Warum glauben wir an Zahlen?

Es gibt kaum eine politische oder wirtschaftliche argumentation, die nicht mit zahlen untermauert wird.
Offenbar glauben wir, dass man uns nur dann glaubt, wenn wir zahlen herbeizitieren können.
Warum aber glauben wir eigentlich an zahlen? Obwohl wir doch wissen, dass solche zahlen oft äußerst einseitig ausgewählt, grob verzerrt und zuweilen auch frei erfunden sind?

Und - war das schon immer so? Oder kann man in der kulturgeschichte eine art wendepunkt finden, an der sich diese zahlengläubigkeit allgemein durchgesetzt hat?

Ist es übrigens in anderen kulturkreisen, z.b. in Indien, China oder Japan, genau so? Wird auch da alles mit zahlen begründet?

Herzlichen dank für kluge antworten
Jens J. Korff

Manchmal brauchen wir Zahlen

Es gibt kaum eine politische oder wirtschaftliche
argumentation, die nicht mit zahlen untermauert wird.

In guten Argumentationen sollten auch gute Daten genannt werden. Solche die mit der Wirklichkeit etwas zu tun haben und ehrlich sind. In der Atomkraftdiskussion wird z.B. gerne unterschlagen, dass nur ein geringer Anteil des Strombedarfs aus AKWs stammt.

Offenbar glauben wir, dass man uns nur dann glaubt, wenn wir
zahlen herbeizitieren können.

Ja, weil „ich glaube“ keine faktische Aussage ist. „Ich glaube, dass Lindenblütentee bei Erkältung hilft“ ist Blabla. Aber eine korrekt durchgeführte Studie, die zeigt, dass die Anwendung von Lindenblütentee im Durchschnitt die Krankheitsdauer um 40 % reduziert hätte; so etwas ist eine Aussage. Fehlt noch die Begründung warum.

Warum aber glauben wir eigentlich an zahlen?

Ich würde das nicht als „glauben“ bezeichnen, sondern als gebrauchen; Und manchmal eben auch als mistbrauchen. Im übrigen glauben Ingenieure nicht an Zahlen, außer sie haben sie selbst falsch gemessen, wir kennen den Begriff „Marketingaussage“.

Obwohl wir doch wissen, dass solche zahlen oft äußerst einseitig ausgewählt, grob verzerrt und zuweilen auch frei erfunden sind?

Genau, man kann auch mit Zahlen lügen. Man kann sogar die korrekten Zahlen nennen (Asylbewerber), aber Vergleichszahlen (Spätaussiedler) einfach verschweigen.

Und - war das schon immer so?

Nein, evidenzbasierte Entscheidungen gibt es noch nicht so lange. Das dürfte sich Anfang des 17. Jahrhunderts so langsam eingeschlichen haben. Z.B. durch Louis Pasteur, uvam. (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Evidenz-Basierte_Medizi…).

Ist es übrigens in anderen kulturkreisen, z.b. in Indien,
China oder Japan, genau so? Wird auch da alles mit zahlen
begründet?

Ich gehe davon aus, dass bei faktisch begründeten Vorgängen auch Daten auf den Tisch müssen. Nicht „ich glaube, dass uns der Umweltschmutz viel Geld kosten kann“, sondern eben die knallharte Aussage eines aktuellen chinesischen Berichts, dass „mangelnder Umweltschutz wird in Zukunft 20 % des Bruttosozialproduktes vernichten“.

Ohne Daten keine Taten.

Gruß

Stefan

Hallo Jens,

interessante Frage.

Tatsächlich ist es, dass 97,54% der Bevölkerung eine Aussage eher glauben, wenn sie durch Zahlen untermauert ist. Wer konkrete Zahlen nennt muss ja wohl genau untersucht und gemessen haben. Das suggeriert wissenschaftliche Exaktheit.

Einen exakten historischen Wendepunkt gab da wohl nicht, dass Ganze begann wohl mit dem Aufkommen des naturwissenschaftlichen Denkens in der Renaissance, verstärkte sich duch den zunehmenden Hang zu „rationalem“ Denken im Laufe der Aufklärung und verschärfte sich im wissenschaftsgläubigen 20. Jahrundert. „Rational“ wird ja immer noch oft genug mit „richtig“ gleichgesetzt - eine Denkfalle, in die heute fast alle ständig laufen.

