Warum gibt es Schüchternheit und Minderwertigkeitsgefühle?

kleine, gemeine Entwertung…
Liebe Heidi,

wozu soll das gut sein?

Mir klingt das zu sehr nach Selfmanagement-Beratungsbuch des
besagten Topmanagers (?) :smile:

Ich hatte gesagt, es sei EINE These (von vielen).
Ich hatte gleichzeitig verdeutlicht, es sei MEINE These, also nicht nur nach-gedacht was andere mir vor-gedacht haben, sondern selbst gedacht auf Basis „selbst durchgemacht“.
Es ist m.E. schäbig, dieses - ohne jede Grundlage - dadurch öffentlich zu diskreditieren, dass mir hier durch dich subtil Unlauterkeit unterstellt wird.

Wem soll das nützen?

LG
2felnder

1 Like

wenn du meinst…
Hallo 2felnder,

Wozu soll das gut sein?

Ich hatte gesagt, es sei EINE These (von vielen).
Ich hatte gleichzeitig verdeutlicht, es sei MEINE These, also
nicht nur nach-gedacht was andere mir vor-gedacht haben,
sondern selbst gedacht auf Basis „selbst durchgemacht“.

Verstehe. Das hatte ich ja nicht ausgeschlossen.
Und habe dir das auch geglaubt.

schäbig,
öffentlich zu diskreditieren
subtil Unlauterkeit unterstellt wird.

Das sind Bewertungen, die gehen weit über das hinaus was ich geschrieben habe.
Ich bin vielleicht manchmal etwas ironisch oder ruppig.
Die Grundlage war wohl, dass dein beschriebener Erfolgskurs mir nicht so recht mit deiner Problembeschreibung übereinstimmt.
Also mehr eine Hilfestellung bei fehlender positiver Verstärkung ist, aber eher unzureichend bei einem sehr ambivalenten Selbstwert wie du ihn beschreibst.
Ich kann mich da aber irren, sorry.

Grüße
Heidi

danke…
danke für die Klarstellung :smile:

LG
2felnder

ambivalenter Selbstwert?

Also mehr eine Hilfestellung bei fehlender positiver
Verstärkung ist, aber eher unzureichend bei einem sehr
ambivalenten Selbstwert wie du ihn beschreibst.

Ich bin mir nicht bewusst eine Ambivalenz des Selbstwertes beschrieben zu haben.
Eher vielleicht narzisstische Tendenz.
Was ich beschrieben habe, war, dass „Jemand“ sich selbst ein Selbstbild „kreieren“ (zusammenlügen) kann, von dem „Jemand“ selbst ahnt, dass es einer objektiven Prüfung von außen nicht standhalten wird und dieses Selbstbild mittels der - weiteren - Selbstlüge der „evolutionären Schüchternheit“ vor jeder Außenbewertung schützt. Punkt.

LG
2felnder

auch eine Art der Selbstfindung…
@ miezekatze,

du willst also sagen,:

du findest dich so, wie du findest, das andere dich finden?

du ziehst deinen Selbstwert - nur - aus der Bewertung anderer?

das Gesicht das andere machen ist für dich dein Spiegel?

und das ist alles?

LG
2felnder

1 Like

Hallo,

Ich schließe mich den Vorschreibern an

ohne diese gelesen zu haben, antworte ich jetzt nur auf dich:

Warum sindwir Menschen psychisch so leicht verletzlich? Warum wurde das
nicht im Laufe der Evolution ausgemerzt?

Du machst einen Denkfehler, denn die Entwicklung geht in eine
andere Richtung.

Du meinst, die Evolution geht (ging) in Richtung mehr Intelligenz, d.h. mehr Komplexität?

Der Mensch ist das einzige Lebenwesen, was aufgrund seiner
hochentwickelten Gehirnstruktur in der Lage ist sowohl nach
als auch vor einer Situation Angst zu entwickeln.
Das Denken ermöglicht eine größere Angstdimension als es im
Tierreich vorhanden ist.
Ich spreche hier vom Nach-denken über schwierigen Situationen
oder Befürchtungen vor der Zukunft aufzubauen.

Überzeugt mich nur teilweise. Nehmen wir mal ein Beispiel. Soweit ich weiss, ist es bei einer Primaten-Art so, dass das Alpha-Männchen Sex zwischen den Weibchen und niederen Männchen verhindert und mit Sanktionen belegt. Affen sind schlau genug, um das zu lernen, d.h. das niedere Männchen weiss, was es erwartet, verzichtet also aus Angst vorm Alpha-Männchen darauf, sich an das Weibchen ranzumachen. Ich habe aber auch gelesen, dass das es durchaus vorkommt, dass ein Weibchen mit einem der niederen Männchen fremdgeht, also dass sie es irgendwo in Abwesenheit des Alphas treiben, und dass das Weibchen dabei leiser ist, als wenn es mit dem Alpha zugange ist. Was ich aber nie gelesen habe und mir schwer vorstellen kann, ist, dass das Beta-Männchen auf Sex verzichtet, weil es „zu schüchtern“ ist. Also dass es das Weibchen meiden würde, nur weil es fürchtet, sich zu „blamieren“. Genau das ist bei uns Menschen m.E. doch der Fall: dass wir aus einer irrationalen Angst Dinge tun, die uns schaden. Es fällt mir schwer, mir bei einem Affen Scham und ein Selbstbild oder Selbstwertgefühl vorzustellen, aber wenn es das bei ihnen nicht geben sollte, ist wiederum die Frage, warum wir uns da so stark von ihnen unterscheiden, wenn wir genetisch so stark identisch sind. Vielleicht ist die Ursache für den Unterschied, dass wir Sprache haben.

