Warum gibt es so wenige Demokratien mit muslimischer Prägung?

Hallo,
da die Demokratieprinipien in der Türkei gerade am kippen sind, hab ich mich gefragt, warum es so wenige muslimische Staaten gibt, die eine mit unseren Werten vergleichbare Demokratie vorweisen können (z.B. freie und geheime Wahlen etc.). Zunächst wäre mir da lediglich noch Tunesien eingefallen. Der Artikel


verweist immerhin noch auf Albanien und Bosnien. Als minimaldmokratisch werden höchstens noch Bangladesch, Indonesien, Nigeria, Sierra Leone eingeschätzt. Arabische Staaten sind ansonsten eher „Fehlanzeige“.
Warum ist das so und ist in den übrigen Ländern zumindest eine befriedigende Entwicklung einer Demokratisierung zu bemerken?
M.E. ist der Hinweis, dass die zurückliegende koloniale Geschichte ein Entschuldigungsgrund sein könnte, eher unbefriedigend . Die hatte ja z.B. Südamerika auch.
Gruß
rakete

Aus dem gleichen Grund, aus dem es auch keine christlichen Demokratien gibt.

Religion und Demokratie schließen sich in aller Regel aus.

Die Kolonialgeschichte ist gar kein Entschuldigungsgrund.

Im Artikel des Cicero wird es doch recht gut auf den Punkt gebracht

Fast alle Kritiker bemängeln die fehlende Säkularisierung in islamisch geprägten Staaten. Überall dort, wo es keine Grenze zwischen Politik und Religion gibt, scheint einer totalitären Auslegung von Herrschaft und Macht Tür und Tor geöffnet. In den meisten islamisch geprägten Gesellschaften sind Religion und Politik nahezu untrennbar miteinander verbunden.

Indonesien wurde lange Zeit als Vorzeigemodell angepriesen. Verbriefte Religionsfreiheit, keine staatl. Diskriminierung rel. Minderheiten. Alles schön tolerant und harmonisch. Dieses Bild hat gewaltige Risse bekommen und die Öffentlichkeit wird immer weiter von Islamisten radikalisiert. Nach dem Tsunami und der anschliessend riesigen Hilfswelle hatte man in Aceh nichts besseres zu tun als Autonomie zu fordern und direkt nach Erhalt die Scharia einzuführen.

Wie eine Krake breiten sich die Orthodoxen aus und fordern immer mehr die Einhaltung islamischer Regeln zum Nachteil von demokratischen Prinzipien. Das wird nicht gut ausgehen, wofür allein schon die stete Bevölkerungsentwicklung sorgt.

Gruß
vdmaster

eine kenne ich -Vatikan

Dies ist aus zwei Betrachtungswinkeln heraus Unsinn.

Zum einen kennen die althergebrachten christlichen Fundamente die Trennung von Staat und Kirche. Zum anderen ist die Trennung von Staat und Kirche inzwischen durch nahezu alle christlichen Glaubensgemeinschaften anerkannt und wird auch so gelebt.

Beides ist beim Islam anders. Die Glaubensgrundsätze des Islam stehen einer Trennung von Staat und Kirche diametral entgegen, eine Vereinbarkeit ist nicht möglich. Ausgenommen ist der Zustand, in dem sich Muslime noch in der Minderheit befinden, dann sollen sie sich temporär den herrschenden Regeln anpassen. Die Realität bestätigt dies, da - wie bereits erwähnt - eine Trennung von Staat und Kirche in der muslimischen Welt weitgehend fehlt.


Am Rande: Was hilft „euch“ eigentlich die reflexartig vorgetragene Ansicht, das vom Islam ausgehende Negative gebe es auch im Christentum respektive in allen Religionen? Außer natürlich, dass sie euch dabei hilft, die Realität durch die rosarote Brille sehen zu können.

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BIP-Weltkarte
Demokratie-Index-Weltkarte

Schauen ähnlich aus, die beiden Karten, oder?
Und zwar nicht nur im Bereich der islamischen Staaten.
(bei den arabischen Ölländern den BIP realistisch einordnen)

Gruß
F.

Wie kommst du auf diese abstruse Idee? Die Trennung zwischen Kirche und Staat ist ein vergleichsweise junges Phänomen.

