Wie so oft darf ich als Befragter die Botschaft in die von dir gestellte Frage hineininterpretieren. Du willst implizit mit deiner Frage ausdrücken, es habe noch nie absolute Homogenität gegeben. Und damit glaubst du, die absehbaren Folgen der Masseneinwanderung relativieren zu können.
Katze, es ging nicht darum, dass es eine absolute Homogenität gegeben habe. Es geht darum, dass wir eine relative Homogenität erreicht haben. Relativ heißt, in Abgrenzung zu anderen, inhomogenen Gesellschaften. Dass es immer schon ganz unterschiedliche Strömungen, Milieus, einzelne Ausreißer gegeben hat, kannst du doch nicht als Begründung dafür heranziehen, warum die massive kulturfremde Zuwanderung nun kein Problem darstelle.
Das ist so, wie wenn der Buchhalter hunderttausend Euro unterschlägt und später sagt, es habe doch schon immer Kassenfehlbeträge gegeben.
Wir reden nicht vom Anspruch absoluter Homogenität. Dennoch gibt es Gesellschaften, also Gruppen von Menschen, die durchaus Unterschiede aufweisen können, mit einer gegenüber anderen abgrenzbaren Kultur. Dass du das negierst, ist klar. Aber bloß, weil einem nie eine hundertprozentige Abgrenzung zwischen - nur als Beispiel - italienischem Temperament und russischer Seele gelingen wird, weil man sowohl den Wodka-trinkenden Italiener mit Bärenfellmütze als auch den italienischen Igor finden wird, heißt das nicht, dass sich nicht doch Kulturen abgrenzen lassen könnten. Der Begriff „Kultur“ ist immer ein Sammelsurium an verschiedenen Faktoren von Sprache, Historie, Rechtssystem, gesellschaftlichen Konditionen, Architektur usw.
Individualismus und Internationalismus klingen toll, mit ihnen kann man aber letztendlich die Existenz der Identität nicht negieren.
Klar, Unterschiede gab es schon immer. Aber die Menschen können differenzieren: Es gibt innerhalb der eigenen Gesellschaft diese Unterschiede. Es gibt die städtische Trinkerszene, es gibt den Stadtjunkie, der viel auf dem Kerbholz hat usw. Dennoch können wir differenzieren zwischen Delinquenzen innerhalb der Gruppe, der wir uns zugehörig fühlen. Dort hat man eine höhere Bereitschaft, die Probleme innerhalb der eigenen Gruppe zu lösen. Man ist nachgewiesenermaßen auch solidarischer mit Leuten der Gruppe, in der man seine eigene Identifikation sieht.
Ich empfehle dir zum Beispiel - neben Sachbüchern - aus dem Belletristik-Bereich mal den folgenden Roman. Achte besonders auf die Beschreibungen der Gesellschaft, die von Tagedieben, Fabrikarbeitern, Normalbürgern usw. geprägt ist, die alle in mehr oder weniger friedlicher Koexistenz leben (Identifikation mit Menschen, die man als der eigenen Gruppe zugehörig betrachtet vs. [nicht im Roman auftauchender] Menschen, die man als fremd identifiziert):