), dann handelt er sinnvoll, weil er sonst sanktioniert würde? Ebenso der Sozialphobiker, der nicht mehr vor die Tür geht und seine Lebensmittel im Internet bestellt?

Kann man das wissenschaftlich irgendwie erklären?

Dazu reicht der gesunde Menschenverstand und das Betrachten
von Tieren, die es ähnlich machen.

Nein, das würde ich eben bestreiten, dass der gesunde Menschenverstand und das Betrachten von Tieren einem das erklären. Wenn das so stimmen würde, wie du es sagst, dann wäre das ja alles nur sinnvoll. Es wäre also völlig verkehrt, wenn der Sozialphobiker mithilfe einer Therapie versuchen würde, aus seiner Phobie rauszukommen.

Deine Theorie mit der Gruppenhierarchie erklärt maximal, warum es überhaupt so etwas wie ein Gefühl für den eigenen Wert gibt. Was dann so kolossal schiefläuft bei Menschen mit den genannten Problemen, wäre dann die nächste Frage.
Meine Meinung.

Gruß
Mike

Hallo,

Ich schließe mich den Vorschreibern an, dass es um ein Verhalten geht welches sich auf Gruppendynamik und „Rudelverhalten“ bezieht.
Den Satz:

Es ist die Alternative zum Austragen von Konflikten.

finde ich sehr passend.

Warum sindwir Menschen psychisch so leicht verletzlich? Warum wurde das
nicht im Laufe der Evolution ausgemerzt?

Du machst einen Denkfehler, denn die Entwicklung geht in eine andere Richtung.

Der Mensch ist das einzige Lebenwesen, was aufgrund seiner hochentwickelten Gehirnstruktur in der Lage ist sowohl nach als auch vor einer Situation Angst zu entwickeln.
Das Denken ermöglicht eine größere Angstdimension als es im Tierreich vorhanden ist.
Ich spreche hier vom Nach-denken über schwierigen Situationen oder Befürchtungen vor der Zukunft aufzubauen.

Letztlich geht es um die Dosis, die ein Mensch benötigt um sich mit der von Dir beschriebenen Schüchternheit in Sicherheit zu begeben.
Die ist bei jedem Menschen anders und wenn nur genug negative Erlebnisse überwiegen wird der Mensch - bei allen Fähigkeiten- nicht mehr genug innere Stabilität aufbringen können um für sich einzustehen und zu behaupten.

lg kitty

Hi,

wir werden ohne Sebstbewusstsein geboren, auch ohne eine Abwesenheit desselben - das Konzept existiert für ein Baby nicht, es existiert, es lebt. Wer wir sind, erfahren wir im Laufe unseres gesamten Lebens - das größte Blackboxexperiment der Welt. Wir erfahren, wer wir sind, indem wir Feedback „von draußen“, von unserer Umwelt, bekommen. Ist das Feedback äufig genug und regelmäßig genug scheiße, dann empfinden wir uns als Scheiße. Ist es prima, dann finden wir uns prima.
Wir haben ein Gundbedürfnis, geliebt zu werden, wir wollen richtig sein, ok sein. Deswegen schmerzt es uns, wenn wir nicht geliebt werden. Wir wollen Liebe (Akzeptanz, Respekt, Achtung, Wertschätzung, …) bekommen und tun dafür ziemlich viel - was Kinder alles für ihre Eltern tun, selbst wenn sie geschlagen werden, und ich rede hier nicht von einer Ohrfeige… Frauen in erniedrigenden Partnerschaften… die Liste ist lang.
Und auch der Sozialphobiker wird nicht als solcher geboren, er wird dazu erzogen. Früher oder später gibt jeder von uns den Versuch auf, akzeptiert zu werden, und irgendwann erträgt man erniedrigendes Verhalten nicht nur, man erwartet es und sieht es dadurch in Situationen, die eigentlich harmlos sind: „…die beiden in der Ecke auf der Party, die angeregt miteinaner reden, reden betimmt über mich. Warum sonst stehen sie so weit weg und gucken nur manchmal in meine Richtung? Dass hinter mir das Buffet ist, hat damit gar nichts zu tun. Und jetzt lachen sie auch noch laut - wußte ich doch, sie lästern über mich. Ich geh am besten, es war eh sinnlos, herzukommmen. Es kümmert sich ja doch keiner um mich - alle wechseln fröhlich die Gesprächspartner, aber keiner kommt zu mir.“

die Franzi

zu selbstbewusst?
(M) eine These:

Jemand ist ZU selbstbewusst. Also, sich seiner selbst ZU bewusst.
Dieser Jemand nimmt sich selbst sehr wichtig. Genauer: ZU wichtig.
Er macht sich nicht klar, dass es niemanden auf der Welt gibt, der das, was dieser Jemand tut oder lässt, SO wichtig nimmt, wie dieser Jemand selbst es tut.
Daraus entsteht ein Perfektionsanspruch des „Jemand“ an sich selbst, dem er gar nicht gewachsen sein kann.
Folge: Die eigene Schere im Kopf.
Dieser „Jemand“ lässt nicht zu, dass andere eine Bewertung über ihn abgeben, sondern entscheidet schon vorsorglich negativ. Motto: wenn ich mich selber schlecht bewerte, dann tut es weniger weh, als wenn andere es tun.
Wirkung:
Diese vorsorgliche Eigenschlechtbewertung zur Vermeidung von Fremdbewertung verhindert dadurch auch vom eigenen Negativ-Vorurteil abweichende Erkenntnisse.
Es kann somit kein Selbstvertrauen entstehen und keine Selbstsicherheit heranreifen.
Es verwirklicht sich die selbsterfüllende Prophezeihung.
Ein Teufelskreis.
Hat aber irgendwie mit Evolution nicht so sehr viel zu tun.
Eher mit Selbstwahrnehmung, Ehrlichkeit zu sich selbst und Logik.
IMHO.

LG
2felnder

Hi,

das geht nicht zusammen :smile: Jemand mit großer Selbstsicherheit und dem Wissen, besser zu sein, kann und wird sich nicht schämen, wofür denn auch. Er wird auch in der Regel keinn perfektionismus an den Tag legen, er ist ja schon perfekt. Kritik würde er natürlich nicht zulassen, die würde aber in Zorn, und nciht in Vermeidung enden.

die Franzi

so ist es:
Selbstsicherheit schützt vor Schüchternheit - Selbstbewusstsein nicht unbedingt.
LG
2felnder

Hi,

du sprichst von dem, was im Englischen mit self-consciousness bezeichnet wird. Das kann das deutsche Wort „Selbstbewusstsein“ aber nicht ausdrücken, ist leider so, deswegen auch meine vorige Antwort. Das deutsche Selbstbewusstsein kann a) bedeuten, dass jemand davon überzeugt ist, gut zu sein, und b) ausdrücken, dass jemand sch bewusst ist, eine eigene Person zu sein (etwas, was Hunde zB nicht können. Oder Goldfische. Schimpansen aber haben Selbstbewusstsein).
Und die Selbstwahrnehmung ist verdreht, aber schon diese Erkenntnis bedeutet das Versetzen eines Berges. Und auch wenn sie verdreht ist, für den Betroffenen ist sie erst einmal richtig - weil sie zur bisherigen Lebenserfahrung passt, weil sie einen Grund hatLogisch ist alles trotzdem, und ehrlich zu sich selbst ist man auch. Ich kann ja nicht sagen, ich bin nicht ehrlich zu mir selbst, wenn ich ein Lob nicht wahrnehme, dass ich nicht erkennen kann. Nicht, weil es nicht existiert, sondern weil die Erfahrung dagegen spricht: weil das Nette, was man hört, noch nie nett war, sondern immer nur dazu gedient hat, einen aus der Reserve zu locken, damit dann wieder gelacht werden kann, oder man ausgenutzt werden kann, oder…
Natürlich ist es für den Außenstehenden nicht logisch, aber schimpfen oder kritisieren nützt nichts, ist sogar kontraproduktiv: „Stell Dich nicht so an!“, „Das bildest du dir nur ein!“. Das Gegenüber als schwach und unfähig, als dumm hinstellen. Ob man dassagt, weil man es nicht besser weiß, oder obwohl man es besser weiß, ist für das Ergebnis irrelevant.

die Franzi

Hi Mieze,

du sprichst von dem, was im Englischen mit self-consciousness
bezeichnet wird. Das kann das deutsche Wort
„Selbstbewusstsein“ aber nicht ausdrücken, ist leider so,
deswegen auch meine vorige Antwort.

