Warum wählen Frauen deutlich strukturkonservativer° als Männer?

Goedemorgen!

Warum wählen eigentlich Frauen deutlich (und ziemlich zeitstabil) strukturkonservativer° als Männer?
Statistisch-aggregiert wohlgemerkt.
Zumindest in Deutschland, in Österreich auch.
Zusatzfrage: Wo nicht (im „Westen“ und außerhalb von Krisenzeiten)?

° Mit „strukturkonservativ“ meine ich die etablierten „mittigen“ Parteien CDU und SPD. Die Grünen als von vorn herein starke „Frauenpartei“ klammere ich ein bißchen aus. Aber die Tendenz bliebe auch, wenn man die Grünen rausrechnet.
Jedenfalls sind sämtliche wichtigen randständige Parteien deutliche „Männerparteien“: AfD (rechter Rand), die Linke (linker Rand), FDP (neoliberaler Rand), Die Partei (satirischer Rand)

Ich bitte um Erklärungsansätze, die über „Frauen sind halt von Natur aus weniger experimentierfreudig“ hinausreichen, oder ggfalls. um die Falsifizierung meiner Einschätzung.

Danke und Gruß
F.

Frauen sind von Natur aus weniger extremistisch. weniger abenteuerlustig, ausgleichender, die Interessen anderer im Blick :smiling_imp:

Nach heutiger Forschungslage wird unser Verhalten zu großen Teilen von Hormonen und anderen Botenstoffen im Gehirn beeinflusst. Der Anteil der Hormone ist u.a. auch geschlechtsabhängig (Bsp. Testosteron - Östrogen), so dass sich hier statistische Unterscheide im Verhalten von Frauen und Männern zeigen.

Beatrix

„Die Partei“ hier überhaupt zu erwähnen, kann ich nicht für voll nehmen.

Die FDP ist keinesfalls randständig, sondern mittig. Sie auf ihren wirtschaftsliberalen Flügel zu beschränken, ist irreführend. Blieben AFD und Linkspartei.

Deine These ist bzgl. der SPD falsch. Vgl. „Tabelle 5“ von https://www.destatis.de/GPStatistik/servlets/MCRFileNodeServlet/RPHeft_derivate_00004132/31_repraes-wahlstatistik-bw2013.pdf;jsessionid=835DB28D84EEF3F133BB41CA6BE3364D

Bei der SPD-Wählerschaft gibt es einen leichten Männerüberschuss. Bei der CDU hingegen einen starken Frauenüberschuss. Wahrscheinlich wählen sie wg. der Kanzlerin bewusst oder unbewusst sexistisch.

Zudem könnte man mutmaßen, dass Frauen mehr auf Konsens bedacht sind als Männer und daher mittiger wählen. Bekanntlich sind ja die rechten und linken Ränder eher fundamental orientiert, was einerseits für eine klare Haltung steht, aber andererseits auch weniger Ausgleich unterschiedlicher Interessen zulässt.

Gruß
vdmaster

Für die Linke stimmt das nicht: Sie hat einen 40prozentigen Frauenanteil bei den Parteimitgliedern, etwa genauso viel haben auch die Grünen. Bei der AfD sind es 16 Prozent. Anders sieht es für die AfD beim Frauenteil in ihrer Wählerschaft aus: Er beträgt immerhin 39 Prozent, was deine These von der „Männerpartei“ doch stark relativiert. Bei der CDU beträgt dieser Anteil 48 Prozent, was vdmaster´s Behauptung eines „starken Frauenüberschusses“ (siehe unten) widerlegt.

Der Ausdruck „sexistisch“ ist hier in doppelter Weise abwegig: Erstens hat er eine Bedeutung, die unmöglich als ein Motiv für die Wahl Merkels durch eine Frau denkbar ist (außer er bezieht sich auf eine sexuell anspruchslose Lesbierin…), zweitens werden Frauen durch diese von vdmaster vorgebrachte Unterstellung zu simplen Gefühlsmenschen degradiert. Wenn hier also etwas sexistisch ist, dann ist es - sorry vdmaster - just deine Unterstellung.