Zahlen, von den nicht bekannt ist wo sie herkommen und wie gemessen wurde, kann man in der Tat nur glauben. Echte Wissenschaftler wissen und beachten das. Aber selbst Studien, die detailliert auf die Methoden und Erhebung des Zahlenmaterials eingehen, also quasi überprüfbar sind, sind immer noch problematisch.

Dabei geht es nicht mal so sehr um bewußte Manipulationen - die kann man relativ leicht aufdecken und widerlegen (auch wenn Behauptungen die erst mal in der Welt sind, siehe „Spinat enthält viel Eisen“, kaum noch auszurotten sind). Die Problematik liegt m. E. darin, wie wir auswählen, was wir überhaupt messen und was wir unterschlagen. Hier fließen jede Menge Wertvorstellungen, Denkgewohnheiten und Traditionen ein, die teilweise kulturbedingt sind und daher von niemanden in unserer Gesellschaft hinterfragt werden. So manipulieren wir uns unbewußt und ungewollt selbst.

Übrigens, ich mag Zahlen, hab’ sogar mal Mathematik studiert…

Gruß
Werner

… und für die, dies nicht bemerkt haben, die 97,54% zu Beginn dieses Beitrags sind natürlich frei erfunden.

1, 2, 3, Zauberei
Hi Jens,

interessante Frage.

Das finde ich auch.

… „Rational“ wird ja immer noch oft genug mit „richtig“ gleichgesetzt - eine Denkfalle, in die heute fast alle ständig laufen.

Geschieht das „immer noch“ oder „wieder“?

… Die Problematik liegt m. E. darin, wie wir auswählen, was wir
überhaupt messen und was wir unterschlagen … So manipulieren wir
uns unbewußt und ungewollt selbst.

Und nicht vergesssen: so manche Manipulation ist bewusst gewählt, eben weil ein Großteil der Menschen sich durch Zahlen stark beeinflussen lässt.

Warum wir an Zahlen glauben ist vielleicht nicht allgemein zu beantworten.
Es gibt den Aberglauben, der sich an Zahlen orientiert. Es gibt Religionen, die sich auf Zahlen stützen.

Zahlen stellen vermutlich etwas Stabiles da, etwas, das Sicherheit vermittelt.

Viele Grüße, S:smile:nja

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Huhu!

Meines Erachtens müßen hauptsächlich Wissenschaftler mit Zahlen umgehen, und Dinge, die sie bearbeiten statistisch untermauern.
Dazu müßen sie, wenn sie etwas ernstzunehmendes veröffentlichen wollen, ihre Zahlen und ihre Statistik mit angeben. Inklusive Fehlerrahmen, Hintergrundanahmen, 0-Hypothese und Selbstkritik.

Der Grund ist, das Menschen die Neigung haben, aus einer zu geringen Stichprobenmenge aussagen abzuleiten, d.h. unser Gefühl sagt uns nach sehr wenig untersuchten Fällen, das wir eine bestimmte Aussage Treffen können oder nicht.

Statistik versucht, dieses Gefühl zu unterlaufen, und genauer zu sagen, ob man anhand eines bestimmten Datensatzes eine bestimmte Aussage machen kann.
D.h. in streng wissenschaftlichen Arbeiten, braucht man Statistik (d.h. Zahlen) um zu belegen, das man die behauptete Aussage machen darf. Oder auch nur, um zu belegen, das man mit einer Aussage nicht ganz falsch liegt.

Und, wie geschrieben, braucht man meist, um diese Art von Statistik zu verstehen ein Mindestmaß an Sachverständniss, Stichprobengröße, und Hintergrundwissen über den Versuch, der meist weggelassen wird.
Z.B. gibt es oft Artikel, in denen geschrieben wird, das XY% aller Menschen ZX tun, um bei genauerem Nachlesen festzustellen, das die Stichprobengröße 25 betragen hat, und dann hochgerechnet wurde. Woraufhin man das Ergebniss mit gewissem Zweifel betrachten kann.

