Warum ist dieser Hass gegen Juden ?

Hallo,

Max Eyth hat es klipp und klar gesagt: Das Christentum!
Bezeichnend: Keiner hat mit einem Aufschrei dagegen
geantwortet.

Manche sind zu Weihnachten halt woanders … :smile:
aber bitte:

NEIN !!!

Bereits vor christlichen Zeiten waren die Juden unterschiedlichen Verfolgungen ausgesetzt. Das Christentum, das aus dem Judentum entstanden ist, betrachtet es als die „lebensspendende Wurzel“, sich selbst hingegen nur als „aufgepfropften Zweig“ (so der als Antisemit verschrieene Paulus).

Wie es dann dazu kommen konnte, dass sich das Christentum mit dem Antisemitismus eingelassen hat, gehört zu den verwirrendsten und traurigsten Kapiteln der Geschichte des Christentums.

Und tatsächlich hat, seit dem 11. oder 12. Jahrhundert, das Christentum die Hauptverantwortung für den abendländischen Antisemitismus zu tragen - vielleicht bis hin zum Holocaust. Dies abzustreiten wäre verbrecherisch. Aber trotzdem ist der Antisemitsimus kein Geburtsfehler des Christentums, sondern im Gegenteil: ihm im Kern wesensfremd.

lg
Täubchen

hi,

ich habe versucht, Antisemitismus als Spezialfall eines
bestimmten Verhaltensmusters zu erklären, das sich bereits im
Kindesalter in gruppendynamischen Prozessen entwickeln kann.

deine ausführungen zu hackordnung, selbstwertgefühl, gruppendruck usw. sind sicher korrekt, nur erklären sie nicht, warum ausgerechnet juden die exponierte stellung einer untersten hackgruppe einnehmen. juden werden antisemitisch nicht als schwach sondern im gegenteil als besonders mächtig eingestuft. außerdem hat der typische antisemit überhaupt keinen realen kontakt zu juden. das paßt alles nicht zur erklärung mit der hackordnung.

grüße
datafox

hallo,

Natürlich erscheint eine solche Praxis reichlich seltsam und
auch abschottend in einer chritlichen Umgebung, die völlig
anders mit dem Konvertitentum umgeht und einer derer
Kerngedanken die Missionierung ist.

nach obiger theorie wäre das judentum als missionarische religion dann besser bei christen akzeptiert weil dem christentum ähnlich und nicht abschottend? der islam ist so eine religion. ich bezweifle das.

b) Worum es mir ging war folgendes: Lange Zeit herrschten
Berufsverbote für viele MinderheitenGruppen.

diese ursache ist mir bekannt. ich verweise aber auf die stelle in den evangelien, in denen jesus die geldwechsler aus der unmittelbaren tempelumgebung hinauswirft. das klischee vom wucherjuden scheint doch etwas älter zu sein, wie sonst käme so eine geschichte zustande, die völlig absurd ist, wenn man die historischen hintergründe zur opferpraxis im tempel kennt?

Indem man
über Juden als besondere Gruppe spricht setzt man ja schon
vorher fest, dass sie eine wären.

naja, das muß vrausgesetzt werden, da es grundbedingung für antisemitisches denken ist. das diskutieren wir ja.

Ich kenne Menschen, Türken oder Afrikaner zum
Beispiel, die könnten sehr viel besser erklären, was die Worte
heutzutage bedeuten…

ja, das ist mir klar. die anfeindungen auf juden laufen subtiler ab als auf die üblichen „ausländer“ (=dunkelhäutige, südländische. europäer sind ja nie betroffen von „ausländerfeindlichkeit“).

–> Das ist nicht der Punkt!
Klar, es geht hier um über 5700 Jahre Geschichte, aber erstens
wurden all diese Dinge auch anderen Gruppen (Religionen,
Ethnien, etc) nachgesagt. Meine Beispiele sind natürlich
wieder nicht besonders komplex, aber sie sollen nur als
Denkanstöße dienen (sonst tipp ich ja noch morgen :wink::

  • der Voodoo-Glaube
  • die „Orientalen“
  • das „Exotische“
  • die Frauen

ja, genau! das wären bessere vergleichsobjekte gewesen als die üblichen türken und hugenotten. es geht eben nicht um verallgemeinerungen, sondern um als tief sitzend empfundene „dunkle bedeutungen“. „frauen“ ist auch ein sehr gutes beispiel.

Der Hass auf Juden wird nie aufhören, solange sich Juden und
Nicht-Juden nicht auf gleicher Augenhöhe begegnen können.

seh ich auch so.

gruß
datafox

kann mir jemand sagen, warum es diesen unterschwelligen Hass,
gegen Juden, gibt ? Ich nehme an, das ich im Geschichte Brett
richtig bin.

Neben den hier schon geschilderten geschichtlichen Ursachen (oder Rechtfertigungen) dürfte dies wohl eher ein Thema für Psychologen und Verhaltensforscher sein.
siehe etwa hier:
http://www.akdh.ch/psyche1.htm

Habe schon in vielen Foren verschiedene Einträge gelesen, auch
hier, wo sich in übelster Weise, gegen Juden, ausgelassen
wird.

Wie hier? Kannst du Beispiele nennen.

In geselliger Runde eines Geburtstages im Sommer, wurde von
einem entfernten Verwandten meines Freundes, geäußert: „Die“
hätten sie besser alle ver…

Nun das Wort Vergasen klingt wohl zu harmlos oder zu abstrakt, dehalb wende ich im Fall der Bemerkung „Die sollte man alle vergasen“ die Schocktherapie an (wird wohl mancher überzogen finden), man konfrontiert den gegenüber mit den Konsequenzen seiner absichtlichen oder „nur so dahergesagten“ Äusserung. Ich persönlich zitiere dann immer aus folgendem Dokument.
Es stammt von dem SS-Offizier Kurt Gerstein, leitender Entseuchungsoffizier der Waffen-SS. Dieser vertraute sich auf einer Zugreise im Jahre 1942 dem schwedischen Diplomaten Baron von Otter an. Dies ist eine der frühesten Nachrichten über Vergasungen.