Keineswegs.

Ich lehne mich hier einfach an die Definition von http://rzbl04.biblio.etc.tu-bs.de:8080/docportal/servlets/MCRFileNodeServlet/DocPortal_derivate_00001530/Document.pdf an.

Sexismus soll hier allgemein als eine Einstellung verstanden werden, die eine stereotype Einschätzung, Bewertung, Benachteiligung oder Bevorzugung einer Person allein auf Grund ihrer Geschlechtszugehörigkeit beinhaltet.

Mimimi. :cry:

:joy:

Weder ist es eine Degradierung zu „simplen Gefühlsmenschen“, noch ist es in irgendeiner Weise abwegig, dass Emotionen einen erheblichen Teil an der Wahlentscheidung tragen. Der/die rationale Vernunftwähler/in ist hingegen eher die Ausnahme.

Was immerhin darauf hindeutet, dass 61% der AfD-Wähler Männer sind. Ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die These von FHB zur Wählerschaft zumindest bezogen auf die AfD stimmt. Was erwartest Du denn? 90%?

Auf welche Quelle beziehst Du Dich denn? Gilt btw auch für die 39% Frauen, die AfD wählten.

Noch ne Quäle

Vgl. Schaubild 3 Stimmabgabe nach Geschlecht

Übrigens kommt man IMHO mit der Kombi aus Alter und Geschlecht viel weiter, um die augenfällige Präferenz für die CDU und gegen die Ränder zu verstehen.

Weder AfD noch Linkspartei haben bei den Senioren (70+) gute Chancen (Schaubild 4). Die sind aber qua Alter schon strukturkonservativer. Und der Frauenanteil in dieser Altersgruppe ist ebenfalls signifikant höher als in jüngeren Jahren.

Bzgl. der Wählerschaft der Linkspartei bist Du aber noch einen Beleg schuldig. Bei der AfD weiss man mittlerweile aus zahlreichen Wahlen, dass sie von Männern zwischen 25-59 deutlich überrepräsentativ präferiert wird. Ob sich dieser Aspekt aus Landtagswahlen auch bei der BT-Wahl in gleicher Intensität wiederfinden lassen wird, bleibt abzuwarten.

Eine hierzu umgehende These ist, dass Männer die gesellschaftliche „Stigmatisierung“ (ihrer Wahlentscheidung) weitaus weniger fürchten als Frauen.

Gruß
vdmaster

Kultur, Erziehung, Rollenverteilung.

Die beabelsche „Hormontheorie“ oder mastersche „sexistisch-Erklärung“ schließe ich mangels nachweisbaren Einflusses auf oder als Ursachen von „Entscheidungen“ aus. Man kann doch Dshihadistinnen keine Hormonstörungen unterstellen oder Transen Rationalität absprechen.

Franz

Ich habe mich auf die Wählerinnen bezogen.
Zitat der Partei selbst: „DIE LINKE gewinnt bei fast allen Wahlen mehr männliche Wähler als Wählerinnen. Eine Ausnahme bildet die Altersgruppe der 25-35jährigen“
https://www.die-linke.de/fileadmin/download/frauen/berichte/2014-04-03_zweiter_bericht_zur_geschlechtergleichstellung_in_der_linken.pdf

Beim Frauenanteil der Parteimitgliedschaften liegt die Linke m.E. sogar nach den Grünen an zweiter Stelle. Aber das setzt sich nicht konsequent in Wahlverhalten um.

Du hast aber recht, dass der ‚linke Rand‘ am wenigsten stark von den genannten Rändern „männlich“ ist. Aber eben auch. Zwar nicht stark, aber anhaltend.

Das sind 22 Prozentpunkte Unterschiede.
Das ist m.E. eine klare Sprache.

Gruß
F.