So, jetzt lese ich noch die anderen Antworten.

Danke für deine,
Mike

Hallo,

Die Herkunft dieses wirklich absolut sinnlosen Leidens kann
man heute, dank Freuds Vorarbeiten, tatsächlich
wissenschaftlich erklären. Es hängt damit zusammen, dass die
Menschheit vor einigen Tausend Jahren begonnen hat, die
jeweils jüngste geborene Generationen erzieherisch unter die
einst von erwachsenen Männern vollbewusst vereinbarten
Verträge der Urpolitik zu unterwerfen.

Die Anfänge und brutal traumatusierenden Maßnahme findet sich
noch heute in den sog. Pubertäts-Ritualen der
primitivpatrialischen Gesellschaften (s. Zusammenfassung u.a.
in Freuds „Totem und Tabu“). Bei unseren modernen
patrialischen Gesellschaften hingegen hat die Pädagogik den
enormen ‚Fortschritt‘ erzielt, mit der Erziehung bereits in
der Frühkindheit zu beginnen - ein unendlich viel wirksameres,
subtileres Verfahren als die barbarischen
Domestikationsmethoden der primitiven Kulturen.

Entsprechend tief geprägt sitzen die fürchterlichen
Minderwertigkeitsgefühle, die Scham und unzählige weitere
Entartungen des Verhaltens, welche unfehlbar aus der
erzieherischen Bekämpfung des eigentlichen Werts am Menschen
resultieren

Du lehnst unsere heutige Erziehung also generell ab? Ist es nicht eher so, dass viele oder die meisten Menschen durchaus „seelisch gesund“ sind und nur eine Minderheit unter den von mir beschriebenen Problemen leidet?

Jene Entartungen des Empfindens, Denkens und Verhaltens
stellen nun unmöglich ein Ergebnis der natürlichen Evolution
des Homo sapiens dar, sondern offenbar die Folge eines fatalen
„Ur-Irrtums“.

Okay, also du gehst davon aus, dass die Menschheit irgendwann einen fatalen Weg, einen Irrweg beschritten hat und davon nie wieder abwich. Und damit eine Erziehung schuf, die unserer Art gar nicht angemessen ist. Wir werden als Kind praktisch nicht „artgerecht gehalten“, richtig? Interessante These, aber auch eine steile. Müsste es nicht auch Kulturen geben, die einen anderen Weg beschritten haben, matriarchalische zum Beispiel? Oder die Experimente in den 60er oder 70er Jahren, die Kommunen, Kinderläden usw.?

Hallo Heidi,

Da hilft sicher nicht Kritik.
Aber auch nicht Verständnis.
Da hilft die Erfahrung - das erleben - der brutalen Wirklichkeit.
Erfahrungen sammelt „Jemand“ aber nur draussen.
Also, „raus“. Punkt.
Ein fähiger Topmanager sagte einst, dass er sich vorsätzlich täglich einmal blamiere. Warum wohl?
Macht das Selbstbewusstsein einmal die Erfahrung der Selbstwirksamkeit - und das kann dauerhaft nicht ausbleiben - so ändert sich die Richtung der Spirale.

Einmal? Einmal reicht? Glaube ich nicht.

Erst kommt die neue Erfahrung des - erstmals begründeten - Stolzes.
Das fühlt sich verdammt gut an.
Das möchte „Jemand“ wieder.
Das verstärkt die Anstrengung.
Das führt zu erneutem Erfolg.
Das führt zu Wiederholung und Wiederholung und Wiederholung.
Das führt zu Routine.
Das führt zu Selbstsicherheit.
Das führt zu Selbstvertrauen.
Das führt zu Selbstachtung.
Das führt zu Fremdachtung.
Und die Schüchternheit verschwindet so schüchtern in der Versenkung, dass man sie gar nicht vermisst.

Mir klingt das zu sehr nach Selfmanagement-Beratungsbuch des
besagten Topmanagers (?) :smile:
Deshalb finde ich die Aussage eher inhaltlich kritisch.

Geht mir ähnlich. Konfrontation kann hilfreich sein, muss nicht. Im Gegensatz zum Spinnenphobiker, der lernen kann, dass eine Spinne ihm nix tut, kann der Sozialphobiker mit seiner verklemmten Art genau das beim Gegenüber bewirken, was er fürchtet: dass man ihn nicht mag.

Was einer als Selbstwirksamkeit erlebt, ist für einen anderen
bedeutungslos.