:paw_prints:

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Ohne Gewalten-Trennung von Staat und Kirche geht es nicht.

Die Religion hat aber auch grundsätzliche Probleme:

  • Grundsätzlich gibt es die Vorschrift, dass man nichts hinterfragen darf. Allerdings ist die Grundlage einer Demokratie, alles zu hinterfragen, aus verschiedenen Perspektiven anzusehen und schlussendlich einem Kompromiss zu finden.
  • Zudem kommt die Religion gar nie über den Wahlkampf hinaus, da meistens alle Versprechungen für ein Leben nach dem Tod gelten, also gar nicht überprüfbar sind.
  • Zum anderen ist an Allem der Imaginäre Chef schuld. Selbst wenn alles schief läuft ist es der Wille des Chefs und muss so sein.

Das sieht man gerade bei Trumb, er versucht eigentlich gerade den religiösen Weg! An allem sind die Anderen schuld und er irrt sich nie. Sein Verhängnis ist aber, dass man seine Wahlversprechen überprüfen kann und da ist er schon durchgefallen.

Katze, die Geschichte des Versagens der christlichen Kirchen ist hier allseits bekannt. Sie reicht ja bis in die heutige Zeit, in der die Kirchen aus Opportunismus gegenüber den scheinbar Mächtigen und aus der Hoffnung heraus, im Fahrwasser der Religionisierung mitschwimmen und ein paar Einflussmöglichkeiten mehr gewinnen zu können, aktiv am Umbau unserer Gesellschaft und an der Islamisierung mitarbeiten.

Jedoch ging es darum, dass die Basis für eine Trennung von Staat und Kirchen in den christlichen Fundamenten angelegt ist ("So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! [Matthäus 22:21]). Und daher funktioniert der Laizismus, wenn die Christen ihn den wollen, problemlos. Oder welche fundamentalen Unvereinbarkeiten sind dir in letzter Zeit aufgefallen?

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Der Vatikan ist eine absolute (Wahl)Monarchie…

Es zeigt sich, dass mit der Demokratie die Wirtschaft und damit einhergehend (statistisch gemittelter) Wohlstand beflügelt werden können.

Eine Ausnahme können Länder sein, denen die besonders begehrten und raren Rohstoffe aus den Poren quellen.

Allerdings liegen zwischen beiden Weltkarten auch elf Jahre Differenz. Die GDP-Karte ist von 2004 (vgl. Dateiname).

Gruß
vdmaster

Das ist sicher ein Aspekt.
Wenns der einzige wäre, wären all die gescheiterten Demokratien in Drittweltländern heute wohlhabend und nicht Ex-Demokratien :wink:

Man könnte es auch so herum sehen, dass sich Demokratien nur da langfristig entwickeln, wo ausreichend Wohlstand ist.

Aber für den hiesigen Thread eh egal, denn der Vergleich der Karten zeigt, dass Demokratie-Defizit mit geringem Wohlstand einher geht (egal wie herum kausal erklärbar) und dabei keine sonderliche Islam-Spezifizität erkennbar ist (wenn man die Öl-Anomalie als solche akzeptiert, was man tun sollte).

Gruß
F.

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So im Großen und Ganzen schaut es so aus als ob Staaten die von Rohstoffen leben nicht so den Drang zur Demokratie haben wie Staaten die von den Steuern leben.
Dazu kommt die Zeit in den sich Demokratien ungestört entwickeln und auch scheitern können dürfen.
1849 war Deutschland dort wo Ägyten heute ist

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Ich halte aber den Vergleich von nominalem BIP/Kopf und Demokratieindexwert für verzerrend. Viel realitätsnaher wäre die Einbringung des KKP in den BIP.

Demokratische Staaten sind meist viel stärker ausdifferenziert/effizient als nichtdemokratische. Damit steigt der Anteil der erfassten Wirtschaftsleistung, die somit in den statistischen BIP Eingang findet.

In Afrika bspw. besteht noch ein hoher Grad an Subsistenzwirtschaft, an lokalem Tauschhandel und ein Mangel an Bankwesen sowie Verwaltung. Die Nichterfassung von Wirtschaftsleistungen schmälert den BIP automatisch.