Selbstverständlich KANN das deutsche Wort ausdrücken, dass jemand sich seiner selbst bewusst ist (also - auch - sich seiner Fähigkeit oder seiner Un fähigkeit bewusst ist).

Das deutsche:Selbstbewusstsein

kann - fälschlich und unvollständig - missbraucht …

a) bedeuten, dass jemand davon
überzeugt ist, gut zu sein,

Und die Selbstwahrnehmung ist verdreht, aber schon diese
Erkenntnis bedeutet das Versetzen eines Berges.

Die Selbstwahrnehmung ist eben NICHT verdreht.
Sie ist nur „zu streng“.

Ich kann ja nicht sagen, ich bin
nicht ehrlich zu mir selbst, wenn ich ein Lob nicht wahrnehme,
dass ich nicht erkennen kann. Nicht, weil es nicht existiert,
sondern weil die Erfahrung dagegen spricht: weil das Nette,
was man hört, noch nie nett war, sondern immer nur dazu
gedient hat, einen aus der Reserve zu locken, damit dann
wieder gelacht werden kann, oder man ausgenutzt werden kann,

Die Nichtehrlichkeit zu sich selbst liegt m.E. darin begründet, dass „Jemand“ sich nicht eingesteht, dass „Schüchternheit“ etwas mit - auf noch nichts wirklich begründetem - Stolz zu tun hat und damit, diesen Stolz vor Beschädigung seitens der Realität von außen zu beschützen.

Der/die Schüchterne ist also in Wahrheit nicht schwach, sondern besonders besorgt um die Aufrechterhaltung des eigenen Selbstbildes bemüht.

Da hilft sicher nicht Kritik.
Aber auch nicht Verständnis.
Da hilft die Erfahrung - das erleben - der brutalen Wirklichkeit.
Erfahrungen sammelt „Jemand“ aber nur draussen.
Also, „raus“. Punkt.
Ein fähiger Topmanager sagte einst, dass er sich vorsätzlich täglich einmal blamiere. Warum wohl?
Macht das Selbstbewusstsein einmal die Erfahrung der Selbstwirksamkeit - und das kann dauerhaft nicht ausbleiben - so ändert sich die Richtung der Spirale.
Erst kommt die neue Erfahrung des - erstmals begründeten - Stolzes.
Das fühlt sich verdammt gut an.
Das möchte „Jemand“ wieder.
Das verstärkt die Anstrengung.
Das führt zu erneutem Erfolg.
Das führt zu Wiederholung und Wiederholung und Wiederholung.
Das führt zu Routine.
Das führt zu Selbstsicherheit.
Das führt zu Selbstvertrauen.
Das führt zu Selbstachtung.
Das führt zu Fremdachtung.
Und die Schüchternheit verschwindet so schüchtern in der Versenkung, dass man sie gar nicht vermisst.
Imho.

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anscheinend leiden viele Menschen unter starker Schüchternheit (bis hin zur Sozialphobie), Minderwertigkeitsgefühlen oder ständiger Scham. Diese Gefühle oder Selbstbilder scheinen nun gerade nicht förderlich im Leben zu sein, daher frage ich mich, warum sie sich in der Evolution erhalten haben. Wie kann man erklären, dass Menschen total bescheuerte Sachen machen, nur weil sie sozial unsicher sind? Wie kann es sein, dass Menschen auf elementare Dinge verzichten aus Angst vor anderen Menschen, auch wenn diese anderen Menschen ihnen nichts wirklich Böses tun (also sie zum Beispiel nicht körperlich angreifen), sondern schlimmstenfalls schlecht über sie denken?

Kann man das wissenschaftlich irgendwie erklären?

Die Herkunft dieses wirklich absolut sinnlosen Leidens kann man heute, dank Freuds Vorarbeiten, tatsächlich wissenschaftlich erklären. Es hängt damit zusammen, dass die Menschheit vor einigen Tausend Jahren begonnen hat, die jeweils jüngste geborene Generationen erzieherisch unter die einst von erwachsenen Männern vollbewusst vereinbarten Verträge der Urpolitik zu unterwerfen.

Die Anfänge und brutal traumatusierenden Maßnahme findet sich noch heute in den sog. Pubertäts-Ritualen der primitivpatrialischen Gesellschaften (s. Zusammenfassung u.a. in Freuds „Totem und Tabu“). Bei unseren modernen patrialischen Gesellschaften hingegen hat die Pädagogik den enormen ‚Fortschritt‘ erzielt, mit der Erziehung bereits in der Frühkindheit zu beginnen - ein unendlich viel wirksameres, subtileres Verfahren als die barbarischen Domestikationsmethoden der primitiven Kulturen.