Genau. Menschen mit einem schlechten Selbstbild sehen ja jeweils unterschiedliche Schwächen bei sich. Der eine denkt, ich kann nicht gut reden, die andere, ich seh scheisse aus, ein dritter denkt, ich war schon immer anders als alle anderen usw.

Selbstwirksamkeit erleben kann man nur, wenn man in dem betreffenden Bereich erfolgreich sein kann. Aber das ist nicht immer gegeben, vor allem dann nicht, wenn es keine objektiven Erfolgskriterien gibt, wie im Beispiel „ich war schon immer anders als alle anderen“. Wenn dagegen jemand denkt „ich bin dumm“, dann kann er das bekämpfen, z.B. indem er für die nächste Mathe-Arbeit so viel lernt, dass er eine Eins schreibt.

Ich bin wie du der Meinung, dass ein überhöhter
Perfektionsanspruch zu sozialem Stress und Rückzugstendenzen
führen kann.

Ja, das mag sein, aber damit alle Fälle von Schüchternheit, Sozialphobie usw. erklären zu wollen, erscheint mir als viel zu weit hergeholt bzw. als Küchenpsychologie.

Ebenso aber kann ein soziales Umfeld das vorwiegend aus
Eigenmotivation heraus kritisiert, oder z.B. auch ganz
anders, eine passiv-depressive Struktur zu einem Mangel an
positiver Verstärkung führen.

Genau. Einem Kind, das mit einer kaum präsenten, depressiven Mutter und einem saufenden, ständig herabwürdigenden Vater aufwächst und dann selbstwertgeschädigt ist, könnte man wohl kaum sagen, du bist einfach zu perfektionistisch.

Weil vermutlich die meisten Menschen „gemischten“, also nicht
überwiegend negativen sozialen input erleben, sind es m.E. die
individuellen Bewertungen und Wahrnehmungen die entscheidender
sind als die – neutral betrachtet - äußeren Erfahrungen.

An dem Punkt stimme ich nur teilweise zu bzw. es kommt m.E. noch ein Faktor hinzu, nämlich, dass Menschen mit solchen Problemen aufgrund ihrer Ausstrahlung, ihres vielleicht verkrampften oder oft auch missverstandenen Verhaltens tatsächlich mehr Misserfolge im menschlichen Miteinander erleben können. Also ein Teufelskreis aus dem eigenen Verhalten und der Reaktion darauf. Selbstbewusste Menschen sind attraktiver, werden stärker respektiert, erreichen mehr. Die, die wie ein geprügelter Hund rumlaufen, machen ständig Erfahrungen wie „Keiner will mit mir zu tun haben“, „Ich finde keinen Partner“ oder „Ich kann mich nicht durchsetzen“. Sie haben also m.E. tatsächlich mehr negativen Input.

Ich glaube allerdings auch, dass die individuelle Bewertung / Wahrnehmung ein und derselben Situation bei so jemand anders ausfällt als bei einer selbstsicheren Person.

Warum wurde das nicht im Laufe der Evolution ausgemerzt?

Hier mit der Evolution zu argumentieren halte ich für
schwierig.
Es gibt auch in der soweit beobachtbaren Tierwelt - also vor
allem in der domestizierten – sozialen Angst-Stress,
Minderwertigkeitsgefühle, Mobbing und sogar Traumatisierung.

Wie will man Minderwertigkeitsgefühle in der Tierwelt objektiv feststellen?

Ähnlich wird es sich mit unseren eigenen psychosozialen
Entwicklungen ergeben, dadurch dass wir uns von
ursprünglichen, „naturnahen“ Gruppenkonzepten und
Lebensbedingungen entfernt haben.
Einerseits geht es immer noch um den Erhalt hierarchischer
Strukturen mit verändereten (gehirnlastigeren) Methoden.
Andererseits entstehen auch Kuriositäten, Dysfunktionelles,
Chaos.
Evolution beinhaltet kein jederzeit vollumfänglich
funktionierendes Optimierungsprinzip.

Danke, das war die bisher beste (und der Fragestellung nächste) Antwort auf meine Frage.

Gruß
Mike

Hallo,

Die Nichtehrlichkeit zu sich selbst liegt m.E. darin
begründet, dass „Jemand“ sich nicht eingesteht, dass
„Schüchternheit“ etwas mit - auf noch nichts wirklich
begründetem - Stolz zu tun hat und damit, diesen Stolz vor
Beschädigung seitens der Realität von außen zu beschützen.

Der/die Schüchterne ist also in Wahrheit nicht schwach,
sondern besonders besorgt um die Aufrechterhaltung des eigenen
Selbstbildes bemüht.

Das mag es vielleicht geben, aber dass die Mehrzahl schüchterner Menschen so tickt, glaube ich nicht.