Hier Auszüge einer Erklärung von Gernstein vom 4.5.1945:
„Am anderen Tage fuhren wir nach Belcec. Ein kleiner Spezialbahnhof war zu diesem Zweck an einem Hügel hart nördlich der Chaussee Lublin-Lemberg im linken Winkel der Demarkationslinie geschaffen worden. Südlich der Chausee einige Häuser mit der Inschrift ‚Sonderkommando Belcec der Waffen-SS‘ Da der eigentliche Chef der gesamten Tötungsanlagen, der Polizeihauptmann Wirth, noch nicht da war, stellte Globocnek mich dem SS-Hauptsturmführer Obermeyer (aus Pirmasens) vor. Dieser ließ mich an jenem Nachmittag nur das sehen, was er mir eben zeigen mußte. Ich sah an diesem Tage keine Toten, nur der Geruch der ganzen Gegend im heißen August war pestilenzartig, und Millionen von Fliegen waren überall zugegen. - Dicht bei dem kleinen zweigleisigen Bahnhof war eine große Baracke, die sogenannte Garderobe, mit einem großen Wertsachenschalter. Dann folgte ein Zimmer mit etwa 100 Stühlen, der Friseurraum. Dann eine kleine Allee im Freien unter Birken, rechts und links von doppeltem Stacheldraht umsäumt, mit Inschriften: Zu den Inhalier- und Baderäumen! - Vor uns eine Art Badehaus mit Geranien, dann ein Treppchen, und dann rechts und links je drei Räume 5*5 Meter, 1,90 Meter hoch, mit Holztüren wie Garagen. An der Rückwand, in der Dunkelheit recht sichtbar, große hölzerne Rampentüren. Auf dem Dach als ‚sinniger kleiner Scherz‘ der Davidstern!! - Vor dem Bauwerk eine Inschrift: Heckenholt-Stiftung! - Mehr habe ich an jenem Nachmittag nicht sehen können.
Am anderen Morgen um kurz vor sieben Uhr kündigt man mir an: In zehn Minuten kommt der erste Transport! Tatsächlich kam nach einigen Minuten der erste Zug von Lemberg aus an. 45 Waggons mit 6.700 Menschen, von denen 1.450 schon tot waren bei ihrer Ankunft. Hinter den vergitterten Luken schauten, entsetzlich bleich und ängstlich, Kinder durch, dia Augen voll Todesangst, ferner Männer und Frauen. Der Zug fährt ein: 200 Ukrainer reißen die Türen auf und peitschen die Leute mit ihren Lederpeitschen aus den Waggons heraus. Ein großer Lautsprecher gibt die weiteren Anweisungen: Sich ganz ausziehen, auch Prothesen, Brillen usw. Die Wertsachen am Schalter abgeben, ohne Bons oder Quittung. Die Schuhe sorgfältig zusammenbinden (wegen der Spinnstoffsammlung), denn in dem Haufen von reichlich 25 Meter Höhe hätte sonst niemand die zugehörigen Schuhe wieder zusammenfinden können. Dann die Frauen und Mädchen zum Friseur, der mit zwei, drei Scherenschlägen die ganzen Haare abschneidet und sie in Kartoffelsäcken verschwinden läßt. ‚Das ist für irgendwelche Spezialzwecke für die U-Boote bestimmt, für Dichtungen oder dergleichen!‘ sagt mir der SS-Unterführer, der dort Dienst tut. -
Dann setzt sich der Zug in Bewegung. Voran ein bildhübsches junges Mädchen, so gehen sie die Allee entlang, alle nackt, Männer, Frauen, Kinder, ohne Prothesen. Ich selbst stehe mit dem Hauptmann Wirth oben auf der Rampe zwischen den Kammern. Mütter mit Säuglingen an der Brust, sie kommen herauf, zögern, treten ein in die Todeskammern! - An der Ecke steht ein starker SS-Mann, der mit pastoraler Stimme zu den Armen sagt: Es passiert euch nicht das geringste! Ihr müßt nur in den Kammern tief Atem holen, das weitet die Lungen, diese Inhalation ist notwendig wegen der Krankheiten und Seuchen. Auf die Frage, was mit ihnen geschehen würde, antwortet er: Ja, natürlich, die Männer müssen arbeiten, Häuser und Chauseen bauen, aber die Frauen brauchten nicht zu arbeiten. Nur wenn sie wollen, könnten sie im Haushalt oder in der Küche mithelfen. - Für einige von diesen Armen ein kleiner Hoffnungsschimmer, der ausreicht, daß sie ohne Widerstand die paar Schritte zu den Kammern gehen - die Mehrzahl weiß Bescheid, der Geruch kündet ihnen ihr Los! - So steigen sie die kleine Treppe herauf, und dann sehen sie alles. Mütter mit Kindern an der Brust, kleine nackte Kinder, Erwachsene, Männer und Fraquen, alle nackt - sie zögern, aber sie treten in die Todeskammern, von den anderen hinter ihnen vorgetrieben oder von den Lederpeitschen der SS getrieben. Die Mehrzahl, ohne ein Wort zu sagen. Eine Jüdin von etwa 40 Jahren mit flammenden Augen ruft: „Das Blut, das hier vergossen wird, über die Mörder“. Sie erhält 5 oder 6 Schläge mit der Reitpeitsche ins Gesicht, vom Hauptmann Wirth persönlich, dann verschwindet auch sie in der Kammer. - Viele Menschen beten. Ich bete mit ihnen, ich drücke mich in eine Ecke und schreie laut zu meinem und ihrem Gott. Wie gern wäre ich mit ihnen in die Kammer gegangen, wie gerne wäre ich ihren Tod mitgestorben. Sie hätten dann einen uniformierten SS-Offizier in ihren Kammern gefunden - die Sache wäre sang- und klanglos verschollen. Noch also darf ich nicht, ich muß noch zuvor kündigen, was ich hier erlebe! - Die Kammern füllen sich. Gut vollpacken - so hat es Hauptmann Wirth befohlen. Die Menschen stehen einander auf den Füßen. 