Leider lesen auch Journalisten, die keine Ahnung von Mathematik oder Statistik haben diese Veröffentlichungen, und dummen sie dann halbverstanden für ein Publikum, das nichts oder nur wenig von Statistik versteht runter.

Und das Publikum glaubt dann die Zahlen, die ein Journalist veröffentlicht hat.
Manchmal kann man in populärwissenschaftlichen Artikeln, wenn man ein bischen von Statistik versteht herauslesen, was der Ursprungsautor einem mitteilen wollte.

Und das Publikum denkt dann: Ui, es stehen da 73,5%, das muss stimmen. Leider glauben viele Politiker ebenfalls an falschverstandene Statistik. Und werfen dann mit halbverstandenen Zahlen um sich, im sicheren Wissen, das ihr Publikum (bzw. ihre Wählerschaft), diese Zahlen auch nicht versteht.

Viele Grüße!
Ph.

Ja, weil „ich glaube“ keine faktische Aussage ist. „Ich
glaube, dass Lindenblütentee bei Erkältung hilft“ ist Blabla.
Aber eine korrekt durchgeführte Studie, die zeigt, dass die
Anwendung von Lindenblütentee im Durchschnitt die
Krankheitsdauer um 40 % reduziert hätte; so etwas ist eine
Aussage. Fehlt noch die Begründung warum.

„Mir hat Lindenblütentee in dem und dem Fall geholfen.“ Wenn uns das eine vertrauenswürdige Person sagt, halten wir es nicht für Blabla, sondern nehmen es ernst, obwohl keine Zahl genannt wird. Zahlen sind also nicht immer vonnöten.

Interessant finde ich den letzten Satz. Die 40% lassen offen, warum der Tee hilft. Könnte es auch eine glaubwürdige Aussage sein, wenn man eine überzeugende inhaltliche Begründung für die Wirksamkeit von Lindenblütentee liefert? Oder, anders gefragt:

Angenommen, wir haben zwei Aussagen.

A sagt: In Studie XY hat Lindenblütentee bei 60% der Patienten die Krankheitddauer um 40% und mehr verkürzt.

B sagt: Lindenblütentee wirkt lindernd, weil der darin enthaltene Stoff X über den Mechanismus Y den Aufbau von Antikörpern fördert.

Welche von den beiden ist glaubwürdiger?

Warum aber glauben wir eigentlich an zahlen?

Ich würde das nicht als „glauben“ bezeichnen, sondern als
gebrauchen; Und manchmal eben auch als mistbrauchen.

Mir scheint doch, dass das etwas mit Glauben zu tun hat.
Viele politische Entscheidungen könnte man rein aufgrund von Wertvorstellungen und logischer Stringenz treffen, ohne dass man Zahlen dafür braucht. Man könnte z.B. entscheiden, dass uns die Gefahr von Amokläufen wichtiger ist als der freie Ballerspaß von organisierten Schützen und deshalb großkalibrige Waffen im Schießsport verbieten. Dafür braucht man keine Zahl, nur den Mut zur persönlichen Abwägung von zwei konkurrierenden moralischen Werten.

Könnte es sein, dass die Zahlenfixierung in der Politik etwas mit mangelndem Mut der Akteure zu tun hat?

Nein, evidenzbasierte Entscheidungen gibt es noch nicht so
lange. Das dürfte sich Anfang des 17. Jahrhunderts so langsam
eingeschlichen haben. Z.B. durch Louis Pasteur, uvam. (siehe
auch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Evidenz-Basierte_Medizi…).

Ein interessanter, für mich brauchbarer Hinweis!

Gruß v. Jens

  1. Jahrundert. „Rational“ wird ja immer noch oft genug mit
    „richtig“ gleichgesetzt - eine Denkfalle, in die heute fast
    alle ständig laufen.

Das war nicht immer so. 1933 konnte man z.b. in Deutschland erleben, wie ganz viele Leute nur aufgrund von Gefühlen die Hitlerdiktatur für eine Erlösung hielten. Das war auch nicht besser als die Nachtseiten der Aufklärung.

Zahlen symbolisieren also das Rationale; Worte dagegen das Irrationale oder Emotionale. Zahlen stehen fürs Allgemeine, Worte („Blabla“) dagegen für die persönliche Meinung.

