Da mir der Thread zu unübersichtlich geworden ist, und ich auch Verständnisprobleme bei anderen mit meinen Antworten habe, hier noch ein extra Artikel:
Folgende Geschichten, selbst erlebt mit Einfügungen aus der Politik:
Es war einmal Familie W. mit Vater W., Mutter W., Sohn W. und Tochter W.
Sie alle lebten in der DDR. Vater W war Bergmann, Mutter W war Arbeiterin in einer Fabrik, Sohn W war Mechaniker und hat nebenbei in einer Gaststätte gejobbt und Tochter W war Angestellte bei der Reichsbahn.
1989, alle gingen für die Freiheit auf die Straße. 09.11., die Mauer fällt. Alle freuen sich.
30. 04. 1990 Die D-Mark wird eingeführt.
Sohn W ist sofort seinen Nebenjob los, weil kein Mensch mehr seine schwer verdienten D-Mark in die Kneipe trägt. Vor der Währungsunion kostet ein Bier 0,56 DM, danach 1,80 DM.
Kurze Zeit später kommt ein großer Investor und kauft den Arbeitgeber von Vater W. Die Freude dauert nur kurz, weil der Investor den Betrieb schließt, um einen potentiellen Mitbewerber vom Markt zu entfernen (ich weiß, Marktwirtschaft, trotzdem Riesensauerei). Es werden ca. 10.000 Leute entlassen.
Mutter W ist zu diesem Zeitpunkt schon arbeitslos, weil die Fabrik sofort nach der Wiedervereinigung geschlossen wurde.
Im gleichen Zeitraum fluten Glücksritter aus dem Westen den Osten. Beispielhaft soll hier die HMI genannt sein. Diese Drecksbande hat die Hamburg Mannheimer extra für die dämlichen Ossis aus der Taufe gehoben, um ihre Lebensversicherungen und ihr nahezu Schneeballsystem im Vertrieb unter die Leute zu bringen.
Die Arbeitsagenturen haben alle Hände voll zu tun und schmeißen Geld ohne Ende unter Investitionswillige (oder auch fast pleite im Westen, auf den Weg in den goldenen Osten) Firmen.
Vater W geht deshalb für einen Hungerlohn arbeiten, um sich noch irgendwie in die Rente zu hangeln. Viele, sehr viele Westfirmen greifen gern die Subventionen ab und sanieren sich auf diese Weise. Sind die Subventionen aufgebraucht, zieht die Firma weiter. (Jahre später können übrigens die Arbeiter von Nokia und Opel und Bochum über gleichlautende Erfahrungen berichten) Mutter W findet Anstellung in einer Jugendherberge mit angeschlossenem Lehrlingswohnheim und arbeitet hier für einen Hungerlohn, aber wenigstens sozialversicherungspflichtig.
Zu diesem Zeitpunkt hat die Treuhand unter dem Deckmäntelchen der Marktwirtschaft Unmengen von gut laufenden Firmen zerstört.
Sprich, wir haben eine latente Ausländerfeindlichkeit (die hat es definitiv schon zu DDR-Zeiten gegeben) plus einer extremen Arbeitslosenquote und einer Vielzahl persönlicher Schicksale und echter und unechter Ungerechtigkeiten.
Wir schauen ein paar Jahre weiter. Sowohl Vater W als auch Mutter W haben es nicht geschafft, ihre Rente über Grundsicherung zu heben. Sie haben zwar ihr Lebtag gearbeitet, aber es ist nichts bei übrig geblieben. Und dann kommt hier einer aus dem Forum daher und behauptet, die Ossi-Rentner hätten ja nicht so viel eingezahlt… Da kann einem schon mal das Messer in der Tasche aufgehen.
Zwischenzeitlich ist Mutter W entlassen worden, weil aus der Jugendherberge eine Ausländerunterkunft geworden ist. Na, klingelts? Mutter W ist, wieder mal, nicht begeistert über die BRD.
Tochter W hat sich in den Gesamtbetriebsrat eines großen Unternehmens wählen lassen und hangelt sich seit 1990 von Wahl zu Wahl, um ihren Arbeitsplatz (natürlich für einen Hungerlohn) behalten zu können. Diese Spiel wird ihr immer wieder versüßt durch Aktionen des Arbeitgebers, der sie natürlich loswerden möchte, was ihm bis heute nicht gelungen ist!
Sohn W hat 1990 sofort das Weite gesucht und Dr Soon kennengelernt, mit der er seit 26 Jahren verheiratet ist und in der niedersächsischen Provinz eine neue Heimat aufgebaut hat. Die Mutter von DrSoon ist Lehrerin, die sofort nach der Wende entlassen wird, dagegen klagt und gewinnt und am Ende doch verliert, weil keiner mehr mit ihr arbeiten will. Nicht, weil sie so extrem unsympathisch ist, sondern weil sie eine Ossilehrerin ist, die ja die falschen pädagogischen Konzepte hat. Vater Soon ist Polizeikommissar und deshalb defacto stasilastig. Deshalb wird er kurz nach der Wende „gegauckt“ und macht sich als Privatdetektiv selbständig, selbstverständlich für einen Hungerlohn. Sonst würde er keine Aufträge bekommen und die Ossis sind ja viel billiger, oder so.
Die Freunde von Vater und Mutter W, die noch laufen können, verabschieden sich in den Westen.
Die Freunde von Bruder und Schwester W, die noch laufen können, verabschieden sich in den Westen.
Die Freunde von DrSoons Mutter und Vater, die noch laufen können, verabschieden sich in den Westen.
Die Freunde von DrSoon, die noch laufen können, verabschieden sich in den Westen.
Ende, Gelände.
Deswegen lasse ich mir nicht von irgendwelchen „Wessis“ erzählen, wie mein Leben war oder ist. Ist mein Leben.
Oh, ich habe die Frage vergessen. wie seht ihr das?
Soon