700 bis 800 auf 25 Quadratmetern, in 45 Kubikmetern! Die SS zwängt sie physisch zusammen, soweit es überhaupt geht! - Die Türen schließen sich. Währendessen warten die anderen draußen im Freien, nackt! Man sagt mir: Auch im Winter genauso! Ja, aber sie können sich doch den Tod holen! sage ich. - Ja, grad for das sinn se ja doh! - sagt mir ein SS-Mann darauf in seinem Platt. - Jetzt endlich verstehe ich, warum die ganze Einrichtung Heckenholt-Stiftung heißt. Heckenholt ist der Chauffeur des Dieselmotors, ein kleiner Techniker, gleichzeitig der Erbauer der Anlage. Mit den Dieselauspuffgasen sollen die Menschen zu Tode gebracht werden. Aber der Diesel funktioniert nicht! Der Hauptmann Wirth kommt. Man sieht, es ist ihm peinlich, daß das gerade heute passieren muß, wo ich hier bin. Jawohl ich sehe alles! und ich warte. Meine Stoppuhr hat alles brav registriert. 50 Minuten, 70 Minuten - der Diesel springt nicht an! Die Menschen warten in ihren Gaskammern. Vergeblich. Man hört sie weinen, schluchzen … Der Hauptman Wirth schlägt mit der Reitpeitsche dem Ukrainer, der dem Unterscharführer Heckenholt beim Diesel helfen soll, 12, 13mal ins Gesicht. Nach 2 Stunden 49 Minuten - die Stoppuhr hat alles wohl registriert - springt der Diesel an. Bis zu diesem Augenblick leben die Menschen in diesen 4 Gaskammern, viermal 750 Menschen in viermal 45 Kubikmetern! - Von neuem verstreichen 25 Minuten. Richtig, viele sind jetzt tot. Man sieht das durch das kleine Fensterchen, in dem das elektrische Licht die Kammern einen Augenblick beleuchtet. Nach 28 Minuten leben noch wenige. Endlich, nach 32 Minuten ist alles tot! - -
Von der anderen Seite öffnen Männer vom Arbeitskommando die Holztüren. Man hat ihnen - selbst Juden - die Freiheit versprochen und einen gewissen Promillesatz von allen gefundenen Werten für ihren schrecklichen Dienst. Wie Basaltsäulen stehen die Toten aufrecht aneinander gepreßt in den Kammern. Es wäre auch kein Platz, hinzufallen oder auch nur sich vornüber zu beugen. Selbst im Tode erkennt man noch die Familien. Sie drücken sich, im Tode verkrampft, noch die Hände, so das man Mühe hat, sie auseinanderzureißen, um die Kammern für die nächste Charge freizumachen. Man wirft die Leichen, - naß von Schweiß und Urin, kotbeschmutzt, Menstruationsblut an den Beinen, heraus. Kinderleichen fliegen durch die Luft. Man hat keine Zeit, die Reitpeitschen der Ukrainer sausen auf die Arbeitskommandos. Zwei Dutzend Zahnärzte öffnen mit Haken den Mund und sehen nach Gold. Gold links, ohne Gold rechts. Andere Zahnärzte brechen mit Zangen und Hämmern die Goldzähne und Kronen aus den Kiefern. -
Unter allen springt der Hauptmann Wirth herum. Er ist in seinem Element. - Einige Arbeiter kontrollieren Genitalien und After nach Gold, Brillanten und Wertsachen. Wirth ruft mich heran: Heben sie mal diese Konservenbüchse mit Goldzähnen, das ist nur von gestern und vorgestern! In einer unglaublich gewöhnlichen und falschen Sprechweise sagt er zu mir: Sie glauben gar nicht, was wir jeden Tag finden an Gold und Brillanten - er sprach es mit zwei L - und Dollar. Aber schauen sie selbst. Und nun führt er mich zu einem Juwelier, der alle diese Schätze zu verwalten hatte, und ließ mich dies alles sehen. Man zeigte mir dann noch einen früheren Chef des Kaufhauses des Westens in Berlin und einen Geiger: Das ist ein Hauptmann von der alten Kaiserlich-Königlichen österreichischen Armee, Ritter des Eisernen Kreuzes I. Klasse, der jetzt Lagerältester beim jüdischen Arbeitsdienst ist! - Die nackten Leichen wurden auf Holztragen nur wenige Meter weiter in Gruben von 100 mal 20 mal 12 Meter geschleppt. Nach wenigen Tagen gärten die Leichen hoch und fielen alsdann kurze Zeit später stark zusammen, so daß man eine neue Schicht auf dieselben draufwerfen konnte. Dann wurden zehn Zentimeter Sand darüber gestreut, so daß nur noch vereinzelte Köpfe und Arme herausragten. - Ich sah an einer solchen Stelle Juden in den Gräbern auf den Leichen herumklettern und arbeiten. Man sagte mir, daß versehentlich die tot Angekommenen eines Transportes nicht entkleidet worden sein. Dies müsse natürlich wegen der Spinnstoffe und Wertsachen, die sie sonst mit ins Grab nähmen, nachgeholt werden. - Weder in Belcec noch in Treblinka hat man sich irgendwelche Mühe gegeben, die Getöteten zu registrieren oder zu zählen. Die Zahlen waren nur Schätzungen nach Waggoninhalt … - Der Hauptman Wirth bat mich, in Berlin keine Änderungen seiner Anlagen vorzuschlagen und alles so zu lassen, wie es wäre und sich bestens eingespielt und bewährt habe …
Alle meine Angaben sind wörtlich war. Ich bin mir der außerordentlichen Tragweite dieser meiner Aufzeichnung vor Gott und der gesamten Menschheit voll bewußt und nehme es auf meinen Eid, das nichts von allem, was ich registriert habe, erdichtet oder erfunden, sondern alles sich genauso verhält …“