Entsprechend tief geprägt sitzen die fürchterlichen Minderwertigkeitsgefühle, die Scham und unzählige weitere Entartungen des Verhaltens, welche unfehlbar aus der erzieherischen Bekämpfung des eigentlichen Werts am Menschen resultieren - eine Sache, die sehr schwer zu heilen ist, nicht ohne erhebliche bewusste Anstrengungen, das Tiefe Unbewusste zu durchleuchten.

Jene Entartungen des Empfindens, Denkens und Verhaltens stellen nun unmöglich ein Ergebnis der natürlichen Evolution des Homo sapiens dar, sondern offenbar die Folge eines fatalen „Ur-Irrtums“. Begangen von dem selben hochevolutionierten „Denk“-Organ, dessend wegen wir Menschen - eigentlich mit vollem Recht - die „Krone der Schöpfung“ heißen.

Hi,

http://de.wikipedia.org/wiki/Selbstbewusstsein

und was Deinen ganzen Ton und Umgang angeht: würdest Du bitte nie in die Psychotherapie gehen? Dein Ton ist verletzend gegenber Betroffenen, solches Verhalten ist ein Teil des Poblems.
Verständnis braucht es sehr wohl - ein erster Schritt zum Umlernen für den Betroffenen. Es wäre mal eine neue, andere Erfahrung.
Ja, Schüchternheit hat etwas mit Stolz zu tun: man hält am letzten bisschen Respekt vor sich selbst fest, das man noch hat. Ist das weg, verschwindet auch der Sinn des Lebens. Man muss seine Wahrnehmung verändern, ja. Aber dazu braucht man Vertrauen als Begleiter, als Unterstützung, als verlässliches Feedback, als Hafen. Wenn man es alleine könnte, hätte man das Problem nicht.

die Franzi

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Menschen und auch Tiere haben die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen, Ängste zu entwickeln und angstauslösende Situationen zu vermeiden. Dass das ein evolutionärer Vorteil ist, liegt auf der Hand.

Wenn aus Ängsten Phobien werden, verstärken sich Angst und Vermeidungsverhalten in einer Art Rückkoppelungsschleife gegenseitig. Der Mensch kann sie mit Vernunft kaum steuern, weil Ängste in viel älteren, der Vernunft nicht zugänglichen Gehrinregionen, (vereinfacht gesagt) verarbeitet werden.

Dass aus Ängsten Phobien werden können, hat für sich sicher keinen evoutionären Vorteil, ist aber quasi eine Nebenwirkung der (sehr sinnvollen) Wirkungsweise des Gehirns.

ich möchte mich bessern…

Hi,

Dein Ton ist verletzend
gegenber Betroffenen, solches Verhalten ist ein Teil des
Poblems.

Bitte - Franzi - jetzt mal „Butter bei die Fische“.
Konkreter Fall in diesem Psychologieboard:
Wo, wie, wann hat welches meiner geschriebene Worte - welches du „Ton“ nennst - für wen konkret auf welche Weise - deiner Meinung nach - Verletzungspotenzial.
Wie sollte ich mich - deiner Meinung nach - „besser“ ausdrücken, ohne den Inhalt zu verändern?

LG
2felnder

Hi,

ich habe meine Antworten hier aus persönlicher Erfahrung geschrieben. Erfahrung mit dem Zustand, Erfahrung mit fem, was mir hilft und was mir nicht hilft.

Verletzend ist, jemandem mit mangelndem Selbstbewusstsein zu sagen, er ist schuld (darauf läuft „Verständnis hilft nicht“ hinaus. Verständnis nimmt Schuld).
Verletzend ist die Gesamtdarstellung, man müsste es ja einfach nur anders machen. Das ist respektlos und verkennt die Tatsache, dass Schüchternheit in all ihren Varianten bis hin zur Sozialphobie keine dumme Angewohnheit ist, die man sich wie das Nasepopeln eben mal so angewöhnt. Es suggeriert, dass man sich komplett ändern kann - was nicht möglich ist, man kann sich das Leben nur leichter machen.

