…um das sich auch die deutsche Regierung herumdrückt?
Warum gibt es darüber kaum ein Bewusstsein, über das, was Armenier „Aghet“ nennen und was der erste Genozid des letzten Jahrhunderts war, viele wissen nicht einmal davon, und warum kommen sämtliche türkische Regierungen seit Jahrzehnten mit ihren Haltungen dazu durch in Europa?
Wie könnte dieser Genozid einen Weg mit gebahnt haben für den großen Genozid später im 20ten Jahrhundert?
Oder liegen Genozide in der Natur des Menschen?
Und wofür brauchte die „jungtürkische Regierung“ ein Volk- und warum ausgerechnet dieses Volk- als Ventil, Sündenbock, oder was auch immer?
Später dann waren es und sind noch die Kurden, die die verfolgt werden, was ist da los in der Türkei?
Träumen die etwa immer noch den Traum vom panosmanischen Reich???
Was wäre eine angemessene Haltung dazu in Europa, in der Welt? (Und welche Interessen stehen dagegen?)
Im Moment ist es ganz simpel: Die deutsche Regierung wird absolut überhaupt nichts machen, was auch nur andeutungsweise Erdogan verärgern wird, weil sie nicht riskieren will, dass die Türkei den Flüchtlingspakt aufkündigt und sich 3,5 Millionen Flüchtlinge Richtung Deutschland aufmachen.
Das, was auch in anderen Ländern los ist und wieder zunehmend beliebt wird - mit einem Sündenbock lässt es sich prima an die Macht kommen und an der Macht bleiben, ohne dass man allzu ausgearbeitete politische Inhalte liefern müsste. Besonders praktisch sind irgendwelche ethnischen Minderheiten als Sündenböcke, denn in Abgrenzung zu diesen lässt sich ganz wunderbar das Nationalgefühl stärken. Letztendlich sind die jeweiligen Sündenböcke aber austauschbar - egal, ob Juden, Sinti und Roma, Flüchtlinge oder Muslime, gegen alle lässt sich im Zweifelsfall hervorragend hetzen.
Sagen wir einmal so: Es betrifft nicht nur die Armenier, das Thema Völkermord durch die jeweils eigene Volksgruppe wird ganz allgemein gemieden. Auch bezüglich des Holocaust, an dem zumindest in Deutschland niemand drum herum gekommen ist, mehren sich inzwischen die Stimmen, diese „alte Geschichte“ endlich einmal ruhen zu lassen, und der gleichzeitig stattfindende Porajmos wurde von Anfang an so weiträumig ignoriert, dass die meisten noch nicht einmal wissen dürften, worum es sich dabei handet (und sobald sie es wissen, dürften nicht wenige den Opfern die Schuld daran geben). Unangenehm ist auch die Diskussion um den Genozid an den Herero und Nama, denen heute gern unterstellt wird, sie wollten ja nur Geld herausschlagen.
Das glaube ich persönlich nicht. Es scheint aber in der Natur der Mächtigen zu liegen, sich nicht mit den Genoziden und deren Folgen beschäftigen zu wollen, die sie oder ihre Vorgänger verursacht haben. Und ja, zu den „Mächtigen“ zählen in diesem Fall auch Ali Normaltürke und Otto Normaldeutscher, die nicht daran erinnert werden wollen, dass ihr glorreiches Land, an deren Zugehörigkeit sie ihr eigenes Ego ausrichten, schwere Verbrechen begangen hat.
Das Interessante bei der Geschichte ist ja, dass die gleichen Leute überhaupt kein Problem damit haben, die von anderen - insbesondere Nichteuropäern - begangenen Völkermorde zu thematiseren.
Waren es ja damals noch Russen und keine Armenier und hat D oder auch Europa nicht wirklich interessiert.
Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens, dass sich sogar der Europäische Gerichtshof schwer tut, anzuerkennen, dass es sich um Völkermord handelte.
Die Haltung der jeweiligen Bundesregierungen ist an Absurdität nicht zu überbieten. Vor und zurück, ja oder nein. Im Moment ist es so, dass die Anerkennung des Genozids durch die Türkei ein großer Punkt bei den Beitrittsverhandlungen zur EU ist. Wobei es dem Herrn Erdogan mittlerweile wohl völlig egal ist, ob EU oder nicht.
Türkei, der m.E. wichtigste Punkt. Leider liegt die Türkei strategisch unheimlich wichtig und wenn man sich mal anschaut, wie oft D oder die EU in den letzten Jahren gegenüber der Türkei eingeknickt ist, dann kann man sich vorstellen, dass Herr Erdogan genau weiß, wie wichtig die Türkei ist. Ob sie strategisch tatsächlich so wichtig ist, kann ich nicht beurteilen.
Wichtig ist sie auf jeden Fall, um die Flüchtlinge aufzuhalten. Und dann ist man natürlich nett und kramt nicht in alten „Geschichten“.