Wahlverhalten biologistisch über die Hormone zu erklären erscheint mir schwierig.
Möglicherweise ist das bei klaren Unterschieden plausibel.
Man könnte -etwas klischeehaft- sagen, das Mütterlich-Weiblich-Östrogenale in der Frau kann mit dem aggressiv-fremdenfeindlichen Testosteron-Zeug der Afd wenig anfangen.
Da ist vielleicht was dran.
Aber z.B. bei der Linken gehts immer nur im ein paar Prozentpunkte, nicht in allen Altersgruppen, nicht bei allen Wahlen. Die Unterschiede sind da, aber sie sind gering. Ähnlich bei der FDP. Da kann so eine biologistische Erklärung m.E. nicht greifen.

Gruß
F.

Es wäre ja auch falsch, irgend etwas mit und um „Die PARTEI“ für voll zu nehmen.
Übrigens m.W. auch die Piraten damals mit einem deutlichen Männerüberschuss in der Wählerschaft.

Sie hat sich die letzten Jahrzehnte über m.E. selbst darauf beschränkt.
Aber das wäre jetzt eine zu politische Debatte.

Für die beiden Merkel-Wahlen wäre sie (knapp) falsch.
Für die BTWs vorher dagegen wäre sie richtig, für viele LTWs auch.
Ingesamt habe ich diesen ganzen „mittigen“ GroKo-Bereich schwarz-rot(-grün)als „weiblicher“, die Ränder drum herum als „männlicher“ tituliert. Tendentiell dürfte das schon hinkommen, auch wenn innerhalb dieser „Mitte“ mal eher die CDU, mal eher die SPD eine ‚Frauenmehrheit‘ einfährt.

Mehr auf Konsens bedacht = sind konfliktscheuer?
So erkläre ich mir das auch, wenn ich es dann partout auf ein paar Worte begrenzen muss.

Vielleicht stecken auch Männer noch immer stärker in der Versorger-Rolle drin und haben deshalb mehr die wirtschaftlichen (harten) Thema im Blick, was m.E. bei allen genannten Rändern (mit Ausnahme der „PARTEI“) stärker ein Kern(identitäts)thema ist als bei schwarz-rot-grün.

Gruß
F.

Ja, definitiv.
Das stimmt.

Gruß
F.

#lach

Stimmt!

Gruß
F.

Hier habe ich mal eine Grafik (Nr.2) zum Wahlverhalten bei BT-Wahlen seit 1953 bis 2002. Bei der CDU/CSU und der SPD haben sich die Zahlen massiv angenähert. Man sieht auch, dass für diesen Zeitraum Deine These bzgl. der FDP und PDS nicht bestätigt. Selbst bei REPs und NPD erkennt man eine Angleichung im Wahlverhalten der Geschlechter.

In Grafik Nr.3 können wir erkennen, dass die AfD geradezu das (geschlechtliche) Pendant zu den Grünen darstellt. Dies wird unterstützt durch die Erkenntnis, dass die AfD zwar oft viele Wähler von der Linkspartei abwerben konnte, aber bei den Grünen so gut wie keine.

Gruß
vdmaster

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du bist hier voll in die Statistik-Falle gelaufen.
Eine statistisch relevante Mehrheit bedeutet nicht alle und nicht ausschließlich.

Ich selbst gehöre auch nicht unbedingt zum statistischen Stereotyp „Frau“, kann aber durchaus in meinem Umfeld beobachten, dass die weibliche Mehrheit so ist wie in entsprechenden Studien beobachtet und wissenschaftlich gedeutet…

Beatrix

Vielen Dank für diesen super Link!
M.E. bestätigt die Grafik „Wählerschaft nach Geschlecht“ (recht weit oben; leider ist keine Seitenangabe möglich) exakt meine Einschätzung, wenn man sie genau anschaut:

  • In diesem gesamten Zeitraum Nachkriegsdeutschlands hat ausnahmslos (evtl. außer 1982; erkennt man nicht gut genug) SPD und CDU/CSU zusammen genommen einen WählerINNEN-Überschuss bis heute. Seit ca. 1980 nicht mehr statisch, sondern wechselnd zwischen rot und schwarz, aber als Gesamt stabil.