Da hilft sicher nicht Kritik.
Aber auch nicht Verständnis.
Da hilft die Erfahrung - das erleben - der brutalen
Wirklichkeit.
Erfahrungen sammelt „Jemand“ aber nur draussen.
Also, „raus“. Punkt.
Ein fähiger Topmanager sagte einst, dass er sich vorsätzlich
täglich einmal blamiere. Warum wohl?
Macht das Selbstbewusstsein einmal die Erfahrung der
Selbstwirksamkeit - und das kann dauerhaft nicht ausbleiben -
so ändert sich die Richtung der Spirale.
Erst kommt die neue Erfahrung des - erstmals begründeten -
Stolzes.
Das fühlt sich verdammt gut an.
Das möchte „Jemand“ wieder.
Das verstärkt die Anstrengung.
Das führt zu erneutem Erfolg.
Das führt zu Wiederholung und Wiederholung und Wiederholung.
Das führt zu Routine.
Das führt zu Selbstsicherheit.
Das führt zu Selbstvertrauen.
Das führt zu Selbstachtung.
Das führt zu Fremdachtung.
Und die Schüchternheit verschwindet so schüchtern in der
Versenkung, dass man sie gar nicht vermisst.
Imho.

Wie ich weiter unten ausgeführt habe, glaube, dass dieser Weg nur bei manchen Schwächen funktioniert, die man bei sich selbst sieht. Man kann zwar z.B. beruflich super erfolgreich sein, aber trotzdem total an sich zweifeln, weil man sich in einem anderen Lebensbereich total schlecht vorkommt.

Darf man fragen, worauf sich deine Schüchternheit begründete und mit welchen Erfahrungen sie besiegt wurde? So grob.

Gruß
Mike

du willst also sagen,:

du findest dich so, wie du findest, das andere dich finden?

du ziehst deinen Selbstwert - nur - aus der Bewertung anderer?

Wahrscheinlich bilden wir als Kind genau so unser Selbstbild. Ich hab mal ein Interview mit einem Psychologen gelesen, der ebenfalls sagte, dass es uns Menschen kaum möglich ist, unser Selbstbild völlig unabhängig vom Feedback anderer zu bilden, dass es vielmehr normal ist, davon abhängig zu sein.

Übrigens ist dein Ton hier schon wieder vorwurfsvoll bzw. kritisierend, und das einer Person gegenüber, die gerade erst geschrieben hat, dass dein Ton sie verletzt.

Wie lassen sich die Zustände ‚seelisch Gesund‘ und ‚- Krank‘ fundiert unterscheiden?

Okay, also du gehst davon aus, dass die Menschheit irgendwann einen fatalen Weg, einen Irrweg beschritten hat und davon nie wieder abwich. Und damit eine Erziehung schuf, die unserer Art gar nicht angemessen ist. Wir werden als Kind praktisch nicht „artgerecht gehalten“, richtig? Interessante These, aber auch eine steile. Müsste es nicht auch Kulturen geben, die einen anderen Weg beschritten haben, matriarchalische zum Beispiel? Oder die Experimente in den 60er oder 70er Jahren, die Kommunen, Kinderläden usw.?

Du ziehst eine Konsequenz aus meiner These, die die einzig logisch annehmbare darstellt. Es ist wirklich so, dass meine These nicht nur voraussetzt, dass die Menschheit vor dem Beginn der barbarischen Erziehung der dadurch zum „Totemismus“ entgleisenden Kulturen seelisch-emotionell vollständig gesund war, sondern folgt aus ihr auch, dass es möglicher Weise heute immer noch vereinzelte Kulturen/-begründer) gibt, die entweder nie mit der Erziehung begonnen haben, oder aber anfingen, den Weg zurück theoretisch und experimentell zu erforschen. Zu ihnen gehört die Freudsche Psychoanalyse, deren Befunde übrigens einen entscheidenden Beitrag leisteten zur Initiierung des Internats von Summerhill. Was die „68er Generation“ daraus machte, wäre eine zweite Sache, aber wahr dürfte sein, das bei einigen ihrer Angehörigen mindestens ein Rest von Intuition („gesunder Menschenverstand“) die wesentliche Antriebskraft darstellte, die verschiedenen dazu gehört habenden Experimente zu inittieren oder sich ihnen kreativ anzuschließen…

Du lehnst unsere heutige Erziehung also generell ab? Ist es nicht eher so, dass viele oder die meisten Menschen durchaus „seelisch gesund“ sind und nur eine Minderheit unter den von mir beschriebenen Problemen leidet?

Es kommt darauf an, aus welcher der beiden hier für uns nun zur Diskussion vorliegenden Perspektiven man den Begriff „Gesund“ definiert. Aus der Perspektive der Zusammenlebensform und Werte der u.a. Erziehungs-basierten Gesellschaft zeigen die meisten ihrer Mitglieder zumindest keine derart von der „Norm“ abweichenden Verhaltensauffälligkeiten, Wert- und Glücksvortsellungen, dass irgend ein aus eben der selben Perspektive urteilender, sich voll und ganz als dazu gehörig empfindender Psychologe auf die Idee käme, sie und somit auch sich selbst als seelisch krank zu bezeichen. Allerdings folgt daraus natürlich, dass der selbe Psychologe schwer umhin kommen dürfte, sich bei der Beobachtung von Mensch wie Freud und sonstigen Autoren mit einer genauso oder noch fundierteren Kritik an der erziehungsbasierten Gesellschaftsform zu fragen, ob sie nicht eine Schraube locker haben, weil gänzlich abweichend von der statistisch erhobenen Nomalität. Eventuell macht sich der Psychologe noch Gedanken darüber, wie dicht Wahnsinn und Genie beieinander liegen bei seinem verrückten Projekt, die seelische Gesundheit anhand der Gaußkurve dingfest machen zu wollen…

Wie kamst Du darauf, Dir Gedanken über die möglichen Ursachen des Phänomens der Minderertigkeitsgefühle zu machen? Ich meine, was ist Dein Motiv, hier angefangen zu haben, nach Anregungen zu suchen?