In der Wissenschaft ist das Thema übrigens umfangreich aufgearbeitet worden und es herrscht Konsens, dass es ein Genozid war, obwohl sich ja manch einer zu der Aussage verstiegen hat, dass es kein Genozid war, weil es das Wort damals noch nicht gab
Im Übrigen brauchst du nur nach Ruanda schauen. Es gab ein dudu, ein paar Blauhelme und ein Konzert.
In den westlichen Medien und von westlichen Politikern wurde der Genozid in epischer Breite thematisiert, so sehr, dass er bis heute die Berichterstattung über Ruanda dominiert. Was allerdings dabei nicht berichtet wurde, dass und inwiefern der europäischen Kolonialismus zu der Entstehung des Konflikts geführt hatte - es wurde behauptet, es handle sich um „uralte“ Stammeskonflikte, was aber nicht der Fall war. Ebenfalls nicht berichtet wurde, dass Frankreich seine dreckigen Finger im Spiel hatte.
Das Dumme ist ja, dass, solange so etwas geschehen ist und es nicht wirklich ein Stück weit ehrlich aufgearbeitet und anerkannt und zutiefst und überzeugend bereut worden ist, bleibt das als dunkler Knoten im Unbewussten hängen und wirkliche Entwicklung wird dort blockiert.
Sehr berührt in diesem Sinne hat mich die Aufarbeitung in Südafrika , wo Opfer öffentlich ihre Geschichten erzählt haben und Täter das gehört haben und an vielen Stellen auch so etwas wie Vergebung, Frieden und Befreiung dadurch geschehen konnte.
Es geht vielleicht nur im Individuellen, aber staatlich muss ein Rahmen dafür gegeben werden.
Ich weiss es nicht. Wirklich nicht. Und fürchte, dass schon.
In vielen nicht, aber wie sollen wir uns Hitlerdeutschland eigentlich erklären?
Da waren viele „gute“ Menschen, und dann hat etwas Größeres und Böses von ihnen Besitz ergriffen, und wo sollte das sein, ausser in all den „guten“ Menschen?
Etwas vermutlich Abgespaltenes, das „Böse“ schlechthin und darum finde ich es auch ungeheuer wichtig, dass wir alle uns unseren Schatten, das Unangenehme, das wir auch sind bewusst machen.
Der Denunziant, der Täter, der Zuschauer.
Sind alles wir selber.
Wir sehen es doch gerade wieder, wie viele Menschen, die verunsichert, frustriert und in Sorge sind dem Bösen, was aus der ganz rechten Ecke kommt wieder folgen wollen.
Aus Unbewusstheit , vermutlich auch Dummheit und aus dumpfer Angst.
Wenn man in Betracht zieht, was auch ein so harmlos wirkendes Völkchen wie die Belgier für historische Lasten mit sich herumträgt ist man geneigt dieser Vermutung zuzustimmen…
Gerade in den letzten Jahren kann ich es gut in unserem Land live beobachten. Menschen, die Angst fühlen (es muss gar keine Angst vor einer realen Gefahr sein, es reicht, wenn man ihnen Ängste vor abstrakten Gefahren einredet) werden primitiv. Selbst die intelligentesten Menschen können dann dummen, einseitigen, unlogischen Lösungsmodellen folgen. Man fängt an, sich an immer kleinere, unwichtigere Dinge zu klammern, Stolz, Pathos und es bildet sich ein Gruppendenken heraus - wir und die. Das lässt sich gut weiter steigern. Als nächste Stufe folgt die verbale Ausgrenzung von Minderheiten, dann die gesellschaftliche. Wenn diese Spirale nicht unterbrochen wird, scheint mir der Genozid an einer oder mehren Minderheiten der nächste logische Schritt.
Warum das alles? Meine Erklärung dafür erscheint mir selbst sehr pessimistisch und schon fast als Verschwörungstheorie. Menschen, die Macht haben, neigen aus meiner Beobachtung dazu, diese Macht weiter ausbauen zu wollen. Menschen die Macht haben, können ihre Macht besser ausbauen, wenn die ohnmächtigen Menschen mit anderen Dingen beschäftigt sind. Menschen die Angst haben lassen sich gut kontrollieren und manipulieren. Hass, Ausgrenzung und Diskrimierung unter den Ohnmächtigen zu streuen scheinen mir ein probates Mittel, um den eigenen Machtausbau ungestört fortzusetzen.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es genau so ist. Hoffe aber, dass immer mehr Menschen zivilisiert genug sind oder werden, um dergleichen zu verhindern.
„Wir“ gegen „die“ ist irgendwie ein Mechanismus, der jedem Menschen eigen ist. Kommen weitere Faktoren dazu wie Angst, Armut, Profitgier, Professionelle Hetzer, (da gibt es viele Möglichkeiten und Kombinationen), fällt die Zivilisation und Menschlichkeit ganz schnell in auch zusammen. Ich erinnere nur an die „Absaufen“- Rufe…
Der Genozid ist eine logische Konsequenz der ganzen National-, Volk-, Blut-, Boden-, usw.-Ideologie des 19./20. Jhdts.