(zitiert nach: Markus Tiedemann: „In Ausschwitz wurde niemand vergast“ http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3442151422/qid…)

Natürlich wird dieser Bericht von Holocaust-Leugnern angezweifelt (was auch sonst). Es existieren aber eine ganze Anzahl offizieller Schriftstücke und Zeugnisse, die Gersteins Anwesenheit bei der Vergasung belegen.

Meine Meinung nach sollte niemand, im Namen welcher Religion, Ideologie oder Ideale auch immer, bedrängt, geängstigt, verhöhnt, materiell beeinträchtig, seiner Freiheit beraubt, gefoltert oder ermordet werden. Wird dieser Satz nicht vorbehaltlos akzeptiert, lohnt sich die Diskussion mit der Person nicht, dann muss alles versucht werden das die Ideen oder Meinungen dieser Person keine Anhänger finden kann. Man diskutiert dann zwar mit ihr, aber die eigentlichen Adressaten sind die Mitläufer und die noch Unentschlossenen, von vornherein zu sagen es hat keinen Zweck hilft nur der Gegenseite.

Gruss
Armin

diese ursache ist mir bekannt. ich verweise aber auf die
stelle in den evangelien, in denen jesus die geldwechsler aus
der unmittelbaren tempelumgebung hinauswirft. das klischee vom
wucherjuden scheint doch etwas älter zu sein, wie sonst käme
so eine geschichte zustande, die völlig absurd ist, wenn man
die historischen hintergründe zur opferpraxis im tempel kennt?

Dachte immer das wäre so Praxis gewesen, da die Juden um zu opfern Tiere kaufen mussten, diese durften aber die Tiere nur mit „reinem“ Geld bezahlen, so das sie gezwungen waren ihr „unreines“ Geld gegen „reines“ Tempelgeld zu wechseln, ebenfalls durften keine Unreinen also Behinderte und Kranke opfern, und da Jesus gegen diese Praxis war hat er sich mit den Geldwechslern und Tempeloberen angelegt.
Jesus Absicht war in meinen Augen eine Reform des Judentums und nicht die Schaffung irgendeiner Weltreligion, die wir wohl mehr Paulus zu verdanken haben.

Gruss
Armin

Hallo Täubchen (netter Nick :wink: )

Bereits vor christlichen Zeiten waren die Juden
unterschiedlichen Verfolgungen ausgesetzt.

Kannst Du da Belege nennen? Es gab einige gewaltsame Erhebungen von Juden (in Palästina und in Alexandria), die natürlich genauso gewaltsam niedergeschlagen wurden und (neben der Proselytenmacherei der Juden) zu weit verbreiteten antijüdischen Ressentiments in der römischen Gesellschaft führten. Belege hatte ich ja schon genannt; auch bei Horaz oder Juvenal gibt es ‚Stellen‘ - hauptsächlich gegen die Neubekehrten gerichtet. Von einer ‚Verfolgung‘ kann man da meiner Meinung nach allerdings nicht sprechen. Juden waren Soldaten in den Legionen, laut Flavius Josephus ernannte Caligula sogar Agrippa I. zum Prätor und Claudius später Agrippa II. Josephus berichtet auch von mehreren Juden im Range von Rittern (Equites) in Palästina. Nicht unwahrscheinlich, dass es auch jüdische Senatoren gab.

‚Verfolgung‘ trifft mE allenfalls auf die antijüdischen Edikte zu, die 135 nach dem Bar-Kochba-Aufstand durch Kaiser Hadrian erlassen wurden (z.B. Verbot der Beschneidung). Diese Edikte wurden bereits drei Jahre später durch Hadrians Nachfolger Antoninus wieder aufgehoben.

Wie es dann dazu kommen konnte, dass sich das Christentum mit
dem Antisemitismus eingelassen hat, gehört zu den
verwirrendsten und traurigsten Kapiteln der Geschichte des
Christentums.

Mit Verlaub - wenn man sich die Quellen anschaut, scheint es mir gar nicht so verwirrend, „wie es dazu kommen konnte“ …

so der als Antisemit verschrieene
Paulus

„Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer, besonders die aus den Juden, denen man das Maul stopfen muß …“
Titusbrief 1,10-11 (nach der Übersetzung Martin Luthers in der revidierten Fassung von 1984)

Und tatsächlich hat, seit dem 11. oder 12. Jahrhundert, das
Christentum die Hauptverantwortung für den abendländischen
Antisemitismus zu tragen

Zu ernsthaften Ausschreitungen (so weit ich es überblicke) kam es tatsächlich erst nach dem Jahr 1000. Aber das war dann u.a. Ergebnis jahrhundertelanger klerikaler Hetze und keine neue (von der alten Kirche abzutrennende) Entwicklung - siehe weiter unten.

Aber trotzdem ist der
Antisemitsimus kein Geburtsfehler des Christentums, sondern im
Gegenteil: ihm im Kern wesensfremd.

Das mit dem ‚Geburtsfehler‘ kam von mir, nicht von Max. Nur zur Erinnerung: ich hatte durchaus zwischen Antisemitismus und Antijudaismus differenziert. Und ich glaube Dir ohne weiteres, dass der ‚Kern‘ des Christentums, so wie Du persönlich ihn verstehst, nichts mit Verfolgung Andersdenkender zu tun hat. Ich will hier nicht Christen an Stelle von Juden verteufeln, aber doch darauf hinweisen, dass es von Anbeginn an eine durch höchste Autoritäten legitimierte Judenfeindschaft im Christentum gab.

Einige der frühen Kirchenväter und bekennenden Judenfeinde habe ich ja schon genannt:

Origenes, um 185-254 ("… sie haben das abscheulichste Verbrechen begangen, indem sie jene Verschwörung gegen den Retter des ganzen Menschengeschlechts anzettelten …"), der so überaus fromm war, dass er sich angeblich selbst kastrierte. Vater der allegorischen Bibelexegese und vor Augustin wohl bedeutendster christlicher Theologe, wenn auch später als Häretiker gebrandmarkt (nicht wegen seiner Judenfeindlichkeit, versteht sich). Die evangelischen Christen widmen ihm trotzdem einen eigenen Gedenktag (den 27.04.).

Gregor von Nyssa, ca. 330-394 ("… Mörder des Herrn, Totschläger der Propheten, hasserfüllte Rebellen gegen Gott … Statisten des Teufels, eine Rasse von Schlangen, Verräter, in ihrem Gehirn verdunkelte Verleumder … eine Versammlung von Dämonen …"), der wegen Unterschlagung von Geldern seiner Diözese zeitweise verbannt war. Die katholischen und die orthodoxen Christen feiern seinen Gedenktag am 10.01. (und die Kopten am 14.10.).

Johannes Chrysostomos („Goldmund“), 354-407 („Die Synagoge ist ein Hurenhaus, … eine Räuberhöhle und Schlupfwinkel für wilde Tiere … mit ihrem immer stinkenden Maul leben die Juden nur für ihren Bauch und führen sich nicht besser als die Schweine und die Böcke auf in ihrer schmierigen Grobheit und ihrer übertriebenen Gier …“). Wegen seines goldenen Schandmauls noch 1908 von Papst Pius X. zum Patron der Prediger erhoben. Einer der katholischen Kirchenlehrer, bei den Orthodoxen sogar einer der vier großen Kirchenlehrer. Katholiken und Evangelische feiern ihn am 13.09. (die Orthodoxen am 12.11.).

