Was bitte ist Emanzipation?

Verantwortung für die eigene Zukunft
Hallo Stefanie,

Bei Deinem letzten Absatz möchte ich gerne etwas anmerken.

Ja. Aber ich bin auch von den Frauen etwas desillusioniert.

Damit meinst Du wahrscheinlich, dass Du Deine Idealvorstellungen immer seltener in der Realität umgesetzt vorfindest. Ideale entstehen aus Erwartungen, bei deren Zielerreichung man leider zu oft die Hürdenhöhen unterschätzt.
Klartext:
Es war vor 2 Generationen vor uns leichter die Frau oder der Mann zu sein, weil die dazu gehörigen Rollen vom Umfeld genauestens deffiniert waren. Zur Rolle gehören Aufgaben und Kompetenzen, mit denen man sich profilieren kann, und dadurch seine Wertschätzung bekommt.

Heute ist alles möglich - Frauen können Hausfrau, oder Geldverdiener oder beides sein - aber es mangelt bei einigen Lebensmodellen noch an positiver Bestätigung. So bleiben viele einfach wie gehabt bei ihrer Hausfrauen- und Mutter-Rolle, und sind allein deshalb glücklich, weil sie Wertschätzung nicht nur von ihren Männern bekommen. Oder sie versuchen sich in der Männer- oder Doppelrolle, und geben sich mit Gegebenheiten (Vorurteile gegen vollberufstätige Frauen) und Halbheiten (auch halbherzige Bestätigungen „schön, dass Du etwas dazu verdienst“) zufrieden - vielleicht liegt es an der typisch weiblichen Eigenschaft nicht besonders ausgeprägte Konfliktfähigkeiten zu haben, zu wenig streitbar und zu sehr harmoniesüchtig zu sein.

Darum denke ich, dass die Erwartungen an Frauen, sich im Berufsleben stärker zu engagieren, deshalb so wenig Tatendrang nach sich ziehen, weil es an dem nötigen Selbstbild und dem bestätigenden Umfeld hapert.
Eine vielschichtige Persönlichkeit (Familienmensch und Karrierefrau) setzt Selbstbewußtsein, Intelligenz und Phantasie voraus, über die nicht jede verfügt.

Da Du anscheinend auch die „leidige Kinderfrage“ als eine der
Schlüsselfragen für die Emanzipation ansiehst - hast Du denn
den Eindruck, dass die Männer mehr Widerstand gegen die
ganztägige Kinderbetreuung aufbringen? Ich muss nämlich leider
sagen, dass ich da gerade da von den Frauen ziemlich
enttäuscht bin.

Einer Ganztagesbetreuung stehe ich persönlich sehr skeptisch gegenüber. Aus eigener Erfahrung (ich habe 2 Töchter) befürchte ich, dass nicht jedes Kind für diese Form von Kinderbetreuung geeignet ist, wenn sie so wie die Horte geführt werden, die ich hier kenne. Das ist eher ein Verwahren. Ich kenne einige Fälle, bei denen die schulischen Leistungen der Kinder rapide nach unten gegangen sind, weil zu wenig Erzieher für die Hausaufgabenbetreuung zuständig sind.
Ganztagesbetreuung muss in meinem Augen schon super sein, dass ich gelassen einen 35Stunden-Job annehmen und bewältigen kann. Da ist nämlich am Ende des Tages keine Zeit mehr um Diktat zu üben.