Hallo,

aus der Sicht des niedrig gestellten Affen:

  1. ich bin in der Rangfolge weiter unten und darf nicht das Weibchen haben, das ich will
  2. ich halte mich an die Reihenfolge, weil es sonst schmerzhaft werden könnte
  3. mich vermehren WILL ich aber unbedingt…DAS ist wichtig!
  4. ein Weibchen will was von mir und nimmt mich mit…weg von der Gruppe, wo ich das tun kann, was mir wichtig ist :wink:- damit kann ich meiner Bestimmung folgen und zurück gezogen- außerhalb der Gruppe werde ich nicht schmerzhaft dafür bezahlen müssen.

Bedeutet- wenn das Weibchen das Männchen von der Gruppe weglotst, dann braucht das Männchen doch auch nicht schüchtern sein- es wird doch definitiv gewollt und muss nichts mehr beweisen!
Unabhängig davon glaube ich, dass der Trieb sich fortzupflanzen dermaßen treibend ist, dass sich ein Tier das wenig durch mögliche Schamgefühle versauen lassen würde.

Wenns um Sex geht verlieren doch auch die Menschen gerne jegliche Art von Kontrolle :wink:
Und bei Affen wird sicherlich der Trieb über dem Stehen, was wir als „Denken“ bezeichnen- aber das geschieht wie gesagt auch bei Menschen.

Ich habe schon einige schüchterne Menschen getroffen und man hat von dieser Art nichts mehr gespürt, wenn man zu zweit war und ins Gespräch kam.
Es wird als Art dann nicht weg sein aber auch kein Futter mehr bekommen-- denn der Schüchterne kann sich sicher fühlen.

„Irrationale Angst“- ist doch letztlich nur eine Strategie um möglichst gut durch das Leben zu kommen. Für das System Mensch- ist es stimmig und richtig.
Das mag von außen nicht so aussehen un dem der Mensch sogar schaden-- aber jedes System (und der Mensch für sich ist auch eines) versucht sich möglichst optimal zu erhalten und greift auf das zurück, was an Material vorhanden ist.
Wenn „das Baumaterial“ dann nur für Minderwertigkeitsgefühl und Schüchternheit reicht-- dann kann nur damit gearbeitet werden.
Es ist aber immer noch die optimale Verarbeitung vorhandener Möglichkeiten.

Und ja- der Mensch unterscheidet sich durchaus von den Tieren und sich mit Befürchtungen die Zukunft zu versauen…samt Folgeerscheinungen dadurch-- das kann der Mensch schon unglaublich gut :wink:

lg kitty

Keine Ahnung (OT)
Ich kann dir deine Fragen nicht sicher - sicher nicht beantworten, aber weil mir zwei Aspekte auffallen, die ich anders betrachte als so häufig zu lesen ist, gebe ich meinen Senf vorsichtshalber OffTopic dazu :wink:

Hallo,

warum sie sich in der Evolution erhalten haben?

Haben sie das?

Kann man das wissenschaftlich irgendwie erklären?

Nein. Man kann lediglich Annahmen treffen.

Evolution wird häufig derart verstanden, dass sie (eine häufig anzutreffende naturwissenschaftliche Grundannahme in vielen Bereichen) in irgendeiner Form zielgerichtet sei , oder determiniert, oder zufällig. Sie ist nichts davon. Sie ist richtungslos, eine lose Abfolge von Replikation und Veränderungen, möglicherweise gewissen empirisch nachvollziehbaren Gesetzmäßigkeiten unterworfen, die jedoch aufgrund fremder äußerer Umstände (un)verändert zur Anwendung kommen können oder auch nicht. Man kann nun dennoch verschiedenste Annahmen treffen, weshalb „Gefühl“ überhaupt entstanden und notwendig ist, Homosexualität unter Tier und Mensch einen „Zweck“ haben müsste, nach Ursachen für Scham oder Schüchternheit suchen und sich fragen, weshalb sie sich in der Evolution erhalten haben. Wenn wir aber nicht einmal wissen,

  • ob sie (Scham, Schüchternheit, etc.) Voraussetzung für oder zwangsläufige Folge von diesem derzeitigen evolutionären Stand von homo sapiens sind?
  • ob und in welche Richtung sie sich noch weiter entwickeln?

dann erübrigen sich deine Fragen nach „Warum sie sich erhalten haben“ und der „wissenschaftlichen Erklärbarkeit“ m.E. schon von alleine.