Nicht genannt hatte ich den heiligen Ephraim oder Ephraem, 306-373 („Die Juden sind Sklavennaturen, Wahnsinnige, Teufelsdiener, Mörder, ihre Führer Verbrecher, ihre Richter Schurken, … sie sind neunundneunzigmal so schlecht wie Nichtjuden“, „Heil dir, hehre Kirche, aus jedem Mund, die du frei bist… von dem Gestank der stinkenden Juden!“). Seit jeher bei den Orthodoxen Kirchenlehrer, 1920 endlich auch von den Katholiken zum Kirchenlehrer erhoben. Gedenktag bei den Katholiken und Evangelischen am 09.06. (Orthodoxe am 28.01.).

Die Kirchenlehrer (und veritablen Heiligen) Hieronymus und Augustinus hatte ich ja ebenfalls schon genannt, auch der heilige Kirchenlehrer Ambrosius verdient durchaus eine lobende Erwähnung. Ich erspare mir weitere Zitate, man könnte Seiten über Seiten damit füllen …

Ich empfehle statt dessen die Lektüre von Karlheinz Deschners dickleibiger aber gut zu lesender „Kriminalgeschichte des Christentums“. Sicher kann man Deschner vorwerfen, er sei einseitig und polemisch (was er selbst durchaus nicht leugnet) - aber er liefert unwiderlegliche Fakten. Niemand ist so blind wie der, der sich weigert, zu sehen.

Ah - Moment - eins hab ich noch (Antijudaismus hin, Antisemitismus her):

„Der Führer ist ein Abbild des Glanzes Gottes… und nimmt Teil an seiner ewigen Autorität“
(Kardinal Michael Faulhaber)

Sorry, aber irgendwie sehe ich da schon eine Verbindung …

lg
Täubchen

Gleichfalls und nix für ungut,
Ralf

1 Like

Hi Fox,

deine ausführungen zu hackordnung, selbstwertgefühl,
gruppendruck usw. sind sicher korrekt, nur erklären sie nicht,
warum ausgerechnet juden die exponierte stellung einer
untersten hackgruppe einnehmen.

Ich hatte versucht, dies durch ihre Außenseiterrolle in einer ansonsten verhältnismäßig homogenen Gesellschaft (Christentum und eine darauf aufbauende abendländische verbindliche ‚Leitkultur‘) zu erklären. Der / das Fremde wird von Vielen automatisch als bedrohlich empfunden. Dem Außenseiter kommt die innere Solidarität der Gruppe nicht zugute; das Abreagieren von Aggressionen innerhalb der Gruppe ist mit Tabus und Sanktionen besetzt - da bietet sich der Außenseiter als Opfer praktisch von selbst an …

Die Ursachen der Außenseiterrolle (fehlende Integration in den Gesellschaftsverband) hatte ich angedeutet - sie dürften ja auch bekannt sein.

juden werden antisemitisch
nicht als schwach sondern im gegenteil als besonders mächtig
eingestuft.

Sie werden (eben durch ihre ‚Fremdheit‘) auf unreflektierte Weise als bedrohlich empfunden. Ihre offensichtliche Schwäche muss mit als Begründung für allerlei Verschwörungstheorien herhalten. Objektiv wird Schwäche wahrgenommen, subjektiv Bedrohung durch verborgene Machenschaften empfunden. Beides sind Auslöser für irrationale Attacken - wie bei einem Kettenhund.

Freundliche Grüße,
Ralf

1 Like

hi,

da die Juden um zu
opfern Tiere kaufen mussten, diese durften aber die Tiere nur
mit „reinem“ Geld bezahlen

das ist mir neu. die pilger kamen jedenfalls aus den umliegenden ländern und hatten ausländische währungen dabei. um tiere zu kaufen, mußten sie das geld wechseln. eine völlig normale angelegenheit, genau wie heute. das negative der handlung des geldwechselns ist komplett schleierhaft.

keine Unreinen also Behinderte und Kranke

die beiden begriffe sind keinesfalls kongruent. wenn man das so sagt, klingt es, als wären behinderte generell als „unrein“ erklärt worden und nur ihnen das opfern untersagt.

Jesus Absicht war in meinen Augen eine Reform des Judentums
und nicht die Schaffung irgendeiner Weltreligion, die wir wohl
mehr Paulus zu verdanken haben.

ich denke da sind wir uns einig, soweit man die gesamte sache überhaupt historisch festnageln (no pun indended) kann.

gruß
datafox

Hallo Marion,
vorweg: was Kinder / Jugendliche und ihre Lust am Provozieren angeht, kann ich Dir nur zustimmen.

Nur haben wir es bei den
Ausgangsbeispielen nicht mit Personen zutun, die ich jetzt so
ohne weiteres anhand der Aussagen z.B. einem rechtsextremen
Umfeld zuordnen würde.

Ich auch nicht …

Sicherlich gibt es vermutlich kaum rechtsextreme Gesinnung
ohne Antisemitismus. Andererseits findet sich Antisemitismus
jedoch in allen möglichen Gesellschaftsschichten außerhalb der
rechtsextremen oder gewaltbereiten Szene (ich möchte nur mal
an diese Rede von Martin Hohmann zum Nationalfeiertag
erinnern) und grade hier greifen die von dir angesprochenen
Verhaltensmuster eben nicht.

Wie schon angedeutet, würde ich es vorziehen, wenn der Begriff Antisemitismus etwas differenzierter verwendet würde. Offen gesagt, bin ich Verdikten wie „Neo-Antisemitismus“ oder „verdeckter Antisemitismus“ gegenüber etwas misstrauisch. Mir scheint, da wird häufig das blanke Grauen instrumentalisiert und ‚Antisemitismus‘ zum bloßen (und manchmal kaum gerechtfertigten) Kampfbegriff profaniert. Daher habe ich mich auf das Sartre-Zitat bezogen. Nach dieser Definition wäre Hohmann wohl kein Antisemit und der Kioskverkäufer vermutlich auch nicht. Nur ärgerliche Dummschwätzer, aber keine Judenhasser. Vielleicht greifen deswegen die genannten Verhaltensmuster nicht.