Deine Verwendung des Wortes Ehrlichkeit ist verletzend. Man belügt sich nicht - man nimmt dinge anders wahr, weil man bisher eben einen bestimmten Input bekommen hat. So lernen wir alle: das, was wir als wiederkehrendes Feedback bekommen, formt uns. Punkt.

So, und jetzt ist Schluss hier.

die Franzi

übrigens…
Hier spricht übrigens kein Blinder vom Licht :wink:
Die Gefahr ist, dass das Pendel dann so viel Schwung bekommt, dass es zur anderen Seite ausschlagen kann.
Auch hier spricht kein Blinder vom Licht :wink:

LG
2felnder

Hallo 2felnder,

Der/die Schüchterne ist also in Wahrheit nicht schwach, sondern besonders besorgt um die Aufrechterhaltung des eigenen Selbstbildes bemüht.

Da hilft sicher nicht Kritik.
Aber auch nicht Verständnis.
Da hilft die Erfahrung - das erleben - der brutalen Wirklichkeit.
Erfahrungen sammelt „Jemand“ aber nur draussen.
Also, „raus“. Punkt.
Ein fähiger Topmanager sagte einst, dass er sich vorsätzlich täglich einmal blamiere. Warum wohl?
Macht das Selbstbewusstsein einmal die Erfahrung der Selbstwirksamkeit - und das kann dauerhaft nicht ausbleiben - so ändert sich die Richtung der Spirale.
Erst kommt die neue Erfahrung des - erstmals begründeten - Stolzes.
Das fühlt sich verdammt gut an.
Das möchte „Jemand“ wieder.
Das verstärkt die Anstrengung.
Das führt zu erneutem Erfolg.
Das führt zu Wiederholung und Wiederholung und Wiederholung.
Das führt zu Routine.
Das führt zu Selbstsicherheit.
Das führt zu Selbstvertrauen.
Das führt zu Selbstachtung.
Das führt zu Fremdachtung.
Und die Schüchternheit verschwindet so schüchtern in der Versenkung, dass man sie gar nicht vermisst.
Imho.

Mir klingt das zu sehr nach Selfmanagement-Beratungsbuch des besagten Topmanagers (?) :smile:
Deshalb finde ich die Aussage eher inhaltlich kritisch.
Falls es tatsächlich deine persönliche Erfahrung darstellt, finde ich das großartig, keine Frage.
Ich denke aber dass die zugrundeliegenden Bewertungssysteme viel komplexer sind, als dass so eine Theorie für jeden funktionieren könnte.
Was einer als Selbstwirksamkeit erlebt, ist für einen anderen bedeutungslos.
Darüber hinaus gibt es verschiedene Motivationstypen.
Ich bin wie du der Meinung, dass ein überhöhter Perfektionsanspruch zu sozialem Stress und Rückzugstendenzen führen kann.
Ebenso aber kann ein soziales Umfeld das vorwiegend aus Eigenmotivation heraus kritisiert, oder z.B. auch ganz anders, eine passiv-depressive Struktur zu einem Mangel an positiver Verstärkung führen.
Einer gemäßigten schizoiden Struktur wiederum kann ein sozialer Rückzug völlig egal sein.
Weil vermutlich die meisten Menschen „gemischten“, also nicht überwiegend negativen sozialen input erleben, sind es m.E. die individuellen Bewertungen und Wahrnehmungen die entscheidender sind als die – neutral betrachtet - äußeren Erfahrungen.

@ MechanicalMike

Warum wurde das nicht im Laufe der Evolution ausgemerzt?

Hier mit der Evolution zu argumentieren halte ich für schwierig.
Es gibt auch in der soweit beobachtbaren Tierwelt - also vor allem in der domestizierten – sozialen Angst-Stress, Minderwertigkeitsgefühle, Mobbing und sogar Traumatisierung.
Ähnlich wird es sich mit unseren eigenen psychosozialen Entwicklungen ergeben, dadurch dass wir uns von ursprünglichen, „naturnahen“ Gruppenkonzepten und Lebensbedingungen entfernt haben.
Einerseits geht es immer noch um den Erhalt hierarchischer Strukturen mit verändereten (gehirnlastigeren) Methoden.
Andererseits entstehen auch Kuriositäten, Dysfunktionelles, Chaos.
Evolution beinhaltet kein jederzeit vollumfänglich funktionierendes Optimierungsprinzip.

Grüße
Heidi

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