„Evolution“ unterliegt einer derart umfänglichen Unbestimmtheit, dass sich zwar zahlreiche Annahmen treffen, aber niemals sicher bestätigen lassen. Und m.E. daher auch wissenschaftlich letztendlich nicht erklär- oder voraussehbar bar sein wird.

Unabhängig vom Geschriebenen meine Annahmen, sehr knapp gehalten, zu

Schüchternheit …, Minderwertigkeitsgefühle oder ständiger Scham. Diese Gefühle oder Selbstbilder

Die Grundlagen für die tiefen unangenehmen Gefühle wie Scham/Minderwertigkeit/Schüchternheit (und selbstverständlich auch für andere Emotionen) sind

a) das (subjektive u/o falsche) Selbstbild, welches man von sich selbst erschafft
b) die Fähigkeit zur Reflexion (sich Gedanken über Gedanken machen) und
c) das „eigene“ und fremde Publikum (mit Regeln und Normen).

In Summe und Qualität dieser Fähigkeiten und Voraussetzungen unterscheidet sich darin der derzeitige homo sapiens (deutlich) von anderen Tieren. Wenn man alle drei Aspekte zusammen betrachtet, ohne ins Detail zu gehen, dann kommt man schon nicht mehr umhin zu glauben, dass Gefühle wie Scham unausweichlich sind.

Wissen tue ich es aber nicht. Ich nehme nur an, …

pasquino

paraphrasieren…
Hallo Mike,

Ich wiederholte - kurz und prägnant - ob ich richtig verstanden hätte.
Die Bewertung „Ton“ fand in deinem Kopf statt - nicht wahr?

Es wird eben genau nichts helfen wenn „Jemand“ sagt: „du darfst mir aber nicht wehtun, sonst hilft mir das nicht“.
Der Otto Normal Mensch will sich nun einmal nicht vorschreiben lassen wie er sich auszudrücken hat.
Der/die „Wehleidige“ muss sich endlich seiner/ihrer im Wahrheit manipulativen Wehleidigkeitsmasche entledigen, wenn er/sie endlich selbstständig werden will.
Und das gibt der schüchterne „Jemand“ ja stets vor. Oder?
Hilfreich ist sicher auch die Trennung von Generalisierungen wie „immer“, „nie“, „alle“ „nur“ usw.
Z.B. wiederhole ich hier jetzt erneut:
Was ich absondere ist EINE, nämlich MEINE These.
Mitnichten allgemeingültig für alles und jedes.
Gleichwohl sicherlich bedenkenswert.
Oder?

LG
2felnder

1 Like

Huhu!

Ich nehm mir mal eben einen Teil der Antwort raus, weil ich da gerade an meinen Psychologen denken musste.

Geht mir ähnlich. Konfrontation kann hilfreich sein, muss
nicht. Im Gegensatz zum Spinnenphobiker, der lernen kann, dass
eine Spinne ihm nix tut, kann der Sozialphobiker mit seiner
verklemmten Art genau das beim Gegenüber bewirken, was er
fürchtet: dass man ihn nicht mag.

Mein Therapeut macht super gern Exposition mit Soziophobikern. Er hat mal davon erzählt, dass er Patienten z.B. mit einer Holzente mit Rädern an einer Kordel hinter sich her ziehen lässt in der Fußgängerzone. Oder dass sie sich an der Wursttheke eine Scheibe xy Wurst bestellen lassen sollen und die dann nach dem Abschneiden doch nicht mehr wollen - und das dann direkt mehrere Male hintereinander. Ziel seiner Konfrontationen ist es, Peinlichkeiten auszuhalten.

Meine Schlussfolgerung daraus ist, dass es eigentlich ganz ähnlich ist, wie mit dem Spinnenbeispiel. Der Spinnenphobiker lernt im Bestfall, dass ihm die Spinne nichts tut. Der Soziophobiker lernt im Bestfall, dass die Peinlichkeit ihm nichts tut.

genau das beim Gegenüber bewirken, was er
fürchtet: dass man ihn nicht mag.

Vom Standpunkt meines Therapeuten zu deinem Zitat (ich bin wegen Panikattacken dort und das Prinzip ist bei mir recht ähnlich wie bei Soziophobikern) wäre wohl: GUT SO! Es ist hilfreich, wenn ihn Leute schief angucken oder schlecht von ihm denken (ich nehme an, da ist ein noch großer Unterschied zu „ihn schlecht behandeln“). Es passiert und der Patient lebt noch und ist genauso (körperlich) unversehrt wie vorher.
Meine Panik ist, ich könnte ohnmächtig werden. Das ist mir tatsächlich Anfang des Jahres mal passiert - Das hat meinen Therapeuten richtiggehend gefreut.

Ich habe das Gefühl, dass du eher an die Reihenfolge „Selbstbewusstsein stärken -> Gesellschaft aushalten“ denkst. Und ich glaube, dass „Gesellschaft aushalten -> Selbstbewusstsein stärken“ die effektivere Reihenfolge wäre.