Sicher gibt es, was verdeckten oder unterschwelligen Antisemitismus angeht, auch andere, durchaus berechtigte Meinungen. Es ist natürlich wichtig, den Anfängen zu wehren. Jedoch habe ich Zweifel, ob der äußerst schwerwiegende Vorwurf des Antisemitismus sich nicht zu sehr abnutzt. Zwischen einem Herrn Hohmann oder Möllemann und einem Horst Mahler sehe ich einen gewaltigen Unterschied. Und - wie ebenfalls schon angedeutet - Hetzjagden auf Asylanten in unseren Städten und zunehmende Ausländerfeindlichkeit bis in maßgebliche politische Kreise hinein sind für mich besorgniserregender als geschändete Friedhöfe. So widerlich letzteres ist.

PS: Kompliment für deine Homepage, ist sehr informativ :smile:

Danke :smile: und freundliche Grüße,
Ralf

hallo,

Dem Außenseiter kommt
die innere Solidarität der Gruppe nicht zugute; das
Abreagieren von Aggressionen innerhalb der Gruppe ist mit
Tabus und Sanktionen besetzt - da bietet sich der Außenseiter
als Opfer praktisch von selbst an …

das ist zweifelsohne korrekt. in jeder schulklasse wird man das wie in einem mikrokosmos beobachten (und höchstwahrscheinlich erlebt haben). diese gruppendynamik spielt bei allen vorurteilen, ausgrenzungen, verschwörungstheorien usw. eine große rolle. das spezifisch antisemitische, das man zb. vom spezifisch anti-zeugen-jehovasischen abgrenzen könnte, wird dadurch aber gar nicht berührt.

Die Ursachen der Außenseiterrolle (fehlende Integration in den
Gesellschaftsverband) hatte ich angedeutet - sie dürften ja
auch bekannt sein.

ich denke daß da der hund begraben ist. WARUM wird der eine ausgegrenzt und der andere nicht?

Sie werden (eben durch ihre ‚Fremdheit‘) auf unreflektierte
Weise als bedrohlich empfunden.

fremdheit ist imho nicht genug. franzosen sind auch fremd, reden komisch, essen komisches zeugs und kleiden sich komisch. als bedrohlich wird sie keiner empfinden.

ansonsten zustimmung. sehr interessant was du schreibst.

grüße
datafox

Hallo Ralf,

ich habe Deine Ausführungen mit großem Interesse gelesen und stimme ihnen weitgehend zu, wenngleich ich einiges für ziemlich theoretisch halte. Hier insbesondere die Ausführungen über die - kurz ausgedrückt - „gestörte Persönlichkeitsstruktur“ der meisten Täter. Ja, wie ist es denn mit den offiziell wohl kaum als „gestört“ empfundenen Persönlichkeitem, die den Nazis (zeitweise) anhingen: Heidegger, Max Planck, bekannte Dirigenten uvm. Sind die alle auf den „Quark“ hereingefallen?
Zurück zum Judenhass. Das Christentum ist und bleibt für mich die Hauptursache des Judenhasses und, wenn man das so sagen kann, „das Hauptschuldige“. Es gibt keine andere Religion, in deren Einflussbereich von Beginn an so massiv und brutal gegen die Juden vorgegangen wurde - was nicht heißt, dass es durchaus auch andere Beispiele gibt. Z.B. den Schutz, den sie vor den in Köln einfallenden Kreuzfahrern beim Bischoff erhielten. Denk nur an das maurische Spanien bis zur Reconquista: alle Religionen lebten vergleichsweise friedlich zusammen. Oder das osmanisch besetzte Gebiet des Balkans. An der prinzipiellen Zusammensetzung der Religionen hat sich dort in Jahrhunderten praktisch nichts verändert - in christlich beherrschten Einflussbereichen undenkbar! Jedenfalls ist mir kein Beispiel bekannt.
Nein, das Christentum hat von Anfang an prinzipielle Schwierigkeiten mit anders Gläubigen - auch christlichen (Katharer!) - gehabt, um es mal vorsichtig auszudrücken.
Häufig wurde hier auch die „Selbstausgrenzung der Juden“ genannt. Dafür hätte ich denn doch einige Beispiele, die das belegen. Beispiele, die die Ausgrenzung durch die anderen belegen, gibt es zur Genüge. Was durften den die Juden? Nahezu nichts, was als ehrbares Handwerk galt. Sie mussten in bestimmten Gebieten wohnen. Usw.
So weit meine etwas drastische Meinung :frowning:(

Gruß, Stucki

Hallo Stucki,

Ja, wie ist es
denn mit den offiziell wohl kaum als „gestört“ empfundenen
Persönlichkeitem, die den Nazis (zeitweise) anhingen:
Heidegger, Max Planck, bekannte Dirigenten uvm. Sind die alle
auf den „Quark“ hereingefallen?

Gerade bei Hochbegabten ist man häufig geneigt, Charakterfehler als ‚Exzentrik‘ abzutun und gewissermaßen zu entschuldigen - zumal über ihr privates Verhalten oft nur wenig bekannt ist. Defizite in der Sozialisation haben keinen direkten Zusammenhang mit intellektueller oder musischer Leistungsfähigkeit. Ich schätze z.B. die Musik Richard Wagners sehr - auch wenn ich ihn ansonsten für einen ziemlich kranken Charakter halte. Der geniale Schachspieler Bobby Fischer (ein Idol meiner Jugend) ist ein anderes Beispiel. Um beispielhaft nur mal zwei Antisemiten zu nennen…

Allerdings: Persönlichkeiten des von Dir genannten Kalibers sind häufig nicht ohne die Fähigkeit zur Selbstreflexion und daher manchmal auch zur Ab- und Umkehr fähig. Da hat sich dann (wage ich einmal zu behaupten) der Intellektuelle gegen den ‚Gemütsmenschen‘ durchgesetzt.

Zurück zum Judenhass. Das Christentum ist und bleibt für mich
die Hauptursache des Judenhasses und, wenn man das so sagen
kann, „das Hauptschuldige“.

Dazu habe ich mich in meiner Antwort auf Täubchen ja nochmals etwas ausführlicher geäußert. Ich sehe es wohl nicht ganz so radikal und ausschließlich wie Du, aber doch ähnlich. Die Antisemiten haben das Feindbild der christlichen Antijudäer übernommen und diesem Feindbild einen anderen, ‚zeitgemäßeren‘ theoretischen Überbau verpasst. Statt von Hostienfrevel, heimlichen Menschenopfern und Brunnenvergiftung war nun z.B. von den Weltherrschaftsplänen der Weisen von Zion die Rede. Das zeigt, wie sich der Horizont selbst der engstirnigsten Scheuklappenträger im 19. und frühen 20. Jahrhundert vom Dorfplatz zur internationalen Bühne hin geweitet hatte.