Da fällt mir ein merkwürdiger Widerspruch auf:

In der Werbung heißt es oft, das Bild stehe für die Emotion und der Text, also die Worte, für das Rationale. (Das stimmt in Wirklichkeit nicht, aber das führt hier zu weit ab.) Im Vergleich von Zahl und Wort steht das Wort auf einmal fürs Irrationale. Und das, obwohl die Zahl oft von einem Bild, einer Grafik, begleitet wird. Hier steht also das Bild auf einmal fürs Rationale und der Text fürs Emotionale.

Zahlen, von den nicht bekannt ist wo sie herkommen und wie
gemessen wurde, kann man in der Tat nur glauben.

„Wiedeking geht mit 250 Mio. € Abfindung.“
Diese frei erfundene Zahl geisterte kurz durch die Presse und löste sofort starke Emotionen aus. Genau zu dem Zweck war sie auch lanciert worden.

„Brandenburg besteht bald zu 90% aus Über 65jährigen“
Auch das war so ein Fall.
Solche oft falschen oder grob verzerrten Zahlen werden offensichtlich wegen ihres emotionalen, also irrationalen Gehalts publiziert.

Problematik liegt m. E. darin, wie wir auswählen, was wir
überhaupt messen und was wir unterschlagen. Hier fließen jede
Menge Wertvorstellungen, Denkgewohnheiten und Traditionen ein,
die teilweise kulturbedingt sind und daher von niemanden in
unserer Gesellschaft hinterfragt werden. So manipulieren wir
uns unbewußt und ungewollt selbst.

In der Tat.

Viele Grüße
Jens

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Ich frag mal nach …
Hi Jens,

… Das war auch nicht besser als die Nachtseiten der Aufklärung."

Ich verstehe gerade den Zusammenhang nicht. Magst Du ihn mir bitte erklären?

Mit Grüßen, S:smile:nja

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Gefühl und vernunft
Hallo Sonja,

Werner hatte weiter oben geschrieben, wir liefen häufig in die falle, alles rationale für richtig zu halten. Es gibt eine ganze philosophie (u.a. von Fritjof Capra), die die von Descartes begründete tradition des rationalismus für einen irrweg hält, und Adorno und Horkheimer haben in ihrer „Dialektik der Aufklärung“ ebenfalls abgründe (oder nachtseiten) der aufklärung beleuchtet.

Mein beispiel mit den gefühlsbetonten Hitler-anhängern, das von Friedrich Wolfs drama „Professor Mamlock“ inspiriert wurde, sollte sagen, dass man bei der rationalismuskritik auch das kind mit dem bade ausschütten kann, und dass anti-rationalismus mindestens genau so schädlich sein kann wie anti-emotionalismus.

Am besten wär’s m.e., wir ließen die beiden königskinder gefühl und vernunft einfach zusammenkommen.

In diesem sinne: Alles liebe und klare
Jens

Zahlen stellen vermutlich etwas Stabiles da, etwas, das
Sicherheit vermittelt.

Diesen schlichten satz finde ich sehr erhellend.
Dass zahlen uns stabil und sicher vorkommen, hat wahrscheinlich etwas mit dem geld zu tun.

Jens

Moin,

wenn ich eine bei Journalisten so beliebte Formulierung höre oder lese wie „es entstand ein Schaden in dreistelliger Millionenhöhe“, dann schaudert es mich.

Es gibt kaum eine politische oder wirtschaftliche
argumentation, die nicht mit zahlen untermauert wird.

So ist es. Aber die genannte Formulierung ist ein wackliges Mäuerchen, das zwischen 100 und 999 Millionen schwanken kann. Trotzdem werden solche Formulierungen ständig benutzt, und der Hörer oder Leser glaubt daran ohne zu wissen, an welchen Betrag er glaubt.
Das ist schon seltsam.

Pit

Hallo Jens,

Warum aber glauben wir eigentlich an zahlen?

Im täglichen Leben sind Zahlen etwas verlässliches.