Ich schreibe deinen Satz von oben noch mal um, um meinen Punkt zu verdeutlichen:

Analog zum Spinnenphobiker, der lernen kann, dass
eine Spinne ihm nix tut, kann der Sozialphobiker lernen, dass es ihm nichts tut, wenn er :mit seiner verklemmten Art genau das beim Gegenüber bewirkt, was er
fürchtet: dass man ihn nicht mag.

Liebe Grüße
Lockenlicht

PS: Das ist aber völlig OT zur Ausgangsfrage. Dazu noch zwei Sätze. Ich denke, die Soziophobiker, die wirklich so stark beeinträchtigt sind, dass eine Beziehung (= Fortpflanzung) eindeutig nicht passieren wird, sind zahlenmäßig so in der Unterzahl, dass es eher sowas wie der „Ausschuss“ ist, den es bei Evolution gibt. Also im Prinzip sowas wie eine „Behinderung“ oder Mutation (sorry, ich bin grad ein bisschen denkeingeschränkt, ich möchte niemanden mit der Analogie kränken), die ja im Tierreich auch permanent vorkommt. Auch wenn ich wie die anderen hier der Meinung bin, dass da wenig Genetik im Spiel ist.

Anekdote
Ich nochmal :smile:

Man kann zwar z.B. beruflich super erfolgreich
sein, aber trotzdem total an sich zweifeln, weil man sich in
einem anderen Lebensbereich total schlecht vorkommt.

Dazu habe ich noch eine bestätigende Anekdote. Vor einigen Jahren stand unser zehnjähriges Abitreffen bevor und ich telefonierte mit einer alten Schulfreundin. Ich hab ihr mitgeteilt, dass ich mir da schon ein bisschen komisch vorkomme: Man wird sich ja sicher austauschen, a la „was machst du denn jetzt“ und alle sind sicher so voll weit gekommen in ihrem Leben und ich sitz hier seit Ewigkeiten bei meinen halbherzigen Online-Jobs, trotz abgeschlossenem Studium; habe irgendwie gar nichts vorzuweisen und geniere mich - kurz, ich hatte echt Schiss vor diesem (Selbst)Druck.

Meine Freundin, Medizinstudum und-doktor mit summa cum laude (und scheinbar irgendeiner Erfindung) abgeschlossen, in einer sehr großen Klinik praktizierend, gab zu dem Zeitpunkt schon erste Vorträge im Land, entgegnete: „Was soll ICH denn sagen ?“. Es stellte sich raus, dass sie grundsätzlich die gleichen Sorgen hatte; nur hatte sie das Gefühl, unzulänglich zu sein, weil sie nach wie vor solo war, während da im Jahrgang sicher schon Leute mit Familie inklusive Kindern „auftrumpfen“ könnten.

Ich versuche immer, mich daran zu erinnern, wenn ich mich mal wieder wegen irgendwas irgendwo unzulänglich fühle.

Liebe Grüße
Lockenlicht

2 Like

Hallo Lady Lockenlicht,

Ich versuche immer, mich daran zu erinnern, wenn ich mich mal wieder wegen irgendwas irgendwo unzulänglich fühle.

Zum Thema Unzulänglichkeit aushalten, kann ich auch eine persönliche Geschichte erzählen.
Ich habe viele Jahre jang einen Beruf ausgeübt der – zwar nichts intellektuelles – aber dennoch gewissen Ruhm und Ehre eingebracht hat, den touch von etwas außergewöhnlichem hatte und mir in der Gesellschaft besonders als Frau ein gutes Ansehen verschafft hat. Alles supertoll.
Dann wollte ich mich nochmal in andere Richtungen weiterentwickeln und habe das aufgegeben.
Von einem Tag auf den anderen, wenn ich neue Leute kennenlernte,und gefragt wurde was ich denn so mache, war ich nicht mehr die tolle Frau so und so, sondern ich mußte antworten: „Ich bin arbeitslos.“
Noch hinzuzufügen „Ja, aber ich war mal…“ war mir dann auch zu blöde.
Dieses Erleben hatte für mich eine regelrecht buddhistische Dimension und ich habe mir viele Gedanken gemacht, wie wir uns in der Gesellschaft darüber definieren, was wir erreicht haben und was wir darstellen.
Damals habe ich gelernt dass es auf meine Person ankommt, sonst hätte ich mich der Gesellschaft nicht mehr stellen können.
Außerdem habe ich erfahren, welchen Menschen ich wirklich wichtig bin, und welchen ich nur als Prestigeobjekt an ihrer Seite gedient habe.

Ich habe das Gefühl, dass du eher an die Reihenfolge „Selbstbewusstsein stärken -> Gesellschaft aushalten“ denkst. Und ich glaube, dass „Gesellschaft aushalten -> Selbstbewusstsein stärken“ die effektivere Reihenfolge wäre.