ABER - selbst wenn man die eigentliche Ursache und den Nährboden der o.g. ‚christlichen‘ Greuelmärchen sicher zu Recht im theologischen Antisemitismus oder Antijudaismus vermutet, so muss man doch ehrlicherweise klar stellen, dass sie nur mittelbar daraus entstanden sind. Die Kirche als Institution bzw. ihre offiziellen Repräsentanten sind solcher Greuelpropaganda in der Regel entgegengetreten. Natürlich entlässt das die Kirche nicht aus ihrer historischen Verantwortung. Um nur zwei Beispiele aus dem Pontifikat Innozenz III. (1198-1216) zu nennen: die ‚Judenbulle‘ mit der diskriminierenden Kleiderordnung und das Laterankonzil von 1215 mit den Berufsverboten. So wurde der Boden für Pogrome bereitet. Zynisch ausgedrückt: für das direkt fließende Blut war man sich zu fein, da wusch man die Hände in Unschuld. Man hatte ja *nur* theologisch argumentiert.

Auch zu Deinen Bemerkungen über die generelle Tendenz zur Intoleranz im Christentum meine Zustimmung. Sicher sieht es in den Köpfen vieler (wenn auch beileibe nicht aller) Christen heutzutage deutlich anders aus. Das macht aber das historische Bild nicht schöner - die Blutflecken und Brandspuren bleiben.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Stucki,
hätte ich fast übersehen …

Häufig wurde hier auch die „Selbstausgrenzung der Juden“
genannt. Dafür hätte ich denn doch einige Beispiele, die das
belegen.

Ich hatte in meinem ersten Posting bereits auf Dt. 7 hingewiesen:
http://www.bibel-online.net/buch/05.5-mose/7.html
Dieses Verbot der Gemeinschaft und der Vermischung mit Nichtjuden wird mW noch heute von strenggläubigen Juden sehr ernst genommen - ich bitte um Korrektur, falls das so nicht stimmen sollte.

Und Norah hatte dankenswerterweise in ihren sehr differenzierten Postings auf die gewiss unverdächtige Hannah Arendt verwiesen:

„Die Absonderung der Juden von der nicht-jüdischen Welt,
genauer Ihrer christlichen Umgebung, (war)für die jüdische
Geschichte von größerer Bedeutung als der umgekehrte
Prozeß,…“ (Hannah Arendt, Elemente, S.24; Bitte bitte nicht
falsch verstehen bei diesem sensiblen Thema: Es geht NICHT um
SCHULD am Hass!!!;

Nur mal so nachgeschoben …

Ralf

Hallo Armin,

Neben den hier schon geschilderten geschichtlichen Ursachen
(oder Rechtfertigungen) dürfte dies wohl eher ein Thema für
Psychologen und Verhaltensforscher sein.

Das sehe ich auch so.

siehe etwa hier:
http://www.akdh.ch/psyche1.htm

Vielen Dank. Sehr interessanter Link.

Und ganz besonderen Dank für das lange Zitat. Ich kannte den Text noch nicht und ich denke, dass er gar nicht genug Verbreitung erfahren kann.

Freundliche Grüße,
Ralf

Fazit: Verwicklung in viele soziale Teufelskreise
Es wurden viele interessante Erklärungsansätze in der Diskussion geliefert. Eine klare Ursache konnte jedoch wie üblich nicht identifiziert werden. Leider fehlt es mir wie auch den meisten anderen Diskussionsteilnehmern an Zeit, alles mögliche zu Ende zu denken.

Dennoch, meine ich, können sich einige Dinge zusammenfassend feststellen lassen. So stellten die Juden durch ihre starke Gruppenbeziehung immer wieder einen mehr oder weniger starken Gegenpol zur Allgemeinheit dar. Durch ihre Subgruppenfunktion mit fortwährender Distanz und Verschiedenheit zum Durchschnittsmenschen wurden sie seit jeher zu allen möglichen Dingen missbraucht, was die Abstoßung und kritisches Misstrauen aufrecht erhielt. Durch Ausgrenzung und Diskretion aus vielen Ursachen und zu vielen Zwecken entwickelte sich auch eine unterentwickelte Gewissenhaftigkeit zwischen verschiedenen Gruppen und solcher Gruppen gegenüber der Allgemeinheit, so dass neben viel Ignoranz auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit sich aufschaukelte. Je nach äußeren sozialen Spannungen und Zwangslagen haben sich daraus mehr oder weniger starke Teufelskreise in Gang gesetzt, wo keine gemeinsame Verantwortungsstrukturen gepflegt wurden.
Damit verbunden war oft auch ein starker Wettbewerb, sich unter diesen Bedingungen mit den jeweiligen eigenen Vorteilen gut zu verkaufen. Da eben immer wieder andere ökonomischen Ziele und Kriterien im Vordergrund standen als Pflege von Harmonie mit anders denkenden und handelnden sozialen Gruppen, machte sich gerne Skrupellosigkeit breit und es wurde die Stabilität fest gewachsener alter Strukturen einem starken Trend der Zeit geopfert. Bei starker sozialer Divergenz und aggressivem Strukturvertrieb richtete sich dies gerne auch gegen fest definierbare und gut abgrenzbare schwächere Gruppen, die ohnehin schon traditionell stark unter dem Druck der Marginalisierung und Ausnutzung durch die Dynamik der Masse standen.

Beste Grüße
Gerald

Hallo Ralf,

Auch zu Deinen Bemerkungen über die generelle Tendenz zur
Intoleranz im Christentum meine Zustimmung. Sicher sieht es in
den Köpfen vieler (wenn auch beileibe nicht aller) Christen
heutzutage deutlich anders aus.

Ich schiebe doch noch eine „Holzschnitt-Meinung“ nach: Dass es „heutzutage deutlich anders aussieht“, ist nach Ausschwitz wohl kaum anders denk- und machbar. Hoffen wir, dass das damit endgültig Geschichte ist.

Gruß, Stucki

da die Juden um zu
opfern Tiere kaufen mussten, diese durften aber die Tiere nur
mit „reinem“ Geld bezahlen

das ist mir neu. die pilger kamen jedenfalls aus den
umliegenden ländern und hatten ausländische währungen dabei.