Aber ich habe auch Erwartungen an meine Geschlechtsgenossinnen, die von Karins Ideal gar nicht so weit entfernt sind:
Sich mit 40 Jahren mit dem Thema Leben als Rentnerin zu beschäftigen. Dazu gehört z.B. sich auch mit seiner finanziellen Situation zu beschäftigen. So kann ich mir vorstellen, dass frau zum einen ein gewisses Selbstbild von Autonomie entwickelt, und zum anderen Frauen durch ihre Eigenverantwortung seltener als befürchtet eine finanzielle Last für die Volkswirtschaft der kommenden Generationen sein müssen.
Nichtsdestoweniger ist der Weg dorthin nur durch Berufstätigkeit zu bewältigen. Vielleicht wird Hausarbeit doch noch eines Tages entlohnt?! :wink:))

viele Grüße
Claudia

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Hallo Claudia,

zu Deinen Ausführungen möchte ich zwei Dinge anmerken:

Es war vor 2 Generationen vor uns leichter die Frau oder der
Mann zu sein, weil die dazu gehörigen Rollen vom Umfeld
genauestens deffiniert waren.

Die Rollen mögen definiert gewesen sein, ob es aber leichter war als Mann in den Kreig zu ziehen oder als Frau zuhause, ggf. durch Unterstützung von kriegsgefangenen Arbeitskräften, den Laden zu schmeißen, erlaube ich mir anzuzweifeln. Und das wäre zwar für 40-50jährige die Elterngeneration gewesen, aber für die jüngeren, von denen ich eigentlich mehr erwarten würde, als ich im Umfeld meiner Tochter erlebe.

Im übrigen war in den zwanziger Jahren (also etwa die Generation wiederum davor, für mich die „Großeltern-Generation“) keineswegs mehr das Rollenverständnis so definiert, dass es eindeutig gewesen wäre. Das war eher noch das ausgehende 19. Jahrhundert, in dem aber schon die ersten Umbrüche stattfanden.

Einer Ganztagesbetreuung stehe ich persönlich sehr skeptisch
gegenüber.

Weil Du gottergeben meinst, das was heute geboten ist, sei nicht zu ändern? Für mich gehört selbstverständlich eine von „Verwahrung“ verschiedene Betreuung in ein vernünftiges Angebot. Das ist bestimmt einer der wichtigsten Punkte, die anzugehen sind.

Gruß, Karin

Hallo Karin,

Weil Du gottergeben meinst, das was heute geboten ist, sei
nicht zu ändern? Für mich gehört selbstverständlich eine von
„Verwahrung“ verschiedene Betreuung in ein vernünftiges
Angebot. Das ist bestimmt einer der wichtigsten Punkte, die
anzugehen sind.

Mehr als Gottergebenheit bleibt einer Einzelperson nicht übrig, solange Hortplätze unendliche Nachrückerlisten haben, egal wie nachlässig sie ihren Betrieb führen. Meine Freundin hatte ihren Sohn im Hort, und maulte dort ordentlich rum. Schulterzucken seitens der Erzieherinnen (sehr nette Frauen übrigens, sie waren immer bereit sich alles anzuhören und darüber zu diskutieren). An der Betreuungsqualität wird sich solange nichts ändern, bis genügend Gelder für genügend Erzieher vorhanden sind, und auf der anderen Seite kostet ein Hortplatz auch nicht besonders wenig Geld. Wer von den Eltern sollte bereit sein mehr zu zahlen, wenn ihre Kinder dort einigermaßen (da wird lieber nochmals Geld in Nachhilfe investiert) klar kommen.

Ich wollte an erster Stelle darauf aufmerksam machen, dass uns Eltern ein höheres Qualitätsbewußtsein in der Kinderbetreuung mindestens genauso wichtig sein sollte, wie die Forderung nach Ganztagesschulen. Ich fürchte mich nämlich vor dem Bummerang für unsere Gesellschaft, wenn dann aufgrund von schlechter Kinderbetreuung etliche Probleme und Mehrkosten entstehen.
Mit dem Aufruf „tu doch was dagegen, wenn Dich was stört“ komme ich nicht mehr klar, weil es auf Kompromisse und Schadensbegrenzung bestenfalls hinauslaufen würde, solange wir Eltern uns „nur“ mit Betreuung zufrieden geben, egal wie, hauptsache betreut und hauptsache bezahlbar.

viele Grüße
Claudia