  1. Bei den Grundrechenarten, gibt es immer nur EINE richtige Lösung.
    Im Gegensatz ist es bei den meisten Entscheidungen, die man täglich treffen muss, ganz anders. Hier gibt es mehrere mögliche Lösungen und welches die Richtige ist, weiss man selbst im nachinen nicht immer.

Das es dann bei quadratischen Gleichungen schon zwei Lösungen gibt, wissen die Meisten nicht (mehr)…
Und versuche mal einem Durchschnittsmenschen beizubringen, dass 1m und 1.00m nicht der selbe Wert sind!

  1. Im Rechtssystem haben Gestzeartikel auch eine gewisse Sicherheit gebracht, auch hier haben wir es mit Zahlen zu tun. Hier wurden alle Regeln in einem Buch zusammengefasst und durchnummeriert.
    Die Rechtsunsicherheit hat sich lange in GB gezeigt. Da war es eine art Hobby der Juristen, irgendeinen alten Erlass eine Königs auszugraben, welcher vergessen wurde und deshalb nie ausser Kraft gesetzt wurde. Ich erinnere mich z.B. an den Fall, wo ein Jurist in einer Gaststätte sein mitgebrachtes Schnitzel selber in der Küche braten wollte …

Obwohl wir doch
wissen, dass solche zahlen oft äußerst einseitig ausgewählt,
grob verzerrt und zuweilen auch frei erfunden sind?

Ich denke die meisten sind sich dessen nicht bewusst.

Aktuell haben wir das Problem, dass Rechenleistung kein wirkliches Faktor mehr ist. Berechnungen, für welche früher eine Person ein halbes Leben benötigte, berechnet heute ein Computer in Sekundenbruchteilen.
Der Rechenweg ist immer streng logisch und nachvollziehbar, was aber nichts darüber aussagt, ob das Resultat auch einen Sinn hat. Ich habe keine Ahnung was der Quotient aus der Anzahl Kaffeetassen und der Anzahl Mäuse in einer Stadt aussagen soll, kann es aber problemlos berechnen. Der Rechenweg ist aber für jeden nachvollziehbar und somit verständlich, weshalb es glaubwürdig erscheint …

MfG Peter(TOO)

Hi Jens,

Am besten wär’s m.e., wir ließen die beiden königskinder
gefühl und vernunft einfach zusammenkommen.

Oh, so seh ich das auch!
Und Danke für deine Antwort!

Liebe Grüße, S:smile:nja

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Hi Jens,

Dass zahlen uns stabil und sicher vorkommen, hat
wahrscheinlich etwas mit dem geld zu tun.

Jeder Tag hat seine Stunden, Minuten, Sekunden. Jeder Monat seine Tage, festgelegt, zuverlässig auf Jahre hinaus.
Jede Geburt wird auf den ca-Tag berechnet. Jede Krankheit mit Todesfolge auf den ca-Monat.
Jede Periode wird bei der Frau auf einen ca-Wert von Tagen festgelegt.
Das hat nichts mit Geld zu tun, das soll Sicherheit und Orientierung vermitteln. Klappt natürlich nicht immer.

Wir wissen genau, an welchem Tag unser Gehalt eintrudelt, wir wissen genau, an welchem Tag wir unsere Miete überweisen müssen. Wann welche Rechnung fällig ist.
Und da haben wir das Geld.

Viele Grüße, S:smile:nja

Im täglichen Leben sind Zahlen etwas verlässliches.

  1. Bei den Grundrechenarten, gibt es immer nur EINE richtige
    Lösung.
    Im Gegensatz ist es bei den meisten Entscheidungen, die man
    täglich treffen muss, ganz anders. Hier gibt es mehrere
    mögliche Lösungen und welches die Richtige ist, weiss man
    selbst im nachinen nicht immer.

Ja, das scheint mir eine einleuchtende und scharfsinnige antwort zu sein! Auch der vergleich mit den durchnummerierten paragraphen der gesetze ist interessant.

Obwohl wir doch
wissen, dass solche zahlen oft äußerst einseitig ausgewählt,
grob verzerrt und zuweilen auch frei erfunden sind?

Ich denke die meisten sind sich dessen nicht bewusst.