Wer anfängt, die Hutu und die Tutsi administrativ als „Völker“ zu erfassen (statt als Berufsgruppen), der hat den dortigen Genozid bereits begonnen.
Wer wars zu Beginn? Na, die Teutschen halt - aber darum gehts nicht. Mein persönlicher Deutschhass soll ja nicht die Schuld der Belgier und Franzosen am Genozid in Ruanda verdecken.
Finde ich schon.
Die Armenier sind nicht „sexy“ genug.
Aus meiner Sicht ist es nicht nur der Erdogan-Flüchtlingspakt, der die BRD daran hindert, sondern ironischerweise auch der Holocaust™.
Die ganze Holocaust-Gedenkkultur in Deutschland hat eine dermaßene narzisstische Komponente, d.h. es wird sich gesonnt in der eigenen (negativen Verbrechen- und positiven Pseudo-Aufarbeitungs-) Größe. Da wärs schon furchtbar, wenn einem einer diese Größe streitig machen oder relativieren würde.
Der Michel braucht schon mindestens ein „sui generis“, etwas vollkommen Singuläres, am besten noch etwas, bei dem „die Begriffe vollkommen versagen“. Da braucht man dann auch nur Gedenken und kann sich das (begriffliche) Nachdenken sparen.
um den nicht sehr ehrenvollen Titel „Erster Genozid des XX. Jahrhunderts“ wetteifern der zweite Burenkrieg (- 1902, Erfindung des Konzentrationslagers durch die Briten) und, falls man die Buren nicht als „Volk“ betrachtet, die Vernichtung der Nama und Herero in Deutsch-Südwestafrika (- 1908).
Ich gebe dir recht, wollte das aber nicht so verstanden wissen. Ich wollte darauf hinweisen, inwieweit dieses Massaker die Weltöffentlichkeit interessiert hat. Und das war mitten im 20. Jhd., wo man sich schon hervorragend informieren konnte.
Das war m.E. in Armenien auch ein Umstand, der dazu beitrug, dass dieser Völkermord mehr oder weniger im Verborgenen stattfand, die Nachrichtenlage. Es gab durchaus auch Berichte dazu, aber die sind damals in der allgemeinen Gemengelage (die Welt befand sich mitten im 1. Weltkrieg) untergegangen.
Und „die Juden“ sind sexy???
(Dass " die Indianer" sexy sind ist wohl unbestreitbar, aber wen kümmern die und haben je jemanden gekümmert?)
Es ist ja so, dass man ganz schön suchen muss, um davon überhaupt zu hören, von der Armenenierabschlachterei.
„Die 40 Tage des Musa Dagh“ darf an dieser Stelle empfohlen werden, zumal Werfel auch kein Deutscher ist, sondern Österreicher. (Der Schatten der „Österreicher“ ist auch nicht eben klein, nur ein in Nuancen anderer. Wann werdet Ihr endlich Euren Komplex den Deutschen gegenüber aufgearbeitet haben ? )
Das ist ein Gedanke, den ich auch habe.
Es gab und gibt mehr Genozide, als uns unseren Wohlstand und lokalen Frieden verdienter- und entspannterweise geniessen können lassen sollte.
„Sexy“ ist natürlich ein Verlegenheitsbegriff von mir gewesen.
„Haben keine Lobby“ passt auch nicht besser.
Aber du verstehst vermutlich eh, was ich damit meine.
Es ging ja nicht um meine persönliche Wertung, sondern um Despkription.
Es geht ganz wesentlich darum, ob es sich hier um ein Phänomen handelt, das für die Ideologie der ‚Nationalstaaten‘ und damit auch ‚Staatsvölker‘ typisch ist, oder ob das irgendeine türkische oder jungtürkische Sache ist.
Oder gar etwas, was in der ‚Natur des Menschen‘ liegt, was auch immer diese mit staatlicher Organisation und Gewaltausübung zu tun haben mag.
Außerdem ist Dir diese vermeintliche Stellung des Genozids am armenischen Volk wichtig genug, dass Du schreibst
und siehe: Er war es nicht.
Zur Deutung von Geschichte ist es notwendig, von den Sachverhalten auszugehen.
Natürlich ist das keine „türkische Sache“, was für eine absonderliche Option der Gedanke schon ist, die Geschichte hat doch gezeigt, dass es das mitnichten ist.
Und ob es tatsächlich der allererste Völkermord im 20ten Jahrhundert war oder der zweite ist in diesem Kontext auf der Ebene, wie das hier besprochen wird vollkommen unwichtig.
Ob du Recht hast oder nicht interessiert hier und jetzt überhaupt nicht.
Ich bitte dich darum, dich aus meinen threads rauszuhalten.Bitte.