Gesellschaft aushalten ist der eine Aspekt. Der für mich persönlich wichtigere ist, dass ich mich mit meinen ganzen Unzulänglichkeiten selber aushalten kann. :smile:

Viele Grüße
Heidi

Hallo,

man hat herausgefunden, daß auch bei vielen Tierarten unterschiedliche Persönlichkeitstypen vorkommen. Es gibt Tiere, die besonders neugierig, aggressiv und draufgängerisch sind, und andere, die eher vorsichtig sind, und das ist genetisch angelegt. Diese Persönlichkeitstypen haben sich im Lauf der Evolution harausgebildet. Dazu habe ich hier eine Studie gefunden:

http://www.mpg.de/1238343/Tiere_Persoenlichkeit?c=10…

Es ist daher plausibel. daß es auch Menschen gibt, die von ihrer Anlage her vorsichtiger sind, und andere, die draufgängerischer sind. Aber die Schüchternheit, von der Du schreibst, ist etwas anderes.

Ganz grob und kurz gesagt, ich stelle mir vor, daß wir während der meisten Zeit unserer Entwicklung in kleinen Gruppen gelebt haben, Unsere Gehirne und Instinkte sind genau dafür angelegt, in Gruppen von bis zu etwa 150 Individuen zu leben, also bis zur Größe eines Dorfes. Ungefähr so viele andere Menschen können wir uns gut „merken“ und zu ihnen Beziehungen unterhalten. Siehe mehr darüber bei Robin Dunbar.

Seit einigen tausend Jahren leben wir aber in größeren Zusammenhängen, in Städten und Staaten, und dafür hat uns die Evolution nicht mit Instinkten ausgestattet. Das Leben wurde komplizierter, und ich nehme an, damit sind Risiken psychischer Traumatisierung entstanden, die es vorher nicht oder nicht in dem Maße gegeben hat. Deshalb gibt es Schüchternheit, Phobien, Angststörungen usw., die weder aus evolutionärer Sicht noch sonstwie nützlich sind.

Grüße,

I.

Hi,

Ich habe viele Jahre jang einen Beruf ausgeübt der – zwar
nichts intellektuelles – aber dennoch gewissen Ruhm und Ehre
eingebracht hat, den touch von etwas außergewöhnlichem hatte
und mir in der Gesellschaft besonders als Frau ein gutes
Ansehen verschafft hat.

Wir sind alle ganz neugierig, was das war. Aber anscheinend willst du es uns nicht verraten. Vielleicht das, was in deinem Profil als Erstes genannt wird? Bitte, gib uns einen Hinweis.

Hallo,

Es ist daher plausibel. daß es auch Menschen gibt, die von
ihrer Anlage her vorsichtiger sind, und andere, die
draufgängerischer sind. Aber die Schüchternheit, von der Du
schreibst, ist etwas anderes.

Ja, davon gehe ich auch aus.

Ganz grob und kurz gesagt, ich stelle mir vor, daß wir während
der meisten Zeit unserer Entwicklung in kleinen Gruppen gelebt
haben, Unsere Gehirne und Instinkte sind genau dafür angelegt,
in Gruppen von bis zu etwa 150 Individuen zu leben, also bis
zur Größe eines Dorfes. Ungefähr so viele andere Menschen
können wir uns gut „merken“ und zu ihnen Beziehungen
unterhalten. Siehe mehr darüber bei Robin Dunbar.

Seit einigen tausend Jahren leben wir aber in größeren
Zusammenhängen, in Städten und Staaten, und dafür hat uns die
Evolution nicht mit Instinkten ausgestattet. Das Leben wurde
komplizierter, und ich nehme an, damit sind Risiken
psychischer Traumatisierung entstanden, die es vorher nicht
oder nicht in dem Maße gegeben hat. Deshalb gibt es
Schüchternheit, Phobien, Angststörungen usw., die weder aus
evolutionärer Sicht noch sonstwie nützlich sind.

Die Psychotherapeutin Stefanie Stahl sagt in ihrem Buch „Leben kann auch einfach sein“, diese Ängste seien letztlich die Angst vor dem Ausschluss aus der Gruppe. So ein Ausschluss dürfte in früheren Zeiten schlimmer gewesen sein als heute, vermutlich lebensbedrohlich. Damit könnte man zumindest ein starkes Sensorium für das, was andere von einem denken, evolutionär begründen. Ich nehme aber an, dass trotzdem noch was zusätzlich schieflaufen muss, damit es zu den genannten Phänomenen kommt. In dem Buch wird dieser Aspekt leider nicht weiter ausgeführt.

Irgendwie gelingt mir nicht der Sprung von Wesenszügen, die wir mit Affen teilen und die sofort einsichtig sind (wie z.B. dem Sexualtrieb oder Angst vor Ranghöheren) zu solchen Dingen wie Scham, Selbstwertgefühl oder Schuldgefühle. Diese Dinge sind nicht so leicht begründbar oder greifbar. Daher erscheinen sie mir künstlicher, komischer, unnötig. Hat ein Affe ein Selbstwertgefühl? Schämt er sich? Kennt er Verlegenheit, ist ihm was peinlich? Es gibt noch einen anderen Autor, Irenäus Eibl-Eibesfeldt, der in „Liebe und Hass“ den Ursprung vieler unserer Verhaltensweisen aufzeigt, zum Beispiel Imponiergehabe, aber die genannten Phänomene sind nicht dabei.

Viele Grüße
Mike