Sobald ich eine statistik zitiere, die meinem gegenüber nicht passt, kommt reflexhaft der satz: „Ich traue keiner statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe.“ (Der übrigens nicht von Churchill ist, sondern wahrscheinlich aus dem hause Goebbels stammt und Churchill gezielt unterstellt wurde. Das hat Christoph Drösser für die ZEIT-kolumne „Stimmt’s?“ mal recherchiert; www.zeit.de/stimmts )

Sinn hat. Ich habe keine Ahnung was der Quotient aus der
Anzahl Kaffeetassen und der Anzahl Mäuse in einer Stadt
aussagen soll, kann es aber problemlos berechnen.

Wirklich? Dafür müsstest du die tassen und die mäuse erst mal genau zählen, und beides dürfte ziemlich schwierig sein:wink:
Und da sind wir an der hauptquelle der unsicherheit von zahlen: Das genaue messen ist schwierig und in vielen fällen unmöglich; deshalb verzichtet man oft darauf und gibt trotzdem genaue zahlen an, die so tun, als ob man maus für maus nachgezählt hätte.

Herzlich grüße
Jens J. Korff

www.korfftext.de

Hallo,

Es gibt kaum eine politische oder wirtschaftliche
argumentation, die nicht mit zahlen untermauert wird.

Zahlen sollten nur als Ausdruck für reale Fakten stehen.
Zahlen sind nur ein Hilfsmittel um in klarer Form Quantitäten zu benennen.
Das verbale zitieren von Qualität ist nun mal deutlich weniger scharf
und würde jedem Politiker auch nur als „drumherumreden“ vorgeworfen.

Offenbar glauben wir, dass man uns nur dann glaubt, wenn wir
zahlen herbeizitieren können.

Ich glaube das nicht und ich glaube auch nicht jeder Behauptung,
nur weil Zahlen genannt werden. Wenn aber jemand eine konkrete
quantitative Aussage machen will, kommt man um die Nennung von Zahlen
nun mal nicht herum.
Dabei geht es hier aber keinesfalls um die Zahlen an sich,
sondern immer um den Wahrheitsgehalt der Aussagen (egal ob mit oder ohne
Zahlen). Natürlich ist eine Aussage mit konkreten Zahlen auch viel
schärfer als nur eine Aussage wie „viel“ oder „wenig“.

Warum aber glauben wir eigentlich an zahlen? Obwohl wir doch
wissen, dass solche zahlen oft äußerst einseitig ausgewählt,
grob verzerrt und zuweilen auch frei erfunden sind?

Ob man einer Aussage einen Wahrheitsgehalt zugesteht, hängt IMHO
nicht an den Zahlen, sondern vielmehr an der Art der Präsentation,
der Glaubwürdigkeit des Vortragenden und meiner Kenntnis und Interesse
zum Thema.

Und - war das schon immer so? Oder kann man in der
kulturgeschichte eine art wendepunkt finden, an der sich diese
zahlengläubigkeit allgemein durchgesetzt hat?

Ich denke, du hast hier eine sehr pauschale Aussage postuliert.
Ohne Zusammenhang bringt das aber nix, weil es einfach nicht stimmt.

Klar, in der Moderne hat die Mathematik einen extrem zunehmenden
Stellenwert erfahren, weil moderne Naturwissenachaften und auch
Betriebswirtschaft ohne Mathematik nicht geht. Der Bauer im Mittelalter
hatte da weniger Bezug, als der Ing. bei der NASA oder AIRBUS.

Wenn man eine Dienstleistung pauschal mit einem Topf Suppe und einem
Sack Mehl vergütet, muß man nicht soviel rechnen, wie bei einem
Lohn von 6,78€ pro 10 Minuten +19% Mehrwertsteuern und Wegegeld
von 2,43€ pro km + Gebühren für Wartezeiten.

Ist es übrigens in anderen kulturkreisen, z.b. in Indien,
China oder Japan, genau so? Wird auch da alles mit zahlen begründet?

Es wird nirgens wo alles mit Zahlen begründet!