Nun kam meines Wissens in einer Doku über Jesus (ich glaube von der BBC) vor, allerdings hab ich in diesem Bereich nicht genügend Hintergrundwissen um mir ein abschliessendes Urteil erlauben zu können, deswegen hab ich meinen Satz auch mit „Dachte“ angefangen, wenn es über diesen Bereich aktuelle (Forschung bleibt ja nicht stehen) Literatur zur Vertiefung gibt, wär ich für einen Hinweis dankbar.

keine Unreinen also Behinderte und Kranke

die beiden begriffe sind keinesfalls kongruent. wenn man das
so sagt, klingt es, als wären behinderte generell als „unrein“
erklärt worden und nur ihnen das opfern untersagt.

s.o.

Gruss
Armin

Hallo Ralf,

„Der Führer ist ein Abbild des Glanzes Gottes… und nimmt
Teil an seiner ewigen Autorität“
(Kardinal Michael Faulhaber)

Da war doch vor einem halben Jahr oder so eine Sendung über Faulhaber. Darin hat die katholische Kirche das natürlich gaaanz anders gesehen, dass Faulhaber etwa nazifreundlich oder gar gegen Juden war.

Dennoch sollte man wohl nicht einseitig auf der katholischen Kirche herum hacken, die Protestanten waren wohl mindestens so schlimm. In der Wochenzeitung DIE ZEIT habe ich hinreichend Berichte über Pastoren und Kirchenmänner, die zur SS gegangen sind, gelesen. Aber dass Horst Wessel (der von dem berühmt-berüchtigten Lied) aus einem Pastorenhaus stammt, kann man der Kirche wohl nicht vorwerfen.

Gruß, Stucki

Hallo nochmals

Bereits vor christlichen Zeiten waren die Juden
unterschiedlichen Verfolgungen ausgesetzt.

‚Verfolgung‘ trifft mE allenfalls auf die antijüdischen Edikte
zu, die 135 nach dem Bar-Kochba-Aufstand durch Kaiser Hadrian
erlassen wurden (z.B. Verbot der Beschneidung).

daran hab ich gedacht, wenn auch "vor"christlich nicht ganz richtig ist, ebenfalls an die Auseinandersetzungen der Makkabäerzeit

so der als Antisemit verschrieene
Paulus

„Denn es gibt viele Freche, unnütze Schwätzer und Verführer,
besonders die aus den Juden, denen man das Maul stopfen muß
…“
Titusbrief 1,10-11 (nach der Übersetzung Martin Luthers in der
revidierten Fassung von 1984)

Ohne auf die Stelle im Näheren einzugehen („die aus den Juden“ bezeichnet hier Christen, nicht Juden!): generell sind alle diese Stellen - bei Paulus, bei Johannes, in geringerem Ausmaß im synoptischen Schrifttum - Hinweise auf eine innerjüdische Auseinandersetzung aus der Zeit, als das Christentum sich noch nicht vom Judentum getrennt hatte. Über die Schärfe dieser Auseinandersetzungen im Judentum selbst kann man bereits im Alten Testament einiges lesen …

Und tatsächlich hat, seit dem 11. oder 12. Jahrhundert, das
Christentum die Hauptverantwortung für den abendländischen
Antisemitismus zu tragen

Zu ernsthaften Ausschreitungen (so weit ich es überblicke) kam
es tatsächlich erst nach dem Jahr 1000. Aber das war dann u.a.
Ergebnis jahrhundertelanger klerikaler Hetze und keine neue
(von der alten Kirche abzutrennende) Entwicklung - siehe
weiter unten.
[snip]
Ich will hier nicht Christen an Stelle von Juden verteufeln,
aber doch darauf hinweisen, dass es von Anbeginn an eine durch
höchste Autoritäten legitimierte Judenfeindschaft im
Christentum gab.
Einige der frühen Kirchenväter und bekennenden Judenfeinde
habe ich ja schon genannt:
[snip]

kein Zweifel, hier hat sich das, was als innerjüdische Polemik begonnen hatte, gegen den jüdischen Glauben als ganzen gewandt. Aber trotzdem bleibt ein Unterschied zum 2. Jahrtausend: hier existiert der Antisemitismus (schlimm genug) quasi nur als theoretischer-theologischer Topos. Die Verworfenheit des Judentums wird wohl gepredigt, nicht aber der Hass gegen die Juden oder gar duie Gewalt gegen sie … darin liegt das Neue des Antisemitismus der Kreuzzug-Zeit.

Ich empfehle statt dessen die Lektüre von Karlheinz Deschners
dickleibiger aber gut zu lesender „Kriminalgeschichte des
Christentums“. Sicher kann man Deschner vorwerfen, er sei
einseitig und polemisch (was er selbst durchaus nicht leugnet)

  • aber er liefert unwiderlegliche Fakten. Niemand ist so blind
    wie der, der sich weigert, zu sehen.

na bitte nicht, zu einem ernsten Thema gehört ernsthafte Lektüre und nicht ein pseudowissenschaftlicher Schmarren wie dieser. Sorry, aber nichts ist dem Diskurs abträglicher als schlechte Bücher wie die von Deschner oder jüngst Goldhagen, weil sie gerade dem reaktionären Flügel in der Kirche die Möglichkeit geben, die tiefe Auseinandersetzung zu ignorieren. Ok, das ist ein kirchen- und diskuspolitisches Problem, das vielleicht nur meines ist …

lg
Täubchen

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Hallo Gerald !

Es wurden viele interessante Erklärungsansätze in der
Diskussion geliefert. Eine klare Ursache konnte jedoch wie
üblich nicht identifiziert werden.

Dabei hast Du den Grund dafür direkt in Dein Fazit geschrieben: … viele… .

Eine klar identifizierbare Ursache kann es bei einem polykausalen Phänomen wie dem Antisemitismus gar nicht geben. Lediglich Chicagoer halten die Welt für monokausal !

Leider fehlt es mir wie auch den meisten anderen
Diskussionsteilnehmern an Zeit, alles mögliche zu Ende zu denken.

Das mit der fehlenden Zeit mag auch der Fall sein. Grundlegendes Faktum ist aber, dass man sich dem Begriff Antisemitismus sinnvoll (ich meine damit „begriffsverstehend“) nur anhand mehrerer, auslösender Ursachen nähern kann.

Beste Grüße
Gerald

die Grüße zurück
Wolkenstein