Psychoanalytische Erklärung
Hi.
Religionen haben sich seit eh und je, die ganze Geschichte hindurch bis in unsere Gegenwart, bekämpft.
Hier zeigt sich wieder das Hauptproblem bei dir: Du hast keine religionsgeschichtlichen Kenntnisse. Auf dieser Nullbasis konstruierst du dann Falschbehauptungen wie obenzitierte. Fakt ist, dass Religionskriege erst durch monotheistische Religionen entstanden, und zwar - aufgrund ihrer Symbiose mit der Staatsgewalt - durch Christentum und Islam. Vorher gab es aber jede Menge polytheistischer Religionen, die niemals einen aus religiösen Gründen geführten Krieg hervorriefen, ganz einfach deswegen, weil diese Kulturen - so gewalttätig sie auch waren - fremde Religionen vollständig tolerierten. Die religiöse Intoleranz ist - man muss es leider sagen - eine Erfindung des Judentums. Jüdische Autoren haben als erste die eigene Religion als die einzige wahre hingestellt und die Anhänger anderer Religionen mit Schimpfwörtern belegt.
Was das Christentum betrifft, das diese Intoleranz natürlich aus dem Judentum übernahm, so wurde im vormittelalterlichen Christentum über den Krieg als legitimes Mittel der Verbreitung der Glaubenswahrheit ausgiebig räsonniert. Den Höhepunkt bildete Augustinus´ gruselige Feststellung:
(Contra Faustum, 22,74 f.)
Niemand darf jemals die Berechtigung eines Krieges bezweifeln, der in Gottes Namen befohlen wird, denn selbst das, was aus menschlicher Gier entsteht, kann weder den unkorrumpierbaren Gott noch seinen Heiligen etwas anhaben. Gott befiehlt Krieg, um den Stolz der Sterblichen auszutreiben, zu zerschmettern und zu unterwerfen. Krieg zu erdulden ist eine Probe für die Geduld der Gläubigen, um sie zu erniedrigen und seine väterlichen Zurechtweisungen anzunehmen. Denn niemand besitzt Macht über andere, wenn er sie nicht vom Himmel erhalten hat. Alle Gewalt wird nur auf Gottes Befehl oder mit seiner Erlaubnis ausgeübt.
Das ist Sadomasochismus in theologischer Verkleidung und hat, wie so viele andere brutale Statements von Augustinus, die destruktiven Praktiken des christlichen Mittelalters ideologisch fundiert.
Psychoanalytisch ist die monotheistische Intoleranz - das deutete ich kürzlich im Philobrett schon an - als Resultat von verdrängten Hassimpulsen gegen den allmächtigen Vatergott (des Monotheismus) zu deuten. Als Abwehrmechanismus dient die Projektion - in diesem Fall die Projektion des dem Vatergott geltenden Hasses auf die ´Ungläubigen´. Das psychologische Problem des Monotheismus besteht nämlich darin, dass durch die Reduktion des Götterhimmels auf eine einzige Figur, den Vatergott, dieser eine Macht erlangt, die den Gläubigen (unbewusst) erdrückt.
In polytheistischen Kulturen war die psychologische Situation eine völlig andere. Hier gab es eine Vielzahl von Göttern und Göttinnen, zu denen das Individuum komplexe Beziehungen pflegte, wobei zwei Unterschiede zum Monotheismus herausragen: 1) die Beziehung zu weiblichen Gottheiten, welchen den libidinösen Wünschen des Individuums entgegenkam (Mutter- und Liebesgöttinnen), und 2) die Beziehung zu einem persönlichen Schutzgott, der dem Individuum viel näher stand als die mächtigen Staats- und Stadtgötter. Diese Beziehungskomplexität verhinderte einen Aggressionsstau, wie er durch die Engführung der monotheistischen Gottesbeziehung praktisch vorprogrammiert ist.
Im monotheistischen Gott (zunächst Jahwe) vereinigen sich alle Qualitäten der polytheistischen Götter. Das bedeutet, dass der persönliche Schutzgott, im Polytheismus dem Individuum am nächsten stehend und dieses am besten kennend, mit dem obersten Gott (im Polytheismus z.B. Marduk und Re-Harachte) zu einem Wesen zusammengeht. Daraus entsteht eine potentiell klaustrophobe Angst- und Abhängigkeitssituation, wie sie in einer polytheistischen Kultur ganz undenkbar wäre. Da der Mono-Vater gegen jede Auflehnung die schlimmsten Strafen aufbietet (bis hin zur ewigen Höllenqual), bleibt dem Gläubigen nur der Ausweg der Verdrängung seiner aufbegehrenden Impulse via Hassprojektion auf Ungläubige und ´Ketzer´.
Wenn polytheistische Staaten Krieg führten, dann wurde göttlicher Auftrag oder Beistand zwar als Legitimation geltend gemacht, aber das war niemals, auch nicht im geheimen, der Grund für Kriege, die ausschließlich zur Erweiterung des staatlichen Territoriums bzw. zur Unterwerfung anderer Staaten zwecks Tributpflichtigkeit geführt wurden.
Monotheistische Religionskriege sind also - psychoanalytisch gesehen - indirekte Resultate eines verdrängten Vater(gott)hasses. Der (u.a.) aus dem Judentum hervorgegangene Christuskult bedeutet psychoanalytisch eine Reaktionsbildung gegen die als erdrückend empfundene Macht des Vaters durch die himmlische Inthronisation des Sohnes an der Seite des Vaters.
Chan