In der Mathematik und Wissenschaften sind Zahlen aber nur ein Mittel
zum Zweck. Da viele Menschen aber zu beliebigen Aussagen irgend welcher
Politiker oder Wissenschaftler keinen Bezug haben und sich mit Mathematik
und Naturwissenschaften nicht wirklich gut auskennen, bleibt ihnen nur
die Möglichkeit, Aussagen zu trauen oder eben nicht zu trauen.

Ein Wort noch zum Thema „Statistik“.
Statistik ist eine sehr starke Methode, um Zusammenhänge mit mathematischen
Methoden zu erfassen. Allerdings ist die Anwendung statistischer Methoden
oft extrem kompliziert und auch fehleranfällig. Selbst die Bewertung
ganz korrekt gefundener statistischer Werte kann leicht komplett
daneben gehen, weil oft falsche Randbedingungen angenommen werden oder
weitreichende Zusammenhänge unbekannt sind und deshalb nicht beachtet werden.
Deshalb aber jeder Statistik zuerst mal wie ein Verschwörungstheorie zu
behandeln, ist dann doch schon wieder deutlich übertrieben.
Gruß Uwi

Hallo,

„Mir hat Lindenblütentee in dem und dem Fall geholfen.“ Wenn
uns das eine vertrauenswürdige Person sagt, halten wir es
nicht für Blabla, sondern nehmen es ernst, obwohl keine Zahl
genannt wird. Zahlen sind also nicht immer vonnöten.

Dass etwas subjektiv geholfen hat, ist überhaupt kein Beweis für eine
objektive klinische Wirkung, um die es wohl eigentlich gehen sollte.

Eine Aussage wie: Lindenblütentee hilft, weil es bei einer Person mal
subjektiv geholfen hat, würde ich erstmal nur als Esoterik abtun,
egal wie vertrauenswürdig eine Person ist. Das schließt freilich nicht aus,
das die Aussage trotzdem richtig sein kann.

Interessant finde ich den letzten Satz. Die 40% lassen offen,
warum der Tee hilft. Könnte es auch eine glaubwürdige Aussage
sein, wenn man eine überzeugende inhaltliche Begründung für
die Wirksamkeit von Lindenblütentee liefert? Oder, anders gefragt:
Angenommen, wir haben zwei Aussagen.
A sagt: In Studie XY hat Lindenblütentee bei 60% der Patienten
die Krankheitddauer um 40% und mehr verkürzt.
B sagt: Lindenblütentee wirkt lindernd, weil der darin
enthaltene Stoff X über den Mechanismus Y den Aufbau von
Antikörpern fördert.
Welche von den beiden ist glaubwürdiger?

Ein Unterschied in der Glaubwürdigkeit kann man da gar nicht feststellen,
sofern man nicht konkrete Kenntnis für oder wider hat.
Wer aber nicht nur eine allgemeine Aussage zur prozentualen Wirkung macht
und auch noch den Wirkmechanismus benennen kann, ist einfach einen
Schritt weiter.
Wer behauptet, dass man mit einem Auto über 150km/h fahren kann sagt
ja nichts Falsches. Der Motorening. der auch genau weiss, wie der Motor
im Inneren arbeitet ist eben eine andere Qualität.

Warum aber glauben wir eigentlich an zahlen?

Ich würde das nicht als „glauben“ bezeichnen, sondern als
gebrauchen; Und manchmal eben auch als mistbrauchen.

Man kann hier schon das Wort „glauben“ benutzen.
Das Wort hat ja mind. 3 Bedeutungen.

  • eine Aussage als Wahr annehmen bzw. als wahr zu wissen.
  • einer Person zu vertrauen
  • religöser Glaube
    http://de.wikipedia.org/wiki/Glauben
    Das Wort sollte man also nicht so unspezifisch benutzen.
    Gruß Uwi

Hallo Jens ,

Im täglichen Leben sind Zahlen etwas verlässliches.

  1. Bei den Grundrechenarten, gibt es immer nur EINE richtige
    Lösung.
    Im Gegensatz ist es bei den meisten Entscheidungen, die man
    täglich treffen muss, ganz anders. Hier gibt es mehrere
    mögliche Lösungen und welches die Richtige ist, weiss man
    selbst im nachinen nicht immer.

Ja, das scheint mir eine einleuchtende und scharfsinnige
antwort zu sein! Auch der vergleich mit den durchnummerierten
paragraphen der gesetze ist interessant.