Von daher wäre es mir lieber - ist hier aber nicht umsetzbar - wenn die Karten differenzierter und aktueller wären. Denn der Frage nachzugehen, welche Regierungsform den meisten Wohlstand bringt, ob evtl. wechselwirkende Voraussetzungen eine Art menschengemachter Systemevolution herbeiführen, scheint mir lohnend zu sein.

Ein „failed state“ im Zustand akuter Auflösung ist wahrscheinlich schon deswegen nicht wohlhabend, weil ein Hauptteil der Energie in die Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung einfliessen. Wobei erst einmal völlig egal ist, ob diese Ordnung und Sicherheit eine totalitäre oder eine demokratische ist.

Ein autokratisches/feudales System muss mindestens den Sicherheitsapparat versorgen können und den Wohlstand der herrschenden Schicht bewahren.

Nee, ist noch zu früh für solche Gedankengänge … Koffeinmangel … Zeitumstellungsopfer … :confused:

Gruß
vdmaster

Das ist ja alles richtig, aber du wirst nicht bestreiten, dass die BIP-Weltkarte auch eine Wohlstands-Weltkarte ist.
Ganz grob, wie wir es hier nur diskutieren können.
Über Feinheiten ließe sich natürlich streiten und deinem Wunsch nach besserem und aktuellerem Datenmaterial schließe ich mich eh vollumfänglich an.

!!!

Und hier gleich nochmal !!!

Huiii, was issn mit dir los?
Ist dir der Hl. Sankt Marx im Traum erschienen?
:wink:

Gruß
F.

Wieso denn Marx? Ich leide zweimal im Jahr an akuter Zeitverschiebung. Aber meine Hilfeschreie scheren ja die Unterdrücker nicht! :scream:

Und mir reicht schon der böse Klon vom eigentlich unschuldigen Marx, der Skt. Martin … :cry: … den gibt es wirklich. :sob:

Es ist ja nicht so, dass der alte Zausel (hier der Marx) keine richtige Zustandsbeschreibung historischer Epochen und ihrer Systeme auf die Reihe bekommen hätte. Insbesondere als Kind seiner Zeit (ohne den Hauch von Arbeitnehmerrechten). Seine Schlussfolgerungen waren nur nicht wirklich umsetzbar und daher lediglich bedingt hilfreich.

ich hätte ja liebend gerne noch weiter ausdifferenziert, bspw. bzgl. semidemokratischer Systeme (RUS), und/oder Oligarchien, aber dafür war ich zu abgelascht. Ausserdem verstehen unter autokratischen oder feudalen Systemen auch nicht alle das gleiche. Je nachdem ob man einen Historiker oder einen Linksaktivisten fragt, fiele die Zuschreibung sicher anders aus.

Manch einer munkelt ja bereits, dass die CSU ein geschickt getarntes Feudalsystem betriebe, in dem es nur dem Anschein nach Demokratie und so etwas wie eine Opposition gäbe. Oder die USA keine Demokratie mehr wären. :stuck_out_tongue_closed_eyes:

Gruß
vdmaster

Ich hatte nach Demokratien mit muslimischer Prägung gefragt und nicht nach muslimischen Demokratien (das wäre ja ein „contradictio in adjecto“, wie es vielleicht auch ein christlicher Gottesstaat wäre) . Ich bezog das also auf die das Land prägende Mehrzahl der Bevölkerung. Der Einwand geht daher am Thema vorbei.
Gruß
rakete

Wie passen denn in deine Theorie Staaten wie Saudiarabien, Emirate etc? Der Stammbevölkerung geht es da doch recht gut mit vielen Annehmlichkeiten. Warum gibt es da keine Demokratien.? Dein Ansatz kann doch daher nicht zutreffen. Nichtmal eine sonderliche koloniale Unterdrückung gab es m.E. in den Ölmonarchien.
Gruß
rakete

Wenn man übrigens die Karten kleinteilig durchgeht, so fällt einem schon auf, dass die Zwangsläufigkeit der Verknüpfung von Demokratie und Wohlstand nicht gegeben ist. Als Beispiele Marokko, Brasilien oder gar Indien.

Da hast du recht.

Im Kern ist das Problem, dass das Christentum als Religion nicht mehr existiert - der Islam aber noch aktiv ist. Solange Religion existiert, werden die Staaten in denen die Religion existiert keine Demokratien werden können.