  • Dazu die Grünen, die exakt seit ihrer „Entradikalisierung“ ca. um 1990 einen stabilen WählerINNEN-Überschuss haben, vorher nicht.

  • FDP und PDS/Linkspartei haben keine deutlichen, aber absolut stabile WählERüberschüsse über die ganzen Zeiträume hinweg (bis auf die einmalige kleine Ausnahme bei der FDP; evtl. auch bei der PDS eine einmalige Ausahme; das ist nicht gut sichtbar auf der Graphik).
    Diese kleinen, aber sehr zeitstabilen Unterschiede sind definitiv signifikant. Da brauchts keinen so deutlichen gap wie bei der AfD, um nach der Ursache fragen zu können.

  • AfD ist eh unstrittig.

Gruß
F.

Danke für eure Beiträge bisher.
Ich muss mich mittlerweile zweifach korrigieren:

„Ziemlich zeitstabil“ ist falsch, es müsste heißen „(fast) vollkommen zeitstabil“ (auf die BRD bezogen).

„Von vorn herein“ war eine vorurteilsbedingte Falschannahme meinerseits.
Die Grünen sind erst zur „Frauenpartei“ geworden, seit sie den Kurs Richtung Mitte eingeschlagen haben (um 1990).

Gruß
F.

Was damit zusammenhängen könnte, dass die Anzahl der Männer im WK heftig dezimiert wurde bzw. wg. langer Kriegsgefangenschaft nicht teilnehmen konnte. :wink:

Da es sich zudem um Abweichungen innerhalb der Wählerschaft der einzelnen Parteien handelte, müsste die Gegenrechnung erfolgen, indem man noch die prozentuale Erfolgsquote der Parteien als solcher hinzunimmt.

Ich habe hier mal die Alterspyramide für D aus dem Jahr 1969

grafik

Also so zugespitzt wie Du Deine These vorgestellt hast, würde ich sie nicht sehen. Oder anders: Der Effekt scheint mir weitaus marginaler zu sein, wenn man es aus mehreren Blickwinkeln betrachtet.

Dieser Männerlastigkeit in der Wählerschaft begegnen sie bewusst dadurch, dass sie eine gemischte Doppelspitze installierten. Allerdings haben sie sich mit Weidel eine ausgesucht, die dem Druck (TV-Auftritt) nicht ganz gewachsen ist.

Warten wir einmal ab, ob die Männerlastigkeit bei dieser Wahl etwas weniger wird oder stabil bleibt. Derzeit ist sie ja wirklich enorm (konträr zu den Grünen).

Gruß
vdmaster

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Ist völlig richtig, dass man nicht diese starre Geschlechter-Perspektive einnehmen muss, die meinem UP zu Grunde liegt, sondern z.B. das Alter einbeziehen kann und schon sieht das alles differenzierter und komplexer aus, wie du einsichtig dargelegt hast.
Aber wenn man sie einnimmt, dann scheint mir eben das rauszukommen.

Anzunehmen, dass die starke Männerlastigkeit über die Jahre bei der AfD abnehmen wird, wenn man davon ausgeht, dass das geschlechtsungleiche Wahlverhalten nicht unmittelbar von den Inhalten der Parteien abhängt, sondern von der jeweiligen Positionierung im Parteiensystem. Je stärker die AfD eingebunden werden wird, desto geringer der Geschlechtsunterschied bei den Wählerstimmen (bis auf einen stabilen Sockel vermutlich).
Die Zeit wirds zeigen :wink:

Gruß
F.

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Man sieht wie extrem randständig und wenig integriert (=eingebunden) die Grünen sind. :stuck_out_tongue_winking_eye:

Eben nicht.
Die ham ja einen Frauen-Überschuss :wink:

Insofern sind die heutigen Grünen die „mittigsten“ überhaupt, was ja -an Indikatoren wie der Koalitionsoffenheit gemessen- schlicht und einfach auch so der Fall ist. Nur die mittlerste Mitte kann mit jedem um sich herum.

Gruß
F.