Vielleicht muss man dabei auch noch die Entwicklung der Schrift, als solches, noch in Betracht ziehen.

Die Schrift war ein Erfordernis um grosse Reiche zu verwalten. Die ältesten erhaltenen Tontafeln beinhalten nur Verwaltungskram, wie z.B. Lagerbestände.

MfG Peter(TOO)

Zum Runterdummen
Hallo,

Meines Erachtens müßen hauptsächlich Wissenschaftler mit
Zahlen umgehen, und Dinge, die sie bearbeiten statistisch
untermauern.
Dazu müßen sie, wenn sie etwas ernstzunehmendes
veröffentlichen wollen, ihre Zahlen und ihre Statistik mit
angeben. Inklusive Fehlerrahmen, Hintergrundanahmen,
0-Hypothese und Selbstkritik.

Hm. Es bleibt aber doch eigentlich ein merkwürdiges phänomen, dass wissenschaftliche aussagen meistens quantitativ daherkommen und nicht mehr qualitativ.
Es ist doch auch wissenschaftlich exakt, wenn man feststellt, dass sodbrennen durch überschüssige magensäure verursacht wird, die in die speiseröhre aufsteigt. Dafür braucht man eigentlich keine einzige zahl.

Mir scheint allerdings, dass solche aussagen heutzutage kaum noch als wissenschaftlich akzeptiert werden.

Leider lesen auch Journalisten, die keine Ahnung von
Mathematik oder Statistik haben diese Veröffentlichungen, und
dummen sie dann halbverstanden für ein Publikum, das nichts
oder nur wenig von Statistik versteht runter.

Tja, journalisten und mathematik… Das ist allerdings ein trauerspiel in 2 Mio. akten.
„Runterdummen“ - dieses nette verb kannte ich noch gar nicht:wink:

Gruß von Jens

Ist exaktheit immer quantitativ? Gegenbeispiele
Hallo,

Zahlen sind nur ein Hilfsmittel um in klarer Form Quantitäten
zu benennen.
Das verbale zitieren von Qualität ist nun mal deutlich weniger
scharf
und würde jedem Politiker auch nur als „drumherumreden“
vorgeworfen.

Warum eigentlich?
Qualitative aussagen können doch genau so eindeutig und exakt sein wie quantitative. Ein paar beispiele:

„Warst du das?“ - „Ja.“

„Im moment scheint die sonne.“

„Kornblumen blühen blau.“

„Adenauer war katholik.“

Alle diese aussagen sind eindeutig, exakt und trotzdem frei von zahlen.

Wie kommt dein eindruck zustande, dass exaktheit notwendigerweise quantitativ sein, also zahlen nennen müsse?

Natürlich ist eine Aussage mit konkreten Zahlen auch
viel
schärfer als nur eine Aussage wie „viel“ oder „wenig“.

Wie gesagt, du setzt die quantitative dimension einfach voraus.
„Blau“, „süß“, „hart“, „flüssig“, „lebendig“, „katholisch“ - auch das sind doch ganz konkrete eigenschaften, die oft sogar einfacher überprüfbar sind als zahlenangaben.

Und das weckt in mir den verdacht, dass leute, die ständig mit schwer überprüfbaren zahlen um sich schmeißen, vielleicht etwas zu verbergen haben. Vielleicht haben sie schlicht angst davor, eine eindeutige, leicht überprüfbare qualitative aussage zu treffen, auf die man sie persönlich festnageln kann. Für zahlen, die man zitiert, sind meist andere verantwortlich. Das soll keine verschwörungstheorie sein, sondern eine verbreitete menschliche schwäche charakterisieren.

Methoden zu erfassen. Allerdings ist die Anwendung
statistischer Methoden
oft extrem kompliziert und auch fehleranfällig. Selbst die
Bewertung
ganz korrekt gefundener statistischer Werte kann leicht
komplett
daneben gehen,

Jaja. Genau das meinte ich mit den verzerrten zahlen, die oft benutzt werden, um eine meinung zu begründen, die man eigentlich aus ganz anderen gründen hatte.

Gruß von Jens